15. Juli 2022
BGB § 577

Verwirkung des Mietervorkaufsrechts bei Auszug eines von mehreren Mietern aus der gemeinsamen Wohnung; Ausübung des Mietervorkaufsrechts, das mehreren gemeinsam zusteht

BGB § 577
Verwirkung des Mietervorkaufsrechts bei Auszug eines von mehreren Mietern aus der gemeinsamen Wohnung; Ausübung des Mietervorkaufsrechts, das mehreren gemeinsam zusteht

I. Sachverhalt
Der Käufer hat von dem Verkäufer im Juli 2021 eine Wohnung erworben. Für das Objekt ist kurz zuvor eine Teilungserklärung vollzogen worden. Im Kaufvertrag wird davon ausgegangen, dass für die Mieter A und B ein Vorkaufsrecht nach § 577 BGB besteht. Im Jahr 2013 wurde die Wohnung von dem unverheirateten Paar A und B gemeinsam angemietet. A ist kurz darauf aus der Wohnung ausgezogen und lebt bereits seit 8 Jahren nicht mehr in der Wohnung. B hat im Innenverhältnis die Miete alleine übernommen und bewohnt weiterhin die Wohnung. A ist jedoch nie förmlich aus dem Mietverhältnis entlassen worden. B hat nach Kenntnisnahme von dem Kaufvertrag unwiderruflich schriftlich auf die Ausübung des Vorkaufsrechts verzichtet. Nachdem A von der Teilungserklärung und dem Kaufvertrag erfahren hat, möchte er das Mietervorkaufsrechts nach § 577 BGB ausüben.

II. Fragen
1. Kann A das Mietervorkaufsrecht ausüben, obwohl er seit acht Jahren nicht mehr in der Wohnung lebt, oder kommt eine Verwirkung dieses Rechts in Betracht?

2. Ist die Ausübung des Mietervorkaufsrechts allein durch A überhaupt möglich oder müsste dies gemeinschaftlich durch A und B erfolgen, da sie auch den Mietvertrag gemeinsam geschlossen haben? Wie wirkt es sich aus, dass B bereits unwiderruflich auf die Geltendmachung verzichtet hat?

III. Zur Rechtslage
1. Grundsätzliches Bestehen des Mietervorkaufsrechts auch für ausgezogene Mieter
Gemäß § 577 Abs. 1 S. 1 BGB besteht ein Mietervorkaufsrecht dann, wenn vermietete Wohnräume, an denen nach Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist, an einen Dritten verkauft werden.
„Mieter“ ist dabei derjenige, der den Mietvertrag abgeschlossen hat; haben mehrere den Mietvertrag abgeschlossen, sind sie alle Adressaten des Vorkaufsrechts (BeckOGK-BGB/Klühs, Std.: 1.7.2022, § 577 Rn. 86; Staudinger/Rolfs, BGB, 2021, § 577 Rn. 56; Blank/Fervers, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2021, § 577 BGB Rn. 42). Eine Eigennutzung des jeweiligen Mieters zum Zeitpunkt des Vorkaufsfalls ist dabei nach dem Gesetz nicht Voraussetzung für den Vorkaufsfall. Das LG Köln hat daher das Mietervorkaufsrecht auch in einem Fall bejaht, in dem der Ehemann der Bewohnerin aus der von beiden angemieteten Wohnung ausgezogen war (LG Köln NJW-RR 1995, 1354). Es sei geboten, aus Gründen der Rechtssicherheit an den Wortlaut der Norm anzuknüpfen, da sich sonst – etwa bei einer nur zeitweisen Nutzung – schwierige Abgrenzungsfragen stellen könnten.

