14. August 2020
BGB § 2034; BGB § 470

Vorkaufsrecht der Miterben bei Verkauf an rechtsgeschäftlichen Erbteilserwerber

BGB §§ 2034, 470
Vorkaufsrecht der Miterben bei Verkauf an rechtsgeschäftlichen Erbteilserwerber

I. Sachverhalt
Es geht um einen Erbteilskaufvertrag. Die Erbengemeinschaft besteht aus sechs Erben. Von vier Erben möchte ein Dritter die Erbteile erwerben. Dieser Dritte ist der Sohn einer der vier Miterben. Die weiteren Miterben haben ein Vorkaufsrecht, welches ggf. auch ausgeübt werden wird.

Da eine Vereinbarung eines Rücktrittsrechts oder einer auflösenden Bedingung für den Vorkaufsfall dem Vorkaufsberechtigten gegenüber unwirksam ist, möchte der Erwerber zunächst den Erbteil von seiner Mutter im Wege der vorweggenommenen Erbfolge, ohne Gegenleistun­gen zu erbringen, erwerben und dann von den anderen drei Miterben deren Erbteile kaufen.

II. Fragen
1. Zählt der Erwerber in diesem Fall zu den Miterben, wenn er bereits einen Erbteil im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erhalten hat und dann einen weiteren Erbteil kauft?

2. Besteht für diesen Fall dennoch ein Vorkaufsrecht für die weiteren Miterben?

III. Zur Rechtslage
1. Verkauft ein Miterbe seinen Anteil an einen Dritten, so sind die übrigen Miterben zum Vorkauf berechtigt (§ 2034 Abs. 1 BGB). Durch dieses gesetzliche Vorkaufsrecht soll den Miterben die Möglichkeit eingeräumt werden, das Eindringen unerwünschter Dritter sowie eine Veränderung der quotenmäßigen Beteiligung an dem Nachlass zu verhindern, um insbesondere den Fortbestand oder die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft nicht vom Willen eines Nichterben abhängig zu machen (BGH NJW 1983, 1555; BGH NJW 1971, 1264; BeckOGK-BGB/Rißmann/Szalai, Std.: 1.7.2020, § 2034 Rn. 2). Auf das gesetzliche Vorkaufsrecht der Miterben nach § 2034 BGB finden, soweit sich nicht aus den vorrangigen §§ 2034 ff. BGB etwas anderes ergibt, die allgemeinen Vorschriften über das Vorkaufsrecht nach §§ 463 ff. BGB Anwendung (s. nur Palandt/Weidlich, BGB, 79. Aufl. 2020, § 2034 Rn. 1). Das Entstehen des Vorkaufsrechts hängt im Einzelnen von folgenden Voraussetzungen ab (s. hierzu insbes. Soergel/Wolf, BGB, 13. Aufl. 2002, § 2034 Rn. 2 ff.; BeckOGK-BGB/Rißmann/Szalai, § 2034 Rn. 4 ff.):

a) Es muss ein gültiger Kaufvertrag abgeschlossen worden sein. Prinzipiell werden hierbei auch Umgehungsgeschäfte von § 2034 BGB erfasst. Diese Voraussetzung des Vorkaufsrechts ist hier unproblematisch erfüllt, wenn der Sohn die Erbteile der weiteren drei Miterben käuflich erwirbt.

b) Gegenstand des Verkaufs muss ein Miterbenanteil sein. Das Vorkaufsrecht erlischt deswegen nach vollständiger Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft. Das Vorkaufsrecht besteht auch nicht mehr, wenn die Miterben die Erbengemeinschaft zwischenzeitlich in eine Bruchteilsgemeinschaft nach §§ 741 ff. BGB umgewandelt haben (OLG Hamm RdL 1953, 52; Soergel/Wolf, § 2034 Rn. 5). Auch diese Voraussetzung ist im Fall des Erwerbs der Erbteile durch den Sohn ohne Weiteres zu bejahen.

c) Der Verkauf muss ferner durch einen Miterben erfolgen. Hier ist anerkannt, dass auch der Erbe eines verstorbenen Miterben (sog. Erbeserbe) in Bezug auf das Vorkaufsrecht dem verstorbenen Miterben beim Verkauf des ererbten Miterbenanteils gleichsteht (BGH NJW 1966, 2207). Dies lässt sich damit begründen, dass der Erbe des verstorbenen Miterben (Erbeserbe) völlig in die Rechte und Pflichten des von ihm beerbten Miterben eintritt, somit auch Mitglied der ursprünglichen Erbengemeinschaft wird.

