Zuwendung eines gem. § 2306 BGB belasteten Erbteils und eines Vermächtnisses an Pflichtteilsberechtigten; Handlungsmöglichkeiten
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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 178240
letzte Aktualisierung: 07. Januar 2021
BGB §§ 2305, 2306, 2307
Zuwendung eines gem.
Pflichtteilsberechtigten; Handlungsmöglichkeiten
I. Sachverhalt
Mit notariellem Erbvertrag wurden die drei Söhne des kürzlich verstorbenen Erblassers E aus
erster Ehe als Nacherben, die den E überlebende zweite Ehefrau des E als befreite Vorerbin
eingesetzt. Der Nacherbfall tritt mit dem Tode der Vorerbin ein. Die drei Söhne erhalten zusätzlich
vermächtnisweise je 50.000,00 €, die drei Monate nach Ableben des Ehemannes auszuzahlen
sind. Der Nachlass beträgt ca. 1,6 bis 2 Mio. €. E und seine zweite Ehefrau lebten in Gütertrennung.
Der Pflichtteil der Söhne beträgt somit je 1/8, d. h. wertmäßig ca. 200.000,00 bis
250.000,00 €.
II. Frage
Welche Wahlmöglichkeiten haben die Söhne als Nacherben mit Blick auf
der Erbschaft umzugehen?
III. Zur Rechtslage
1. Grundsätzlich ist vorab zu beachten: Die drei Söhne des Erblassers E aus erster Ehe wurden
hier zu Nacherben des Erblassers berufen. Nach
Nacherben eingesetzte Pflichtteilsberechtigte wie ein beschwerter Erbe i. S. v. § 2306 Abs. 1
BGB behandelt. Die Beschwerung liegt darin, dass er nicht sofort, sondern erst zeitlich versetzt
mit dem Eintritt des Nacherbfalles Erbe wird (BeckOK-BGB/Müller-Engels,
Std.: 1.2.2020, § 2306 Rn. 26).
für aufschiebend befristet eingesetzte Nacherben. Sind die Nacherben auf den Tod des
Vorerben berufen, wie es hier durch den Erblasser angeordnet wurde, so liegt eine
Befristung in diesem Sinne vor. Darüber hinaus wird die Anwendbarkeit von § 2306 Abs. 2
BGB mit der mittlerweile wohl überwiegenden Meinung auch dann bejaht, wenn ein Nacherbe
aufschiebend bedingt eingesetzt ist (OLG Köln
bei BeckOGK-BGB/Obergfell, Std.: 15.3.2020, § 2306 Rn. 7).
Die für die Erlangung des ungeschmälerten Pflichtteilsanspruchs gem. § 2303 Abs. 1 S. 2
BGB sonach jedenfalls erforderliche Ausschlagung der Nacherbschaft (§ 2306 Abs. 2, 1
BGB) kann der Nacherbe nach
BGB), also noch vor Eintritt des Nacherbfalls. Die Ausschlagungsfrist des
nach deren Ablauf eine wirksame Ausschlagung nicht mehr möglich ist, beginnt für den
Nacherben dagegen erst mit Kenntnis vom Nacherbfall gem.
vor Anfall der Erbschaft noch keine Kenntnis davon gegeben sein kann (s. BayObLGZ
1966, 271, 274; Palandt/Weidlich, § 2142 Rn. 2).
2. Im vorliegenden Fall wurde nun den drei Söhnen des Erblassers neben dem i. S. v. § 2306
Abs. 2 BGB belasteten Erbteil jeweils ein Vermächtnis zugewendet. Logisch stehen den
Bedachten in derartigen Fällen jeweils vier Handlungsmöglichkeiten offen: Sie können
(1) beide Zuwendungen annehmen, (2) andererseits beide ausschlagen, (3) nur den Erbteil
annehmen und das Vermächtnis ausschlagen oder (4) umgekehrt vorgehen. Für die Rechtsfolgen
dieser Handlungsoptionen gilt nach einhelliger Meinung Folgendes (s. insbes.
