13. Mai 2022

Löschung von Briefhypotheken bei unbekanntem Verbleib des Briefs

Gutachten-Abruf-Dienst
Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 186368
letzte Aktualisierung: 13. Mai 2022

BGB § 1170
Löschung von Briefhypotheken bei unbekanntem Verbleib des Briefs

I. Sachverhalt

In Abt. III eines Grundbuchblatts eines in NRW belegenen Grundstücks ist eine Belastung mit
folgendem Wortlaut eingetragen:
„1.000,--- GM, Eintausend Goldmark, rückzahlbar und verzinslich nach dem Aufwertungsgesetz,
ursprünglich viertausend Mark Darlehn, für Fräulein …, eingetragen am […] 1926 und umgeschrieben
am […] 1968“.

Die genaue Art des Rechts ist nicht vermerkt. Sämtliche Bemühungen zur Löschung des Rechtes
sind bislang Erfolglos geblieben. Im Rahmen eines eingeleiteten Aufgebotsverfahrens (§ 1170
BGB) verweist die zuständige Rechtspflegerin zunächst auf § 449 FamFG. Zur Glaubhaftmachung
solle es nicht genügen, dass der Aufenthalt des Gläubigers unbekannt ist. Zudem weist
das Grundbuchamt darauf hin, dass es sich um ein Briefrecht handelt. Der Grundbesitz ist in der
Vergangenheit mehrfach veräußert worden, der Erwerber hat die Belastung regelmäßig übernommen.

II. Frage

Auf welcher rechtlichen Grundlage kann eine Löschung erreicht werden?

III. Zur Rechtslage

1. Art des Rechts

Als Vorfrage ist zu klären, um welche Art Recht es sich bei dem Eintrag im Grundbuch
handelt, da die Rechtsnatur nicht im Eintragungsvermerk gekennzeichnet ist.
Die Angabe eines Geldbetrags deutet zunächst auf ein Grundpfandrecht hin. Grundpfandrechte
sind beschränkte dingliche Rechte an einem Grundstück, die ihrem Inhaber das Recht
geben, sich in Höhe einer im Voraus bestimmten oder zum fraglichen Zeitpunkt bestimmbaren
Geldsumme aus dem belasteten Grundstück im Wege der Zwangsvollstreckung zu befriedigen
(§ 1147 BGB). Unter Geltung des BGB gibt es drei Grundpfandrechte: die Hypothek,
die Grundschuld und – vom Gesetz als Sonderfall der Grundschuld verstanden – die
Rentenschuld.

Eine Rentenschuld scheidet vorliegend aus, da diese auf regelmäßig wiederkehrende Zahlung
einer bestimmten Geldsumme gerichtet ist (BeckOGK-BGB/Kern, Std.: 1.5.2021, § 1113
Rn. 7). Durch eine Hypothek kann ein Grundstück in der Weise belastet werden, dass an
denjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, eine bestimmte Geldsumme zur Befriedigung
wegen einer ihm zustehenden Forderung aus dem Grundstück zu zahlen ist (§ 1113
Abs. 1 BGB). Durch eine Grundschuld kann ein Grundstück in der Weise belastet werden,
dass an denjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, eine bestimmte Geldsumme aus
dem Grundstück zu zahlen ist (§ 1191 Abs. 1 BGB). § 1191 Abs. 1 BGB enthält den in § 1113
Abs. 1 BGB enthaltenen Passus „zur Befriedigung wegen einer ihm zustehenden Forderung“
nicht und lässt damit die Nichtakzessorietät der Grundschuld erkennen (BeckOGKBGB/
Kern, § 1113 Rn. 150). Der maßgebliche Unterschied zwischen den beiden Grundpfandrechten
besteht also darin, dass die Hypothek notwendig zur Sicherung einer Forderung
bestellt werden muss (Akzessorietätsprinzip), während die Grundschuld als ein selbstständiges
Recht ausgestaltet ist, das ohne zu sichernde Hauptforderung bestehen kann und
aus sich heraus ein im Grundsatz voraussetzungsloses Verwertungsrecht gewährt: „die
Grundschuld hat ihren Zweck lediglich in sich selbst“ (MünchKommBGB/Lieder,
7. Aufl. 2017, § 1191 Rn. 1).

