15. Dezember 2021
BGB § 95; BGB § 94

Bebauung fremder Grundstücke; Scheinbestandteile; Eigentumsverhältnisse an Scheinbestandteilen

BGB §§ 94, 95, 96
Bebauung fremder Grundstücke; Scheinbestandteile; Eigentumsverhältnisse an Scheinbestandteilen

I. Sachverhalt
A will auf dem Grundstück des B mit dessen Einverständnis ein Gebäude errichten. Das Gebäude soll ausschließlich auf dem Grundstück des B errichtet werden, es liegt keine Überbausituation vor. Ein Erbbaurecht scheidet nach dem Willen der Beteiligten aus. B ist mit einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit einverstanden. Um sicherzustellen, dass das Gebäude stets im Eigentum des Eigentümers eines anderen Grundstücks des A steht, soll im Rang hinter der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit eine Grunddienstbarkeit eingetragen werden. Die Beteiligten möchten so erreichen, dass der jeweilige Eigentümer des herrschenden Grundstücks der Grunddienstbarkeit – ähnlich wie bei einer Überbaudienstbarkeit – Eigentümer auch des Gebäudes wird.

II. Fragen
1. Ist ein auf Grund einer Grunddienstbarkeit errichtetes Gebäude aufgrund § 96 BGB Bestandteil des herrschenden Grundstücks oder eine bewegliche Sache?

2. Soweit es sich um einen Scheinbestandteil handelt: Kann dieser dem herrschenden Grundstück, das eine Grunddienstbarkeit am dienenden Grundstück hat, unter Ausschöpfung des § 96 BGB zugeordnet werden?

3. Soweit eine Zuordnung nach § 96 BGB möglich ist: Kann am herrschenden Grundstück eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit bestellt werden, welche die ausschließliche Nutzung des Gebäudes dem persönlich Dienstbarkeitsberechtigten zuweist?

III. Zur Rechtslage
1. Bedeutung des § 95 BGB
§ 95 BGB wirkt sich grundsätzlich dahingehend aus, dass die Norm lediglich verhindert, dass ein Objekt durch eine faktische Verbindung rechtlich als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks, auf dem es errichtet wurde, gilt. Die Wirkung des § 95 BGB beschränkt sich daher auf die Beziehung zwischen dem Scheinbestandteil und dem Grundstück, mit dem er tatsächlich verbunden ist, sagt aber noch nichts darüber aus, ob das Objekt wesentlicher Bestandteil eines anderen Grundstücks ist oder in wessen Eigentum dieser Gegenstand steht.

Dasselbe gilt grundsätzlich auch für eine die Wirkung des § 95 Abs. 1 S. 2 BGB begründende Dienstbarkeit. Auch diese gewährt zunächst lediglich ein Recht auf Vornahme einer bestimmten Handlung, enthält aber für sich genommen keine Aussage darüber, wer Inhaber eines in Ausübung dieses Rechts errichteten Gebäudes ist.

2. Rechtliche Qualifikation von Scheinbestandteilen
Die eigentumsrechtliche Zuordnung eines solchen Scheinbestandteils hängt u. a. davon ab, ob dieser wesentlicher Bestandteil eines anderen Grundstücks ist. Handelt es sich um einen sog. Überbau, ist § 94 BGB hinsichtlich des gesamten Gebäudes anzuwenden. Dies bedeutet, dass auch der aufgrund einer entsprechenden Dienstbarkeit errichtete Überbau sachlich zum Stammgrundstück gehört, weil er mit der dortigen Bebauung ein einheitliches Gebäude bildet. Infolgedessen ist in einer solchen Konstellation stets der Eigentümer des überbauenden Grundstücks nach § 94 Abs. 1 BGB ebenfalls Eigentümer der gesamten Bebauung, auch soweit sich diese auf dem Nachbargrundstück befindet (BGH DNotZ 2004, 373). In diesem Fall scheidet mithin die rechtliche Selbständigkeit des Gebäudeteils aus mit der Folge, dass dieser immer dem Eigentümer des berechtigten Grundstücks zugeordnet wird.

