17. April 2020
RDG § 5; RDG § 6; RDG § 3; BGB § 1896

Generalvollmacht zugunsten des örtlichen Kreditinstituts

BGB § 1896; RDG §§ 2, 3, 5, 6
Generalvollmacht zugunsten des örtlichen Kreditinstituts

I. Sachverhalt
Der Notar wird beauftragt, eine Generalvollmacht zu beurkunden, die die Vertretung des Vollmachtgebers in allen Angelegenheiten mit Ausnahme der Gesundheitsfürsorge umfasst. Bevollmächtigter soll ein örtliches Kreditinstitut sein. Der Vollmacht würde ein Geschäftsbesorgungsvertrag zugrunde liegen, der insbesondere auch die Vergütung des Bevollmächtigten regelt.

II. Frage
Ist die Vollmacht mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) zu vereinbaren?

III. Zur Rechtslage
1. Juristische Person als Vorsorgebevollmächtigte
Derzeit ist noch nicht abschließend geklärt, ob einer juristischen Person im Allgemeinen (und einem anerkannten Betreuungsverein im Besonderen) eine Vorsorgevollmacht erteilt werden kann (vgl. dazu schon Gutachten DNotI-Report 2012, 183).

Dies gilt insbesondere für eine Vorsorgevollmacht, die weitreichende Befugnisse in Angelegenheiten der Personensorge enthält, bspw. die Befugnis zur freiheitsentziehenden Unterbringung des Vollmachtgebers oder zur Entscheidung über die Beendigung lebenserhaltender Maßnahmen. Gerade insoweit wird ein besonderes Vertrauensverhältnis zu der bevollmächtigten Person vorauszusetzen sein (vgl. dazu nur Bühler, FamRZ 2001, 1585, 1592), das sich in der Regel zu natürlichen Personen herstellen lässt (so auch Zimmermann, Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung, Patientenverfügung, 3. Aufl. 2017, Rn. 135a, mit Verweis auf die fehlende Gleichwertigkeit einer solchen Vollmacht mit der Betreuung).

In der neueren Literatur ist jedoch zunehmend zu lesen, dass die Bevollmächtigung einer juristischen Person nicht auf den vermögensrechtlichen Bereich beschränkt sein dürfe, denn dies sei mit dem Grundsatz der Privatautonomie nicht vereinbar (so Dodegge/Roth, Systematischer Praxiskommentar Betreuungsrecht, 5. Aufl. 2018, C Rn. 17; Lipp/Spalckhaver, Handbuch der Vorsorgeverfügungen, 2009, § 11 Rn. 32). Man macht eine Art „Risikoübernahme“ geltend: Der Vollmachtgeber übernehme bei Bevollmächtigung einer juristischen Person in Unkenntnis der konkreten natürlichen Person des später Handelnden die damit verbundenen Risiken bewusst (Dodegge/Roth, C Rn. 17).

2. Verstoß gegen das RDG?
a) Verbotene Rechtsdienstleistung i. S. d. § 3 RDG
Auch diejenigen Literaturstimmen, die die Bevollmächtigung einer juristischen Person allgemein für zulässig erachten, weisen allerdings auf einen möglichen Verstoß der Vollmacht gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) hin (vgl. Zimmermann, Rn. 137, 143; Lipp/Spalckhaver, § 11 Rn. 33).

Das am 1.7.2008 in Kraft getretene RDG dient dem Schutz vor unqualifizierter Rechtsdienstleistung (vgl. § 1 Abs. 1 S. 2 RDG). § 3 RDG enthält ein gesetzliches Verbot i. S. d. § 134 BGB (vgl. statt vieler BeckOGK-BGB/Binder, Std.: 15.2.2020, § 488 Rn. 133 m. w. N.). Verstieße die Vollmacht gegen die Vorschriften des RDG, so könnte sie daher nichtig sein.

Eine nach dem RDG erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung ist in § 2 Abs. 1 RDG legal definiert als „Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert“. Nach der Regierungsbegründung zum RDG (BT-Drucks. 16/3655 v. 30.11.2006, S. 46) sollten durch die Neudefinition der Rechtsdienstleistung insbesondere die „Fälle bloßer Stellvertretung im Rechtsverkehr“ aus der Genehmigungspflicht herausgenommen werden, soweit nicht „der Rechtsuchende eine besondere rechtliche Betreuung einer Aufklärung erkennbar erwartet […] Dies gilt auch in den ‚Treuhandfällen‘ bei Bauträger- oder sonstigen Anlagemodellen […]“.

