31. Juli 2020
BeurkG § 39a; BeurkG § 39; BGB § 129; BGB § 1945; FamFG § 40; BeurkG § 40

Elektronische Übermittlung einer Ausschlagungserklärung

BGB §§ 129, 1945; BeurkG §§ 39, 39a, 40; FamFG § 14b n. F.
Elektronische Übermittlung einer Ausschlagungserklärung

I. Sachverhalt
Das Amtsgericht H. hat den Notar dazu aufgefordert, zukünftig sämtliche Ausschlagungserklärungen ausschließlich über das Programm XNotar elektronisch an das Nachlassgericht zu übermitteln.

II. Frage
Ist die Form des § 1945 Abs. 1 BGB gewahrt, wenn die öffentlich beglaubigte Ausschlagungserklärung ausschließlich über das Programm XNotar elektronisch an das Nachlassgericht übermittelt wird, oder muss das Original dem Nachlassgericht übersandt werden?

III. Zur Rechtslage
1. Form der Ausschlagungserklärung
Die Ausschlagung erfolgt gem. § 1945 Abs. 1 BGB durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht. Die Erklärung ist zur Niederschrift des Nachlassgerichts oder in öffentlich beglaubigter Form abzugeben. Ist durch Gesetz für eine Erklärung öffentliche Beglaubigung vorgeschrieben, so muss die Erklärung schriftlich abgefasst und die Unterschrift des Erklärenden von einem Notar beglaubigt werden, § 129 Abs. 1 BGB. Es handelt sich hierbei um eine amtsempfangsbedürftige Willenserklärung, die gegenüber dem Nachlassgericht abzugeben ist und Wirksamkeit erst mit deren Zugang beim Nachlassgericht entfaltet (Palandt/Weidlich, BGB, 79. Aufl. 2020, § 1945 Rn. 1; Staudinger/Otte, BGB, 2017, § 1945 Rn. 19).

Es besteht in Literatur und Rechtsprechung Einigkeit, dass bei dem Nachlassgericht die schriftliche, beglaubigte Erklärung in Urschrift zugehen muss (OLG Oldenburg ZEV 2011, 430; Palandt/Weidlich, § 1945 Rn. 3; Ivo, in: Keim/Lehmann, Beck’sches Formularbuch Erbrecht, 4. Aufl. 2019, J.IV.3. Rn. 3; Wegerhoff, in: Dorsel, Kölner Formularbuch Erbrecht, 3. Aufl. 2020, Kap. 14 Rn. 35; implizit auch OLG Hamm BeckRS 2011, 7156, allerdings zur Übersendung des Originals der Erklärung zu Niederschrift eines Nachlassgerichts). Eine Übermittlung in einfacher Kopie bspw. per Telefax genügt nicht (OLG Zweibrücken NJW-RR 2008, 239; BeckOGK-BGB/Heinemann, Std.: 15.4.2020, § 1945 Rn. 50; Hönninger, in: jurisPK-BGB, 9. Aufl. 2020, § 1945 Rn. 7). Im Falle der überobligatorischen Beurkundung der Erklärung durch den Notar muss eine Ausfertigung vorgelegt werden (OLG Saarbrücken BeckRS 2011, 18369; Burandt/Rojahn/Najdecki, Erbrecht, 3. Aufl. 2019, § 1945 BGB Rn. 3), die die Urschrift gem. § 47 BeurkG im Rechtsverkehr vertritt. Das ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut des § 1945 Abs. 1 Hs. 2 BGB („die Erklärung“), zum anderen aus der Bestimmung zu den Anforderungen an eine öffentliche Beglaubigung gem. § 129 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Norm fordert eine schriftlich abgefasste Erklärung. Eine schriftlich abgefasste Erklärung setzt voraus, dass eine dauerhafte Verkörperung der Erklärung in Schriftzeichen auf einer Urkunde vorliegt (BeckOGK-BGB/Cziupka, Std.: 1.5.2020, § 129 Rn. 18; Ludwig, in: jurisPK-BGB, § 129 Rn. 8). Eine beglaubigte Abschrift genügt der Form des § 129 BGB nicht (BayObLG MittBayNot 1992, 281, 283; Palandt/Ellenberger, § 129 Rn. 1).