Handelt es sich dagegen um ein eigenständiges Gebäude, welches insgesamt auf dem dienenden Grundstück steht, so geht die h. M. davon aus, dass der Scheinbestandteil eine selbständige bewegliche Sache bildet und daher ausschließlich den Regeln der §§ 929 ff. BGB unterliegt (BGH BeckRS 1957, 103059; NJW 1962, 1817, 1817 f.; DNotZ 1987, 212; MittBayNot 2007, 40). Dies erweist sich schon deshalb als korrekt, weil das Eigentum an dem Gebäude wegen § 95 Abs. 1 S. 2 BGB nicht dem (jeweiligen) Eigentümer des Grundstücks zustehen kann, auf dem es tatsächlich errichtet wurde, und es zudem mangels Verbindung zu einem anderen Grundstück auch nicht wesentlicher Bestanteil eines anderen Grundstücks sein kann. Insbesondere kann es nicht auf Grund der Dienstbarkeit dauernd im Eigentum des jeweiligen Eigentümers des herrschenden Grundstücks stehen, da die Dienstbarkeit nur die Befugnis zur Benutzung eines anderen Grundstücks regelt, die eigentumsrechtliche Zuordnung einer in Ausübung dieser Dienstbarkeit errichteten, eigenständigen Sache aber unberührt lässt. Auch die gegenteilige Position von Viskorf (in: Boruttau/Viskorf, GrEStG, 19. Aufl. 2018, § 2 Rn. 76) kann nicht überzeugen. Entgegen seiner Auffassung besteht insbesondere keine Vergleichbarkeit mit einem Überbau. Insoweit fehlt es nämlich an der Verbindung zu einem anderen Grundstück, weshalb die Regelung des § 94 BGB (Akzessionsprinzip) nicht eingreift und daher eine vollkommen andere Situation als beim Überbau gegeben ist. Auch aus § 1120 BGB folgt kein anderes Ergebnis. Soweit das auf dem anderen Grundstück errichtete Gebäude dem wirtschaftlichen Zweck des herrschenden Grundstücks zu dienen bestimmt ist und zudem dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks zusteht, ist es als Zubehör nach § 97 BGB von der Zwangsvollstreckung gem. § 1120 BGB erfasst. Andernfalls ist es auf Grund der bewussten Wertentscheidung des BGB nicht eingeschlossen; ein Zugriff hierauf ist dann im Wege der Mobiliarvollstreckung möglich.

Aus § 96 BGB kann sich kein anderes Ergebnis ergeben. Insoweit scheint uns allerdings der Wortlaut der Norm nicht von vornherein entgegenzustehen. Dort ist die Rede davon, dass auch Rechte zu wesentlichen Bestandteilen des herrschenden Grundstücks zu zählen sind. Unter den Begriff des „Rechts“ lässt sich auch das Eigentum an einer anderen Sache subsumieren. Die Anwendung der Vorschrift scheitert aber daran, dass das Recht (hier: das Eigentum am Gebäude) mit dem Eigentum am Grundstück verknüpft sein muss, weshalb es erforderlich ist, dass es sich um ein sog. subjektiv-dingliches Recht handelt, das stets dem jeweiligen Eigentümer des Grundstücks zusteht, wobei es nicht darauf ankommt, ob sich diese subjektiv-dingliche Verbindung aus Privatrecht oder öffentlichem Recht ergibt (BeckOK-BGB/Fritzsche, Std.: 1.11.2020, § 96 Rn. 2; Staudinger/Stieper, BGB, 2017, § 96 Rn. 2; MünchKommBGB/Stresemann, 8. Aufl. 2018, § 96 Rn. 2). Vor diesem Hintergrund ist eine Zuordnung des Eigentumsrechts an einer Sache (hier: Gebäude) zum jeweiligen Eigentümer einer anderen Sache (hier: Grundstück) grundsätzlich unmöglich (BeckOGK-BGB/Mössner, Std.: 1.4.2020, § 96 Rn. 6.2). Dies kann auch nicht rechtsgeschäftlich vereinbart werden, weil insoweit der sachenrechtliche numerus clausus entgegen­steht und daher eine derartige Vereinbarung unwirksam ist (BeckOGK-BGB/Mössner, § 96 Rn. 6.2). Infolgedessen hat bereits das Reichsgericht (BeckRS 1930, 100288) entschieden, dass eine Auflassungsvormerkung zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks nicht unter § 96 BGB gefasst werden kann. Ebenso ist es auch nicht möglich, Miteigentumsanteile an einem Wegegrundstück im Rahmen des § 96 BGB dem Eigentümer eines anderen Grundstücks zuzuordnen (BayObLGZ 1987, 121, 128 f.). Keine andere Beurteilung ist auch für die Zuordnung einer beweglichen Sache – wie beispielsweise eines sonderrechtsfähigen Gebäudes – angezeigt. Dieses kann mithin ebenfalls nicht als von § 96 BGB umfasst angesehen werden, da es an der subjektiv-dinglichen Verbindung fehlt; das deutsche Sachenrecht kennt kein subjektiv-dingliches Eigentum, sodass dieses Recht (Eigentum) auch nicht mittels § 96 BGB einem Grundstück als wesentlicher Bestandteil zugeordnet werden kann.

Vor diesem Hintergrund ist es mithin ausgeschlossen, das Eigentum an einem Grundstück mit dem Eigentum an einem auf einem anderen Grundstück belegenen selbständigen Gebäude rechtlich zu koppeln. Das Gebäude ist stets sondereigentumsfähig und wie eine bewegliche Sache zu behandeln, sodass die Eigentumsübertragung sich nach §§ 929 ff. BGB richtet und deshalb auch eine gesonderte Übertragung oder Vererbung möglich ist.

