16. Juli 2021
GmbHG § 55; GmbHG § 7 Abs. 2; AktG § 241; GmbHG § 56a; AktG § 242 Abs. 1; GmbHG § 57; GmbHG § 53 Abs. 1; BGB § 125; GmbHG § 54

Formnichtiger Kapitalerhöhungsbeschluss; formnichtige Übernahmeerklärung; Heilung durch Eintragung; Voreinzahlung

Gutachten-Abruf-Dienst
Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 184139
letzte Aktualisierung: 1 6 . J u l i 2021

GmbHG §§ 53 Abs. 1, 54, 55, 56a, 57, 7 Abs. 2; AktG §§ 241 Nr. 2, 242 Abs. 1; BGB § 125
Formnichtiger Kapitalerhöhungsbeschluss; formnichtige Übernahmeerklärung; Heilung
durch Eintragung; Voreinzahlung

I. Sachverhalt

Ein Notarvertreter beurkundete eine Kapitalerhöhung bei einer GmbH. Wegen fehlerhafter
Vertreterbestellung war die Beurkundung jedoch unwirksam und der Beschluss damit formnichtig.

Der Erhöhungsbetrag wurde einbezahlt und die Erhöhung im Handelsregister eingetragen.

II. Fragen

1. Ist durch die Einzahlung auf den nichtigen Beschluss (vor dem Wirksamwerden durch Eintragung
analog § 242 Abs. 1 AktG) die Einlageverpflichtung erfüllt worden?

2. Wenn nein: Wie kann der Mangel behoben werden?

III Zur Rechtslage

1. Heilung von Kapitalerhöhungsbeschluss und Übernahmeerklärung

Ein Kapitalerhöhungsbeschluss, der entgegen § 53 Abs. 1 GmbHG nicht wirksam beurkundet
wurde, ist entsprechend § 241 Nr. 2 AktG nichtig (vgl. Zöllner/Noack, in:
Baumbach/Hueck, GmbHG, 22. Aufl. 2019, § 53 Rn. 69a; Lutter/Hommelhoff/Bayer,
GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 53 Rn. 18). Jedoch wird die Nichtigkeit nach allgemeiner Ansicht
durch Eintragung der Erhöhung im Handelsregister (§ 54 GmbHG) analog § 242
Abs. 1 AktG geheilt (BGH NJW 1996, 257, 258; Hermanns, in:
Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl. 2017, § 57 Rn. 54; Scholz/
Priester/Tebben, GmbHG, 12. Aufl. 2021, § 57 Rn. 44; MünchKommGmbHG/Lieder,
3. Aufl. 2018, § 57 Rn. 53; GroßkommGmbHG/Ulmer/Casper, 2. Aufl. 2016, § 57 Rn. 41;
BeckOK-GmbHG/Ziemons, Std.: 1.5.2021, § 57 Rn. 56; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 57
Rn. 23).

Hinsichtlich der Einlagepflicht ist zu bedenken, dass sie nicht entscheidend durch den Erhöhungsbeschluss,
sondern durch den Übernahmevertrag begründet wird (BGH NJW
1999, 1252, 1253; NZG 2015, 1396 Rn. 16; BayObLG NZG 2002, 585, 586;
Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 55 Rn. 33; Sustmann, NZG 2004, 760, 761;
Scholz/Priester/Tebben, § 56a Rn. 16; Heidinger/Berkefeld, in: Heckschen/Heidinger, Die
GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, 4. Aufl. 2018, Kap. 11 Rn. 17). Wir gehen
davon aus, dass im vorliegenden Fall auch die Beglaubigung der Übernahmeerklärung (vgl.
§ 55 Abs. 1 GmbHG) nicht wirksam erfolgt ist, da die Erklärung häufig in die Kapitalerhöhungsurkunde
aufgenommen wird. Die Missachtung der Form des § 55 Abs. 1 GmbHG
führt zur Nichtigkeit der Übernahmeerklärung (RGZ 50, 47, 48; Scholz/Priester/Tebben,
§ 55 Rn. 82). Jedenfalls würde aber dieser Formmangel gleichermaßen durch die Eintragung
der Kapitalerhöhung geheilt (BGH NZG 2018, 29 Rn. 35; MünchKommGmbHG/Lieder,
§ 55 Rn. 131; Scholz/Priester/Tebben, § 55 Rn. 83; Baumbach/Hueck/Servatius, § 55
Rn. 32; GroßkommGmbHG/Ulmer/Casper, § 55 Rn. 76).

