31. Juli 2020
FamFG § 352a

Erteilung eines quotenlosen Erbscheins bei (teilweiser) Anordnung der Nacherbfolge

FamFG § 352a
Erteilung eines quotenlosen Erbscheins bei (teilweiser) Anordnung der Nacherbfolge

I. Sachverhalt
A, B und C sind zu Miterben berufen. A ist lediglich Vorerbe. Für B und C ist keine Vor- und Nacherbschaft angeordnet.

II. Frage
Kann ein quotenloser Erbschein nach § 352a Abs. 2 S. 2 FamFG auch erteilt werden, wenn einer der Miterben nur als Vorerbe eingesetzt ist?

III. Zur Rechtslage
1. Neueinführung eines „Erbscheins ohne Quoten“
Nach § 352a Abs. 2 S. 2 FamFG ist die von S. 1 der Vorschrift geforderte Angabe der Erbteile der Erben im Erbschein nicht erforderlich, wenn alle Antragsteller in dem Antrag auf die Aufnahme der Erbteile in den Erbschein verzichten. Die Neuregelung zu einem solchen „quotenlosen gemeinschaftlichen Erbschein“ geht zurück auf das „Gesetz zum internationalen Erbrecht und zur Änderung von Vorschriften zum Erbschein sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften“ vom 29.6.2015 (BGBl. I S. 1042). Gesetzgeberischer Hintergrund für die Neuregelung waren die aus der Praxis bekannt gewordenen Fälle, in denen die Mit­erben unproblematisch feststanden, die Größe der Erbteile aber erst aufwändig geklärt wer­den musste – beispielsweise wegen einer Verteilung des Erblasservermögens nach Gegenständen und nicht nach Quoten (vgl. BT-Drucks. 18/4201, 60; OLG Düsseldorf NJW-RR 2020, 388 = ZEV 2020, 167 m. Anm. Zimmermann). Durch die Neuregelung sollen die hierdurch verursachten (erheblichen) zeitlichen Verzögerungen bei der Erteilung des Erbscheins vermieden werden (vgl. BT-Drucks. 18/4201, 60).

Liegen die Voraussetzungen des § 352a Abs. 2 S. 2 FamFG vor, kann sich der Erbschein auf die Wiedergabe der Erbfolge – ohne Ausweisung der Erbteile – beschränken (beispielsweise wie folgt: „Es wird bezeugt, dass der Erblasser … durch A, B und C beerbt worden ist.“). Die Quoten der Miterben werden nicht genannt.

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Angabe von Erbquoten im Erbschein vorwiegend interne Bedeutung zukommt, z. B. für die Auseinandersetzung, Stimmrechte, Anteile am Ertrag und an den Lasten sowie die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten (vgl. Keidel/Zimmermann, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 352a Rn. 17). Im Außenverhältnis ist die Bedeutung der Quote demgegenüber eher gering, da die Miterben bspw. ohnehin nur gemeinschaftlich (§ 2040 Abs. 1 BGB) über die Nachlassgegenstände verfügen können (Keidel/Zimmermann, § 352a Rn. 17).

Aber auch intern ist die Angabe der Quote nicht unerlässlich, bspw. in Bezug auf die Auseinandersetzung des Nachlasses. Denn hierfür bedarf es nicht zwangsläufig einer rechnerischen Bestimmung der Erbteile. Handelt es sich bei der Miterbeneinsetzung bspw. um den praxishäufigen Fall einer gegenständlichen Verteilung des Nachlasses („Verteilungstestament“), so können hierin Teilungsanordnungen des Erblassers i. S. v. § 2048 BGB gesehen werden (vgl. nur MünchKommBGB/Rudy, 8. Aufl. 2020, § 2087 Rn. 10 m. w. N.), die bei der Erbauseinandersetzung nur noch vollzogen werden müssen.

