05. September 2023
ZVG § 180; ZVG § 117; ZVG § 109; ZVG § 44

Bestellung eines Eigentümernießbrauchrechts zur Verhinderung der Teilungsversteigerung; Niedrigstgebots-Theorie; faktische Vorteile

ZVG §§ 44, 92, 109, 117, 121, 180, 182; BGB §§ 432, 1030
Bestellung eines Eigentümernießbrauchrechts zur Verhinderung der Teilungsversteigerung; Niedrigstgebots-Theorie; faktische Vorteile

I. Sachverhalt
A ist Mitglied einer Bruchteilsgemeinschaft an einer bebauten Immobilie. Er möchte zur Absicherung und Verhinderung etwaiger Teilungsversteigerungen an seinem Miteigentumsanteil ein Eigentümernießbrauchrecht bestellen.

II. Frage
Kann ein Eigentümernießbrauchrecht die Teilungsversteigerung einer Immobilie unter Miteigentümern verhindern?

III. Zur Rechtslage
1. Vorbemerkungen
Das DNotI hat sich in zwei kürzlich veröffentlichen Gutachten bereits mit der Bestellung einer Eigentümergrundschuld befasst, welche in der Praxis oftmals als Mittel zur Verhinderung der Teilungsversteigerung angesehen wird. Dies ist zwar so nicht zutreffend (vgl. Gutachten DNotI-Report 2022, 185), jedoch können faktische bzw. zeitliche Vorteile bestehen, wenn nicht alle Miteigentümer eine Eigentümergrundschuld bestellen. Dies rührt daher, dass eine Eigentümergrundschuld am eigenen Miteigentumsanteil zu einer Befriedigung des Miteigentümers bereits im Verteilungstermin führt und keine Hinterlegung des Übererlöses in Höhe des Grundschuldkapitals erfolgt, auf dessen (partielle) Freigabe ggf. geklagt werden müsste (vgl. dazu DNotI-Abrufgutachten Nr. 196409). Ein Miteigentümer, der eine Eigentümergrundschuld bestellt, kann damit also zeitliche Vorteile erlangen und sich seine Mitwirkung zur Freigabe des Übererlöses ggf. „abkaufen“ lassen, wenn die anderen Miteigentümer ein Klageverfahren scheuen.

Vorab ist ferner festzuhalten, dass die Bestellung eines Eigentümernießbrauchs nach inzwischen h. M. nicht mehr der Darlegung eines besonderen Interesses bedarf (BGH NJW 2011, 3517; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 1373). Die Belastung eines einzelnen Miteigentumsanteils ist überdies in § 1066 Abs. 1 BGB ausdrücklich geregelt.

2. Wirkung der Bestellung eines Eigentümernießbrauchrechts im Rahmen der Teilungsversteigerung
Normativer Anknüpfungspunkt des Irrglaubens, mittels Bestellung eines Eigentümerrechts die Teilungsversteigerung verhindern zu können, ist das geringste Gebot i. S. d. § 182 ZVG. Dieses setzt sich aus dem geringsten Bargebot (§ 49 Abs. 1 ZVG) sowie den bestehenbleibenden, vom Ersteher zu übernehmenden Grundbuchbelastungen zusammen (Kindl/Meller-Hannich/Stumpe/Simon, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Aufl. 2021, § 44 ZVG Rn. 2; instruktiv und prägnant dazu Alff, Rpfleger 2004, 673; Münch, Die Scheidungsimmobilie, 3. Aufl. 2019, Rn. 887). Da es bei der Teilungsversteigerung keinen betreibenden Gläubiger i. S. d. § 44 ZVG gibt, sind gem. § 182 Abs. 1 ZVG die den Anteil des/der Antragsteller/s belastenden Rechte maßgeblich (Alff, Rpfleger 2004, 673, 673 f.). Auch im Bereich des § 182 ZVG wird die Zwangsversteigerung vom sog. Deckungsgrundsatz beherrscht (Stöber/Kiderlen, ZVG, 23. Aufl. 2022, § 182 Rn. 2). Neben den Verfahrenskosten müssen daher auch die „vorgehenden Rechte“ – im Rahmen des § 182 Abs. 1 ZVG also die den Anteil des/der Antragsteller/s belastenden Rechte – ausgeboten werden (DNotI-Report 2022, 185, 186).