Wäre tatsächlich nur der Kapitalerhöhungsbeschluss nichtig gewesen, die Übernahmeerklärung
hingegen formwirksam abgegeben und der Übernahmevertrag durch korrespondierende
Annahmeerklärung der Gesellschaft geschlossen worden, so wäre die Einzahlungspflicht
vor Eintragung der Kapitalerhöhung wohl ebenso wenig entstanden. Zwar kann
der Übernahmevertrag dem Kapitalerhöhungsbeschluss sogar vorangehen, Verpflichtungen
daraus dürften jedoch regelmäßig erst mit dem (wirksamen) Kapitalerhöhungsbeschluss entstehen
(Baumbach/Hueck/Servatius, § 55 Rn. 39; Schnorbus, in: Rowedder/Schmidt-
Leithoff, GmbHG, 6. Aufl. 2017, § 55 Rn. 62; Sustmann, NZG 2004, 760, 761).

2. Voreinzahlung

Die Heilung von Kapitalerhöhungsbeschluss und Übernahmeerklärung (Übernahmevertrag)
ändert auf den ersten Blick nichts an der Voreinzahlung im Stadium vor der Eintragung.
Eine Zahlung auf eine noch nicht entstandene Einlagepflicht wäre also nur dann schuldtilgend,
wenn die Einlage im Zeitpunkt der Einlagepflichtentstehung noch „gegenständlich“
(durchgehendes Kontoguthaben in Höhe der Einlageleistung) vorhanden gewesen
wäre (BGH NJW 2004, 2592; NJW 2007, 515 Rn. 13; DStR 2016, 923 Rn. 18; OLG
Brandenburg BeckRS 2017, 140653, Rn. 75; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 56 Rn. 19;
strenger Berkefeld, notar 2019, 313, 314: Vorleistung nur dann rechtssicher schuldtilgend,
wenn auf Sonderkonto überwiesen oder auf reguläres nichtüberzogenes Geschäftskonto,
von dem im relevanten Zeitraum nichts abgebucht wurde). Bei verbrauchter Leistung
müssten die strengen Anforderungen nach BGH NJW 2007, 515 Rn. 15 ff. erfüllt sein
(Stichwort „Sanierungsfall“), wofür es im konkreten Fall keine Anhaltspunkte gibt. Fehlte
es an diesen Voraussetzungen, so wäre die Einlagepflicht ungetilgt. Der Bereicherungsanspruch
des oder der Gesellschafter aus der fehlgeschlagenen Kapitalerhöhung
könnte dann evtl. im Rahmen einer offenen Sachkapitalerhöhung eingebracht werden (vgl.
BGH DStR 2016, 923 Rn. 26). Freilich ist zu bedenken, dass im vorliegenden Sonderfall die
Kapitalerhöhung bereits eingetragen wurde und es nicht um den Anschluss einer
weiteren Sachkapitalerhöhung gehen kann. Es müsste vielmehr möglich sein, die eingetragene
Erhöhung retrospektiv in eine Sachkapitalerhöhung umzuwidmen. Dieses Verfahren
war vor dem MoMiG zur Heilung der verdeckten Sacheinlage anerkannt (BGH NJW
1996, 1473; NJW 2003, 3127). Heute lässt sich die Umwidmung angesichts des neugefassten
§ 19 Abs. 4 GmbHG zweifelhaft finden (Heidinger/Knaier, GmbHR 2015, 1;
Zöllner/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 56 Rn. 15), es sei denn, man wendete sie auf die
hier vorliegende Konstellation der nicht schuldtilgenden Vorleistung an, in der das Gesetz
keine Heilung oder sonstigen Ausweg bereithält.