Ein Verzicht auf die Angabe der Quoten kann aber u. U. für Dritte mit einem bestimmten Mehraufwand verbunden sein. So wird davon ausgegangen, dass im Falle eines quotenlosen Erbscheins beispielsweise Behörden, die die Quoten benötigten (wie z. B. Finanz- und Sozialbehörden), diese künftig selbst ermitteln müssten (vgl. MünchKommFamFG/Grziwotz, 3. Aufl. 2019, § 352a Rn. 19).

2. Anwendungsbereich der Neuregelung
Die Neuregelung findet Anwendung auf alle Erbfälle, die nach dem 17.8.2015 eingetreten sind (vgl. Art. 229 § 36 EGBGB). Auf die Antragstellung kommt es daher nicht an.

Die neu geschaffene Möglichkeit der Erteilung eines quotenlosen Erbscheins gilt auch nur für den gemeinschaftlichen Erbschein. Bei Teilerbscheinen und gemeinschaftlichen Teilerbscheinen ist die Angabe des Erbteils nach wie vor verpflichtend (BT-Drucks. 18/4201, 60).
    
Der „Verzicht“ auf die Aufnahme der Erbquoten in den Erbschein muss gegenüber dem Gericht, nicht gegenüber den Miterben, erfolgen. Umstritten ist in Rspr. und Lit. nach wie vor, ob der Verzicht auf die Angabe der Erbquoten von allen Miterben erklärt werden muss. Nach einer in der Rspr. und Lit. vertretenen Ansicht genügt es, dass der antragstellende Miterbe (bzw. die antragstellenden Miterben) den Verzicht auf die quotenmäßige Feststellung der Erbteile erklärt hat (haben); es ist daneben nicht auch der Verzicht aller weiteren (potentiellen) Miterben erforderlich (OLG Düsseldorf NJW-RR 2020, 388 = ZEV 2020, 167 m. Anm. Zimmermann; Prütting/Helms/Fröhler, FamFG, 4. Aufl. 2018, § 352a Rn. 26; Barenfuss/Schaal, FamFG, 3. Aufl. 2017, § 352a Rn. 11-13; Rellermeyer, in: Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, 3. Aufl. 2018, § 352a Rn. 3). Ein anderer Teil der Rspr. und Lit. vertritt demgegenüber, dass in Anbetracht der Tragweite des Verzichts alle Miterben den Verzicht ausdrücklich selbst – aber nicht notwendigerweise auch gleichzeitig – erklären müssten (OLG München ZEV 2020, 166; Keidel/Zimmermann, § 352a Rn. 14; Zimmermann, ZEV 2015, 520, 521; Haußleiter/Schemmann, FamFG, 2. Aufl. 2017, § 352a Rn. 5; BeckOK-FamFG/Schlögel, Std.: 1.7.2020, § 352a Rn. 3).

3. Besonderheiten des Erbscheins des Vorerben
Hat der Erblasser Vor- und Nacherbfolge (§§ 2100 ff. BGB) angeordnet, dann ist dies auch für das Erbscheinsverfahren und die Erteilung des Erbscheins von Bedeutung. Entsprechend der zeitlichen Staffelung der Erbfolge (§ 2100 BGB) kommt bis zum Eintritt des Nacherbfalls eine Erbscheinserteilung nur für den Vorerben und erst nach diesem Zeitpunkt (vgl. § 2139 BGB) für den Nacherben in Betracht.

In dem Erbschein, der einem Vorerben erteilt wird, ist nach § 352b Abs. 1 S. 1 FamFG anzugeben, dass eine Nacherbfolge angeordnet ist, unter welchen Voraussetzungen sie eintritt und wer der Nacherbe ist. Zu den in den Erbschein des Vorerben aufzunehmenden Angaben gehört demnach nicht nur die Anordnung der Nacherbfolge durch den Erblasser, sowie die Bedingung des Eintritts der Nacherbfolge, sondern auch der Name des bzw. der Nacherben, eine etwaige Befreiung des Vorerben sowie Angaben zu weiterer Nacherbfolge bzw. Ersatznacherbfolge (vgl. Staudinger/Herzog, BGB, 2016, § 2353 Rn. 455 ff.).