2. Regelung der Buntzung des Gebäudes durch Dienstbarkeiten
a) Gebäude ist wesentlicher Bestandteil des Stammgrundstücks
Gilt das (überbaute) Gebäude als wesentlicher Bestandteil des Nachbargrundstücks, so kann durch eine Dienstbarkeit, die die Benutzung regeln soll, auch nur das Stammgrundstück belastet werden. Anderenfalls würde nämlich ein Grundstück mit einer Dienstbarkeit belastet, das in rechtlicher Hinsicht keinen Bezug zum Gebäude aufweist. Für die Dienstbarkeit kommt es entscheidend darauf an, dass diese als beschränkt dingliches Recht eine Belastung des Eigentums darstellt, was aber nur insoweit möglich ist, als das Gebäude Gegenstand des Eigentums am dienenden Grundstück ist. Als wesentlicher Bestandteil des Stammgrundstücks ist dieses Gegenstand des Eigentums an ebendiesem (Stamm-)Grundstück. Die tatsächliche räumliche Lage des wesentlichen Bestandteils ist demgegenüber ohne Bedeutung.

Auch die Entscheidung des OLG Hamm (DNotZ 2008, 612 ff.) steht dem hier vertretenen Ergebnis nicht entgegen. In dem dort zu beurteilenden Fall ging es darum, dass durch eine Dienstbarkeit die hierdurch Berechtigten das Recht erhalten sollten, die Rechte aus einer anderen Dienstbarkeit auszuüben. Dies wurde vom OLG Hamm als unzulässig beurteilt, steht aber in keiner Verbindung zu dem hier mitgeteilten Fall. Die Befugnis, Rechte aus einer Dienstbarkeit auszuüben, kann nicht isoliert übertragen werden, sondern ist nach Auffassung des OLG Hamm (DNotZ 2008, 612, 613) untrennbar mit der Eigentümerstellung am Grundstück verbunden. Um eine solche Befugnis geht es vorliegend allerdings nicht. Vielmehr soll durch die Dienstbarkeit lediglich die Benutzung von wesent­lichen Bestandteilen des Stammgrundstücks geregelt werden. Damit bezieht sich die Dienstbarkeit rechtlich auf eine Nutzung des Stammgrundstücks selbst, nicht aber darauf, einzelne oder alle Rechte aus der Überbaudienstbarkeit durch einen Dritten ausüben zu lassen. Dass sich die Eigentümerstellung am Überbau möglicherweise erst aus der Ausübung der Überbaudienstbarkeit ergibt (die zumeist aber ohnehin nur deklaratorische Funktion hat, wenn der Überbau mit Zustimmung des Nachbarn erfolgt), steht dem nicht entgegen. Insoweit übt nämlich der jeweilige Grundstückseigentümer seine Rechte aus der Dienstbarkeit selbst aus und gewährt dann nur dem Dritten ein eigenständiges Recht, einzelne oder alle räumliche Bereiche des Überbaus zu benutzen. Dies ist deshalb zulässig, weil aufgrund von § 94 Abs. 1 BGB das Gebäude insgesamt Bestandteil des Stammgrundstücks ist.

b) Eigenständige bewegliche Sache
Handelt es sich bei dem Gebäude um eine eigenständige bewegliche Sache, so kann eine Dienstbarkeit weder am herrschenden Grundstück noch am Grundstück, auf dem sich das Gebäude tatsächlich befindet, eingetragen werden. Insoweit muss sich nämlich die Dienstbarkeit darauf beschränken, das Grundstück mit dem Recht eines anderen zu belasten, wozu allerdings nur dann Raum besteht, wenn es um die Rechte geht, die dem Eigentümer des belasteten Grundstücks grundsätzlich zustehen würden. Handelt es sich dagegen um eine bewegliche Sache, die im eigenständigen Eigentum ihres Eigentümers steht, ist die Eintragung einer entsprechenden Dienstbarkeit von vornherein ausgeschlossen. Insoweit würde nämlich nicht das Recht des Eigentümers des belasteten Grundstücks begrenzt und somit eine Belastung des Grundstücks bewirkt, sondern es würde eine eigenständige Belastung für den Eigentümer des Gebäudes als beweglicher Sache geschaffen, sodass ausschließlich dieses Eigentum belastet werden würde. Dies kann allerdings nicht mittels einer Dienstbarkeit geschehen, weil eine solche lediglich für Grundstücke zugelassen ist. In der Folge verbleibt bestenfalls die Bestellung eines Nießbrauchs nach §§ 1030, 1032 BGB an der beweglichen Sache, wobei allerdings zu bedenken ist, dass dieser nicht subjektiv-dinglich bestellt werden kann und deshalb stets nur dem jeweiligen Berechtigten, für den der Nießbrauch bestellt wurde, zusteht.

Gutachten/Abruf-Nr:

183580

Erscheinungsdatum:

15.12.2021

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein

Erschienen in:

DNotI-Report 2021, 185-187

Normen in Titel:

BGB § 95; BGB § 94