Dagegen besteht grundsätzlich kein Vorkaufsrecht, wenn ein rechtsgeschäftlicher Er­werber eines Erbteils den Anteil weiterveräußert, da er durch den Erwerb des Miterbenanteils nicht Miterbe geworden ist, sondern lediglich an Stelle des veräußernden Miterben in dessen vermögensrechtliche Stellung am Nachlass eintritt (MünchKommBGB/Gergen, 8. Aufl. 2020, § 2034 Rn. 18; Staudinger/Löhnig, BGB, 2016, § 2034 Rn. 9).

Der Umstand, dass der rechtsgeschäftliche Erwerber eines Erbteils im Wege der vorweggenommenen Erbfolge im Rahmen des Miterbenvorkaufsrechts zum Teil eine Sonderstellung gegenüber einem allgemeinen rechtsgeschäftlichen Erbteilserwerber einnehmen soll, beruht maßgeblich auf der Sonderregelung des § 470 BGB. Insoweit sind allerdings viele Einzelfragen noch ungeklärt, insbesondere diejenige, ob der präsumtive gesetzliche Erbe auf der Tatbestandsseite – als Verkäufer – einem Miterben gleichzustellen ist (vgl. dazu Herrler, ZEV 2010, 72, 73 – zunächst bejahend; a. A. dann Herrler, ZEV 2011, 250 f.).

Die eingangs genannte Voraussetzung (Verkauf durch Miterben) ist im unterbreiteten Sachverhalt wiederum ohne Weiteres zu bejahen, da der Verkauf vorliegend nicht durch einen Erbteilserwerber, sondern durch die ursprünglich berufenen drei Miterben erfolgt.

Von der Problematik, ob der Verkauf durch einen rechtsgeschäftlichen Erwerber des Erbteils das Vorkaufsrecht nach § 2034 BGB auslöst, ist die Fallgestaltung zu unterscheiden, dass das gegenüber dem ursprünglichen Erbteilsverkäufer nicht ausgeübte Vorkaufsrecht aus Anlass des Verkaufs durch den ursprünglichen Miterben nunmehr kraft Gesetzes noch gegenüber dem ersten Erbteilskäufer oder weiteren nachfolgenden Erbteilserwerbern nachträglich ausgeübt werden kann (vgl. hierzu §§ 2035, 2037 BGB; Soergel/Wolf, § 2034 Rn. 6).

d) Weiter muss der Verkauf gem. § 2034 Abs. 1 BGB an einen Dritten erfolgen. Dritter in diesem Sinne ist grundsätzlich jeder, der nicht Miterbe desselben Erbfalls ist (BGH WM 1972, 503, 505; BeckOGK-BGB/Rißmann/Szalai, § 2034 Rn. 20; Palandt/Weidlich, § 2034 Rn. 4; MünchKommBGB/Gergen, § 2034 Rn. 20). Nach jedenfalls überwiegender Ansicht folgt daraus auch, dass kein Vorkaufsrecht entsteht, wenn der wieder erwerbende Miterbe zuvor durch Veräußerung seines Anteils schon aus der Erbengemeinschaft ausgeschieden war. Denn zum einen bleibt er auch nach der Übertragung seines Erbteils Miterbe. Zum anderen wird durch die Rückkehr in die Miterbengemeinschaft nur deren vom Erblasser vorgesehene Zusammensetzung wieder hergestellt. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass Miterben ihre früheren Anteile, die sie zuvor veräußert hatten, selbst zurückerwerben (MünchKommBGB/Gergen, § 2034 Rn. 20; BeckOGK-BGB/Rißmann/Szalai, § 2034 Rn. 20; für einen Sonderfall ebenso schon RGZ 170, 203, 207; a. A. dagegen LG Heilbronn BWNotZ 1998, 95).