Aufgrund dessen, dass in der vorliegenden Eintragung das „Darlehn“ in Bezug genommen
wird, gehen wir davon aus, dass es sich vorliegend um eine zu dieser Forderung akzessorische
Hypothek handeln dürfte. Gesichert werden sollte wohl nicht irgendeine beliebige und austauschbare
Forderung, sondern explizit der Anspruch auf Rückzahlung eines konkret ausgereichten
Darlehens. Dies wird im Nachfolgenden unterstellt. Weiteren Aufschluss könnten,
sofern verfügbar, ggf. auch die im Grundbuch in Bezug genommenen – uns nicht vorliegenden
– Bewilligungsurkunden bieten.

2. Durchführung des Aufgebotsverfahrens

Gem. §§ 1170, 1171 BGB kann ein Aufgebotsverfahren zur Löschung eingetragener Grundpfandrechte
eingeleitet werden. Die verfahrensrechtlichen Vorschriften hierfür finden sich in
den §§ 447 ff. FamFG (s. zum Ganzen auch König, RNotZ 2020, 485, 498 ff.; Böhringer,
BWNotZ 2020, 144, 146 ff.).

a) Grundsätzliche Voraussetzungen für das Aufgebotsverfahren
Voraussetzung für den Ausschluss des Gläubigers von seinem Recht ist gem. § 1170
Abs. 1 BGB, dass der Gläubiger unbekannt ist; dies ist gem. § 449 FamFG glaubhaft zu
machen.

Nach der üblichen Definition ist der Gläubiger unbekannt, wenn der Gläubiger seiner
Person nach unbekannt ist oder keine Möglichkeit hat, sein Recht nachzuweisen
(Soergel/Konzen, BGB, 13. Aufl. 2001, § 1170 Rn. 2; Palandt/Bassenge, BGB,
77. Aufl. 2018, § 1170 Rn. 2; Staudinger/Wolfsteiner, BGB, Neubearb. 2015, § 1170
Rn. 6). Nicht genügen soll dagegen grundsätzlich, dass der Gläubiger nur unbekannten
Aufenthalts ist (vgl. BGH NJW 2004, 664; MünchKommBGB/Lieder, § 1170 Rn. 2).

b) Landesrechtliche Besonderheiten

Für Nordrhein-Westfalen gilt gem. Verordnung v. 13.2.2001 (GV NWR 2001 S. 69) § 6
des Grundbuchbereinigungsgesetzes des Bundes auch für das Gebiet des Landes NRW.
§ 6 Abs. 1a S. 1 GBBerG lautet:

„Soweit auf § 1170 des Bürgerlichen Gesetzbuchs verwiesen
wird, ist diese Bestimmung auf die vor dem 3. Oktober 1990
begründeten Rechte auch dann anzuwenden, wenn der Aufenthalt
des Gläubigers unbekannt ist.“

Diese Vorschrift wurde vom Bund zunächst lediglich zur Grundbuchbereinigung in den
neuen Bundesländern erlassen, ist aber zwischenzeitlich durch landesrechtliche Rechtssetzung
(s. § 6 Abs. 3 GBBerG sowie König, RNotZ 2020, 485, 499; Böhringer,
BWNotZ 2020, 144, 146) auch auf einzelne andere Bundesländer – insbes. Nordrhein-
Westfalen – ausgedehnt worden. Es reicht daher – offenbar entgegen der Ansicht des
Grundbuchamts – doch aus, dass lediglich der Aufenthalt des Gläubigers unbekannt ist.
Der Aufenthalt einer Person ist dabei unbekannt, wenn er nicht lediglich dem Gericht
und den Verfahrensbeteiligten, sondern allgemein unbekannt ist. Der BGH (NJWRR
2010, 23, 24, Rn. 17) führt hierzu aus:

