09. August 2019
InsO § 315; BGB § 2113; BGB § 2205

Verfügungsbefugnis des Nachlassinsolvenzverwalters bei angeordneter Nacherbfolge sowie Testamentsvollstreckung

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 170802
letzte Aktualisierung: 9. August 2019

InsO §§ 315 ff.; BGB §§ 2113, 2205
Verfügungsbefugnis des Nachlassinsolvenzverwalters bei angeordneter Nacherbfolge
sowie Testamentsvollstreckung

I. Sachverhalt

Über den Nachlass des Erblassers wurde das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter
will Grundbesitz aus dem Nachlass veräußern. Im Grundbuch ist – bereits vor
Insolvenzeröffnung – ein Nacherbenvermerk eingetragen worden des Inhalts, dass eine namentlich
benannte Person als Nacherbe genannt ist, dessen nicht namentlich angegebene Abkömmlinge
als Ersatznacherben und als Ersatz-Ersatznacherben wieder eine namentlich benannte Person.
Des Weiteren ist beim Nacherbenvermerk vermerkt, dass für den Vorerben Testamentsvollstreckung
angeordnet ist. Das Testament liegt aktuell nicht vor, ist aber angefordert. Der
Insolvenzverwalter ist der Auffassung, er könne problemlos die Immobilie allein verkaufen.

Nacherbfall wäre der Tod des Vorerben.

II. Fragen

1. Kann der Nachlass-Insolvenzverwalter frei über Vermögensgegenstände des Nachlasses
verfügen, auch wenn Vor- / Nacherbschaft angeordnet ist, der Vorerbe nicht von den Beschränkungen
des § 2113 BGB befreit ist und außerdem noch Testamentsvollstreckung angeordnet
ist?

2. Wie ist die Löschung des Nacherbenvermerks herbeizuführen?

III. Zur Rechtslage

1. Zur Verfügungsbefugnis des Nachlassinsolvenzverwalters bemerken wir folgendes:
a) Hat der Erblasser Vor- und Nacherbschaft angeordnet, so ist der Vorerbe bis zum Eintritt
des Nacherbfalls der Rechtsnachfolger des Erblassers. Folglich ist der Vorerbe bis
zum Anfall der Nacherbschaft der Schuldner im Nachlassinsolvenzverfahren. § 2113
BGB gilt jedoch nur im Verhältnis zwischen Vor- und Nacherben. Daher unterliegt
der Nachlassinsolvenzverwalter nicht dieser Verfügungsbeschränkung. Er
ist auch nicht durch §§ 83 Abs. 2 InsO, 2115 BGB in seiner Verfügungsbefugnis
beschränkt (Gottwald/Döbereiner, Insolvenzrechtshandbuch, 5. Aufl. 2015, § 118
Rn. 1). Die weitere Literatur zum allgemeinen Zivilrecht stellt diese Rechtslage vielfach
zu undifferenziert und nicht deutlich dar, soweit auf § 2115 BGB eingegangen wird
(etwa Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, 8. Aufl. 2015, Teil 7 Kap. 2 Rn. 2339;
MünchKommBGB/Grunsky, 7. Aufl. 2017, § 2115 Rn. 8; Staudinger/Avenarius, BGB,
2013, § 2115 Rn 21 f; BeckOGK-BGB/Müller-Christmann, Std.: 1.3.2019, § 2115
Rn. 7 f.).

Für das Verständnis der gesetzlichen Regelungen ist es aber entscheidend, strikt
zwischen der Eigeninsolvenz über das Vermögen des Erben, der als Vorerbe
berufen ist, einerseits sowie andererseits dem Nachlassinsolvenzverfahren über das
Vermögen des verstorbenen Erblassers zu unterscheiden (vgl. auch § 331 InsO).

Die Beschränkungen der Verfügungsbefugnis, die in §§ 2115 BGB, 83 Abs. 2 InsO auf
den Insolvenzverwalter erstreckt werden, gelten nur für den Insolvenzverwalter im
Insolvenzverfahren über das Eigenvermögen des Vorerben, nicht im Nachlassinsolvenzverfahren
nach §§ 315 ff. InsO (ebenso MünchKommInsO/Schumann,
3 Aufl. 2013 § 83 Rn 22; Uhlenbruck/Mock, InsO, 15. Aufl. 2019 § 83 Rn 31;
BeckOK-InsO/Riewe, Std.: 28.1.2019, § 83 Rn 29). § 2115 BGB dient mit den dort
angeordneten Verfügungsbeschränkungen dem haftungsrechtlichen Schutz des
Nachlasses vor Eingriffen der Eigengläubiger des Vorerben in den Nachlass. Es sollen
nicht Eigenverbindlichkeiten des Vorerben beglichen und damit der Nacherbschaft
Vermögenswerte ohne entsprechenden Ausgleich entzogen werden (vgl. NKBGB/
Gierl, 5. Aufl. 2018, § 2115 Rn. 1; BeckOGK-BGB/Müller-Christmann, § 2115
Rn. 2). Diese Abwehr von Eigengläubigern des Vorerben ist als Schutzzweck im Falle
der Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens nach §§ 315 ff. InsO aber hinfällig.
Denn im Nachlassinsolvenzverfahren können ohnehin nicht Eigenverbindlichkeiten
des (Vor-)Erben, sondern nur Nachlassverbindlichkeiten geltend gemacht werden
(§ 325 InsO). Die Verwertung des Nachlasses durch den Nachlassinsolvenzverwalter
zugunsten dieser Nachlassgläubiger (§ 1 InsO) muss aber auch der Nacherbe ohne
weiteres hinnehmen. Daher ist hier der Nacherbe einleuchtenderweise nicht durch ein
besonderes, aus §§ 2115, 2113 BGB abgeleitetes Zustimmungserfordernis
schutzbedürftig. Es ist für die Entbehrlichkeit der Zustimmung des Nacherben also
auch nicht erforderlich, dass der Nachlassinsolvenzverwalter konkret die Veräußerung
des Nachlassgrundstückes an einen Nachlassgläubiger beabsichtigt (vgl. § 2115 S. 2
BGB). Es genügt vielmehr, dass der erlangte Veräußerungserlös entsprechend dem
Zweck des Nachlassinsolvenzverfahrens sodann unter den Nachlassgläubigern verteilt
wird.

