22. Dezember 2022
BGB § 2267

Formwirksame Errichtung eines privatschriftlichen Ehegattentestaments; Ausfüllen eines Blanketts; Nachweis des Erbrechts bei verschwundenem Original

BGB § 2267
Formwirksame Errichtung eines privatschriftlichen Ehegattentestaments; Ausfüllen eines Blanketts; Nachweis des Erbrechts bei verschwundenem Original

I. Sachverhalt
Ein Ehepaar hat sich in einem gemeinsamen privatschriftlichen Testament wechselseitig zu Alleinerben und als Schlusserben – für den Längerlebenden frei abänderbar – zwei der drei Kinder eingesetzt. Das Testament sah nicht so ordentlich aus, wie gewünscht. Deshalb vereinbarten die Eheleute, dass es neu geschrieben werden solle. Da der Ehemann beruflich und auch ehrenamtlich sehr eingespannt war, sollte die Ehefrau auf einem vom Ehemann bereits unterschriebenen Blatt Papier das Testament noch einmal niederlegen und auch selbst unterschreiben. Die Ehefrau wiederholte das niedergelegte Testament wortwörtlich in ordentlicher Fassung auf diesem Blatt Papier und unterschrieb es auch selbst.
Der Ehemann ist mittlerweile verstorben; es besteht nun Streit um die Wirksamkeit des zweiten Testaments.

Das erste Testament wurde nicht vernichtet, steht der Ehefrau aber nicht mehr zur Verfügung. In ihrer Urlaubsabwesenheit ist eines der Kinder in ihrer Wohnung gewesen; seitdem ist das erste Testament verschwunden.

II. Fragen
1. Ist das zweite Testament wirksam, obwohl der Ehemann unterschrieben hat, bevor es niederlegt wurde?

2. Falls das zweite Testament unwirksam ist: Ist das (verschwundene) erste Testament wirksam und wie kann das Erbrecht im Erbscheinsverfahren nachgewiesen werden?

III. Zur Rechtslage
1. Formwirksame Errichtung des zweiten Testaments
Der Erblasser kann ein Testament durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichten (§ 2247 Abs. 1 BGB). Er soll in der Erklärung angeben, zu welcher Zeit (Tag, Monat und Jahr) und an welchem Ort er sie niedergeschrieben hat (§ 2247 Abs. 2 BGB). Zur Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments gem. §§ 2265 ff. BGB als eigenhändiges Testament i. S. v. § 2247 BGB genügt es, wenn einer der Ehegatten das Testament in der dort vorgeschriebenen Form errichtet und der andere Ehegatte die gemeinschaftliche Erklärung eigenhändig mitunterzeichnet. Der mitunterzeichnende Ehegatte soll hierbei angeben, zu welcher Zeit (Tag, Monat und Jahr) und an welchem Ort er seine Unterschrift beigefügt hat (§ 2267 BGB).

Im vorliegenden Fall hat die Ehefrau ausweislich des mitgeteilten Sachverhalts das zweite Testament eigenhändig geschrieben und unterschrieben. Fraglich ist, ob eine wirksame Unterschrift unter der gemeinsamen Erklärung durch den Ehemann vorliegt, da dieser bereits vorab das Testament blanko unterzeichnet hat.

Zu einem vergleichbaren Fall hat das OLG Hamm (NJW-RR 1993, 269) entschieden, dass die Unterschrift des mitunterzeichnenden Ehegatten nicht vorweg blanko geleistet werden dürfe, sondern ein gemeinschaftliches eigenhändiges Ehegattentestament nach § 2267 S. 1 BGB nur in der Weise formwirksam errichtet werden könne, dass die Unterschrift des mitunterzeichnenden Ehegatten zeitlich nach der Niederschrift der gemeinschaftlichen letztwilligen Verfügung durch den anderen Ehegatten geleistet wird. Diese Entscheidung ist – soweit ersichtlich – in der Kommentarliteratur allseits zustimmend aufgenommen worden (vgl. nur BeckOK-BGB/Litzenburger, Std.: 1.8.2022, § 2267 Rn. 6; Zacher-Röder/Eichner, ZEV 2010, 65; BeckOGK-BGB/Braun, Std.: 1.11.2022, § 2267 Rn. 20). Die Unzulässigkeit der Mitunterzeichnung vor Erstellung des Haupttextes wird in der Literatur u. a. damit begründet, dass die Unterzeichnung eines Blankos den Schreibenden im Ergebnis ermächtige, die letztwilligen Erklärungen durch Ausfüllen des Blanketts für den anderen Erblasser abzugeben, was zudem nicht mit dem Grundsatz der persönlichen Testamentserrichtung (§ 2064 BGB) zu vereinbaren sei (BeckOGK-BGB/Braun, § 2267 Rn. 20).