Die hier interessierende Problematik der Behandlung des rechtsgeschäftlichen Erbteilserwerbers auf der Käuferseite (also als „Dritter“ i. S. v. § 2034 Abs. 1 BGB) ist in der Rechtsprechung bereits einer weitgehenden Klärung zugeführt worden: Dritter in diesem Sinne ist grundsätzlich auch ein Erbteilserwerber, der noch weitere Erbteile aufkauft (BGH NJW 1971, 1264, 1265; BGH NJW 1972, 202; BGH NJW 1993, 726; zustimmend BeckOGK-BGB/Rißmann/Szalai, § 2034 Rn. 20; MünchKommBGB/Gergen, § 2034 Rn. 20). Zur Begründung rekurriert der BGH (NJW 1971, 1264) vor allem auf den Schutzzweck des Miterbenvorkaufsrechts: Das Gesetz verstehe in § 2034 Abs. 1 BGB unter „Miterben“ grundsätzlich die Mitglieder der in der Regel „durch familiäre Bande“ gebildeten Erbengemeinschaft und wolle diese gegen das Eindringen außenstehender, regelmäßig nicht dem Familienverband zugehöriger Personen schützen. Die zweckbedingte Einengung des Schutzgedankens nur auf Verkaufsgeschäfte rechtfertige i. Ü. dagegen eine ausdehnende, die Schutzfunktion betonende Auslegung des § 2034 BGB. Dieser Auslegungsgrundsatz gebiete es, den Miterben das Vorkaufsrecht auch gegenüber einem Erbteilserwerber zu gewähren, dessen Beteiligung am Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft sich allein auf einen früheren Erbteilserwerb gründet, ohne dass in seiner Person Umstände vorliegen, die ihn einem Miterben vergleichbar erscheinen lassen.

Eine Ausnahme von dieser Bejahung des Miterbenvorkaufsrechtes gegenüber dem rechtsgeschäftlichen Erbteilserwerber hat die Rechtsprechung jedoch unter Berufung auf § 511 BGB a. F. (= § 470 BGB n. F.) für den künftigen gesetzlichen Erben eines Miterben gemacht, der im Wege der vorweggenommenen Erbfolge in die Erbengemeinschaft eingetreten ist. Erwirbt dieser nunmehr von einem anderen Miterben einen weiteren Anteil, so entsteht in diesem Fall den übrigen Miterben kein Vorkaufsrecht (BGH, Urt. v. 31.5.1965 – III ZR 1/64 = MDR 1965, 891 f.; ebenso für eine angrenzende Fallgestaltung: BGH WM 1971, 457, 459).

Begründend hat der BGH im zuerst genannten Urteil im Kern ausgeführt (Rn. 24 f. der Entscheidungsgründe [juris]): Der Schutzzweck des § 2034 BGB geht im Wesentlichen dahin, die durch familiäre Bande gebildete Erbengemeinschaft vor dem Eindringen familienfremder Personen zu schützen. Deshalb ist aus Sicht des BGH jedenfalls dann, wenn jemand an Stelle eines Miterben im Wege der vorweggenommenen gesetzlichen Erbfolge nach diesem und noch dazu als engster Familienangehöriger in die hier lediglich durch die familiären Bande gebil­dete Erbengemeinschaft eingetreten ist, nirgends ein innerlich und sachlich gerechtfertigter Grund ersichtlich, den auf diese Weise in die Gesamthandsgemeinschaft der Mit­erben eingetretenen neuen Teilhaber im internen Verhältnis, also der Gesamthandsteilhaber untereinander, wirtschaftlich und rechtlich anders oder schlechter zu stellen als die Miterben selbst. Dieser Erwerber ist überhaupt nicht als „Fremder“ zu betrachten, vor dessen Eindringen und ggf. auch vor der Erweiterung seiner Machtposition innerhalb der Gemeinschaft durch Erwerb weiterer Nachlassanteile die Erbengemeinschaft nach § 2034 BGB geschützt werden soll. Des­wegen kann der im Wege der vorweggenommenen Erbfolge als Teilhaber in die Erbengemeinschaft neu eingetretene gesetzliche und präsumtive Erbe desjenigen Erbteilsverkäufers, der bisher als Miterbe Teilhaber der Gesamthandsgemeinschaft war, nicht als „Dritter“ i. S. d. § 2034 BGB angesehen werden, ähnlich wie der Miterbe selbst.

