11. September 2020
BGB § 877; BGB § 1098; BGB § 876; BGB § 473; BGB § 1094

Übertragung eines nicht übertragbaren subjektiv-persönlichen Vorkaufsrechts; Erfordernis der vorhergehenden Inhaltsänderung und der Zustimmung des Inhabers eines nachrangigen Vorkaufsrechts

BGB §§ 1094, 1098, 473, 877, 876
Übertragung eines nicht übertragbaren subjektiv-persönlichen Vorkaufsrechts; Erfordernis der vorhergehenden Inhaltsänderung und der Zustimmung des Inhabers eines nachrangigen Vorkaufsrechts

I. Sachverhalt
Im Grundbuch ist unter den lfd. Nrn. 1 und 2 in Abt. II jeweils ein Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle eingetragen. Unter Nr. 1 steht das Vorkaufsrecht für die Firma A GmbH & Co. KG verzeichnet, unter Nr. 2 für die B-KG.

Der Eigentümer des mit den Vorkaufsrechten belasteten Grundstücks sowie die Berechtigte zur lfd. Nr. 1 in Abt. II beabsichtigen nun, dieses Vorkaufsrecht an einen Dritten abzutreten. Die Abtretung soll aber nur erfolgen, wenn dadurch der Rang gewahrt bleibt, wenn also nicht durch die Abtretung das Vorkaufsrecht unter Nr. 2 plötzlich vorrangig wird. Hintergrund der Gestaltung ist, dass über das Vermögen der Berechtigten zu Nr. 1 ein Insolvenzverfahren eröffnet ist und sie das Vorkaufsrecht deshalb nicht ausüben möchte.

Ein Fall der „Universalsukzession“ i. S. v. § 1098 Abs. 3 BGB liegt nicht vor. Eine Regelung zur Übertragbarkeit haben die Beteiligten bei Bestellung des Vorkaufsrechts nicht getroffen.

II. Frage
Lässt sich ein Vorkaufsrecht rangwahrend an einen Dritten abtreten, wenn sich Grundstücks­eigentümer, Inhaber des Vorkaufsrechts und Abtretungsempfänger einig sind und an der Ur­kunde mitwirken?

III. Zur Rechtslage
1. (Un-)Übertragbarkeit eines subjektiv-persönlichen Vorkaufsrechts
Gem. § 1094 Abs. 1 BGB kann ein Grundstück in der Weise belastet werden, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, dem Eigentümer gegenüber zum Vorkauf berechtigt ist. Dieses sog. subjektiv-persönliche Vorkaufsrecht ist grundsätzlich weder vererblich noch übertragbar, sofern nicht etwas anderes vereinbart ist, §§ 1098 Abs. 1 S. 1, 473 S. 1 BGB (vgl. statt aller BeckOGK-BGB/Omlor, Std.: 1.6.2020, § 1098 Rn. 29). Wenn das Vorkaufsrecht übertragbar und/oder vererblich sein soll, bedarf diese Vereinbarung einer Verlautbarung im Grundbuch, wofür allerdings eine Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung i. S. v. § 874 BGB genügt (BeckOGK-BGB/Omlor, Std.: 1.6.2020, § 1094 Rn. 61; BeckOK-BGB/Reischl, Std.: 1.8.2020, § 1098 Rn. 16; BeckOK-GBO/Kral, Std.: 1.6.2020, § 44 Rn. 78; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 1428).

Gem. §§ 1098 Abs. 3, 1059a BGB ist ein nicht übertragbar ausgestaltetes dingliches Vorkaufsrecht ausnahmsweise in bestimmten Fällen der Universalsukzession (z. B. § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG) und Unternehmensübernahme übertragbar (vgl. BeckOGK-BGB/Omlor, § 1094 Rn. 62, § 1098 Rn. 29 ff.; MünchKommBGB/Westermann, 8. Aufl. 2020, § 1098 Rn. 13; Staudinger/Schermaier, BGB, 2017, § 1098 Rn. 21).

Nach dem vorliegenden Sachverhalt ist indes von einem grundsätzlich nicht übertragbaren Vorkaufsrecht auszugehen. Ein Fall des § 1098 Abs. 3 BGB ist nicht gegeben.

2. Übertragung des Vorkaufsrechts unter alleiniger Zustimmung des Grundstücks­eigentümers?
Die Übertragung eines dinglichen Vorkaufsrechts erfolgt gem. § 873 BGB durch Einigung zwischen dem bisherigen Vorkaufsberechtigten und dem künftigen Vorkaufsberechtigten sowie Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch. Das heißt, das Vorkaufsrecht geht erst dann auf den künftigen Vorkaufsberechtigten über, wenn dieser als neuer Rechtsinhaber im Grundbuch verlautbart wird (vgl. BGH NJW-RR 2010, 23 Rn. 7; Erman/Grziwotz, BGB, 15. Aufl. 2017, § 1094 Rn. 6; BeckOGK-BGB/Omlor, § 1094 Rn. 61).

