24. März 2020
BeurkG § 39a

Anwendbarkeit der ERVV im Grundbuchverfahren; elektronische Beglaubigung der Übereinstimmung mehrerer Abschriften mit den jeweiligen Haupturkunden in einem einzigen einfachen elektronischen Zeugnis

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 174498
letzte Aktualisierung: 24. März 2020

ERVV §§ 1, 4 Abs. 1; ERVLVO Rh-Pf § 1; GBO §§ 135 ff.; BeurkG § 39a
Anwendbarkeit der ERVV im Grundbuchverfahren; elektronische Beglaubigung der
Übereinstimmung mehrerer Abschriften mit den jeweiligen Haupturkunden in einem
einzigen einfachen elektronischen Zeugnis

I. Sachverhalt

In Rheinland-Pfalz ist der elektronische Rechtsverkehr in Grundbuchsachen eröffnet. Im
Rahmen des Vollzuges eines Kaufvertrages wurde elektronisch der Antrag auf Eigentumsumschreibung
gestellt. Mit dem Antrag wurden die Eintragungsdokumente, namentlich die steuerliche
Unbedenklichkeitsbescheinigung, die Vorkaufrechtsbescheinigung nach dem BauGB sowie
die Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz als eine elektronisch beglaubigte Abschrift
übersandt. Dies geschah dergestalt, dass die vorgenannten Eintragungsdokumente in
einem Scanvorgang eingescannt und daraus ein PDF/A-Dokument erstellt wurde (Mehrseitenscan).

Dieses PDF/A-Dokument (bestehend aus mehreren Seiten) wurde sodann elektronisch
beglaubigt und mit dem Antrag auf Eigentumsumschreibung dem Grundbuchamt übersandt.

Nach Auffassung des Grundbuchamtes liege darin eine nach § 4 Abs. 2 ERVV (Verordnung
über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das
besondere elektronische Behördenpostfach) unzulässige Übermittlung mehrere elektronischer
Dokumente mit einer gemeinsamen qualifizierten Signatur. Es lehnt daher die Eigentumsumschreibung
ab und verlangt das Einscannen der Eintragungsdokumente in einzelnen Dateien
unter Beifügung eines Beglaubigungsvermerks.

II. Frage

Ist es zulässig mehrere Vollzugsdokumente zu einer elektronischen Datei zusammenzufassen
und mit nur einem elektronischen Beglaubigungsvermerk zu versehen?

III. Zur Rechtslage

1. § 4 Abs. 2 ERVV; Anwendbarkeit; Inhalt der Regelung

Gemäß § 4 Abs. 2 ERVV dürfen mehrere elektronische Dokumente nicht mit einer
gemeinsamen qualifizierten elektronischen Signatur versehen werden.

a) (Keine) Verordnung i. S. d. § 135 Abs. 1 S. 2 GBO; Anwendungsbereich

Zunächst stellt sich die Frage, ob § 4 Abs. 2 ERVV im elektronischen Grundbuchverfahren
Anwendung findet. Das elektronische Grundbuchverfahren richtet sich
zunächst nach den §§ 135 ff. GBO. Gemäß § 135 Abs. 1 S. 2 GBO werden die Landesregierungen
ermächtigt, bestimmte, in § 135 Abs. 1 S. 2 GBO näher definierte Inhalte
durch Rechtsverordnung zu regeln. Hierzu gehören gem. § 135 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 GBO
auch die Regelung der Einzelheiten der Datenübermittlung und -speicherung. Zudem
wird gem. § 141 GBO das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz
ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates nähere Vorschriften
zu erlassen über die in § 141 S. 1 Nr. 1-5 GBO näher aufgeführten Inhalte.

Die Landesregierung von Rheinland-Pfalz hat von der ihr eingeräumten Ermächtigung
mit Erlass der ERLVO Gebrauch gemacht. Diese Verordnung ist seit dem 30.7.2015 in
Kraft. Auch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat von der
ihm eingeräumten Ermächtigung durch Einführung der §§ 94-100 GBV Gebrauch
gemacht.

