29. Oktober 2021
UmwG § 20; GmbHG § 58

Kapitalherabsetzung und Wegverschmelzung; Verschmelzung während des Sperrjahrs; Kapitalherabsetzungsbeschluss vor Verschmelzung

Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.:                            185248
letzte Aktualisierung:        19. Oktober 2021

GmbHG § 58, UmwG § 20
Kapitalherabsetzung und Wegverschmelzung; Verschmelzung während des Sperrjahrs; Kapitalherabsetzungsbeschluss vor Verschmelzung

I. Sachverhalt

Die A-GmbH beschließt eine Kapitalherabsetzung zur Rückzahlung geleisteter Einlagen auf Gesellschafter, ändert den Gesellschaftsvertrag der A-GmbH und veröffentlicht dies im Bun-desanzeiger. Während des laufenden Sperrjahres – die Herabsetzung ist also noch nicht wirksam – wird die A-GmbH auf die B-GmbH gegen Gewährung neuer Geschäftsanteile, die in Summe das Stammkapital der A-GmbH ausmachen, verschmolzen. Die B-GmbH meldet daher eine Kapitalerhöhung zum Zwecke der Verschmelzung an. Im Handelsregister der B-GmbH wird eingetragen:

„Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom … ist das Stammkapital zum Zwecke der Verschmelzung mit der A-GmbH mit Sitz in … von … um … auf … erhöht worden unter gleichzeitiger Änderung des Gesellschaftsvertrages in § … (Stammkapital).“

Nach Ablauf des Sperrjahres soll nun der Antrag auf Eintragung der von der A-GmbH be-schlossenen Kapitalherabsetzung gestellt werden. Da die A-GmbH verschmolzen ist, erfolgt dies durch die B-GmbH. Das Registergericht teilt jedoch mit, es fehle an einem Beschluss der B-GmbH.

II. Fragen

Ist für die Eintragung einer Kapitalherabsetzung nach Beschluss durch den übertragenden Rechts¬träger mit anschließender Verschmelzung während des Sperrjahrs auf den übernehmenden Rechtsträger ein erneuter Beschluss des übernehmenden Rechtsträgers über die Kapitalherab¬setzung und insbes. auch eine erneute Veröffentlichung sowie Einhaltung des Sperrjahrs erfor¬derlich?


III. Zur Rechtslage

1. Wirkungen der Verschmelzung

§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG ordnet die Gesamtrechtsnachfolge an (Heidinger,
in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, § 20 Rn. 4 ff.; Simon, in: Semler/Stengel/Leonard, UmwG, 5. Aufl. 2021, § 20 Rn. 8 ff.; Winter, in: Schmitt/Hörtnagl, UmwG, 9. Aufl. 2020, § 20 Rn. 23 ff.). Danach geht mit der Eintragung der Verschmelzung in das Register des Sitzes des übernehmenden Rechtsträgers das Ver¬mögen der übertragenden Rechtsträger einschließlich der Verbindlichkeiten auf den über¬nehmenden Rechtsträger über. Mit Eintragung der Verschmelzung erlischt die über-tragende Gesellschaft, § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG, ohne dass es einer Löschung bedarf. Es erfolgt keine Abwicklung. Mit dem Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers er-
löschen auch dessen Organe (KölnKommUmwG/Simon, 2009, § 20 Rn. 37; Vossius, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 190. EL, Std.: April 2021, § 20 Rn. 333 f.). Dies gilt sowohl für das Lei¬tungsorgan und ein etwaiges Aufsichtsorgan als auch für die Haupt- oder Gesellschafterver¬sammlung. Die Fassung von Gesellschafterbeschlüssen bei einem übertra¬genden Rechtsträ¬ger ist daher nach Wirksamwerden der Verschmelzung nicht mehr mög¬lich. Bereits gefasste eintragungs¬bedürftige Beschlüsse können nach Wirksamwerden der Verschmelzung nicht mehr in das Handelsregister des übertragenden Rechtsträgers einge¬tragen werden (BeckOGK-UmwG/Rieckers/Cloppenburg, Std.: 1.4.2021, § 20 Rn. 115, 80).

2. Folgen für das Verfahren der Kapitalherabsetzung bei dem übertragenden Rechts-träger

In der Konsequenz kann für die A-GmbH die Kapitalherabsetzung nach Ablauf des Sperr¬jahres nicht mehr bei der A-GmbH eingetragen werden, da der Rechtsträger erloschen ist. Aber auch eine Eintragung bei der B-GmbH kommt hier nicht in Frage. Denn der Kapital¬herabsetzungsbeschluss der Organe der A-GmbH wirkt nicht bei der übernehmenden B-GmbH fort. Denn er betrifft das „korporative“ In¬nenverhältnis der A-GmbH und nicht etwa im Außenverhältnis im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergehenden Vermögen mit allen Rechten und Pflichten.

Weder die Satzungsregelungen der A-GmbH noch die dortigen Organstellungen gehen durch die Verschmelzung auf die B-GmbH über (BGH, Beschl. v. 27.1.2015 – II ZB 7/14, NZG 2015, 438, 439; Kallmeyer/Marsch-Barner/Oppenhoff, UmwG, 7. Aufl. 2020, § 20 Rn. 13; Haßler AG 2016, 388, 389). In diesem Zu¬sammenhang weisen wir darauf hin, dass auch das Stammkapital desübertragenden Rechtsträgers nicht vor einer Wegverschmelzung geschützt ist. Denn es ist zu¬lässig, für die hier zur Gewährung vorgesehenen Anteile bei dem übernehmenden Rechtsträger mittels einer Kapitalerhöhung zu schaffen, die in
der Summe nicht dem Stammkapital der übertra¬genden Gesellschaft entspricht (Widmann/Mayer, § 5 Rn. 41 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen auch der Gegenan-sicht, wie z. B. Priester, DNotZ 1995, 440).

Im Ergebnis müsste, wenn das Gestaltungsziel der Kapitalherabsetzung bei der über-nehmenden B GmbH verwirklicht werden soll, von der Gesellschafter¬versammlung der B GmbH unter Berücksichtigung der dortigen Voraussetzungen ein neuer Kapitalherabsetzungsbeschluss gefasst werden, dies müsste erneut im Bundesanzeiger ver-öffentlicht werden und das volle Sperrjahr müsste erneut abgewartet werden.

Gutachten/Abruf-Nr:

185248

Erscheinungsdatum:

29.10.2021

Rechtsbezug

National

Normen in Titel:

UmwG § 20; GmbHG § 58