Nun liegt es nahe anzunehmen, eine hohe Belastung des eigenen Miteigentumsanteils könne das geringste Gebot dementsprechend derart steigen lassen, dass es faktisch zu keiner Versteigerung kommt. Dem hat der BGH jedoch einen Riegel vorgeschoben und zugleich einen jahrzehntelangen Streit entschieden, als er sich im Jahre 2017 zugunsten der sog. Niedrigstgebots-Lösung positionierte (NJW 2017, 1756 Rn. 14 ff., dazu DNotI-Report 2022, 185, 186). Bei der Teilungsversteigerung eines Grundstücks mit unterschiedlich belasteten Miteigentumsanteilen auf Antrag mehrerer Teilhaber ist für die Feststellung des geringsten Gebots demnach einheitlich von jenem Antragsteller auszugehen, dessen Anteil am geringsten belastet ist. Antragsteller ist insofern auch derjenige, der dem Verfahren beitritt (§§ 180 Abs. 1, 27 ZVG; vgl. Böttcher, FPR 2013, 345, 347). Damit haben es die Miteigentümer, deren Anteile geringer belastet sind, in der Hand, selbst zu weiteren Antragstellern zu werden und damit das geringste Gebot einheitlich niedriger zu halten (vgl. dazu auch Böttcher, ZVG, 7. Aufl. 2022, § 182 Rn. 15). Immer wieder missverstanden wird insofern die Vorschrift des § 182 Abs. 2 ZVG: Diese Norm hat bei Einschlägigkeit der Niedrigstgebots-Theorie (mehrere Antragsteller, unterschiedlich hohe Belastungen) keinen Anwendungsbereich, da in der Folge einheitlich für alle Anteile dieselbe niedrigste Belastung zugrunde gelegt wird (vgl. DNotI-Report 2022, 185, 187; DNotI-Abrufgutachten Nr. 196409 unter Ziff. 6 lit. b sublit. aa; Schneider, IVR 2017, 41; Alff, Rpfleger 2004, 673, 674 f.; Nickel, FPR 2013, 370, 375; Storz/Kiderlen, Praxis der Teilungsversteigerung, 6. Aufl. 2016, B.5.5.2.4, S. 216 f.). Versäumen es die anderen Miteigentümer hingegen, dem Verfahren beizutreten, erhöht eine Belastung des Miteigentumsanteils des alleinigen Antragstellers im Grundsatz das geringste Gebot insgesamt (wobei dies im Sonderfall des Eigentümernießbrauchs anders sein dürfte, dazu unten).

Rechte, die nach § 182 Abs. 1 ZVG im geringsten Gebot berücksichtigt sind, bleiben gem. § 52 Abs. 1 S. 1 ZVG bestehen; im Übrigen erlöschen die Rechte mit dem Zuschlag (§§ 52 Abs. 1 S. 2, 91 Abs. 1 ZVG). An die Stelle der erloschenen Rechte tritt grundsätzlich der An-spruch auf Wertersatz (§ 92 Abs. 1 ZVG; Surrogationsprinzip, vgl. Stöber/Gojowczyk, ZVG, 23. Aufl. 2022, § 52 Rn. 22). Sofern der Nießbrauch demnach nicht in das geringste Gebot fällt – insbesondere weil ein Miteigentümer mit einem geringer belasteten Anteil ebenfalls Antragsteller ist –, gilt die Vorschrift des § 92 Abs. 2 ZVG, wonach die Auszahlung in Höhe des kapitalisierten Werts des Nießbrauchrechts lediglich mit Verzögerung in Form einer Geldrente erfolgt (Scheel, in: Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht, 5. Aufl. 2018, § 49 Rn. 50; zur Berechnung vgl. OLG Karlsruhe v. 28.6.2005 – 17 U 201/04 = BeckRS 2005, 31678 = Rpfleger 2005, 686; Böttcher, § 92 Rn. 19). Beim Nießbrauch gilt also ein „Zwangssparen“, da der Wertersatz nur in jährlichen Raten ausgezahlt wird (vgl. Herrler, in: Beck’sches Notar-Handbuch, 7. Aufl. 2019, § 5 Rn. 324; Scheel, § 49 Rn. 50). Zudem besteht der Höchstbetrag gem. § 121 Abs. 1 ZVG in der 25-fachen Jahresleistung (Herrler, § 5 Rn. 324; Böttcher, § 92 Rn. 19).

Die durch den Zuschlag erloschenen Grundstücksrechte – damit auch ggf. der Eigentümernießbrauch – bestehen als Vorzugsrechte an dem Versteigerungserlös fort, sie werden im Versteigerungstermin befriedigt, soweit der Erlös ausreicht (vgl. Storz/Kiderlen, E.4.1. [S. 710]; Stumpe/Simon, § 91 ZVG Rn. 6; Stöber, ZVG-Handbuch, 9. Aufl. 2010, Rn. 753a). Da das Eigentümerrecht nur an einem Bruchteil des versteigerten Grundstücks lastet, haftet insofern auch nur der diesem Anteil entsprechende Bruchteil des Versteigerungserlöses (vgl. Stöber/Becker, § 92 Rn. 6; Stöber, ZVG-Handbuch, Rn. 754). Das Versteigerungsgericht muss insofern auf Basis von § 112 ZVG analog ausnahmsweise rechnerisch im Teilungsplan Einzelanteile des Erlösüberschusses feststellen, wenn die Bruchteile verschieden belastet sind und Belastungen eines Anteils (teilweise) nicht in das geringste Gebot aufgenommen wurden (hierzu näher DNotI-Abrufgutachten Nr. 196409 unter Ziff. 4 lit. a).