Die ERVV hingegen basiert auf den in der Begründung zitierten gesetzlichen
Ermächtigungsgrundlagen: § 130a Abs. 2 S. 2 u. Abs. 4 Nr. 3 ZPO, § 46c Abs. 2 S. 2 u.
Abs. 4 Nr. 3 AGG, § 65c Abs. 2 S. 2 u. Abs. 4 Nr. 3 SGG, § 55a Abs. 2 S. 2 u. Abs. 4
Nr. 3 VwGO, § 52a Abs. 2 S. 2 u. Abs. 4 Nr. 3 FGO jeweils i. V. m. Art. 25
ERVGerFöG sowie auf § 14 Abs. 4 FamFG, § 81 Abs. 4 GBO und § 89 Abs. 4 SchiffsregisterO
(BGBl. 2017/I Nr. 75, S. 3803). Sie bezieht sich auf den elektronischen
Rechtsverkehr mit Gerichten in streitigen Verfahren, vgl. § 1 Abs. 1 ERRV. Das wird
insbesondere auch in dem Bezug auf § 81 Abs. 4 GBO deutlich, der die Beschwerde im
Grundbuchverfahren regelt. Bei der ERVV handelt es sich nicht um eine Verordnung
i. S. d. §§ 135 Abs. 1 S. 2, 141 GBO, sodass sie im Grundbuchverfahren zwar im
streitigen Beschwerdeverfahren, im Übrigen jedoch von vornherein keine Anwendung
findet.

b) Inhalt der Regelung; Verbot der sog. Container-Signatur

Selbst wenn § 4 Abs. 2 ERVV im Grundbuchverfahren anwendbar wäre, verbietet § 4
Abs. 2 ERVV – seinem Wortlaut entsprechend – lediglich das Übermitteln mehrerer
elektronischer Dokumente mit einer elektronischen Signatur. Der BGH hat zu
Regelungsziel und Auslegung des Wortlauts mit Beschl. v. 15.5.2019 – XII ZB 573/18
– ausgeführt (WM 2019 Heft 44, 2090):

„[18] (a) Die Vorschrift des § 4 Abs. 2 ERVV untersagt nach
ihrem Wortlaut die Verwendung einer qeS für mehrere elektronische
Dokumente. Gemäß dem im Gesetzgebungsverfahren
ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers
sollte mit der Neuregelung die nach der bis dahin geltenden
Rechtslage zulässige Möglichkeit, mehrere elektronische
Dokumente mit einer Container-Signatur zu versehen, ausgeschlossen
werden. Andernfalls wäre nach Ansicht des
Gesetzgebers eine Überprüfung der Authentizität und Integrität
der elektronischen Dokumente im weiteren Verfahren vor allem
für den Prozessgegner oder andere Verfahrensbeteiligte regel-
mäßig nicht mehr möglich, weil nach der Trennung der elektronischen
Dokumente die „Container-Signatur“ nicht mehr
überprüft werden könne. Insbesondere bei mehrere Verfahren
betreffenden elektronischen Dokumenten werde eine
solche Prüfung im Zuge der (geplanten) verbindlichen Einführung
der elektronischen Akte auch für Gerichtspersonen
unmöglich (vgl. BR-Drucks. 645/17, S. 15).

[19] Für das von der Rechtsbeschwerde vertretene Normverständnis,
das Verbot beziehe sich nur auf die Versendung
mehrerer für sich genommen formbedürftiger Dokumente und
nicht (wie hier) auf die eines einzigen formbedürftigen Schriftsatzes
nebst Anlage, findet sich weder im – nicht nach der Art der
elektronischen Dokumente differenzierenden – Wortlaut noch im
gesetzgeberischen Willen ein Anhaltspunkt. Der Ausschluss der
Container-Signatur schafft vielmehr die von der Aktenführung –
in Papierform und/oder elektronisch – unabhängige rechtliche
Grundlage, um für die gesamte Verfahrensdauer und alle Akteure
nachprüfbar sicherzustellen, dass das Dokument mit einem
nach Eingang bei Gericht unveränderbaren Inhalt einer
bestimmten verantwortenden Person zuzuordnen ist (vgl.
auch BSG, Beschluss vom 20. März 2019 – B 1 KR 7/18 B –
juris Rdn. 6). Dies lässt sich durch eine Container-Signatur
nicht gewährleisten, weil nur das Dokument, nicht jedoch
der Container mit Sicherheit zur elektronischen Akte
gelangt und die lediglich an dem Container angebrachte Signatur
mithin verloren gehen kann (vgl. Siegmund, NJW 2017, 3134,
3135). Insoweit verhält es sich nicht anders als bei einer nicht
unterschriebenen Berufungsbegründungsschrift, die in den
Gerichtsbriefkasten in einem verschlossenen – aber nicht zur
Akte genommenen – Briefumschlag eingeworfen wird, der einen
vom Prozessbevollmächtigten unterschriebenen Vermerk trägt.
Für diesen Fall hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden,
dass ein solcher auf dem Umschlag aufgebrachter Vermerk die
Unterschrift auf dem bestimmenden Schriftsatz nicht ersetzen
kann (BGH, Beschluss vom 27. März 1980 = VersR 1980, 765).“

