03. September 2021
WEG § 25 Abs. 2; WEG § 24 Abs. 1; WEG § 24 Abs. 3

Ausschluss der turnusmäßigen Einberufung der Versammlung der Wohnungseigentümer; Ausschluss der Vertretung in der Versammlung

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 183971
letzte Aktualisierung: 03. September 2021

WEG §§ 24 Abs. 1 u. 3, 25 Abs. 2
Ausschluss der turnusmäßigen Einberufung der Versammlung der Wohnungseigentümer;
Ausschluss der Vertretung in der Versammlung

I. Sachverhalt

Die Beteiligten beachsichtigen, ein Grundstück gem. § 8 WEG in Wohnungs- bzw. Teileigentum
aufzuteilen. Das Grundstück ist mit zwei wirtschaftlich vollständig voneinander
getrennten Einfamilienhäusern bebaut. Eine jährliche Eigentümervertretung soll daher nicht
erfolgen. Auch ist gewünscht, dass eine Vertretung bei der Teilnahme an einer Eigentümerversammlung
ausgeschlossen ist.

II. Fragen

Ist es zulässiger Inhalt einer Gemeinschaftsordnung, dass
a) eine Eigentümerversammlung bei einer Mehrhausanlage entgegen der Bestimmung gem.
§ 24 Abs. 1 WEG nur bei Bedarf einzuberufen ist?

b) die Vertretung des Miteigentümers in der Eigentümerversammlung durch Dritte ausgeschlossen
ist?

III. Zur Rechtslage

1. Allgemeines zum Einberufungsintervall der Versammlung

Gem. § 24 Abs. 1 WEG ist die Versammlung der Wohnungseigentümer mindestens einmal
jährlich durch den Verwalter einzuberufen. Ist kein Verwalter bestellt, so ist die Versammlung
gem. § 24 Abs. 3 WEG durch den Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats oder
dessen Vertreter einzuberufen und (seit Inkrafttreten des WEMoG zum 1.12.2020, BGBl. I
v. 22.10.2020, S. 2187; vgl. nun auch die vollständige Bekanntmachung der Neufassung des
WEG v. 12.1.2021, BGBl. I v. 20.1.2021, S. 34) durch einen durch Beschluss ermächtigten
Wohnungseigentümer (vgl. § 24 Abs. 3 WEG). Letztere Möglichkeit kommt allerdings nur
in Betracht, wenn ein entsprechender Beschluss zur Ermächtigung eines Wohnungseigentümers
bereits „auf Vorrat“ vorliegt – was vorliegend bei einer noch nicht existenten Gemeinschaft
auszuschließen ist.

Ist auch ein Verwaltungsbeirat nicht gebildet, so besteht lediglich die Möglichkeit, dass
sämtliche Eigentümer einvernehmlich eine Versammlung einberufen (BGH NJW-RR
2011, 1519 Rn. 4). Typischerweise werden in der Praxis für Anlagen, die – wie vorliegend –
lediglich aus zwei Einfamilienhäusern bestehen, weder Verwalter bestellt, noch ein Verwaltungsbeirat
gebildet, sodass ohnehin nur die einvernehmliche Einberufung verbleibt
oder – als ultima ratio – die gerichtliche Bestellung eines Verwalters, der mit der Einberufung
beauftragt wird oder die gerichtliche Ermächtigung zur Einberufung durch einen
Wohnungseigentümer (vgl. ausführlich BeckOK-WEG/Bartholome, Std.: 1.8.2020, § 24
Rn. 44). Ob ein Verwalter bestellt werden soll, ist dem Sachverhalt nicht zu entnehmen.

Geht man praxisnah davon aus, dass weder ein Verwalter bestellt noch ein Verwaltungsbeirat
gebildet ist, bleibt den Wohnungseigentümern rein faktisch nur die einvernehmliche
Einberufung der Versammlung. Vor diesem Hintergrund stellt sich nicht die Frage, ob eine
Abbedingung des § 24 Abs. 1 WEG überhaupt erforderlich ist.