BeckOK-BGB/Müller-Engels, § 2307 Rn. 14 f.; Überblicke ferner bei Staudinger/Otte,
BGB, 2015, § 2307 Rn. 24 ff.; ausführlich zur Rechtslage vor dem 1.1.2010:
Soergel/Dieckmann, BGB, 2002, § 2307 Rn. 14 ff.):
- Wurde dem Pflichtteilsberechtigten neben dem Vermächtnis ein Erbteil zugewandt, der
mit Belastungen i. S. v.
und Erbteil an, so kann ihm ein Pflichtteilsrestanspruch nach
aber nur dann, wenn Erbteil und Vermächtnis zusammengerechnet (ohne Berücksichtigung
ihrer Belastungen) den Pflichtteil nicht erreichen (so auch Horn, in:
Burandt/Rojahn, Erbrecht, 3. Aufl. 2019, § 2307 Rn. 43; Option (1)).
- Soll der belastete Erbteil ausgeschlagen werden, so kommt es aufgrund der Neufassung
des
ob der hinterlassene Erbteil den Pflichtteil übersteigt oder nicht. Insoweit gilt nun einheitlich:
Wird der belastete Erbteil ausgeschlagen, so erwirbt der Pflichtteilsberechtigte
hierdurch gem. § 2306 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 BGB seinen vollen Pflichtteilsanspruch.
Auf diesen ist der Wert des Vermächtnisses nach
(Option (4)), sofern das Vermächtnis nicht auch ausgeschlagen wird. Seinen vollen
Pflichtteilsanspruch gem.
folglich nur durch Ausschlagung von Erbteil und Vermächtnis, wobei die zeitliche
Reihenfolge nicht von Bedeutung ist (so auch Palandt/Weidlich, § 2307 Rn. 5; Option
(2)).
- Wird dagegen nur das Vermächtnis ausgeschlagen, der belastete Erbteil dagegen
angenommen, so erwirbt der Pflichtteilsberechtigte entgegen
keinen vollen Pflichtteilsanspruch nach
ist bzw. – im hier gegebenen Fall des
steht allenfalls nach
Der im Rahmen des
Erbteil und der Hälfte des gesetzlichen Erbteils erfolgt nach denselben Kriterien wie bei
diesem Grundsatz geht die wohl überwiegende Meinung bis heute weiterhin davon aus, dass
im Falle der Anrechnung oder Ausgleichung gem.
unter Berücksichtigung dieser Anrechnungs- und Ausgleichungspflichten zu errechnen ist
(Werttheorie; Staudinger/Otte, § 2305 Rn. 15 ff.; Palandt/Weidlich, § 2305 Rn. 3;
BeckOK-BGB/Müller-Engels, § 2305 Rn. 3; Gegenansicht insbes. bei
MünchKommBGB/Lange, 8. Aufl. 2020, § 2305 Rn. 5).
3. Für die in Frage kommenden Handlungsmöglichkeiten gilt u. E. demnach:
Die Söhne haben in der Tat die Möglichkeit, das ihnen jeweils zugewandte Vermächtnis
i. H. v. 50.000,00 € anzunehmen und zu warten, bis der Nacherbfall eintritt, und sie damit
Nacherben werden (zu Ihrer Anmerkung 1) = Option (1)). Nehmen die Söhne dementsprechend
jeweils das Vermächtnis und auch die Nacherbschaft an, so kommt nur dann ein
Pflichtteilsrestanspruch nach
zusammengerechnet den Pflichtteil nicht erreichen. Davon wird man hier nicht ausgehen
können. Die Gefahr einer doppelten Begünstigung der Söhne besteht also nach der anerkannten
Rechtslage nicht (zu Ihrer Anmerkung 3); gehört noch zu Option (1)).
Schlagen sie das Vermächtnis aus, dagegen nicht die Nacherbschaft, so steht ihnen nicht
gem.
Abs. 2 BGB auch die Ausschlagung der Nacherbschaft erforderlich wäre. In dieser Fallkonstellation
kommt lediglich nach
Betracht. Bleibt es insoweit bei der Grundregel, dass der Wertvergleich im Rahmen von
Pflichtteilsrestanspruch gänzlich aus, da die den Söhnen zugewandte Nacherbquote die
Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils klar übersteigt (zu Ihrer Anmerkung 2= Option (3)).
Weiter haben die Söhne auch in dem Ihnen unterbreiteten Sachverhalt die unter Ziff. 2 dargestellten
Optionen (2) und (4).
178240
Erscheinungsdatum:07.01.2021
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:Pflichtteil
Normen in Titel:BGB § 2305; BGB § 2307; BGB § 2306