01. Januar 1998
BGB § 883

Vormerkung - Identität des Schuldners des vorzumerkenden Anspruchs mit dem gegenwärtigen Inhaber des betroffenen Rechts

DNotI
Deutsches Notarinstitut

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Gutachten des Deutschen Notarinstitut Dokumentnummer: letzte Aktualisierung: 1188# 14. Juni 2004

BGB § 883 Vormerkung - Identität des Schuldners des vorzumerkenden Anspruchs mit dem gegenwärtigen Inhaber des betroffenen Rechts (Identitätsgebot)

Sachverhalt: Im Grundbuch sind die S-KG und die R-GmbH als Eigentümer eines Grundstücks in GbR eingetragen. Zu Ihrer Urkunde hat die S-KG ein Käuferangebot der M-GmbH auf Abschluß eines Kaufvertrages des Inhalts erhalten, daß die S-KG der M-GmbH den vorbezeichneten Grundbesitz zum Alleineigentum verkauft. Im Zeitpunkt der Abgabe dieses Angebots war beabsichtigt, daß die S-KG zur Erfüllung des angebotenen Kaufvertrages das Alleineigentum an dem betreffenden Grundstück erwirbt. Aus Ihnen nicht bekannten Gründen, vermutlich wegen der Grunderwerbsteuer, wurde dieses Vorhaben jedoch im Nachhinein aufgegeben. Zur Urkunde eines anderen Notars hat die S-KG das Käuferangebot der M-GmbH unter Mitwirkung der R-GmbH angenommen. In der Annahmeurkunde heißt es u. a.: ,,Die R-GmbH stimmt dem Verkauf des Vertragsgrundbesitzes durch den Angebotsempfänger in ihrer Eigenschaft als Miteigentümerin zu. Sie erteilt dem Angebotsempfänger unter Befreiung von der Beschränkung des § 181 BGB Vollmacht zur Abgabe aller Erklärungen und Stellung aller Anträge, die zum grundbuchamtlichen Vollzug des Kaufvertrages erforderlich oder zweckdienlich sind. Lediglich zur Ermöglichung der Eintragung einer Auflassungsvormerkung verpflichtet sich die R-GmbH gegenüber der S-KG im Wege des Vertrages zugunsten Dritter, dem Käufer das Eigentum am Vertragsobjekt zu verschaffen, und bewilligt zur Sicherung die Eintragung einer Auflassungsvormerkung am Vertragsobjekt." In einem weiteren Abschnitt der Annahmeurkunde erklärt die S-KG die Auflassung des Grundstücks an die M-GmbH, wobei der Notar jedoch angewiesen ist, den Vollzug der Auflassung erst nach Kaufpreiszahlung zu betreiben. Im angebotenen Kaufvertrag ist bei der Fälligkeitsregelung u. a. als Fälligkeitsvoraussetzung bestimmt, daß der gesamte Kaufpreis zur Zahlung fällig ist, ,,wenn der Notar den Käufer schriftlich bestätigt hat, daß, nach Annahme des Angebotes, die Vormerkung zugunsten des Käufers im Rang nach ... eingetragen ist." In einem weiteren Abschnitt der Angebotsurkunde bewilligt der Verkäufer und beantragt der Käufer bereits zur Sicherung des Anspruchs auf Übertragung des Eigentums am Vertragsgegenstand eine Vormerkung gem. § 883 BGB zugunsten des Käufers. In der Annahmeurkunde hat die S-KG hierzu erklärt, daß sie alle im Kaufangebot enthaltenen einseitigen Erklärungen und Versicherungen wiederholt.