2. Möglichkeit der Abbedingung des § 24 Abs. 1 WEG

Die Möglichkeit der Abbedingung ist in der Literatur umstritten und durch die Rechtsprechung
– soweit ersichtlich – noch nicht entschieden, sodass die Rechtslage diesbezüglich
als offen bezeichnet werden muss. Eine Auffassung in der Literatur leitet aus dem
Wortlaut des § 24 Abs. 1 WEG („mindestens“) ab, dass die Norm lediglich einseitig
abdingbar ist, d. h. lediglich ein häufigeres Intervall vereinbart werden kann (Hügel/Elzer,
WEG, 3. Aufl. 2021, § 24 Rn. 206; Skauradszun, ZWE 2016, 61, 63 dort Fn. 30; offen aber
auf die Gefahr der Unwirksamkeit hinweisend Bärmann/Pick/Emmerich, WEG, 20. Aufl.
2020, WEG § 24 Rn. 2). Demgegenüber gehen andere Autoren davon aus, dass aus § 10
Abs. 1 S. 2 WEG die grundsätzliche Abdingbarkeit folge und der Schutz der Minderheit der
Wohnungseigentümer ausreichend durch § 24 Abs. 2 WEG und § 18 Abs. 2 WEG
geschützt ist (BeckOGK-WEG/Hermann, Std.: 1.12.2020, § 24 Rn. 26; ebenso im Ergebnis
(BeckOK-WEG/Bartholome, Std.: 1.1.2021, § 24 Rn. 289). Teilweise wird die Frage lediglich
als offen bezeichnet, ohne näher zur Abdingbarkeit Stellung zu beziehen
(Staudinger/Häublein, BGB, 2018, § 24 WEG Rn. 45).

Unseres Erachtens ist § 24 Abs. 1 WEG abdingbar und zwar sowohl dahingehend, dass
häufigere Intervalle vorgesehen werden als auch dahingehend, dass die ordentliche (turnusmäßige)
Versammlung ausgeschlossen wird. Durch das Wort „mindestens“ wird lediglich
zum Ausdruck gebracht, dass bei Fehlen einer abweichenden Regelung auch Versammlungen
außerhalb des turnusmäßigen Rhythmus (bspw. gemäß § 24 Abs. 2 WEG)
möglich sind. Gemäß § 10 Abs. 1 S. 2 WEG sind nur solche Normen nicht abdingbar, in
denen dies ausdrücklich vorgesehen ist, wobei in der Literatur Einigkeit dahingehend besteht,
dass sich eine Abdingbarkeit aus dem Sinn und Zweck der Norm ergeben kann (und
insofern gerade nicht „ausdrücklich“ vorgesehen ist). § 24 Abs. 1 WEG hat aber lediglich
den Zweck, grundsätzlich eine turnusmäßige Willensbildung vorzusehen und dient nicht
dem Minderheitenschutz. Der Minderheitenschutz wird gerade durch § 24 Abs. 2 WEG
sichergestellt. Es ist kein Grund ersichtlich, warum den Wohnungseigentümern (gerade in
solchen Kleinanlagen wie vorliegend) eine jährliche Willensbildung „aufgedrängt“ werden
sollte. Dies gilt umso mehr, als eine Nicht-Einberufung ohnehin folgenlos ist (vgl. oben).
Ob vor dem Hintergrund des oben Dargelegten eine Abbedingung tatsächlich noch für erforderlich
gehalten wird, ist eine Gestaltungsfrage, die wir naturgemäß nicht abschließend
beantworten können.

3. Möglichkeit des Ausschlusses der Vollmachterteilung

Ist in der Gemeinschaftsordnung nichts anderes geregelt, kann der Wohnungseigentümer
jede dritte Person zur Wahrnehmung seines Teilnahme- und Stimmrechts rechtsgeschäftlich
bevollmächtigen (§ 164 BGB). § 38 S. 2 BGB findet gerade keine entsprechende Anwendung
(BayObLGZ 1981, 161, 164). Allerdings darf der Wohnungseigentümer nicht zugleich
an der Versammlung teilnehmen, wenn er sich durch einen Dritten vertreten lässt
(Armbrüster/Roguhn, ZWE 2016, 105, 107; Staudinger/Häublein, § 25 Rn. 80). Trotz der
in § 10 Abs. 1 S. 2 WEG grundsätzlich vorgesehenen Abdingbarkeit ist umstritten, in
welchem Umfang ein Vertretungsausschluss zulässig ist.

