01. Juli 2022
BGB § 1030

Vorbehalt eines Quotennießbrauchs bei Übertragung eines vermieteten Grundstücks; Schicksal des Mietvertrags

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 191011
letzte Aktualisierung: 1. Juli 2022

BGB § 1030
Vorbehalt eines Quotennießbrauchs bei Übertragung eines vermieteten Grundstücks;
Schicksal des Mietvertrags

I. Sachverhalt
Ein Vater überträgt auf seine beiden Töchter jeweils ein vermietetes Mehrfamilienhaus. Er will
sich dabei einen Quotennießbrauch zu 25/100 vorbehalten.

II. Frage
Welchen Einfluss hat dies auf die bestehenden Mietverhältnisse?

III. Zur Rechtslage
1. Ausgangspunkt
Wird vermieteter Wohnraum an einen Dritten veräußert, tritt dieser gem. § 566 BGB in die
Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag ein.

a) § 566 BGB bei Veräußerung von Miteigentum
Dies gilt auch für den Fall, dass Miteigentumsanteile veräußert werden (BGH NJW 2018,
2472, Rn. 35; BGH NJW-RR 2012, 237, 239, Rn. 23; LG Marburg NZM 2003, 394;
Herrler, MittBayNot 2019, 323, 325; ebenso zum Fall einer Veräußerung nur der Garage
bei einem einheitlichen Kaufvertrag über Wohnung und Garage BayObLG NJW-RR
1991, 651). Sinn der Norm ist es, zum Schutz des Mieters sicherzustellen, dass auch die
neuen (Mit-)Eigentümer, die ansonsten nach § 744 Abs. 1 BGB gemeinsam zur Verwaltung
berechtigt wären und daher der Vermietung widersprechen und ggf. Herausgabeansprüche
geltend machen könnten, an den Mietvertrag gebunden sind
(LG Marburg NZM 2003, 394).

Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Erwerber ein „Dritter“ im Sinn der Vorschrift
ist, also nicht bereits vorher Vermieter war (BGH NZM 2019, 208). Für eine Analogie
zu § 566 BGB besteht in diesem Fall kein Bedürfnis, weil der neue (Allein-)Eigentümer
bereits an den Mietvertrag gebunden ist.

b) § 566 BGB bei der Bestellung von Nießbrauchsrechten
Der Mieter wird neben der Übertragung von Eigentum auch für den Fall geschützt, dass
an der Mietsache ein dingliches Recht bestellt wird, dessen Ausübung dem Mieter den
vertragsgemäßen Gebrauch entziehen würde; § 566 BGB kommt in diesem Fall entsprechend
zur Anwendung (§ 567 S. 1 BGB). Auch dahinter steht der Gedanke, dass der
Mieter durch Veränderungen an den sachenrechtlichen Verhältnissen nicht sein Recht
zum Besitz an der Mietsache verlieren soll. Denn der Inhaber dieses Nutzungsrechts geht
dem Eigentümer vor und könnte daher sonst ohne Weiteres einen Gebrauch der Sache
durch einen Mieter unterbinden, der sie vor der Bestellung des dinglichen Nutzungsrechts
gemietet hat (BeckOGK-BGB/Harke, 1.1.2022, § 567 Rn. 2). Ein solches Recht
stellt insbesondere der Nießbrauch dar (BeckOGK-BGB/Harke, § 567 Rn. 5).

c) § 566 BGB bei Übereignung und gleichzeitiger Nießbrauchsbestellung (Vorbehaltsnießbrauch)
Wird vermieteter Grundbesitz allerdings unter (nicht auf eine Quote beschränktem)
Nießbrauchsvorbehalt übertragen, besteht im Ergebnis Einigkeit, dass der Veräußerer
Vermieter bleibt (vgl. BGH NJW 2006, 51, Rn. 13; Grüneberg/Bassenge, BGB, 81. Aufl.
2022, § 1030 Rn. 4). Fraglich ist lediglich, ob der Erwerber für eine juristische Sekunde
ebenfalls Vermieter wird (so OLG Karlsruhe NZM 2002, 293, gestützt auf §§ 567 S. 1,
566 BGB; ebenso wohl: Hannemann/Wiegner/Slomian, Münchener Anwaltshandbuch
Mietrecht, 5. Aufl. 2019, § 15 Rn. 37) oder nicht (LG Baden-Baden BeckRS 1992, 3616;
BeckOGK-BGB/Harke, § 567 Rn. 6; Schmidt-Futterer/Streyl, 15. Aufl. 2021, BGB
§ 567 Rn. 15; Mach, RNotZ 2017, 621, 625). Der Nießbrauchsvorbehalt wird also entweder
so behandelt, als habe keine Übertragung stattgefunden (zweite Ansicht) oder als
habe eine Übertragung und eine vollständige Rückübertragung stattgefunden (erste Ansicht).
Der BGH hat die Frage offen gelassen (BGH NJW 1983, 1780, 1781).