b) Klar wird die Rechtslage wiederum für eine vom Erblasser angeordnete Testamentsvollstreckung
dargestellt: Sie bleibt zwar auch nach Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens
bestehen. Sie wirkt gegenüber dem Erben bereits ab dem Erbfall als
absolute Verfügungsentziehung (§§ 2205, 2211 BGB). Jedoch geht die beim
Testamentsvollstrecker angesiedelte Verfügungsbefugnis über den Nachlass als
Insolvenzmasse auf den Nachlassinsolvenzverwalter über (Frege/Keller/Riedel,
Teil 7 Kap. 2 Rn. 2343; Gottwald/Döbereiner, § 112 Rn. 13; Schmidt/Böhm,
Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 7. Aufl. 2019, Vorbem. zu §§ 315 ff.
InsO Rn. 15).

c) Im Ergebnis bedarf der Nachlassinsolvenzverwalter zur Veräußerung eines zur
Nachlassinsolvenzmasse gehörenden Grundstückes also weder der Zustimmung des
Nacherben noch derjenigen des Testamentsvollstreckers.

2. Zur Herbeiführung der Löschung des Nacherbenvermerkes äußert sich die uns zugängliche
Literatur bezogen auf den von Ihnen geschilderten Sachverhalt nicht eigens. Allgemein

ist aber anerkannt, dass das Grundbuch hinsichtlich des noch nach § 51 GBO eingetragenen
Nacherbenvermerkes nachträglich unrichtig wird, wenn feststeht, dass ein Grundstück oder
ein Recht an einem Grundstück endgültig aus dem Nachlass ausgeschieden ist (BayObLG
DNotZ 1993, 404; OLG Hamm Rpfleger 1984, 312; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht,
15. Aufl. 2012, Rn. 3516 m. w. N.). Dieser Fall liegt bei der Veräußerung eines Nachlassgrundstücks
durch den Nachlassinsolvenzverwalter u. E. ebenfalls vor. Da der Nachlassinsolvenzverwalter
– wie oben dargestellt – nicht den Verfügungsbeschränkungen nach
§§ 2113 ff. BGB unterliegt, ist das Grundstück mit Eigentumsumschreibung auf den Käufer
endgültig aus dem Nachlass ausgeschieden. Die Löschung des Nacherbenvermerkes kann
daher nach unserer Auffassung im Wege des Unrichtigkeitsnachweises gem. § 22 GBO Zug
um Zug mit Eigentumsumschreibung auf den Käufer mit Vorlage des Kaufvertrages und
der Bestellungsurkunde des Nachlassinsolvenzverwalters beim Grundbuchamt erwirkt
werden.

Dieselbe Einschätzung gilt übrigens auch für die Löschung des Testamentsvollstreckervermerks
nach § 52 GBO, die im Fall der Veräußerung durch den Nachlassinsolvenzverwalter
nach unseren Recherchen wiederum nicht speziell in Rechtsprechung und
Literatur behandelt wird. Geklärt ist jedoch, dass der Testamentsvollstreckervermerk mit
wirksamer Veräußerung eines Grundstückes durch den Testamentsvollstrecker (Vollzug der
Auflassung) zu löschen ist, da dann der Nachlassgegenstand nicht mehr der Verwaltung des
Testamentsvollstreckers unterliegt (BGH NJW 1971, 1805; Schöner/Stöber Rn. 3474;
Demharter, Grundbuchordnung, 31. Aufl. 2018 § 52 Rn 29). Tritt nun der Nachlassinsolvenzverwalter
unter Verdrängung des Testamentsvollstreckers für die Dauer des
Nachlassinsolvenzverfahrens hinsichtlich der Verfügungsbefugnis an dessen Stelle, so muss
nach unserer Einschätzung dasselbe für die ohne Zustimmung des Testamentsvollstreckers
wirksame Veräußerung eines Nachlassgrundstückes durch den Nachlassinsolvenzverwalter
gelten: Es unterliegt ab Eigentumsumschreibung auf den Käufer endgültig nicht mehr der
Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers, sodass der Testamentsvollstreckervermerk
ebenso wie der Nacherbenvermerk zu löschen ist.

Nacherbenbindung und Testamentsvollstreckung würden sich nur an dem als Surrogat
erlangten Kaufpreis fortsetzen (§ 2111 Abs. 1 S. 1, Var. 3 BGB; für die Testamentsvollstreckung:
§ 2041 BGB analog, s. BGH ZEV 2012, 103; hier: § 2041 S. 1, 3. Var. BGB).

Bedeutung erlangt dies allerdings nur in dem rein theoretischen Fall, dass nach Verteilung
der Masse, soweit zur Befriedigung der Nachlassgläubiger erforderlich, und Aufhebung des
Nachlassinsolvenzverfahrens (§ 200 InsO) noch zumindest ein Teil des Kaufpreises übrig
bliebe.

Gutachten/Abruf-Nr:

170802

Erscheinungsdatum:

09.08.2019

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Testamentsvollstreckung
Insolvenzrecht
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge

Normen in Titel:

InsO § 315; BGB § 2113; BGB § 2205