24. Oktober 2019
BGB § 2177; BGB § 2065; BGB § 2151

Zustimmung des Testamentsvollstreckers als Potestativbedingung für Vermächtnisanfall

BGB §§ 2065, 2074, 2151, 2177
Zustimmung des Testamentsvollstreckers als Potestativbedingung für Vermächtnisanfall

I. Sachverhalt
In einem Erbvertrag möchten die Testierenden anordnen, dass der Erbe des Längerlebenden für die Dauer von zehn Jahren über eine im Nachlass befindliche Immobilie nicht verfügen darf. Auch eine Vermietung oder sonstige Gebrauchsüberlassung zu Wohnzwecken soll für diesem Zeitraum nicht zulässig sein, es sei denn, der im Erbvertrag bestimmte Testamentsvollstrecker stimmt der Gebrauchsüberlassung zu (Hintergrund ist die derzeitige Nutzung der Immobilie als Kunstgalerie, die für den vorgenannten Zeitraum aufrechterhalten bleiben soll). Für den Fall des Verstoßes gegen das Veräußerungs-/Vermietungsverbot soll der Erbe im Wege des Vermächtnisses verpflichtet sein, an einen Dritten eine bestimmte Geldsumme zu zahlen, sofern die Zustimmung des Testamentsvollstreckers nicht vorliegt.

II. Frage
Kann die Zustimmung des Testamentsvollstreckers zulässiger Bestandteil der Bedingung für den Anfall des Vermächtnisses sein?

III. Zur Rechtslage
1. Höchstpersönlichkeit der Testamentserrichtung
§ 2065 BGB verwirklicht den Grundsatz der materiellen Höchstpersönlichkeit der Testamentserrichtung. Er will die persönliche Verantwortung des Erblassers gewährleisten, der von der gesetzlichen Erbfolge abweichen will (vgl. MünchKommBGB/Leipold, 7. Aufl. 2017, § 2065 Rn. 1). Hierzu ordnet § 2065 Abs. 1 BGB an, dass der Erblasser eine letztwillige Verfügung nicht in der Weise treffen kann, dass ein anderer zu bestimmen hat, ob sie gelten oder nicht gelten soll. Der Erblasser kann nach § 2065 Abs. 2 BGB ferner die Bestimmung der Person, die eine Zuwendung erhalten soll, sowie die Bestimmung des Gegenstands der Zuwendung nicht einem anderen überlassen. Hiervon unberührt bleibt jedoch § 2074 BGB, der voraussetzt, dass letztwillige Zuwendungen auch unter einer aufschiebenden Bedingung gemacht werden können; dies ist Ausdruck der Testierfreiheit.

Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht um eine bedingte Erbeinsetzung, sondern um ein bedingtes Vermächtnis. Für Vermächtnisse sind in weiterem Umfang Abweichungen vom Grundsatz der materiellen Höchstpersönlichkeit im Vermächtnisrecht vorgesehen, nämlich in den §§ 2151 ff. BGB. Die hier in Aussicht genommene Bedingung, dass der Testamentsvollstrecker bei einem an sich gegebenen Verstoß gegen das Veräußerungs-/Vermietungsverbot den Anfall des Vermächtnisses verhindern kann, indem er seinerseits der Gebrauchsüberlassung zustimmt, lässt sich jedoch unter keine der in §§ 2151 ff. BGB vorgesehenen Ausnahmen vom Grundsatz der materiellen Höchstpersönlichkeit subsumieren. Insbesondere ist auch nicht erkennbar, dass der Testator hier einen besonderen Zweck des Vermächtnisses festgelegt hätte, sodass die Drittbestimmungsmöglichkeit aus § 2156 BGB eröffnet wäre. Weiter dürfte es nach unserem Verständnis keine unter §§ 2156 S. 2, 315 BGB zu fassende Ausübung des Bestimmungsrechts sein, entweder den Anfall oder den Nichtanfall einer bestimmten festgelegten Vermächtnissumme zu bestimmen, indem der Testamentsvollstrecker seine Zustimmung verweigert oder erteilt. Allerdings wird die Zulässigkeit der Anordnung eines Vermächtnisses unter einer aufschiebenden Bedingung im Vermächtnisrecht durch § 2177 BGB nochmals ausdrücklich bestätigt. Dass die hiernach zugelassene Bedingung auch von einer Willensbetätigung des Bedachten abhängen kann, illustrieren die nicht selten verwendeten Wiederverheiratungsklauseln bei der Anordnung eines Vermächtnisses (hierzu BeckOGK-BGB/Müller-Engels, Std.: 1.7.2019, § 2177 Rn. 31 f.). Spezifische Vorschriften oder Wertungen, die für die Grenzziehung zwischen § 2065 BGB einerseits sowie §§ 2074, 2177 BGB andererseits fruchtbar zu machen wären, enthält das Vermächtnisrecht nach dem zuvor Gesagten für die hier geschilderte Fallgestaltung jedoch nicht. Es bleibt also dabei, dass für die vorliegende Fallgestaltung die Abgrenzung zwischen dem Grundsatz der materiellen Höchstpersönlichkeit und zulässigen Ausnahmen hiervon unter Anwendung der §§ 2065, 2074 BGB gefunden werden muss.