Dem ist zuzugeben, dass § 577 BGB die Überlassung an den Mieter fordert, aber nicht spiegelbildlich vorsieht, dass das Vorkaufsrecht erlischt, sobald der Mieter ausgezogen ist. Am Ergebnis mag man aber immerhin deswegen zweifeln, weil das Mietervorkaufsrecht darauf gerichtet ist, den Mieter vor dem Entzug des von ihm bewohnten Wohnraums (durch Eigenbedarfskündigung des Käufers) zu schützen (MünchKommBGB/Häublein, 8. Aufl. 2020, § 577 Rn. 1; BeckOGK-BGB/Klühs, § 577 Rn. 3). Dieser Zweck wird jedoch im vorliegenden Fall nicht mehr verfolgt, da anzunehmen ist, dass der vor acht Jahren ausgezogene Ehemann mittlerweile eine andere Wohnung bewohnt. Auch die vom LG Köln angesprochene Abgrenzungsproblematik stellt sich jedenfalls in Fällen nicht, in denen ein Mieter in der Absicht auszieht, die Wohnung endgültig aufzugeben, und sich dies – wie etwa im Fall einer Ehescheidung der Mieter – auch objektiv ohne Weiteres nachprüfen lässt. Im Fall des LG Köln, in dem es um zunächst verheiratete Mieter ging, von denen die Ehefrau nach der Ehescheidung ausgezogen war, wäre damit eine Abgrenzung eigentlich möglich gewesen. Allerdings hat das LG Köln in dem von ihm entschiedenen Fall trotzdem mit Verweis auf Abgrenzungsprobleme das Vorkaufsrecht abgelehnt; dies müsste dann erst recht für den vorliegenden Fall gelten, in dem – mangels Eheschließung der Mieter – eine vergleichbar objektivierbare Anknüpfung nicht in gleicher Weise möglich war.

Für die Ansicht des LG Köln spricht immerhin, dass auch der ausgezogene Mieter – sofern keine „Entlassung“ aus dem Mietvertrag oder keine Verwirkung vorlag, s. dazu unten – zumindest im Außenverhältnis gegen den Vermieter noch einen Anspruch auf Einräumung von Besitz an der Wohnung hätte (was in manchen Situationen, etwa bei einem Versterben oder Auszug des zunächst in der Wohnung verbleibenden Mieters, auch in praktischer Hinsicht nicht ausgeschlossen erscheinen mag). Es lässt sich daher argumentieren, dass das Mietervorkaufsrecht auch dazu dient, diesen (hypothetischen) Anspruch des Mieters vor einer Eigenbedarfskündigung zu schützen. Dies erscheint auch wertungsmäßig solange nicht unangemessen, wie der Mieter auch nach seinem Auszug noch für den Mietzins zumindest im Außenverhältnis haftet.

Weitere Rechtsprechung ist nicht ersichtlich, abgesehen von der weiteren Entscheidung des OLG München (NZM 1999, 797), in der allerdings der Grundsatz des LG Köln, auch ein ausgezogener Mieter könne noch das Vorkaufsrecht ausüben, nicht in Frage gestellt wurde (s. das Zitat des Urteils des LG Köln bei OLG München NZM 1999, 797, 798).

Die Literatur folgt dem LG Köln weitgehend mit der Aussage, dass auch Mieter, die ausgezogen sind, das Vorkaufsrecht haben, wenn sie aus den gemeinsam angemieteten Wohnräumen ausgezogen sind (BeckOGK-BGB/Klühs, § 577 Rn. 22; Bärmann/Armbrüster, WEG, 14. Aufl. 2018, § 1 Rn. 238; MünchKommBGB/Häublein, 8. Aufl. 2020, § 577 Rn. 5; Schmidt-Futterer/Blank, § 577 Rn. 28; BeckOK-MietR/Bruns, Std.: 1.5.2022, § 577 BGB Rn. 11). Es ist daher für die Praxis davon auszugehen, dass auch ein mit der Sache befasstes Gericht grundsätzlich davon ausgehen würde, dass auch ausgezogenen Mietern ein Mietervorkaufsrecht zusteht.

2. Konkludente Vertragsanpassung?
Der Fall gibt Anlass, über eine konkludente Vertragsanpassung nachzudenken. Das LG Köln hat eine solche nicht thematisiert. Eine „Entlassung“ des ausgezogenen Mieters aus dem Vertrag hat immerhin das OLG München angeprüft, wobei es sich auf einen notariellen Vertrag stützen konnte, in dem der Vermieter offenbar davon ausgegangen war, dass nur noch ein Mieter Partei des Mietvertrags war.