Aus der überzeugenden Argumentation des BGH kann entnommen werden, dass
Hintergrund und Anlass der Einführung des § 4 Abs. 2 ERVV ist, dass sich die
Authentizität und Integrität eines Dokuments nicht überprüfen lässt, wenn mehrere
Dokumente in einem Datencontainer zusammengefasst werden (vergleichbar mit einem
Dokumentenordner). Denn die Signatur bezieht sich nicht auf jedes digitale Dokument,
sondern auf den diese umschließenden Datencontainer und ist bei Auflösung des
Containers dem jeweiligen Dokument nicht mehr zuzuordnen. Dieses Problem besteht
aber im Falle der Zusammenfassung mehrerer ursprünglich getrennter Papierdokumente
in einer digitalen Datei und damit in einem digitalen Dokument jedoch
ebenso wenig, wie bei der sog. Stapelsignatur (vgl. für die Stapelsignatur Anm.
Schmieder, Ulrich, BGH NJW 2019, 2230). Im Falle der sog. Stapelsignatur wird eine
digitale Signatur an gleich mehrere Dokumente mit nur einer PIN-Eingabe angebracht
(vgl. hierzu BNotK-Intern 2/2008; beA-Newsletter 38/2017). Jede Datei wird durch
die einmalige PIN-Eingabe signiert und bleibt mit der Signatur auf Dauer verbunden.

Im vorliegenden Fall der Zusammenfassung mehrerer ursprünglich getrennter Papierdokumente
in einer digitalen Datei existiert nur ein signiertes, digitales Dokument, mit
welchem die Signatur ebenfalls auf Dauer verbunden bleibt.

Die für den vorliegenden Fall eigentlich relevante Frage, ob mehrere Dokumente in
einem digitalen Dokument zusammengefasst werden können und eine elektronische
Beglaubigung der Übereinstimmung mehrerer Abschriften mit den jeweiligen Haupturkunden
in einem einzigen einfachen elektronischen Zeugnis erfolgen kann, ist keine
Frage der von § 4 Abs. 2 ERVV geregelten Datenübermittlung, sondern eine sich nach
dem BeurkG richtende Frage der Errichtung des Beglaubigungsvermerks.

2. Zur Zulässigkeit der elektronischen Beglaubigung der Übereinstimmung mehrerer
Abschriften mit den jeweiligen Haupturkunden in einem einzigen einfachen elektronischen
Zeugnis

Gem. § 39a Abs. 1 BeurkG können u. a. Beglaubigungen elektronisch errichtet werden,
wobei das erstellte Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen
ist.

Einer der Anwendungsfälle des einfachen elektronischen Zeugnisses ist die Herstellung
elektronisch beglaubigter Abschriften von notariellen Urkunden oder nicht notariellen
papiergebundenen Dokumenten (Winkler, BeurkG, 19. Aufl. 2019, § 39a Rn. 9). Da der
elektronische Beglaubigungsvermerk gem. § 39a Abs. 1 S. 1 BeurkG an die Stelle des
papiergebundenen Beglaubigungsvermerks i. S. d. § 42 BeurkG tritt, gelten die
Anforderungen des § 42 BeurkG entsprechend (Winkler, § 39a Rn. 13). Im Rahmen des
§ 42 BeurkG ist anerkannt, dass die Beglaubigung der Übereinstimmung mehrere
Abschriften mit den jeweiligen Haupturkunden in einem einzigen Vermerk zulässig ist
(BeckOGK-BeurkG/Theilig, Std.: 1.1.2020 m. w. N., § 42 Rn. 20; Winkler, § 42 Rn. 12;
Armbrüster/Preuß/Renner/Preuß, BeurkG, 8. Aufl. 2020, § 42 Rn. 4). Die untrennbare
Verbindung erfolgt durch die Zusammenfassung in einer Datei.

Ergänzender Hinweis für die Praxis (aktualisiert am 30.3.2020):

Unabhängig von der hier dargestellten Rechtslage dürfte es sich in der Praxis empfehlen,
verschiedenartige Dokumente nicht in einem signierten elektronischen Dokument
zusammenzufassen. Den Grundbuchämtern wird die Arbeit erheblich erleichtert, wenn die
jeweiligen Antragsdokumente einzeln vorliegen und so gesondert in der elektronischen Akte
abgelegt werden können. Ferner wird den Notaren die Arbeit im Hinblick auf die heute schon
zum Teil mögliche Einsicht in die elektronische Grundakte erleichtert, da dort dann auch die
jeweiligen Dokumente einzeln und nicht als ggf. unübersichtliche Sammeldatei vorliegen.

Gutachten/Abruf-Nr:

174498

Erscheinungsdatum:

24.03.2020

Rechtsbezug

National

Normen in Titel:

BeurkG § 39a