Geht man demnach von einem Erlöschen des Nießbrauchs gem. §§ 52 Abs. 1 S. 2, 91 Abs. 1 ZVG aus, können sich theoretisch gleichwohl die im Abrufgutachten Nr. 196409 ausführlich dargestellten zeitlichen Vorteile ergeben. Diese resultieren daraus, dass erloschene Rechte grundsätzlich bereits im Rahmen der Erlösverteilung nach § 109 Abs. 2 ZVG befriedigt werden (also Wertersatz geleistet wird) und insofern nicht die Verteilung des Übererlöses abgewartet werden muss. Obgleich dem erloschenen Eigentümerrecht lediglich der jeweilige Anteil haftet, kann sich ein Miteigentümer dies zu Nutze machen, da der Übererlös gem. § 432 BGB nur an sämtliche Miteigentümer gemeinschaftlich verteilt werden darf. Ohne übereinstimmende Erklärung wird der Übererlös gem. § 117 Abs. 2 S. 3 ZVG hinterlegt. Der Anspruch jedes Teilhabers auf Teilauszahlung des Übererlöses gemäß seiner Miteigentumsquote gegen die Hinterlegungsstelle kann bei zerstrittener Gemeinschaft nur im Klageweg durchgesetzt werden. Daher kann ein Miteigentümer, der im Wege des Wertersatzes für ein erloschenes Eigentümerrecht bereits (zu einem großen Teil) im Versteigerungstermin befriedigt wurde, die Übererlösverteilung zunächst blockieren. Scheuen die anderen (ehemaligen) Miteigentümer ein gerichtliches Verfahren, mag es denk-bar sein, dass er sich seine Blockadeposition „versilbern“ lässt und damit einen faktischen Vorteil aus dem bestellten Eigentümerrecht ziehen kann (jedoch kann dieses Vorgehen auch fehlschlagen, wenn aufgrund eines verlorenen Prozesses um die Freigabe des Übererlöses noch Anwalts- und Prozesskosten zu begleichen sind).

Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass die Schaffung dieses zeitlichen bzw. faktischen Vorteils nicht unbestritten ist (vgl. zur denkbaren analogen Anwendung von § 182 Abs. 2 ZVG: DNotI-Abrufgutachten Nr. 196409 unter Ziff. 6 lit. b sublit. cc). Im vorliegenden Fall tritt überdies noch etwas hinzu: Ein Nießbrauch ist wegen der in § 92 Abs. 2 ZVG angeordneten Geldrente („Zwangssparen“) ohnehin nicht ebenso gut für die Schaffung zeitlicher Vorteile geeignet wie eine Eigentümergrundschuld, da die Auszahlung im Verteilungstermin begrenzt ist. Denn das nach § 121 ZVG zu berechnende Deckungskapital wird nämlich „nur“ hinterlegt (gem. §§ 121 Abs. 2, 120 Abs. 1 S. 1 ZVG; vgl. dazu Böttcher, § 121 Rn. 8; Stumpe/Simon, § 92 Rn. 11) und steht dem Inhaber (= Miteigentümer) nicht wie bei der Eigentümergrundschuld sofort in voller Höhe zur Verfügung (wobei dies freilich voraussetzt, dass der auf den Miteigentümer entfallende Versteigerungserlös ausreicht).