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In diesem Zusammenhang werfen Sie die Rechtsfragen auf, ob die von der S-KG bewilligte Auflassungsvormerkung - insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Identitätsgebotes - angesichts der Zustimmung der R-GmbH im Grundbuch eingetragen werden kann und - wenn ja - ob es sich bei Eintragung einer solchen Vormerkung um die im Kaufvertrag als Fälligkeitsvoraussetzung bestimmte Vormerkung handelt, und - falls nein - ob der Käufer dadurch gesichert werden kann, daß die R-GmbH nach Eintragung der Vormerkung für den Käufer erklärt, daß ihr keine Einwendungen gegen die Eigentumsübertragung an den Käufer zustehen und die R -GmbH und die S-KG bestätigen, daß keine Pfändung angezeigt wurde. Ferner fragen Sie an, ob die Vormerkung des Käufers in diesem Fall ausreicht, um ihn im Rahmen des Vertrages zu seinen Gunsten vor nachfolgenden Pfändungen des Eigentums zu schützen. Zu den von Ihnen aufgeworfenen Rechtsfragen nehmen wir wie folgt Stellung: 1. Nach ganz h. M. in Rechtsprechung und Literatur muß sich der Anspruch, der durch eine Vormerkung gesichert werden soll, gegen denjenigen richten, dessen Grundstück oder Grundstücksrecht von der Vormerkung betroffen wird. Zwischen dem Schuldner des vorzumerkenden Anspruchs und dem derzeitigen Inhaber des von der Vormerkung betroffenen Grundstücks oder Grundstücksrecht muß also zum Zeitpunkt der Eintragung der Vormerkung Identität bestehen (sog. Identitätsgebot, vgl. BGHZ 12, 115, 120; BayObLG NJW 1983, 1567, 1568; OLG Hamm NJW 1965, 2303, 2304; Staudinger/Gursky, BGB, 13. Aufl. 1996, § 883 Rn. 46; Amann, Keine Vormerkung eigenständiger Übereignungspflichten des Erben oder des jeweiligen Eigentümers, DNotZ 1995, 252, 253). Das Identitätsgebot läßt sich nicht aus dem Wortlaut der §§ 883, 885 BGB ableiten. Allerdings sprechen der Wortlaut des § 886 BGB und des § 24 KO sowie die Sondervorschrift des § 1179 BGB, welche eine Ausnahme vom Identitätsgebot statuiert, für dessen Existenz. § 888 BGB und die Möglichkeit, eine Vormerkung gutgläubig vom Buchberechtigten zu erwerben, wecken dagegen eher Zweifel (Amann, a. a. O., 252, 253). Für die Bejahung der Existenz des Identitätsgebots lassen sich vor allem Wertungsgesichtspunkte anführen. Vormerkungsschutz soll nämlich nur derjenige Gläubiger genießen, dessen Schuldner bereits über das betroffene Grundstück verfügen kann, während ein solcher Schutz in Fällen, in denen der Schuldner selbst (noch) gar nicht verfügungsberechtigt ist, ungerechtfertigt erscheint (Staudinger/Gursky, a. a. O., § 883 Rn. 46; Amann, a. a. O., 253). Denn mit jeder Vormerkung ist faktisch eine Einschränkung der Verkehrsfähigkeit des betroffenen Grundstücks verbunden. Das Identitätsgebot hat somit den Sinn, einer übermäßigen Vorverlegung des Vormerkungsschutzes, welche die Verkehrsfähigkeit des betroffenen Grundbesitzes beeinträchtigen würde, vorzubeugen (Amann, a. a. O., 253). 2. Rechtsprechung und Literatur haben sich mit der Problematik des Identitätsgebots bisher in erster Linie in den Fällen der Kettenveräußerung von Grundbesitz befaßt: Als Ausweg aus der Problematik des Identitätsgebots bei der Vormerkungssicherung des Zweitkäufers in diesen Fällen wird dabei vorgeschlagen, daß der Erstkäufer entweder seinen Übereignungsanspruch gegen den Erstverkäufer samt Vormerkung an den Zweitkäufer abtritt (vgl. Staudinger/Gursky, a. a. O., § 883 Rn. 46; Amann, in: DAI-Skript, Vollstreckungsfeste Vertragsgestaltung, 08. und 09.05.1998, 26 ff.) oder der Erstverkäufer gegenüber dem Zweitkäufer im Wege des Schuldbeitritts oder eines echten Vertrages zugunsten Dritter mit dem Erstkäufer eine eigene Verpflichtung zur Eigentumsverschaffung gegenüber dem Zweitkäufer übernimmt, was eine Vormerkungssicherung unter Wahrung des Identitätsgebotes ermöglicht (vgl. Amann, in: DAI-Skript, a. a. O., S. 26; Staudinger/ Gursky, a. a. O., § 883 Rn. 46). Als nicht dem Identitätsgebot genügend wird es demgegenüber von der h. M. angesehen, wenn der Erstverkäufer der vom Erstkäufer zugunsten des Zweitkäufers bewilligten Vormerkung bloß gem. § 185

