Formwirksame Errichtung eines privatschriftlichen Ehegattentestaments; Ausfüllen eines Blanketts; Nachweis des Erbrechts bei verschwundenem Original
Formwirksame Errichtung eines privatschriftlichen Ehegattentestaments; Ausfüllen eines Blanketts; Nachweis des Erbrechts bei verschwundenem Original
I. Sachverhalt
Ein Ehepaar hat sich in einem gemeinsamen privatschriftlichen Testament wechselseitig zu Alleinerben und als Schlusserben – für den Längerlebenden frei abänderbar – zwei der drei Kinder eingesetzt. Das Testament sah nicht so ordentlich aus, wie gewünscht. Deshalb vereinbarten die Eheleute, dass es neu geschrieben werden solle. Da der Ehemann beruflich und auch ehrenamtlich sehr eingespannt war, sollte die Ehefrau auf einem vom Ehemann bereits unterschriebenen Blatt Papier das Testament noch einmal niederlegen und auch selbst unterschreiben. Die Ehefrau wiederholte das niedergelegte Testament wortwörtlich in ordentlicher Fassung auf diesem Blatt Papier und unterschrieb es auch selbst.
Der Ehemann ist mittlerweile verstorben; es besteht nun Streit um die Wirksamkeit des zweiten Testaments.
Das erste Testament wurde nicht vernichtet, steht der Ehefrau aber nicht mehr zur Verfügung. In ihrer Urlaubsabwesenheit ist eines der Kinder in ihrer Wohnung gewesen; seitdem ist das erste Testament verschwunden.
II. Fragen
1. Ist das zweite Testament wirksam, obwohl der Ehemann unterschrieben hat, bevor es niederlegt wurde?
2. Falls das zweite Testament unwirksam ist: Ist das (verschwundene) erste Testament wirksam und wie kann das Erbrecht im Erbscheinsverfahren nachgewiesen werden?
III. Zur Rechtslage
1. Formwirksame Errichtung des zweiten Testaments
Der Erblasser kann ein Testament durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichten (
Im vorliegenden Fall hat die Ehefrau ausweislich des mitgeteilten Sachverhalts das zweite Testament eigenhändig geschrieben und unterschrieben. Fraglich ist, ob eine wirksame Unterschrift unter der gemeinsamen Erklärung durch den Ehemann vorliegt, da dieser bereits vorab das Testament blanko unterzeichnet hat.
Zu einem vergleichbaren Fall hat das OLG Hamm (
Allerdings bleibt festzuhalten, dass bei einer Testamentsurkunde, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild den Formerfordernissen des
Damit lässt sich zunächst festhalten, dass das zweite Testament nach herrschender Ansicht nicht formwirksam errichtet worden ist.
2. Wirksamkeit des ersten Testaments; Nachweis des Erbrechts im Erbscheinsverfahren
Das erste privatschriftliche Ehegattentestament wurde im vorliegenden Fall – soweit sich dies dem Sachverhalt entnehmen lässt – formwirksam errichtet; der Umstand, dass es nicht so „ordentlich“ aussah, wie von den Erblassern gewünscht, ist unerheblich, sofern die eigenhändige Niederschrift nebst Unterschriften der beiden Ehegatten unter der gemeinsamen Erklärung gegeben ist.
Wie sich aus dem mitgeteilten Sachverhalt ergibt, ist dieses Testament jedoch „verschwunden“ (wobei sich der mutmaßliche Sachverhalt, sollte er zutreffen, als strafbare Urkundenunterdrückung i. S. v.
Ggf. könnte ein Erbscheinsantrag jedoch auch auf dieses „verschwundene“ Testament gestützt werden (vgl. dazu allg. Goldkamp,
Dem entspricht im materiellen Recht die allgemeine Rechtsansicht, dass die Wirksamkeit eines Testaments nicht dadurch berührt wird, dass die Urkunde ohne Willen und Zutun des Erblassers vernichtet worden ist oder dass sie verloren gegangen oder nicht auffindbar ist (vgl. BayObLG
In Betracht kommt in diesem Zusammenhang auch die Vorlage einer vorhandenen Durchschrift, Abschrift oder sonstigen Ablichtung (vgl.
3. Ergebnis
Die durch die Ehefrau angefertigte „Reinschrift“ des gemeinschaftlichen Testaments ist formunwirksam, da es an einer nachträglichen, den vorhandenen Text abschließenden Unterschrift des Ehemannes fehlt. Wurde das Original des privatschriftlichen Testaments formwirksam errichtet und bleibt dieses „verschwunden“, kann das testamentarische Erbrecht der Witwe im Erbscheinsverfahren aber ggf. mit sonstigen Beweismitteln, u. a. durch Vorlage der vorhandenen „Reinschrift“, nachgewiesen werden.
193822
Erscheinungsdatum:22.12.2022
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:Gemeinschaftliches Testament
Erschienen in: Normen in Titel:BGB § 2267