Die Hürden für eine konkludente Vertragsanpassung sind dabei allerdings nicht zu niedrig anzusetzen. Es ist vor dem Hintergrund der §§ 414 ff. BGB erforderlich, dass nicht nur eine Erklärung der Mieter vorliegt, sondern sich auch eine Erklärung des Vermieters dessen Verhalten entnehmen lässt. Ob ein solches Verhalten darin liegen kann, dass – wie im früheren Gutachten angenommen – dieser den Schriftverkehr alleine mit dem in der Wohnung verbleibenden Mieter geführt hat (falls dies auch für den vorliegenden Fall zuträfe), erscheint jedenfalls angesichts des kürzeren Zeitablaufs (in dem Fall, der dem früheren Gutachten zugrunde lag, war der Auszug 25 Jahre vor dem Vorkaufsfall erfolgt) als fraglich. Es kann durchaus im Interesse des Vermieters gelegen haben, dass beide Ehepartner für die Miete haften sollten, sodass er aus diesem Grund mit beiden den Vertrag geschlossen hat; auch wenn die Korrespondenz über längere Zeit lediglich mit einem Mieter geführt worden sein sollte, kann dies lediglich der Vereinfachung der Abwicklung des Mietvertrags gedient haben, ohne dass darin ein Verzicht des Vermieters auf den zweiten Vertragspartner zu sehen wäre. Darüber hinaus ist u. E. die Vorschrift des § 550 BGB zu berücksichtigen. Nach dieser Norm gilt ein Mietvertrag, der nicht schriftlich abgeschlossen ist, als auf unbestimmte Zeit geschlossen; der Schriftform unterliegen dabei auch Änderungen der Parteien des Mietverhältnisses (BeckOGK-BGB/Dittert, Std.: 1.4.2022, § 550 Rn. 111). Jedenfalls dann, wenn der Mietvertrag ursprünglich nicht auf unbestimmte Zeit abgeschlossen war, würde dies dagegen sprechen, in das Verhalten der Beteiligten eine konkludente Vertragsanpassung hineinzulesen.

Mangels genauer Kenntnis aller Umstände des Einzelfalls kann das DNotI das Vorliegen einer konkludenten Vertragsanpassung nicht abschließend beurteilen; nach dem mitgeteilten Sachverhalt liegt diese jedoch eher fern.

3. Verwirkung des Mietervorkaufsrechts
Es stellt sich jedoch die Frage, ob das Mietervorkaufsrecht durch den Auszug des Ehemanns vor acht Jahren verwirkt ist.

a) Tatbestand der Verwirkung
Der Verwirkung unterliegen grundsätzlich alle subjektiven Rechte. Eine Verwirkung wird auf den Grundsatz von Treu und Glauben gestützt (§ 242 BGB) und ist dann gegeben, wenn der Berechtigte das Recht längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat, der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (vgl. BGH NJW 2010, 3714; NJW 2007, 1273; NJW 2003, 128; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 242 Rn. 87). Es bedarf also eines Zeitmomentes und eines Umstandsmomentes.

b) Zeitmoment
Im erwähnten Fall des LG Köln war der ausgezogene Mieter ebenfalls vor einem Zeitraum von relativ genau acht Jahren vor der Mitteilung über den Vorkaufsfall ausgezogen, das LG Köln hat die Verwirkung jedoch nicht angesprochen.

Auf Verwirkung hat sich allerdings das OLG München (NZM 1999, 797, 798) in einem Fall gestützt, in dem der ausgezogene Ehegatte bereits seit zwölf Jahren aus der Wohnung ausgezogen war. Der Hintergrund des Falls war dabei allerdings ein anderer. Im Fall des OLG München hatte der (in der Wohnung verbleibende) Ehemann das Mietervorkaufsrecht (alleine) ausüben wollen, es stand jedoch im Raum, dass er dies ohne seine vor zwölf Jahren ausgezogene Ehefrau nicht konnte, da diese ebenfalls Partei des Mietverhältnisses geworden war. Das OLG München verwies darauf, dass das Vorkaufsrecht nach der (Vorgänger-)Vorschrift des § 472 BGB dann von einem Vorkaufsberechtigten alleine ausgeübt werden könne, wenn es für den anderen verwirkt oder erloschen sei; hiervon sei wegen des Auszugs vor zwölf Jahren auszugehen. Es verwies darauf, dass der Zweck des Mietervorkaufsrechts, den Mieter vor dem Verlust der von ihm bewohnten Wohnung zu schützen, für den ausgezogenen Mieter nicht mehr erreicht werden könne.