2. Zulässigkeit von Potestativbedingungen
Aus § 2074 BGB geht zwar hervor, dass die bedingte Anordnung eines Vermächtnisses zulässig ist. Dies gilt nicht nur für solche Potestativbedingungen, die in einer bestimmten Willensbetätigung des Bedachten selbst bestehen. Im Grundsatz sind darüber hinaus auch solche Potestativbedingungen zulässig, die – wie hier in Form der Zustimmung des Testamentsvollstreckers – in der Willensbetätigung eines Dritten bestehen. Jedoch muss es dem Erblasser entscheidend auf den Eintritt oder Nichteintritt des Ereignisses ankommen, wobei entscheidend auf seine Erwartungshaltung abzustellen ist (BeckOGK-BGB/Gomille, Std.: 1.7.2018, § 2065 Rn. 19). Die an ein Drittverhalten geknüpfte Potestativbedingung ist hiernach zulässig, wenn der Erblasser die Folge von Eintritt und Nichteintritt bei seiner Willensbildung bedacht hat und nicht davon ausgeht, dass für den maßgeblichen Dritten die Möglichkeit seiner Einflussnahme auf die Geltung des Testaments „primär verhaltensleitend“ ist (so wörtlich BeckOGK-BGB/Gomille, § 2065 Rn. 19; sinngemäß auch MünchKommBGB/Leipold, § 2065 Rn. 12).

Die Rechtsprechung hatte sich wiederholt mit der hier anstehenden Abgrenzungsfrage zu befassen. Grundlegend für die Linie der Rechtsprechung ist zunächst ein Urteil des BGH vom 18.11.1954 (BGHZ 15, 199 ff. = NJW 1955, 100 ff.). Hier war dem testamentarisch ernannten Testamentsvollstrecker die Entscheidung darüber überlassen, zu welchem Zeitpunkt eine angeordnete Nacherbfolge eintreten sollte. Der BGH sah in dieser Anordnung einen Verstoß gegen § 2065 Abs. 2 BGB und führte dazu aus, die von dem Erblasser zu machenden Angaben müssten (für eine zulässige Bedingung) so bestimmt sein, dass dadurch die zu treffende Bezeichnung für diejenigen Personen, die die erforderliche Sachkunde besitzen, objektiv bestimmt ist. Dies sei nicht der Fall, wenn – wie in dem vom BGH entschiedenen Sachverhalt – ein eigenes Ermessen des Testamentsvollstreckers bei der von ihm zu treffenden Entscheidung über den Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls nicht völlig ausgeschlossen ist. Inhaltlich ging es u. a. um Gesichtspunkte der Fortführung des im Nachlass enthaltenen Unternehmens. Damit habe der Erblasser nicht nur die Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem die Nacherbfolge eintreten solle, der Erkenntnis des Testamentsvollstreckers überlassen, sondern habe es darüber hinaus seinem Willen überlassen, diesen Zeitpunkt zu bestimmen, weil er die für seine Willensbildung maßgeblichen, in der Zukunft liegenden Umstände nicht vorhersehen konnte. Dies verstoße gegen § 2065 Abs. 2 BGB.