2. Anwendung auf den vorliegenden Fall
Auch durch die hier vorgesehene Vertragsgestaltung wird eine Situation geschaffen, in der
der Mieter sich sachenrechtlich einer Mehrheit von Personen gegenübersieht: Die beiden
Töchter des Alteigentümers halten das Grundstück – dies nehmen wir nach dem Sachverhalt
an – in Miteigentum; dabei ist (so nehmen wir weiter an) jeder Miteigentumsanteil mit einem
Quotennießbrauch von 25% belastet. Auch in diesem Fall ist die Verwaltung des Grundstücks
zwischen den verschiedenen Berechtigten geteilt. Auf die Miteigentümer finden die §§ 743,
744, 745 Abs. 2 BGB direkt, auf den Quotennießbraucher jedenfalls analog Anwendung
(s. zum Quotennießbraucher MünchKommBGB/Pohlmann, 8. Aufl. 2020, BGB § 1030
Rn. 98; BeckOGK-BGB/Servatius, Std.: 1.2.2022, § 1030 Rn. 56). Dies spricht u. E. dafür, in
dem vorliegenden Fall davon auszugehen, dass neben den beiden Eigentümerinnen (Töchter)
auch der Quotennießbraucher (Vater) Vermieter ist. Die Vermieter wären dann Gesamtschuldner
und -gläubiger.

Da sich Quotennießbrauch und Nießbrauch am ideellen Bruchteil hinsichtlich der Folgen für
die Verwaltung nicht voneinander unterscheiden, dürfte dieses Ergebnis auch davon unabhängig
sein, ob man beim (nicht auf eine Quote beschränkten) Nießbrauchsvorbehalt eine
Vermieterstellung des Erwerbers für eine juristische Sekunde annimmt oder nicht (s. dazu
oben 1.c). Sieht man den Nießbrauchsvorbehalt für Zwecke des Mietvertrags gedanklich wie
eine Hin- und Rückübertragung, entspricht der Vorbehalt eines Quotennießbrauchs einer
vollständigen Übertragung mit Rückübertragung eines Miteigentumsanteils, die mit den oben
genannten Stimmen zu einer Vermieterstellung aller Beteiligten führt. Gleiches gilt für die
Konstruktion, dass der Nießbrauchsvorbehalt einer Nicht-Übertragung gleichgesetzt wird;
die Schenkung mit Vorbehalt eines Quotennießbrauchs entspräche dann der Übertragung des
(vom Nießbrauch unbelasteten) Miteigentumsanteils. Auch dies würde nach allgemeinen
Regeln dazu führen, dass der Mieter sich einer Mehrzahl von Berechtigten gegenübersieht,
die nach den §§ 743 ff. BGB Verwaltungsrechte innehaben, sodass der Mietvertrag nach dem
Willen des Gesetzgebers gegen alle diese Beteiligten schützen soll.

Hiergegen spricht auch nicht das eingangs erwähnte Urteil des BGH, wonach die Übertragung
auf einen bereits am Mietverhältnis beteiligten Miteigentümer nicht unter § 566 BGB
fällt. Denn je nach Konstruktion des Nießbrauchsvorbehalts verbleibt entweder ohnehin ein
Teil der Vermieterstellung beim Veräußerer, oder er verliert diese – für eine „juristische
Sekunde“ – vollständig, sodass er dann „Dritter“ im Sinn der Norm ist, wenn er die Mitberechtigung
am Grundstück in Form des Quotennießbrauchs „wieder“ erhält.

3. Ergebnis
Auch wenn das vorstehend begründete Ergebnis – dass alle Beteiligten als Vermieter anzusehen
sind – u. E. schlüssig ist, ist darauf zu verweisen, dass die konkrete Frage in der Literatur
oder Rechtsprechung, soweit ersichtlich, bisher kaum diskutiert wird. Lediglich Slomian lehnt
eine Vermieterstellung auch der Erwerber bei einem Quotennießbrauchsvorbehalt ab, gibt
hierzu jedoch keine Begründung, sondern verweist lediglich auf ein nicht veröffentlichtes
(und auch uns nicht zugängliches) Urteil des AG Heilbronn vom 17.6.2005 (Az. 16 C
1164/05, nicht veröffentlicht) (s. Slomian, § 15 Rn. 37). Auf die damit einhergehende Rechtsunsicherheit
kann hier nur hingewiesen werden.

Vorsorglich bietet es sich jedenfalls an, Erklärungen der Vermieterseite (Kündigungen, Mieterhöhungsverlangen
etc.) durch alle Beteiligten vorzunehmen. Möglich bleibt selbstverständlich,
sich mit der Mieterseite im Wege einer (ggf. klarstellenden) Vertragsübernahme auf die
gewünschten Verhältnisse allseitig zu einigen.

Gutachten/Abruf-Nr:

191011

Erscheinungsdatum:

01.07.2022

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Dienstbarkeiten und Nießbrauch

Normen in Titel:

BGB § 1030