Im Fall des OLG München dürfte es dabei allerdings nicht entscheidend auf die Verwirkung angekommen sein, da der in der Wohnung Verbleibende das Vorkaufsrecht auch dann alleine ausüben kann, wenn die anderen Berechtigten – im Fall des OLG München also der ausgezogene Ehegatte – sein Recht nicht innerhalb der Frist ausübt (vgl. den Wortlaut von § 472 S. 2 BGB: „Ist es für einen der Berechtigten erloschen oder übt einer von ihnen sein Recht nicht aus, so sind die übrigen berechtigt, das Vorkaufsrecht im Ganzen auszuüben.“ (Hervorhebung DNotI), s. zudem noch unten). Ferner ging es im Fall damals gerade um die Ermöglichung des Mietervorkaufsrechts durch die Ehefrau; der ausgezogene Ehegatte wollte in diesem Fall sein Vorkaufsrecht gar nicht ausüben. Nicht ausgeschlossen erscheint es, dass das OLG München im Interesse des Mieterschutzes anders argumentiert hätte, wenn es bei der Frage der Verwirkung darum gegangen wäre, die Ausübung des Mietervorkaufsrechts zu verhindern.

Zusammenfassend lässt sich damit sagen, dass das erforderliche Zeitmoment für die Verwirkung in der Vergangenheit, soweit ersichtlich, nur bei Fällen angenommen worden ist, bei denen eine längere Zeitspanne (mehr als zehn Jahre) zwischen Auszug und Vorkaufsfall lag; in einem Fall mit vergleichbarer Zeitspanne (LG Köln) wurde das Vorkaufsrecht dagegen bejaht.

c) Umstandsmoment
Auch wenn man im vorliegenden Fall zum erforderlichen Zeitmoment kommt, müsste noch gesondert begründet werden, worin das Umstandsmoment liegt, das für die Verwirkung erforderlich ist. Eine solche Verwirkung liegt u. E. noch nicht im bloßen stillschweigenden Entgegennehmen des Mietzinses durch einen der Mieter. Auch bei Mietern, die in einer Wohnung wohnen, wird selten die Überweisung des gesamten Mietzinses quotal von verschiedenen Konten der Mieter erfolgen; darin liegt jedoch nicht ohne Weiteres ein Einrichten auf diesen Zustand und damit ein Umstandsmoment, das für eine Verwirkung erforderlich ist.

Erforderlich ist vielmehr, dass sich der Vermieter darauf einrichtet, dass der ausgezogene Mieter sein Recht aus dem Mietvertrag nicht mehr in Anspruch nehmen würde. U. E. würde dies erfordern, dass der Vermieter sich dann auch darauf einrichtet, dass der Mieter auch keine Pflichten mehr aus dem Mietvertrag hat, d. h. es wäre notwendig, dass der Vermieter für den Fall, dass der in der Wohnung verbleibende Mieter die Miete nicht mehr bezahlt, sich nicht mehr an den ausgezogenen Mieter gewendet hätte. Sofern sich der Vermieter dagegen den ausgezogenen Mieter als Haftungsschuldner vorbehält, kann er diesem u. E. schlecht die (in der Verwirkung zum Ausdruck kommende) Treuwidrigkeit vorwerfen, wenn der Mieter auf seinen Rechten aus dem Mietvertrag besteht.