2. Erfüllung des Formerfordernisses durch elektronische Beglaubigung einer schriftlich verkörperten Unterschrift
Kommt man zu dem Ergebnis, dass eine beglaubigte Abschrift den Anforderungen des § 129 BGB nicht genügt, stellt sich die Frage, ob die Anforderungen des § 129 BGB dadurch erfüllt werden können, dass eine elektronische Vermerkurkunde über die Anerkennung erstellt wird, in der der Notar – originär elektronisch – bestätigt, dass die Unterschrift auf dem Original vollzogen bzw. anerkannt wurde.

§ 39a Abs. 1 BeurkG sieht vor, dass Beglaubigungen und sonstige Zeugnisse i. S. d. § 39 BeurkG auch elektronisch errichtet werden können. Es ist umstritten, ob dies auch für Unterschriftsbeglaubigungen i. S. d. § 40 BeurkG gilt. Hierbei würde die Unterschrift des Beteiligten auf einem Papierdokument erbracht, eingescannt und mit einem elektronischen Vermerk des Notars mit qualifizierter elektronischer Signatur verbunden. Diese Variante enthält demnach gleichsam (bzgl. des unterschriebenen Dokuments) Elemente der Abschriftsbeglaubigung (BeckOGK-BeurkG/Theilig, Std.: 1.4.2020, § 39a Rn. 11). Teilweise wird vertreten, dass die Beglaubigung einer Unterschrift i. S. d. § 40 BeurkG im Sinne der Einheitlichkeit der Urkunde die Erstellung einer verkörperten Urkunde dergestalt voraussetzt, dass die Unterschrift im Original geleistet und der Beglaubigungsvermerk im verschriftlichten, mit Siegel versehenen Original beigefügt wird (BeckOK-BeurkG/Frohn, Std.: 1.5.2020, § 39a Rn. 14; Kruse, in: Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG, 8. Aufl. 2020, § 39a Rn. 25; Büttner/Frohn, in: Büttner/Frohn/Seebach, Elektronischer Rechtsverkehr und Informationstechnologie im Notariat, 2019, Kap. 1 Rn. 49; Apfelbaum/Bettendorf, RNotZ 2007, 89, 92). Als maßgebliches Argument wird vorgetragen, dass § 40 BeurkG für die Unterschriftsbeglaubigung ein Papierverfahren verlange (BeckOK-BeurkG/Frohn, § 39a Rn. 14; Apfelbaum/Bettendorf, RNotZ 2007, 89, 92). Nach anderer Auffassung ist die Kombination aus papiergebundener Leistung der Unterschrift und elektronischem Beglaubigungsvermerk zulässig (BeckOGK-BGB/Cziupka, § 129 Rn. 28; Staudinger/Hertel, BGB, 2017, § 129 Rn. 137; Frenz/Miermeister/Limmer, Bundesnotarordnung, 5. Aufl. 2020, § 39a BeurkG Rn. 12; BeckOGK-BeurkG/Theilig, § 39a Rn. 11; Jeep/Wiedmann, NJW 2007, 2439, 2442). Dies hätte allerdings zur Konsequenz, dass kein papierförmiges Original vorhanden wäre, sondern lediglich ein elektronisches Abbild (Kruse, in: Armbrüster/Preuß/Renner, § 39a Rn. 25).

Für die vorliegend zu begutachtende Frage kann die Auflösung dieser Kontroverse jedoch offenbleiben. Denn selbst wenn man die elektronische Abfassung des Beglaubigungsvermerks auch bei einer Unterschriftsbeglaubigung gem. § 40 BeurkG für zulässig hält, ändert dies nichts daran, dass damit den materiell-rechtlichen Formerfordernissen allenfalls dann genügt werden kann, wenn das materielle Recht die Übersendung einer beglaubigten Abschrift genügen lässt (BeckOGK-BGB/Cziupka, § 129 Rn. 28). Da sich eine originär elektronisch erstellte Datei (auch mit Signatur versehen) beliebig vervielfältigen lässt, gibt es keine Urschrift und keine Ausfertigungen. Erfordert das materielle Recht (wie bspw. § 1945 BGB) die Übersendung einer Urschrift, so ist – unabhängig von den beurkundungsrechtlichen Möglichkeiten – stets ein papierförmiges Original zu fertigen und zu übersenden.