Es stellt sich die Frage, ob sich die bisher fehlende Übertragbarkeit des Vorkaufsrechts (allein) durch die Zustimmung des Grundstückseigentümers – entsprechend dem Rechtsgedanken des § 185 BGB – überwinden lässt. Die umstrittene Frage, ob ohne Zustimmung des vorkaufsverpflichteten Grundstückseigentümers die rechtsgeschäftliche Übertragung eines nicht übertragbar ausgestalteten Vorkaufsrechts absolut oder nur relativ im Verhältnis zum Grundstückseigentümer unwirksam ist (vgl. zum Streitstand MünchKommBGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, § 135 Rn. 17 m. w. N.), darf im vorliegenden Fall dahinstehen, da nach dem mitgeteilten Sachverhalt der Grundstückseigentümer mitwirkungsbereit ist. Entscheidend ist also nur, ob das Vorkaufsrecht ohne Mitwirkung von nachrangig eingetragenen Berechtigten, insbesondere ohne Mitwirkung der B-KG übertragen werden kann.

Nach Ansicht des OLG Hamm kann ein subjektiv-persönliches Vorkaufsrecht nicht bereits dadurch wirksam übertragen werden, dass der Eigentümer des belasteten Grundstücks der rechtsgeschäftlichen Übertragung vom bisherigen auf den neuen Rechtsinhaber zustimmt (OLG Hamm FGPrax 2017, 156 – im Leitsatz dort wohl irrtümlich als subjektiv-dinglich bezeichnet). Erforderlich sei vielmehr (zunächst) eine grundbuchlich zu vollziehende Inhaltsänderung (§ 877 BGB) des Vorkaufsrechts dahingehend, dass das Vorkaufsrecht nunmehr übertragbar sein solle (vgl. auch MünchKommBGB/Kohler, 8. Aufl. 2020, § 877 Rn. 6; BeckOK-BGB/Reischl, § 1098 Rn. 16; Staudinger/C. Heinze, 2018, § 877 Rn. 21).

Obgleich wir keine weitere Rechtsprechung ausfindig machen konnten, die sichmit dieser dogmatischen Sichtweise auseinandersetzt, halten wir die Ansicht des OLG Hamm im Grundsatz für überzeugend. Die Übertragung eines bislang nicht übertragbar ausgestalteten Vorkaufsrechts setzt denknotwendig zunächst die Änderung von dessen Inhalt voraus (vgl. auch OLG Hamm BeckRS 2014, 19793 = notar 2015, 93, wonach es sich bei der „Übertragung“ dinglicher Rechte, die gesetzlich zwingend unübertragbar sind, nicht um eine Inhaltsänderung, sondern um eine Neubestellung handelt). Unseres Erachtens ist zwar ein zweistufiger grundbuchlicher Vollzug (erst Inhalts­änderung und sodann Übertragung) nicht erforderlich. Plausibel erscheint indes die dogmatische Grundannahme, dass es sich nicht um die Verfügung eines „Nichtberechtigten“ (= derzeitiger Vorkaufsberechtigter) handelt, die allein durch eine Zu­stimmung des „Berechtigten“ (= Grundstückseigentümer) wirksam werden kann, sondern dass ein Rechtsvorgang im An­wendungsbereich des § 877 BGB gegeben ist.

Ausgehend davon, dass die Übertragung eines nicht übertragbaren Vorkaufsrechts zunächst eine inhaltliche Änderung des Rechts gem. § 877 BGB voraussetzt,könnte vorliegend die Mitwirkung der nachrangig Vorkaufsberechtigten (B-KG) gem. § 876 BGB erforderlich sein. Die rangwahrende Inhaltsänderung eines dinglichen Rechts bedarf grundsätzlich der Zustimmung gleich- und nachrangig Berechtigter, es sei denn, dass eine rechtlich nachteilige Betroffenheit dieser Be­rechtigten ausgeschlossen werden kann. Eine Zustimmung von gleich- oder nachrangigen Berechtigten ist also (nur ausnahmsweise) dann entbehrlich, wenn diese in ihrer dinglichen Rechtsstellung durch die Inhaltsänderung nicht berührt werden (vgl. BGH NJW 1984, 2409, 2410; BeckOGK-BGB/Enders, Std.: 1.7.2020, § 877 Rn. 41 m. w. N.). Unseres Erachtens handelt es sich bei der „Umwandlung“ eines nicht übertragbaren Vorkaufsrechts in ein (einmalig) übertragbares Recht um einen Rechtsvorgang, der einen nachrangigen Vorkaufsberechtigten in rechtlich nachteiliger Weise tangiert. Dies verdeutlicht der vorliegende Sachverhalt: Denn ist der vorrangig Vorkaufsberechtigte nicht willens oder in der Lage, das Vorkaufsrecht auszuüben, so kommt der nachrangig Berechtigte zum Zuge (vgl. BeckOGK-BGB/Omlor, § 1094 Rn. 56; Staudinger/Schermaier, § 1094 Rn. 11; jurisPK-BGB/Heintz, 9. Aufl. 2020, § 1094 Rn. 37). Dies soll nun durch die Übertragung des vorrangigen Vorkaufsrechts verhindert werden.

3. Ergebnis
Im Ergebnis gehen wir daher davon aus, dass die Übertragung des Vorkaufsrechts neben der Mitwirkung des Grundstückseigentümers auch einer Zustimmung des nachrangigen Vorkaufsrechtsberechtigten gem. §§ 877, 876 BGB bedarf.

Gutachten/Abruf-Nr:

178584

Erscheinungsdatum:

11.09.2020

Rechtsbezug

National

Erschienen in:

DNotI-Report 2020, 137-139

Normen in Titel:

BGB § 877; BGB § 1098; BGB § 876; BGB § 473; BGB § 1094