„Dazu ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Ast. die
nach den Umständen des Falls in Betracht zu ziehenden
Erkenntnisquellen ausschöpft. Hier wird zu beachten sein, dass der
Ast. zwar eine Suchumfrage bei den Standesämtern Berlins hat
durchführen lassen, diese aber einen Geburtseintrag zum Gegenstand
hatte. Da H B auch außerhalb von Berlin geboren und im
Krieg vermisst sein kann, spricht einiges dafür, dass der Ast. glaubhaft
gemacht hat, dass der Aufenthalt von H B unbekannt ist, wenn
die noch einzuholenden Auskünfte aus dem Melderegister und
gegebenenfalls noch eines Vermisstensuchdienstes keine Hinweise
auf den Aufenthaltsort bieten.“

Auch dann, wenn lediglich der Aufenthaltsort des Gläubigers unbekannt sein muss,
werden daher hohe Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Tatbestandsmerkmals
„unbekannt“ gestellt. Für die Frage, wer Gläubiger ist, gilt es allerdings auch im Zusammenhang
des § 6 GBBerG die Besonderheiten der Briefhypothek zu berücksichtigen
(s. nachstehend lit. c).

c) Besonderheiten bei Briefhypotheken

Der Hinweis des Gerichts, dass es sich um ein Briefgrundpfandrecht handelt, dürfte u. E.
als Hinweis auf die genauen Anforderungen der Glaubhaftmachung zu verstehen sein.

Briefgrundpfandrechte können nach §§ 1153 Abs. 1, 1154 Abs. 1 S. 1 BGB auch außerhalb
des Grundbuchs durch schriftliche Erklärung und Briefübergabe abgetreten werden.
Bei diesen kommt es daher – anders als bei Buchgrundpfandrechten – nicht darauf an,
wer den aus dem Grundbuch ersichtlichen Gläubiger beerbt hat oder ob dessen Erbrecht
nachweisbar oder nachgewiesen ist, da das Recht an andere Personen als die Erben abgetreten
worden sein könnte. Es kommt vielmehr auf denjenigen an, in dessen Händen
sich der Brief befindet; dies gilt auch, wenn der Hypothekenbrief unauffindbar oder der
Aufenthalt des letzten Inhabers unbekannt ist (BGH NJW-RR 2014, 1360, 1361, Rn. 6;
BGH NJW-RR 2009, 660, 661, Rn. 15; Staudinger/Wolfsteiner, BGB, Neubearb. 2019,
§ 1170 Rn. 6). Der BGH hat es hierfür genügen lassen, dass glaubhaft gemacht wurde,
dass nicht festgestellt werden konnte – weder durch Rücksprache mit demjenigen
Gläubiger, dem der Brief ursprünglich ausgehändigt worden war (hierfür lag im
konkreten Fall eine Quittung vor), noch durch Vorlage des Briefs – ob der ursprüngliche
Inhaber des Briefs noch Inhaber von gesicherter Forderung und Hypothek war oder ob
diese inzwischen einem anderen Gläubiger zustand (BGH NJW-RR 2009, 660, 662,
Rn. 17). In einer neueren (eher strengeren) Entscheidung hat der BGH die Voraussetzungen
dahingehend konkretisiert, dass diese nicht schon dann vorliegen, wenn der
Grundstückseigentümer selbst von dem Verbleib des Briefs und dem Aufenthalt des
letzten Inhabers keine Kenntnis hat. Denn die Vorschrift eröffne die Möglichkeit eines
Aufgebots nicht schon, wenn der Gläubiger „dem Grundstückseigentümer“ unbekannt
sei, sondern nur, wenn er schlechthin unbekannt sei. Es ließen sich daher die
Anforderungen für einen Ausschluss nach §§ 6 Abs. 1a, 3 GBBerG übertragen (BGH
NJW-RR 2014, 1360, 1361, Rn. 7). Schlechthin unbekannt seien der Verbleib des Grundpfandrechtsbriefs
und der Aufenthalt seines letzten bekannten Inhabers andererseits
nicht erst, wenn objektiv ausgeschlossen werden kann, sie (jemals) in Erfahrung zu
bringen. Entscheidend sei vielmehr, ob der Antragsteller alle naheliegenden und mit
zumutbarem Aufwand zu erschließenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft hat, um den
Verbleib des Briefs und den Aufenthalt seines letzten Inhabers zu klären, und dies
glaubhaft gemacht worden ist (§ 449 FamFG, BGH NJW-RR 2014, 1360, 1361, Rn. 8).