Die neuere Judikatur der Oberlandesgerichte verfolgt demgegenüber eine etwas weniger strenge Argumentationslinie. Das OLG Celle (BeckRS 2004, 1285) entschied: Bei einer letztwilligen Verfügung, deren Wirkung vom Willen eines anderen als des Erblassers abhänge, sei die Frage nach der Unwirksamkeit nach § 2065 Abs. 1 BGB oder der Wirksamkeit als aufschiebend bedingte Verfügung (§§ 2075, 2197 Abs. 2 BGB) danach abzugrenzen, ob ein spezifisches Interesse des Erblassers an der Verfügung feststellbar sei oder es ihm gleichgültig gewesen sei, ob die Verfügung in Kraft treten werde.

Ähnlich fasst auch das OLG Stuttgart (FGPrax 2005, 221, 222) zusammen: Die an sich zulässige Potestativbedingung dürfe nicht auf eine Vertretung im Willen hinauslaufen. Deshalb seien nach h. M. nur solche Potestativbedingungen zulässig, bei denen der Erblasser seinen Willen vollständig gebildet habe und in seine Überlegungen das mögliche, wenn auch willensabhängige künftige Ereignis einbezogen habe. Es müsse also dieses Ereignis allein genommen für den Entschluss des Erblassers und seine Vorstellungen Bedeutung haben, nicht lediglich der darin zum Ausdruck kommende Wille des Dritten als solcher.

3. Abschließende Würdigung
Überträgt man die wiedergegebenen Maßstäbe in Rechtsprechung und Literatur zur Bestimmung der Reichweite des Grundsatzes der materiellen Höchstpersönlichkeit auf den vorliegenden Fall, so ist nach unserer Einschätzung die Zustimmung des Testamentsvollstreckers in der vorliegend geplanten Verfügung kein zulässiger Bestandteil der Bedingung für den Anfall des Vermächtnisses. Soweit für uns erkennbar, erhält der Testamentsvollstrecker im Testament keine Erblasseranordnung (§ 2216 Abs. 2 BGB) als Verhaltensleitlinie dafür, wann er die Zustimmung zu erteilen oder nicht zu erteilen hat. Das maßgebliche Interesse des Erblassers, nämlich die Erhaltung der Nutzung als Kunstgalerie, scheint im Wortlaut der Verfügung bislang unausgesprochen zu bleiben. Eine beliebige Entscheidungsbefugnis des Testamentsvollstreckers hierüber ohne materiell vom Erblasser aufgestellte Kriterien würde aber einen Verstoß gegen § 2065 Abs. 1 BGB begründen. Wie bereits dargestellt, sind die großzügigeren Drittbestimmungsmöglichkeiten der §§ 2151 ff. BGB im vorliegenden Sachverhalt nicht geeignet, die geplante Potestativbedingung zu rechtfertigen.

Allenfalls könnte unter gestalterischen Gesichtspunkten erwogen werden, dem Testamentsvollstrecker gemäß § 2216 Abs. 2 BGB für die Erteilung oder Nichterteilung seiner Zustimmung so bestimmte Leitlinien zu erteilen, dass ein Ermessen ausgeschlossen ist. Lassen sich die Leitlinien nicht so präzise fassen, dass ein Ermessen des Testamentsvollstreckers ausgeschlossen ist, so wäre die Geltung der so gesetzten Bedingung nach unserer persönlichen Einschätzung vor dem Hintergrund der bislang nicht aufgegebenen Rechtsprechung des BGH (BGH NJW 1955, 100 ff.) als unsicher zu bezeichnen. Je klarer das maßgebliche Interesse des Erblassers im Wortlaut der Verfügung selbst herausgearbeitet wird (Erhaltung der derzeitigen Nutzung als Kunstgalerie) und je bestimmter die Leitlinien sind, die dem Testamentsvollstrecker für seine Zustimmung gegeben werden, umso eher wird man die Gültigkeit des so ausgestalteten Vermächtnisses bejahen können. Nach dem Grundsatz des sichersten Weges (vgl. Winkler, BeurkG, 19. Aufl. 2019, § 17 Rn. 210 m. w. N.) müsste aber nach unserer Einschätzung nach wie vor dazu geraten werden, die Erblasseranordnung für den Testamentsvollstrecker so genau zu formulieren, dass bei dem Anfall des Vermächtnisses keine Ermessensausübung des Testamentsvollstreckers mehr mitbestimmend ist.

Gutachten/Abruf-Nr:

172704

Erscheinungsdatum:

24.10.2019

Rechtsbezug

National

Erschienen in:

DNotI-Report 2019, 163-165

Normen in Titel:

BGB § 2177; BGB § 2065; BGB § 2151