Die Notwendigkeit der Angabe der Nacherbfolge beruht auf der negativen Vermutung des § 2365 Alt. 2 BGB, dass der Erbscheinserbe nicht durch andere als die angegebenen Anordnungen beschränkt ist. Die Angabe der Nacherbfolge im Erbschein des Vorerben dient damit nicht dem – positiven – Nachweis des Erbrechts des Nacherben (BGH NJW 1982, 2499, 2500; OLG München DNotZ 2013, 153, 154; OLG Frankfurt FGPrax 2010, 175, 176), sondern der Verlautbarung der Verfügungsbeschränkungen, denen der bzw. die Vor­erben unterliegen (vgl. §§ 2112 ff. BGB).

4. Erbschein des Vorerben auch quotenlos?
Zur speziellen Frage, ob entsprechend den obigen Ausführungen (vgl. 1.) im Erbschein des Vorerben auf die Angabe der Erbquoten verzichtet werden kann, wenn einer der Miterben nur als Vorerbe eingesetzt ist, ließ sich leider weder einschlägige Rspr. noch Literatur ermitteln. Die Rechtslage ist daher in gewissem Maße unsicher.

Der Umstand, dass sich eine angeordnete Nacherbfolge nicht auf den ganzen Nachlass, sondern nur einen Teil des Nachlasses – speziell den Erbteil eines Miterben – bezieht, ist nach Meinung der Kommentarliteratur im Erbschein des Vorerben zu vermerken (Keidel/Zimmermann, FamFG, 19. Aufl. 2017, § 352b Rn. 7; vgl. auch BeckOK-FamFG/Schlögel, Std.: 1.7.2020, § 352b Rn. 2; Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, 3. Aufl. 2019, § 352b FamFG Rn. 9; MünchKommFamFG/Grziwotz, 3. Aufl. 2019, § 352 b Rn. 9; Staudinger/Herzog, § 2353 Rn. 467). Ist die Nacherbfolge also – wie im vorliegenden Fall – nur hinsichtlich eines Erbteils angeordnet, ist dies im gemeinschaftlichen Erbschein entsprechend zu kennzeichnen (vgl. Haußleiter/Schemmann, FamFG, 2. Aufl. 2017, § 352 Rn. 4). Sind also beispielsweise A, B und C zu Miterben berufen und ist lediglich hinsichtlich des Erbteils von A Nacherbfolge angeordnet, dann muss in dem gemeinschaftlichen Erbschein, der für A, B und C erteilt wird, gem. § 352b Abs. 1 S. 1 FamFG u. a. angegeben werden, dass hinsichtlich des Erbteils des A Nacherbfolge angeordnet ist (etwa mit dem Wortlaut: „Hinsichtlich des Erbteils von A ist Nacherbfolge angeordnet…“).

Dies bedingt u. E. jedoch nicht, dass in dem Erbschein zwingend auch die Erbquoten der Miterben anzugeben sind. Denn – wie oben unter 3. bereits ausgeführt wurde – bezeugt der „Nacherbenvermerk“ nicht den Nachweis des Erbrechts der Nacherben, sondern verlautbart nur die Verfügungsbeschränkungen des bzw. der Vorerben. Hierfür kommt es aber nicht auf die Größe des von der Nacherbfolge betroffenen Erbteils an.

5. Ergebnis
Im Ergebnis gehen wir daher davon aus, dass ein quotenloser gemeinschaftlicher Erbschein auch dann erteilt werden kann, wenn hinsichtlich des Erbteils eines oder einzelner Miterben Nacherbfolge angeordnet worden ist. Zur Verlautbarung der Verfügungsbeschränkung, der der Vorerbe unterliegt, genügt es, wenn sich die nach § 352b Abs. 1 FamFG notwendigen Angaben zur Nacherbfolge auf den betroffenen Erbteil beziehen, ohne dass dessen Größe festgestellt werden müsste.

Gutachten/Abruf-Nr:

177452

Erscheinungsdatum:

31.07.2020

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Nachlaßabwicklung (insbes. Erbschein, Nachlaßinventar)

Erschienen in:

DNotI-Report 2020, 115-117

Normen in Titel:

FamFG § 352a