Fraglich ist aber, ob eine Heilung durch Umwidmung überhaupt nötig ist. Auch im GmbHRecht
soll die Heilung analog § 242 AktG nämlich rückwirkende Kraft haben
(Scholz/Priester/Tebben, § 54 Rn. 57; Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl. 2021, Anh. § 47
Rn. 29; vgl. auch BeckOK-GmbHG/Trölitzsch, Std.: 1.5.2021, § 54 Rn. 18a; zur AG
BeckOGK-AktG/Casper, Std.: 1.6.2021, § 242 Rn. 13; Grigoleit/Ehmann, AktG, 2. Aufl.
2020, § 242 Rn. 7). K. Schmidt/Bochmann (in: Scholz, 12. Aufl. 2021, § 45 Rn. 88) weisen
indes darauf hin, dass die Rückwirkung bei Beschlüssen, die bereits im fehlerfreien Zustand
erst mit Eintragung wirksam werden, leerläuft. Vor dem Zeitpunkt der Eintragung könnte
also auch der ordnungsgemäß beurkundete Beschluss nicht wirksam werden. Das dürfte
dann ebenso für die nicht beglaubigte Übernahmeerklärung gelten. Diese wird lediglich
als Annex zum Kapitalerhöhungsbeschluss geheilt, die Heilung mit Eintragung ist also nicht
selbstverständlich, denn die Übernahmeerklärung wird nicht in das Handelsregister eingetragen
(vgl. MünchKommGmbHG/Lieder, § 55 Rn. 131). Dies würde dafür sprechen,
dass die Übernahmeerklärung nicht weitergehend geheilt wird als der Kapitalerhöhungsbeschluss
und es damit im Zeitraum vor Eintragung bei einer Voreinzahlung bliebe. Anders
klingen jedoch die Ausführungen von Wertenbruch (in: MünchKommGmbHG, 3. Aufl. 2019,
Anh. § 47 Rn. 142), wonach eine Berufung auf die Nichtigkeit auch für den Zeitraum
zwischen Beschlussfassung und Eintragung nunmehr ausgeschlossen sei (ebenso
Römermann, in: Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, Anh. § 47 Rn. 242). Wenn der
Formmangel mit der Eintragung schlechthin keine Rolle mehr spielte, könnte er auch die
Übernahmeerklärung als Grundlage der Einlagezahlung nicht in Frage stellen.

Dafür könnte evtl. auch die Entscheidung des BGH v. 17.10.2017 (NZG 2018, 29)
sprechen. Darin ließ der BGH die Frage nach der mangelhaften Beurkundung der Übernahmeerklärung
offen (NZG 2018, 29 Rn. 34), weil der Formmangel seines Erachtens
zumindest durch Eintragung geheilt worden war. Die Heilung begründete der BGH (NZG
2018, 29 Rn. 35) mit dem Vertrauen des Geschäftsverkehrs auf die ungeschmälerte
Erhaltung der im Register eingetragenen Kapitalgrundlage. Geltend gemacht werden könne
lediglich das Fehlen der Übernahmeerklärung und deren nicht zurechenbare Veranlassung.
Das dürfte zugleich bedeuten, dass ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch
der Übernehmer ausscheidet (eben gerade im Unterschied zur Rechtslage vor der Eintragung,
vgl. dazu GroßkommGmbHG/Ulmer/Casper, § 55 Rn. 76). Dies sollte aber nicht
nur zugunsten der Gesellschaft und ihrer Gläubiger wirken, sondern auch zugunsten der
Übernehmer. Ansonsten träte die wertungswidersprüchliche Situation ein, dass sowohl
die Einlageschuld ungetilgt bliebe als auch der Bereicherungsanspruch des Übernehmers
entfiele. Der BGH hat im Übrigen im genannten Urteil das Voreinzahlungsproblem nicht
angesprochen. Sichere Rückschlüsse lassen sich aus der Entscheidung daher nicht ziehen,
auch weil im entschiedenen Fall immerhin der Kapitalerhöhungsbeschluss wirksam
beurkundet worden war.

3. Fazit

Es ist u. E. denkbar, dass sich das Voreinzahlungsproblem durch die Eintragung der
Kapitalerhöhung in das Handelsregister erledigt hat. Da die Frage in ihrer konkreten Ausprägung
noch nicht entschieden wurde, muss die Rechtslage am Ende jedoch als
ungewiss gelten.

Gutachten/Abruf-Nr:

184139

Erscheinungsdatum:

16.07.2021

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

GmbH
Aktiengesellschaft (AG)

Normen in Titel:

GmbHG § 55; GmbHG § 7 Abs. 2; AktG § 241; GmbHG § 56a; AktG § 242 Abs. 1; GmbHG § 57; GmbHG § 53 Abs. 1; BGB § 125; GmbHG § 54