d) Anforderungen an die Glaubhaftmachung

Im Ergebnis dürften also, ob man § 6 GBBerG anwendet oder nicht, ähnliche Anforderungen
an die Glaubhaftmachung der Voraussetzungen des Aufgebotsverfahrens gestellt
werden, da jeweils entscheidend ist, ob der Aufenthaltsort des Hypothekengläubigers
bzw. des Briefinhabers unbekannt ist. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass das Aufgebotsverfahren
ausgeschlossen ist, wenn in jüngerer Zeit eine Anerkennenshandlung gem.
§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB erfolgt ist. Die Frist hierfür ist jedoch unterschiedlich – im Verfahren
nach § 1170 BGB beträgt die Frist zehn, bei Inanspruchnahme der Erleichterung
nach § 6 GBBerG – was hier u. E. jedoch keinen wesentlichen Unterschied bedeuten
dürfte – dreißig Jahre.

In diesem Kontext ist die strenge, wenngleich nicht überzeugende, obergerichtliche
Rechtsprechung der letzten Jahre zu berücksichtigen: Das OLG Düsseldorf hat es nicht
genügen lassen, dass der jetzige Eigentümer (in den entschiedenen Fällen der Erbe) an
Eides statt versichert, dass in den letzten zehn Jahren durch den jeweiligen Eigentümer
keine Anerkennenshandlung erfolgt sei, wenn der Erbfall erst vor kurzem eingetreten sei
und der Erbe das Nichtanerkennen während der letzten zehn Jahre nicht aus eigener
Anschauung versichern könne (OLG Düsseldorf RNotZ 2019, 389, 391, Rn. 9;
OLG Düsseldorf BeckRS 2020, 11738; großzügiger dagegen noch OLG Düsseldorf
BeckRS 2018, 28536 Rn. 20). Dies führt dazu, dass faktisch die Zehnjahresfrist bei jedem
Erbfall neu eintritt, was dem Sinn des Aufgebotsverfahrens widerspricht (König,
RNotZ 2020, 485, 502). Darüber hinaus wird die Möglichkeit des § 6 GBBerG weitgehend
wertlos. Wir halten die Anforderungen der Rechtsprechung daher für überzogen.
Ob im konkreten Fall die Möglichkeit besteht, die Nichtanerkennenshandlungen für die
letzten zehn oder gar dreißig Jahre auch unter den erschwerten Anforderungen der
Rechtsprechung glaubhaft zu machen, ist für uns nach dem Sachverhalt nicht ersichtlich.

e) Rechtsfolgen des Aufgebotsverfahrens

Rechtsfolge eines erfolgreich durchgeführten Aufgebotsverfahrens ist, dass der Eigentümer
die Hypothek erwirbt (§ 1170 Abs. 2 S. 1 BGB); diese wandelt sich dadurch in eine
Eigentümergrundschuld. Ein dem Gläubiger erteilter Hypothekenbrief wird mit Rechtskraft
des Ausschließungsbeschlusses kraftlos (§ 1170 Abs. 2 S. 2 BGB), sodass sich die
Frage nach dem Verbleib des Grundschuldbriefs in diesem Fall erledigt. Der Umstand,
dass es sich um ein Briefrecht handelt, spielt damit u. E. nur bei den Voraussetzungen
der Glaubhaftmachung eine Rolle.

3. Sonstige Möglichkeiten zur Löschung

Der Vollständigkeit halber verweisen wir auf weitere Möglichkeiten der Löschung von
Grundpfandrechten, die jedoch meist eher theoretischer Natur sind und sich nicht als leichterer
Weg gegenüber dem Aufgebotsverfahren darstellen. Insbesondere scheitern Nachlasspflegschaft
(§§ 1960, 1961 BGB), Abwesenheitspflegschaft (§ 1911 BGB) oder öffentliche
Zustellung der Klage auf Löschungsbewilligung in der Regel an der Voraussetzung, dass es
sich nicht um ein Vorgehen im Interesse des Gläubigers handelt bzw. dass an diese Vorgehen
ähnlich hohe oder höhere Anforderungen gestellt werden.

Gutachten/Abruf-Nr:

186368

Erscheinungsdatum:

13.05.2022

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Grundpfandrechte