13. August 2021
BGB § 2346 Abs. 2; BGB § 2325

Pflichtteilsverzicht; Schenkung i. S. d. Pflichtteilsergänzungsrechts

BGB §§ 2325, 2346 Abs. 2
Pflichtteilsverzicht; Schenkung i. S. d. Pflichtteilsergänzungsrechts

I. Sachverhalt
Ehemann M und Ehefrau F sind im gesetzlichen Güterstand deutschen Rechts miteinander verheiratet und haben eine gemeinsame Tochter (T). Der Ehemann hat einen vorehelichen Sohn (S).

Das gesamte Vermögen der Ehegatten steht im Eigentum der Ehefrau. Der Ehemann hat seine Ehefrau zur Alleinerbin eingesetzt, die Ehefrau hat die Tochter T zur Alleinerbin eingesetzt. Der Ehemann möchte nun auf sein Pflichtteilsrecht am Nachlass der Ehefrau ohne Gegenleistung verzichten.

II. Frage
Liegt in dem Pflichtteilsverzicht von M eine Schenkung i. S. d. § 2325 BGB, die wiederum zu Pflichtteilsergänzungsansprüchen seines Sohnes S führen könnte?

III. Zur Rechtslage
1. Berechnung des Pflichtteils
Gem. § 2311 Abs. 1 S. 1 BGB wird der Berechnung des Pflichtteils der Bestand und Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls zu Grunde gelegt. Dabei ergibt sich der Nachlassbestand aus der Differenz der im Zeitpunkt des Erbfalls vorhandenen Aktiva und Passiva des Nachlasses (vgl. nur BeckOK-BGB/Müller-Engels, Std.: 1.5.2021, § 2311 Rn. 2).

Im vorliegenden Fall wäre daher das gesamte Vermögen, das zum Zeitpunkt des Erbfalls des Ehemannes vorhanden ist, zur Pflichtteilsberechnung seines Sohnes heranzuziehen. Dazu zählen nicht nur die bereits vorhandenen Vermögenswerte, sondern alle vermögensrechtlichen Positionen oder Beziehungen, die der Erblasser noch zu seinen Lebzeiten eingeleitet hat, die aber erst mit seinem Tod oder nach seinem Tod endgültige Rechtswirkungen entfalten (Staudinger/Herzog, BGB, 2015, § 2311 Rn. 25). Im vorliegenden Fall wären daher die Nachlassgegenstände, die sich im Eigentum des Ehemannes befinden, mit ihrem Verkehrswert zum Zeitpunkt des Erbfalls in die Berechnung des Pflichtteils des Sohnes einzustellen.

2. Verzicht auf das Pflichtteilsrecht und Schenkung
Hat der Erblasser zu Lebzeiten Vermögensgegenstände aus seinem Nachlass ausgegliedert, so können insoweit Pflichtteilsergänzungsansprüche nach den §§ 2325 ff. BGB in Betracht kommen.

Voraussetzung dafür ist das Vorliegen einer rechtsgültigen Schenkung. Der Schenkungsbegriff im Rahmen des § 2325 BGB stimmt nach allgemeiner Ansicht mit dem der §§ 516 Abs. 1, 517, 1624 BGB überein (vgl. nur MünchKommBGB/Lange, 8. Aufl. 2020, § 2325 Rn. 17 m. w. N.). Daraus folgt zum einen, dass der Empfänger objektiv aus dem Vermögen des Erblassers bereichert sein muss und zum anderen auf der subjektiven Ebene, dass Zuwendender und Empfänger darüber einig gewesen sein müssen, dass die Zuwendung ganz oder teilweise unentgeltlich erfolgt (MünchKommBGB/Lange, § 2325 Rn. 17 m. w. N.).

Da es um die Ausgliederung eines dem Vermögen des Erblassers bereits zurechenbaren Vermögenswertes geht, wäre dem Ehemann ein ihm bereits zu Lebzeiten angefallener Pflichtteilsanspruch (vgl. § 2317 Abs. 1 BGB) als Vermögenswert zuzurechnen. Würde er auf den bereits entstandenen Pflichtteilsanspruch ohne Gegenleistung verzichten (nach Entstehung des Pflichtteilsanspruchs kommt insoweit ein Erlassvertrag i. S. v. § 397 BGB in Betracht), könnte insoweit eine Schenkung anzunehmen sein, die zu Pflichtteilsergänzungsansprüchen i. S. d. §§ 2325 ff. BGB führen könnte.

Anders ist dies hinsichtlich eines Verzichts auf einen künftigen Erb- oder Pflichtteil im Rahmen eines Erb- oder Pflichtteilsverzichtsvertrages i. S. v. § 2346 BGB. Hier wird nicht auf ein bereits entstandenes Recht, sondern auf einen künftigen Anspruch verzichtet. Nach § 517 BGB liegt eine Schenkung nicht vor, wenn jemand zum Vorteil eines anderen einen Vermögenserwerb unterlässt oder auf ein angefallenes, noch nicht endgültig erworbenes Recht verzichtet oder eine Erbschaft oder ein Vermächtnis ausschlägt. Im Hinblick auf die Wertung des § 517 BGB wird auch der Verzicht auf einen künftigen Erbteil oder Pflichtteil i. S. v. § 2346 BGB von der Vorschrift erfasst und stellt damit keine Schenkung dar (so z. B. MünchKommBGB/Koch, 8. Aufl. 2019, § 517 Rn. 5; BeckOGK-BGB/Harke, Std.: 1.4.2021, § 517 Rn. 8). Hierfür spricht, dass der Erb- oder Pflichtteilsverzicht i. S. v. § 2346 BGB von einem Rechtserwerb noch entfernter ist als der in § 517 BGB explizit genannte Fall der Ausschlagung einer angefallenen Erbschaft oder eines angefallenen Vermächtnisses. Der Erb- oder Pflichtteilsverzicht i. S. v. § 2346 BGB bedeutet damit inhaltlich nicht die Aufgabe eines Rechts, sondern lediglich eine Maßnahme, mit der sich der Verzichtende zu einem künftigen Rechtserwerb außer Stande setzt (BeckOGK-BGB/Harke, § 517 Rn. 8).

3. Ergebnis
Der Verzicht auf das Pflichtteilsrecht i. S. v. § 2346 Abs. 2 BGB löst keine Pflichtteilsergänzungsansprüche aus. Dies lässt sich mit der Wertung des § 517 BGB begründen, wonach das Unterlassen eines künftigen Vermögenserwerbs nicht als Schenkung anzusehen ist.

Gutachten/Abruf-Nr:

183104

Erscheinungsdatum:

13.08.2021

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Pflichtteil
Erbverzicht

Erschienen in:

DNotI-Report 2021, 124-125

Normen in Titel:

BGB § 2346 Abs. 2; BGB § 2325