Allerdings bleibt festzuhalten, dass bei einer Testamentsurkunde, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild den Formerfordernissen des § 2267 BGB entspricht, eine tatsächliche Vermutung dafür spricht, dass die Unterschriften in der gesetzlich vorgesehenen Reihenfolge vorgenommen wurden (vgl. OLG Hamm NJW-RR 1993, 269, 270). Diese tatsächliche Vermutung ist jedoch entkräftet, wenn Tatsachen positiv festgestellt sind, aufgrund deren bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände ein anderer Geschehensablauf ernsthaft in Betracht zu ziehen ist (OLG Hamm NJW-RR 1993, 269, 270). Dies dürfte vorliegend wohl aufgrund Einräumung des Sachverhalts durch die Ehefrau in Bezug auf die erfolgte Testamentserrichtung der Fall sein.

Damit lässt sich zunächst festhalten, dass das zweite Testament nach herrschender Ansicht nicht formwirksam errichtet worden ist.

2. Wirksamkeit des ersten Testaments; Nachweis des Erbrechts im Erbscheinsverfahren
Das erste privatschriftliche Ehegattentestament wurde im vorliegenden Fall – soweit sich dies dem Sachverhalt entnehmen lässt – formwirksam errichtet; der Umstand, dass es nicht so „ordentlich“ aussah, wie von den Erblassern gewünscht, ist unerheblich, sofern die eigenhändige Niederschrift nebst Unterschriften der beiden Ehegatten unter der gemeinsamen Erklärung gegeben ist.

Wie sich aus dem mitgeteilten Sachverhalt ergibt, ist dieses Testament jedoch „verschwunden“ (wobei sich der mutmaßliche Sachverhalt, sollte er zutreffen, als strafbare Urkundenunterdrückung i. S. v. § 274 StGB darstellt, die auch eine Erbunwürdigkeit i. S. v. § 2339 Abs. 1 Nr. 4 BGB begründet).

Ggf. könnte ein Erbscheinsantrag jedoch auch auf dieses „verschwundene“ Testament gestützt werden (vgl. dazu allg. Goldkamp, ErbR 2022, 111). Im Erbscheinsverfahren ist zwar zum Nachweis des testamentarischen Erbrechts gem. § 352 Abs. 3 S. 1 FamFG grundsätzlich das Testament in Urschrift vorzulegen. Allerdings sieht § 352 Abs. 3 S. 2 FamFG vor, dass dann, wenn die vorzulegenden Urkunden nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu beschaffen sind, auch die Angabe anderer Beweismittel genügt.

Dem entspricht im materiellen Recht die allgemeine Rechtsansicht, dass die Wirksamkeit eines Testaments nicht dadurch berührt wird, dass die Urkunde ohne Willen und Zutun des Erblassers vernichtet worden ist oder dass sie verloren gegangen oder nicht auffindbar ist (vgl. BayObLG FamRZ 1993, 117 m. w. N.). Es besteht bei einem unauffindbaren Testament auch keine Vermutung dafür, dass der Erblasser das Testament in Widerrufsabsicht beseitigt oder vernichtet hat (OLG Saarbrücken DNotZ 1950, 68). Vielmehr kann nach allgemeiner Ansicht das Vorhandensein, die formgerechte Errichtung und der Inhalt des Testaments mit allen zulässigen Beweismitteln nachgewiesen werden (vgl. OLG Saarbrücken DNotZ 1950, 68; OLG Köln NJW-RR 1993, 917).

In Betracht kommt in diesem Zusammenhang auch die Vorlage einer vorhandenen Durchschrift, Abschrift oder sonstigen Ablichtung (vgl. BGHZ 47, 68, 74; OLG Saarbrücken DNotZ 1950, 68), einer Fotokopie (vgl. BayObLG FamRZ 1993, 117; OLG Köln, NJW-RR 1993, 970) oder die Aussagen von Zeugen oder Sachverständigen (vgl. hierzu auch Keidel/Zimmermann, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 352 Rn. 71-73).

3. Ergebnis
Die durch die Ehefrau angefertigte „Reinschrift“ des gemeinschaftlichen Testaments ist formunwirksam, da es an einer nachträglichen, den vorhandenen Text abschließenden Unterschrift des Ehemannes fehlt. Wurde das Original des privatschriftlichen Testaments formwirksam errichtet und bleibt dieses „verschwunden“, kann das testamentarische Erbrecht der Witwe im Erbscheinsverfahren aber ggf. mit sonstigen Beweismitteln, u. a. durch Vorlage der vorhandenen „Reinschrift“, nachgewiesen werden.

Gutachten/Abruf-Nr:

193822

Erscheinungsdatum:

22.12.2022

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Gemeinschaftliches Testament

Erschienen in:

DNotI-Report 2022, 188-189

Normen in Titel:

BGB § 2267