Dieser Standpunkt des BGH hat auch in der Literatur überwiegend referierende Zustimmung ge­funden (MünchKommBGB/Gergen, § 2034 Rn. 21; Soergel/Wolf, § 2034 Rn. 7; Palandt/Weidlich, § 2034 Rn. 3). Die Gegenansicht vertritt in der Literatur insbesondere Löhnig (in: Staudinger/Löhnig, BGB, 2016, § 2034 Rn. 11a): Er beruft sich hierfür auf den Wortlaut des § 2034 Abs. 1 BGB, wonach Dritter in diesem Sinne jede nicht durch Erbfolge kraft Todesfall als Miterbe bedachte Person sei. Der begünstigte Erbteilserwerber gehöre wie jeder andere Dritte aus freiem Entschluss der Gemeinschaft an. § 470 BGB könne nicht herangezogen werden, da diese Norm lediglich Auslegungsregel bei einem vertraglichen Vorkaufsrecht sei. Eine Vertragsauslegung sei beim gesetzlichen Vorkaufsrecht des § 2034 BGB aber nicht möglich.

Demgegenüber halten wir die zuvor wiedergegebene, schutzzweckorientierte Argumentation des BGH im Urt. v. 31.5.1965 (III ZR 1/64) für durchaus überzeugend. In Ermangelung anders lautender Stellungnahmen in der obergerichtlichen Rechtsprechung wird der genannte Standpunkt des BGH nach unserer Einschätzung der Vertragsgestaltung weiterhin zugrunde gelegt werden können.

2. Daraus ergibt sich im Ergebnis für die Beantwortung der gestellten Rechtsfragen:

Der rechtsgeschäftliche Erbteilserwerber wird zwar auch in dem unterbreiteten Sachverhalt nicht dadurch „Miterbe“, dass er einen Erbteil von seiner Mutter im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erwirbt. Da er wegen des familiären Zusammenhangs auf der Grundlage der genannten BGH-Rechtsprechung jedoch nicht als „Fremder“ anzusehen ist, gegen dessen Eintritt in die Erbengemeinschaft die weiteren Miterben bei weiteren Erwerben durch Gewährung des Vorkaufsrechts nach § 2034 BGB geschütztwerden müssten, ist dieser Erbteilserwerber dennoch nicht als „Dritter“ i. S. v. § 2034 Abs. 1 BGB anzusehen.

Die genannte Entscheidung des BGH hat diesen Standpunkt für den Fall vertreten, dass der Erwerb im Wege der vorweggenommenen Erbfolge seitens des Erbteilserwerbers durch Kauf erfolgte (vgl. Rn. 24 der Entscheidungsgründe). Da die schutzzweckbezogene Argumentation des BGH jedoch nicht entscheidungserheblich auf den Kauf abstellt, sondern allgemein auf den Erbteilserwerb durch den präsumtiven, nicht familienfremden gesetzlichen Erben im Wege der vorweggenommenen Erbfolge, dürfte nach unserer Einschätzung ein Vorkaufsrecht der weiteren Miterben auch in der Fallgestaltung ausgeschlossen sein, dass der Sohn den Erbteil der Mutter erwirbt, ohne seinerseits Gegenleistungen zu erbringen. Da der BGH andererseits zumindest unterstützend für den Aus­schluss des Vorkaufsrechts der übrigen Miterben § 511 BGB a. F. (= § 470 BGB n. F.) heranzieht, der seinerseits einen Kauf voraussetzt, könnte es sich aber nach dem Grundsatz des sichersten Weges (s. hierzu nur Winkler, BeurkG, 19. Aufl. 2019, § 17 Rn. 210 m. w. N.) dennoch empfehlen, den Erwerb des Erbteils durch den Sohn von der Mutter als entgeltlichen und damit aus dem Rechtsgrund des Kaufs erfolgenden zu gestalten. Nach unserer persönlichen Einschätzung ist dies angesichts der eben wiedergegebenen entscheidungstragenden Argumentation des BGH gleichwohl nicht zwingend erforderlich, um das Bestehen eines Miterbenvorkaufsrechts verneinen zu können.

Gutachten/Abruf-Nr:

177681

Erscheinungsdatum:

14.08.2020

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Erbteilsveräußerung
Vorkaufsrecht schuldrechtlich, Wiederkauf

Erschienen in:

DNotI-Report 2020, 124-126

Normen in Titel:

BGB § 2034; BGB § 470