Ob für ein solches Abstandnehmen des Vermieters von einer (hypothetischen) Inanspruchnahme des ausgezogenen Mieters Umstände vorliegen – etwa Fälle nicht gezahlter Miete, in denen kein Rückgriff beim ausgezogenen Mieter genommen wurde, Anpassungen des Mietvertrags alleine im Verhältnis zwischen dem Vermieter und B – ist für uns nicht ersichtlich.

d) Ergebnis
Auch bei der Frage der Verwirkung handelt es sich damit um eine Frage des Einzelfalls, die wir nicht abschließend beurteilen können. Wir gehen jedoch davon aus, dass ein mit der Sache einmal befasstes Gericht eher dem LG Köln folgen und – ggf. gestützt auf die Begründung, dass (noch) kein Zeitmoment gegeben sei – keine Verwirkung annehmen würde. Für Zwecke des Gutachtens unterstellen wir, dass das Vorkaufsrecht nicht verwirkt wurde.

4. Rechtsfolgen für die Ausübung des Mietervorkaufsrechts
Geht man davon aus, dass das Mietervorkaufsrecht im Zeitpunkt des Vorkaufsfalls noch beiden Mietern zustand, gilt für diese § 472 BGB (BeckOGK/Daum, § 577 Rn. 98; Staudinger/Rolfs, § 577 Rn. 67). Nach dieser Vorschrift kann das Vorkaufsrecht nur im Ganzen ausgeübt werden (S. 1); übt einer von zwei Berechtigten es nicht aus, kann der andere es im Ganzen ausüben (S. 2). Vermieden wird damit, dass der Erstkäufer nur einen Teil der Wohnung erwerben kann und sich die Wohnung mit einem der vorkaufsberechtigten Mieter teilen muss.

Wenn B vorliegend auf das Mietervorkaufsrecht bereits verzichtet hat, hat dies daher lediglich zur Folge, dass A das Vorkaufsrecht für die Wohnung insgesamt ausüben kann (und auch muss, wenn er es überhaupt ausüben möchte, d. h. er kann nicht mehr lediglich die Hälfte der Wohnung erwerben).

Zwar hat nach unserem Verständnis des Sachverhalts B den Verzicht bereits zu einem Zeitpunkt mitgeteilt, in dem die Frist für den A mangels dessen Kenntnis noch gar nicht angelaufen war. Da in der Literatur vertreten wird, dass die Frist für das Vorkaufsrecht erst dann zu laufen beginnt, wenn sämtliche Vorkaufsberechtigten eine Mitteilung nach § 469 Abs. 1 BGB erhalten haben (s. Gutachten DNotI-Report 2017, 20, 22 m. w. N.; BeckOGK-BGB/Daum, Std.: 1.4.2022, § 472 Rn. 9; MünchKommBGB/Westermann, 8. Aufl. 2019, § 472 Rn. 2; BeckOK-BGB/Faust, Std.: 1.5.2022, § 472 Rn. 3), könnte man auf die Idee kommen, die Wirksamkeit des Verzichts der B zu diesem Zeitpunkt zu hinterfragen. Da allerdings auch vor dem Eintritt des Vorkaufsfalls der Verzicht auf das Vorkaufsrecht erklärt werden kann (BeckOGK-BGB/Daum, § 463 Rn. 41; Soergel/Wertenbruch, BGB, 13. Aufl. 2009, § 463 Rn. 84; MünchKommBGB/Westermann, § 463 Rn. 29), ist davon auszugehen, dass dies erst recht nach dem Vorkaufsfall möglich sein muss, auch wenn die Frist des § 469 Abs. 2 BGB möglicherweise noch nicht angelaufen ist. Der Verzicht von B dürfte damit wirksam sein, jedoch nicht auch für A gelten.

5. Ergebnis
Im Ergebnis halten wir es für wahrscheinlich, dass ein zur Entscheidung berufenes Gericht davon ausgehen würde, dass A alleine zur Ausübung des Vorkaufsrechts im Ganzen berechtigt ist. Der Notar wird dies letztlich mangels hinreichender Tatsachenkenntnis ebenso wenig abschließend entscheiden können wie das DNotI, sodass die Beteiligten – sollte eine Einigung nicht zustande kommen – auf den Zivilrechtsweg mit entsprechender Beweiserhebung zu verweisen wären.

Gutachten/Abruf-Nr:

187276

Erscheinungsdatum:

15.07.2022

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Miete

Erschienen in:

DNotI-Report 2022, 105-108

Normen in Titel:

BGB § 577