3. Verfahrensrechtliche Anforderungen
An anderer Stelle hat der Gesetzgeber ausdrücklich geregelt, dass eine elektronische Übermittlung des Originaldokuments genügt. Für Handelsregisteranmeldungen ist die elektronische Einreichung der öffentlich-beglaubigten Dokumente sogar zwingend (§ 12 Abs. 1 HGB). Gleiches gilt gem. § 137 Abs. 1 GBO für das Grundbuchverfahren sofern im jeweiligen Bundesland die elektronische Übersendung bereits vorgesehen ist (§ 135 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 GBO). Hierbei handelt es sich um verfahrensrechtliche Erleichterungen, die die Übersendung beglaubigter Abschriften ausdrücklich genügen lassen, hingegen nicht um materiell-rechtliche Formerfordernisse. Im Gegensatz zu § 1945 Abs. 1 S. 1 BGB sieht das materielle Recht im Grundbuch- oder Handelsregisterverfahren jedoch nicht den Zugang von Erklärungen im Original vor. § 311b Abs. 1 BGB fordert für die Wirksamkeit des Kausalgeschäfts materiell-rechtlich die Beurkundung des Grundstückskaufvertrags und auf dinglicher Ebene die Erklärung der Auflassung vor einem Notar (§ 925 Abs. 1 BGB). § 29 GBO fordert verfahrensrechtlich zur Herbeiführung der Grundbucheintragung der dinglichen Rechtsänderung eine öffentlich beglaubigte Bewilligungserklärung. § 137 Abs. 1 GBO erleichtert das Verfahren dahingehend, dass die Übermittlung einer elektronisch beglaubigten Abschrift genügt.

Eine vergleichbare Regelung fehlt für die Ausschlagungserklärung. Mehr noch: Der Gesetzgeber hat bzgl. des neu geschaffenen § 14b FamFG (eingefügt durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 10.10.2013, BGBl. I S. 3786; Inkrafttreten zum 1.1.2022), der eine zwingend elektronische Übermittlung gegenüber den Gerichten der freiwilligen Gerichtsbarkeit einführt, sofern diese durch einen Notar übermittelt werden, bekräftigt, dass materiell-rechtliche Formerfordernisse gerade nicht berührt werden sollen und Erklärungen, deren Zugang in Urschrift erforderlich ist, weiterhin auf analogem Wege zu übermitteln sind (BT-Drucks. 818/12, S. 36).

4. Ergebnis
Im Ergebnis würden wir deshalb davon ausgehen, dass eine elektronische Übermittlung der Ausschlagungserklärung nicht der Form des § 129 BGB genügt und damit auch nicht die Anforderungen des § 1945 Abs. 1 BGB erfüllen kann. Eine so übermittelte Ausschlagungserklärung wäre wohl sogar nach Auffassung derer unwirksam, die eine Kombination der Beglaubigungen nach §§ 39a, 40 BeurkG beurkundungsrechtlich für zulässig erachten. De lege ferenda wäre eine solche Übermittlungsmöglichkeit durchaus erwägenswert, da es bei der Ausschlagungserklärung – im Gegensatz bspw. zu einer Vollmacht oder einem Erbschein – nicht auf den Besitz der Urkunde selbst ankommt. Hierzu bedarf es aber zuvor einer Änderung der materiell-rechtliche Anforderungen an die Ausschlagungserklärung oder zumindest der ausdrücklichen Übermittlungsmöglichkeit einer solchen Erklärung im FamFG.

Gutachten/Abruf-Nr:

178793

Erscheinungsdatum:

31.07.2020

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Beurkundungsverfahren
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Erschienen in:

DNotI-Report 2020, 113-115

Normen in Titel:

BeurkG § 39a; BeurkG § 39; BGB § 129; BGB § 1945; FamFG § 40; BeurkG § 40