Es fragt sich allerdings, ob Vollmachten, die allgemein zur Vertretung „in allen persönlichen und/oder vermögensrechtlichen Angelegenheiten“ ermächtigen, noch unter „bloße Stellvertretung“ im Sinne der Gesetzesbegründung subsumieren sind. Vollmachten etwa, die allein zum Verkauf und Erwerb von Immobilien berechtigen, unterfallen nach wohl h. M. nicht mehr dem RDG (so wohl Kleine-Cosack, RDG, 3. Aufl. 2014, § 2 Rn. 80 f.).

b) Vorsorgevollmacht: erlaubte Rechtsdienstleistung?
Wann im Bereich der Vorsorgebevollmächtigung eine problematische Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten vorliegt, die eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert (§ 2 Abs. 1 RDG), ist noch weitgehend ungeklärt. In der Praxis dürfte sich bei Vorsorgevollmachten eine Erlaubnis wohl häufig aus den §§ 5, 6 RDG ergeben. Insbesondere § 6 RDG gestattet allgemein Rechtsdienstleistungen zugunsten von Familienmitgliedern, Nachbarn, Freunden und sonstigen Vertrauenspersonen – jedoch nur, wenn und solange sie unentgeltlich vorgenommen werden (vgl. dazu auch Sauer, RNotZ 2009, 79, 95). Dies sind die typischen Fälle der Vorsorgevollmacht.

Gerade bei entgeltlicher Rechtsdienstleistung außerhalb des Kreises der nächsten Familien­angehörigen („untypische Fälle“) kann das RDG aber problematisch werden, sofern der Rechtsdienst­leister nicht Rechtsanwalt oder Notar ist. So dürfte anzunehmen sein, dass die entgeltliche umfassende Vertretung im Rahmen von Vorsorgevollmachten (oder Generalvollmachten) grundsätzlich dem Anwendungsbereich des RDG unterfällt (vgl. Gutachten DNotI-Report 2012, 183, 184). Etnsprechend formulieren etwa Lipp/Schrader (in: Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht, 5. Aufl. 2018, § 44 Rn. 37):

„Das Vorsorgeverhältnis verstößt beim entgeltlich tätigen Bevollmächtigten in der Regel gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz. Die Tätigkeit des Vorsorgebevollmächtigten ist Rechtsfürsorge für einen Dritten. Sie umfasst auch eine rechtliche Prüfung fremder Angelegenheiten im Einzelfall und ist daher eine Rechtsdienstleistung iSd RDG.“

Ist wie im vorliegenden Fall eine entgeltliche Geschäftsbesorgung durch das Kreditinstitut als Generalbevollmächtigte vorgesehen, kann allenfalls fraglich sein, ob die Tätigkeit als Nebentätigkeit i. S. d. § 5 Abs. 1 RDG erlaubt ist. Bei einer umfassenden Bevollmächtigung der Bank dürfte dies kaum anzunehmen sein, da die umfassende Wahrnehmung der Interessen des Vollmachtgebers (insbesondere in Angelegenheiten der Personensorge) keine Nebentätigkeit zur Haupttätigkeit einer Bank darstellt. Wird die Tätigkeit auf die vermögensrechtlichen Angelegenheiten beschränkt, dürfte dies zumindest fraglich sein. In der Literatur findet sich u. a. folgende Stellungnahme von Kurze (in: Kurze, Vorsorgerecht, 2017, § 675 BGB Rn. 26):

„Die Nutzung der Vorsorgevollmacht ist keine nach § 5 RDG erlaubte Nebenleistung. Die rechtliche Interessenwahrnehmung ist bei der Vorsorgebevollmächtigung Hauptbestandteil und kein Nebeneffekt wie [bei] einer Haus- und Wohnungsverwaltung (§ 5 Abs. 2 Nr. 2 RDG).“

Die Rechtsprechung hat die Frage unseres Wissens bisher nicht behandelt. Es existiert allerdings eine Entscheidung des OLG Karlsruhe aus dem Jahr 2010 (BeckRS 2011, 22997). Im zugrunde liegenden Fall hatte eine Bank rechtsberatende Tätigkeit im Hinblick auf die Erstellung von Vorsorgevollmachten angeboten. Das OLG Karlsruhe bejahte insoweit einen Verstoß gegen das RDG, da die Beratung über und das Erstellen von Vorsorgevollmachten nicht in sachlichem Zusammenhang mit der Haupttätigkeit der Bank stehe und es an einer inneren inhaltlichen Verbindung fehle.

In der Literatur findet sich für Zweifelsfälle die Empfehlung, eine Klausel in die Vollmacht aufzunehmen, wonach der Bevollmächtigte angewiesen wird, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, soweit bei der Wahrnehmung von Fürsorgeaufgaben in einer konkreten Angelegenheit eine rechtliche Einzelfallprüfung erforderlich wird (Lipp/Spalckhaver, § 15 Rn. 95; vgl. dazu auch Gutachten DNotI-Report 2012, 183, 184). Ob eine derartige Vollmachtserteilung sinnvoll oder zweckmäßig ist, sei dahingestellt. Gleiches gilt für die Frage, ob durch eine solchermaßen „eingeschränkte“ Vollmacht die Angelegenheiten des Betroffenen „ebenso gut“ wie durch einen Betreuer besorgt werden können (vgl. § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB).

Gutachten/Abruf-Nr:

175644

Erscheinungsdatum:

17.04.2020

Rechtsbezug

National

Erschienen in:

DNotI-Report 2020, 58-60

Normen in Titel:

RDG § 5; RDG § 6; RDG § 3; BGB § 1896