Nach h. M. ist ein vollständiger Ausschluss von der Möglichkeit, sich auf der Versammlung
vertreten zu lassen, mit dem unverzichtbaren Kernbereich der Rechte der Wohnungseigentümer
nicht zu vereinbaren (LG Köln, Urt. v. 27.9.2012 – 29 S 61/12, BeckRS
2013, 05291; Staudinger/Häublein, § 25 Rn. 82; BeckOGK-WEG/Hermann, Std.: 1.6.2021,
§ 24 Rn. 126; Jennißen/Schultzky, WEG, 6. Aufl. 2019, § 25 Rn. 61). Entsprechendes soll
für die Beschränkung der Vertretungsmöglichkeit auf die Person des Verwalters gelten (LG
Köln, Urt. v. 27.9.2012 – 29 S 61/12, BeckRS 2013, 05291; Staudinger/Häublein, § 25
WEG Rn. 83; Armbrüster/Roguhn, ZWE 2016, 105, 108; Bärmann/Merle, WEG, 14. Aufl.
2018, § 25 Rn. 89). Dies u. E. im Ergebnis zutreffend, da ansonsten dem (aus welchen
Gründen auch immer) verhinderten Wohnungseigentümer keinerlei Möglichkeit der Wahrnehmung
seiner mitgliedschaftlichen Rechte verbliebe. Ob dabei allerdings der Kernbereich
der Mitgliedschaft herangezogen werden kann, scheint bei Abbedingung durch Vereinbarung
fraglich. Denn die Kernbereichslehre ist ursprünglich im gesellschaftsrechtlichen Kontext
für die Frage entwickelt worden, welche Rechte einem Gesellschafter nicht durch Beschluss
entzogen werden können (MüKo-BGB/Schäfer, 8. Aufl. 2020, § 709 Rn. 91). Verzichtet ein
Mitglied eines Verbands im Rahmen einer Vereinbarung „freiwillig“ auf Mitgliedschaftsrechte,
muss ein anderer Prüfungsmaßstab zur Begründung herangezogen werden. Hierbei
kann zunächst nicht eine unangemessene Benachteiligung i. S. d. § 307 Abs. 1 BGB als
Prüfungsmaßstab dienen. Wie der BGH jüngst entschieden hat, unterliegt die Gemeinschaftsordnung
nicht der AGB-Kontrolle (BGH ZWE 2021, 273 m. Anm. Häublein).

Zutreffenderweise dürfte es treuwidrig sein (§ 242 BGB), einem verhinderten Wohnungseigentümer
die Möglichkeit der Wahrnehmung seiner Mitgliedschaftsrechte durch einen
Vertreter zu versagen. Hierbei wird man eine Abwägung zwischen den Interessen des Wohnungseigentümers
an der Ausübung seiner Rechte und den Interessen der übrigen Wohnungseigentümer
an der Nichtöffentlichkeit der Versammlung und Begrenzung der Teilnehmer
auf einen überschaubaren Personenkreis vornehmen müssen.

Vertretungsbeschränkungen sind deshalb grundsätzlich zulässig. So hat der BGH entschieden,
dass in einer Gemeinschaftsordnung bestimmt werden kann, dass der Wohnungseigentümer
sich nur durch einen Ehegatten, einen anderen Wohnungs- oder Teileigentümer
und den Verwalter vertreten lassen kann (BGH NJW 1987, 650, 651). Der BGH hat dies
mit der Vertragsfreiheit und dem Gedanken begründet, dass alle Wohnungseigentümer ein
Interesse daran haben könnten, die Eigentümerversammlung auf den eigenen Kreis, also
überwiegend auf die ihnen bekannten Miteigentümer, zu beschränken und damit gemeinschaftsfremde
Einwirkungen aus der Versammlung der Wohnungseigentümer fernzuhalten
(BGH NJW 1987, 650, 651). Ein vollständiger Ausschluss wird man vor diesem Hintergrund
als unzulässig erachten müssen, eine Begrenzung auf einen bestimmten (nahestehenden)
Personenkreis hingegen als zulässig erachten.

Gutachten/Abruf-Nr:

183971

Erscheinungsdatum:

03.09.2021

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

WEG

Normen in Titel:

WEG § 25 Abs. 2; WEG § 24 Abs. 1; WEG § 24 Abs. 3