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BGB zustimmt. Denn die Zustimmung des Erstverkäufers zur Bewilligung durch den nichtberechtigten Erstkäufer vermag nicht mehr zu bewirken als eine eigene Bewilligung des Erstverkäufers. Diese leidet jedoch daran, daß der Erstverkäufer zwar Grundstückseigentümer, nicht aber Schuldner des zu sichernden Anspruchs ist (vgl. zum ganzen: Amann, DNotZ 1995, 252, 254; ders.; in: DAI-Skript, 26; Staudinger/Gursky, a. a. O., § 883 Rn. 46 m. w. N.; a. A. MünchKomm-Wacke, BGB, 3. Aufl. 1997, § 883 Rn. 17). 3. Im vorliegenden Fall ist zunächst fraglich, welche Bedeutung die Erklärung der R-GmbH in der Annahmeurkunde hat, daß die R -GmbH dem Verkauf des Vertragsgrundbesitzes durch die S-KG zustimmt und der S-KG entsprechende Vollzugsvollmachten erteilt. Diese Mitwirkung der R-GmbH an der Angebotsannahme könnte dahingehend zu verstehen sein, daß die S-KG und die RGmbH das Angebot der M-GmbH auf Abschluß eines Grundstückskaufvertrages gem. § 150 Abs. 2 BGB mit der Änderung angenommen haben, daß der Kaufvertrag nicht mehr zwischen der MGmbH und der S -KG, sondern zwischen der M-GmbH und der aus der S-KG und der RGmbH bestehenden GbR zustandekommen sollte. In diesem Fall läge in der Angebotsannahme ein neues Angebot an die M-GmbH auf Abschluß eines entsprechenden Kaufvertrages, das jedoch bisher nach dem geschilderten Sachverhalt nicht zu notarieller Urkunde angenommen worden wäre. Gegen diese Auslegung der Mitwirkung der R-GmbH spricht jedoch die in der Erklärung der R-GmbH ebenfalls enthaltene Verpflichtung der R-GmbH gegenüber der S-KG, im Wege eines echten Vertrages zugunsten Dritter der M-GmbH das Eigentum am Vertragsobjekt zu verschaffen und zur Sicherung dieses Anspruchs die Eintragung einer entsprechenden Auflassungsvormerkung am Vertragsobjekt zu bewilligen. Diese Erklärung zeigt nämlich u. E., daß die Beteiligten nicht einen Kaufvertrag zwischen der GbR und der M-GmbH zustandebringen wollten. Vielmehr haben die Beteiligten offenbar unter Berücksichtigung der vorstehend dargestellten herrschenden Meinung zum Identitätsgebot versucht, durch die Begründung einer eigenständigen Übereignungsverpflichtung der R-GmbH gegenüber der M-GmbH eine Vormerkungssicherung für die M-GmbH zu ermöglichen. Die Mitwirkung der R-GmbH in der Annahmeurkunde dürfte daher u. E. so auszulegen sein, daß sich die R-GmbH gegenüber der S-KG zur Mitwirkung bei der Übereignung des Vertragsgrundbesitzes an die M-GmbH verpflichtet und zugleich im Wege eines echten Vertrages zugunsten Dritter eine eigene solche Verpflichtung gegenüber der M-GmbH übernommen hat. Diese Konstruktion leidet jedoch u. E. daran, daß die R-GmbH im vorliegenden Fall - anders als in den Fällen der Kettenveräußerung, an die der beurkundende Kollege offenbar bei dieser Vertragsgestaltung gedacht hat - selbst ebenfalls nicht derzeitige Eigentümerin des Vertragsobjekts ist. Eigentümerin des Vertragsobjekts ist vielmehr die Gesamthandsgemeinschaft, die aus der S-KG und der RGmbH besteht. Aus diesem Grunde fehlt es u. E. auch hinsichtlich der für die eigene Verpflichtung der R-GmbH bewilligten Auflassungsvormerkung an der erforderlichen Identität zwischen dem derzeitigen Grundstückseigentümer und dem Schuldner des zu sichernden A nspruchs. Die Mitwirkung der R GmbH ermöglicht unter dem Gesichtspunkt des Identitätsgebots auch nicht die Eintragung der von der S-KG zur Sicherung ihrer Übereignungsverpflichtung b ewilligten Auflassungsvormerkung, da - wie vorstehend dargestellt wurde - nach h. M. eine bloße Zustimmung des Berechtigten zu der Vormerkungsbewilligung eines Nichtberechtigten dem Identitätsgebot nicht genügt. 4. Wir gehen daher davon aus, daß derzeit weder die von der S-KG noch die von der R-GmbH bewilligte Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen werden kann. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß - wenn man davon ausgeht, daß die Annahmeurkunde so zu verstehen ist, daß damit der Kaufvertrag zwischen der S-KG und der M-GmbH zustandegekommen ist - nur eine

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Vormerkung zur Sicherung des Übereignungsanspruches der M-GmbH gegen die S-KG der vereinbarten Fälligkeitsvoraussetzung entspricht. U. E. dürfte die Angelegenheit am zweckmäßigsten dadurch zu bereinigen sein, daß der zwischen der M-GmbH und der S-KG zustandegekommene Kaufvertrag im Wege eines Nachtrags dahingehend geändert wird, daß der Kaufvertrag nunmehr zwischen der M-GmbH und der aus der S-KG und der R-GmbH bestehenden GbR geschlossen und der sich aus diesem Kaufvertrag ergebende Übereignungsanspruch der M-GmbH durch eine von den Gesellschaftern der GbR bewilligte Auflassungsvormerkung gesichert wird. Wir hoffen, Ihnen mit vorstehenden Ausführungen behilflich gewesen zu sein, und dürfen Sie darauf hinweisen, daß die Gutachten des DNotI nicht zur Weitergabe an Dritte bestimmt sind und eine Veröffentlichung oder Vervielfältigung nicht zulässig ist. Literatur
Staudinger/Gursky, BGB, 13. Aufl. 1996, § 883 Rn. 42 ff. MünchKomm-Wacke, BGB, 3. Aufl. 1997, § 883 Rn. 13 ff. Amann, Keine Vormerkung eigenständiger Übereignungspflichten des Erben oder des jeweiligen Eigentümers, DNotZ 1995, 252 ff. Amann, in: DAI-Skript, Vollstreckungsfeste Vertragsgestaltung, 08.und 09.05.1998, 26 ff.

Gutachten/Abruf-Nr:

1188

Erscheinungsdatum:

01.01.1998

Rechtsbezug

National

Normen in Titel:

BGB § 883