Darüber hinaus liegt es sogar nahe, dass der Eigentümernießbrauch nicht einmal die geringeren – oben aufgezeigten – Vorteile aufweist, sondern vielmehr im Rahmen der Teilungsversteigerung mit einem Wert von Null anzusetzen sein dürfte: Gemäß § 1066 Abs. 1 BGB übt der Berechtigte bei einem nur an einem Miteigentumsanteil bestehenden Nießbrauch jene Rechte aus, die sich aus der Gemeinschaft der Miteigentümer in Ansehung der Verwaltung der Sache und der Art ihrer Benutzung ergeben. Diese decken sich jedoch mit den Rechten, die dem Nießbrauchsberechtigten bereits in seiner Eigenschaft als Miteigentümer zustehen. Mit anderen Worten: Der Eigentümernießbrauch vermittelt dem Berechtigten keinerlei weitergehende Rechtsposition als das Miteigentum selbst. Anders als eine Eigentümergrundschuld (bei welcher man ggf. ebenfalls hinsichtlich der Teilungsversteigerung zu einer Nullbewertung/Wertungskorrektur kommen könnte, vgl. DNotI-Abrufgutachten Nr. 196409 unter Ziff. 6 lit. b) ist der Nießbrauch zugunsten einer natürlichen Person zudem weder übertragbar noch vererblich (§§ 1059 S. 1, 1061 S. 1 BGB). Es liegt daher nach hier vertretener Rechtsauffassung – die aber weder durch Literatur noch Rechtsprechung abgesichert ist – nahe, dem Eigentümernießbrauch in der Teilungsversteigerung sogar die oben beschriebenen Vorteile abzusprechen und den gem. § 92 Abs. 1 ZVG geschuldeten Wertersatz für das Erlöschen des Eigentümernießbrauchs mit Null anzusetzen; dies jedenfalls dann, wenn der Eigentümernießbrauch nicht seinerseits belastet ist. Im Falle der Belastung des Eigentümernießbrauchs mit einem Drittrecht (z. B. Pfändungspfandrecht) dürfte der Wert des Nießbrauchs nach der wirtschaftlichen Verwertbarkeit für den Dritten zu bemessen sein. Für den Nießbrauchsberechtigten selbst ist der Nießbrauch hingegen wertlos, weil seine Rechte hieraus nicht über seine Befugnisse als Miteigentümer hinausreichen können und der Nießbrauch auch nicht „versilbert“ werden kann, also von ihm nicht zu Geld gemacht werden kann.

In der Konsequenz dieser Auffassung liegt es, den Eigentümernießbrauch selbst dann mit Null zu bewerten, wenn der entsprechende Miteigentümer der alleinige Antragsteller wäre. Er könnte durch die Bestellung eines Eigentümernießbrauchs nach hier vertretener Rechtsauffassung das geringste Gebot mithin auch dann nicht erhöhen, wenn keiner der anderen Miteigentümer dem Verfahren beitreten sollte.

Überdies haben es die Miteigentümer immer in der Hand, ihre Anteile ebenfalls mit Eigentümerrechten zu belasten. Diese erhöhen entweder das geringste Gebot (sofern nicht der Anteil jedenfalls eines antragstellenden Miteigentümers weiterhin niedriger belastet ist) oder führen dazu, dass diese Miteigentümer ebenfalls bereits im Verteilungstermin in Höhe des Wertersatzes für ihre erloschenen Eigentümerrechte befriedigt werden, sofern der Versteigerungserlös ausreicht. Die „Taktik“ der Bestellung eines Eigentümerrechts (insb. Eigentümergrundschuld, -nießbrauch) ist damit keinesfalls ein „Allheilmittel“.

3. Zusammenfassung/Ergebnis
Einer Verhinderung der Teilungsversteigerung durch Bestellung von Eigentümerrechten kann seitens der anderen Miteigentümer leicht der Boden entzogen werden. Denn für die Feststellung des geringsten Gebots ist einheitlich von dem Antragsteller auszugehen, dessen Anteil am geringsten belastet ist. Treten die Miteigentümer demnach ebenfalls als Antragsteller auf (wofür der Beitritt zum Verfahren ausreicht), ist eine etwaige höhere Belastung des Anteils eines Miteigentümers für die Bemessung des geringsten Gebots irrelevant.

Ist demnach der Eigentümernießbrauch nicht im geringsten Gebot zu berücksichtigen, erlischt er und an seine Stelle tritt ein Anspruch auf Wertersatz, für den lediglich der entsprechende Miteigentumsanteil haftet. Die damit einhergehenden potentiellen(!) zeitlichen bzw. faktischen Vorteile aufgrund der Befriedigung des Wertersatzes bereits im Rahmen des Versteigerungstermins (und nicht erst bei der Übererlösverteilung) sind beim Nießbrauch aber wegen der Vorschrift des § 92 Abs. 2 ZVG wesentlich geringer als bei einer Eigentümergrundschuld. Nach unserem Dafürhalten erscheint es sogar sachgerecht, im Rahmen der Teilungsversteigerung einen (unbelasteten) Eigentümernießbrauch mit „Null“ zu bewerten, sodass sich gar kein Vorteil mehr ergäbe.

Gutachten/Abruf-Nr:

199388

Erscheinungsdatum:

05.09.2023

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
Allgemeines Schuldrecht
Dienstbarkeiten und Nießbrauch

Erschienen in:

DNotI-Report 2023, 129-132

Normen in Titel:

ZVG § 180; ZVG § 117; ZVG § 109; ZVG § 44