01. August 2016
BeurkG § 44; BeurkG § 34

Nachträgliche Heftung eines in die amtliche Verwahrung gegebenen Testaments; Austausch von einzelnen Seiten; Nachtragsvermerk

DNotI Gutachten-Abruf-Dienst Deutsches Notarinstitut
Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 149145
letzte Aktualisierung: 1. August 2016

BeurkG §§ 44, 34
Nachträgliche Heftung eines in die amtliche Verwahrung gegebenen Testaments; Austausch
von einzelnen Seiten; Nachtragsvermerk

I. Sachverhalt
Nach jeweils ordnungsgemäßer Beurkundung eines Testamentes und der Beurkundung eines
Erbscheinsantrags mit jeweils unterschiedlichen Beteiligten im Jahre 2013 wurden die beiden
Urkunden falsch geheftet: Die letzte Seite der Urkunden mit den Unterschriften wurde
vertauscht. Das Testament wurde mit der letzten Seite des Erbscheinsantrags, der
Erbscheinsantrag mit der letzten Seite des Testaments verbunden. Das falsch geheftete Testament
wurde im Umschlag verschlossen und in der Form in die amtliche Verwahrung beim
Amtsgericht gebracht. Der Fehler trat nun nach der Eröffnung des Testaments und dem Tod des
Erblassers zu Tage. Die in den Handakten/Urkundensammlung befindlichen beglaubigten
Abschriften und gefertigten Scans der Urkunden sind richtig.

II. Fragen
1. Ist es zulässig, die letzte Seite des sich in der Urkundensammlung des Notars befindlichen
Erbscheinsantrags, enthaltend die Original-Unterschrift des Erblassers, von dem Erbscheinsantrag
zu trennen und mit den ersten zwei (ggf. neu ausgedruckten oder von der beglaubigten
Abschrift kopierten) Seiten des Testaments zu verbinden?
2. Entsteht dadurch eine Urschrift des Testaments oder ist die falsche Urkunde, die im verschlossenen
Umschlag beim Amtsgericht eingereicht wurde, die Urschrift?

III. Zur Rechtslage
1. Wirksamkeit der Urkunden
Nach dem mitgeteilten Sachverhalt wurde das Testament vom Notar verlesen und von ihm
sowie den Beteiligten unterzeichnet. Es ist daher formell wirksam errichtet. Dass die Niederschrift
nicht ordnungsgemäß gem. § 44 BeurkG geheftet wurde, ändert an der Wirksamkeit
des Testaments nichts. § 44 BeurkG ist nur eine „Soll“-Vorschrift. Die Niederschrift ist
trotz falscher Heftung wirksam errichtet (vgl. BGH DStR 1997, 1997, 1980, 1982; Preuß,
in: Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG/DONot, 7. Aufl. 2015, § 44 BeurkG Rn. 6; Staudinger/
Hertel, BGB, Neubearb. 2012, Vor §§ 127a und 128 (BeurkG) Rn. 631; Weingärtner, in:
Weingärtner/Gassen DONot, 12. Aufl. 2013, § 30 Rn. 2; Winkler, BeurkG, 17 Aufl. 2013,
§ 44 Rn. 11). Allerdings können Verstöße gegen § 44 BeurkG zu einer Beeinträchtigung
des Beweiswerts der Urkunde führen (BGH DNotZ 2011, 544 Tz. 11; Preuß, a. a. O.;
Gutachten DNotI-Report 2005, 129; Gutachten DNotI-Report 2014, 27 f.;
Eylmann/Vaasen/Limmer, BNotO/BeurkG, 3. Aufl. 2011, § 44 BeurkG Rn. 1;
Staudinger/Hertel, a. a. O.).

2. Pflicht zur Korrektur der falschen Heftung
Der Notar hat grundsätzlich die Pflicht, die falsche Heftung nachträglich zu korrigieren und
die Seiten der Urschrift richtig zu heften (BeckOGK/Regler, Std.: 10.10.2015, § 44 BeurkG
Rn. 21; Preuß, § 44 BeurkG Rn. 6; Winkler, § 44 Rn. 11). Eine Korrektur ist freilich nur
möglich, wenn sich der Notar sicher ist, um welche Niederschriften es sich handelt und dass
diese vollständig verlesen wurden (vgl. Winkler, a. a. O.). Im vorliegenden Fall dürfte mit
hinreichender Sicherheit feststehen, dass die Niederschrift ordnungsgemäß errichtet und die
Blätter lediglich versehentlich vertauscht wurden. Der Notar ist in diesem Fall verpflichtet,
Schnur und Siegel zu lösen und die Blätter auszutauschen (vgl. BeckOGK/Regler, a. a. O.;
Winkler, a. a. O.; Weingärtner, § 30 Rn. 2; Eickelberg, in: Armbrüster/Preuß/Renner, § 30
DONot Rn. 8). Ob der Notar den Austausch der Blätter auf der Urschrift vermerken muss
oder dies bloß unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten geboten sein kann, ist umstritten (für
Ersteres Winkler, § 44 Rn. 12; für Letzteres Heinemann, in: Grziwotz/Heinemann, BeurkG,
2. Aufl. 2015, § 44 Rn. 15).

3. Besonderheiten bei Niederschrift in amtlicher Verwahrung
Da sich das Testament in der amtlichen Verwahrung befindet, erscheint jedoch zweifelhaft,
ob ein nachträgliches Heften der Seite mit der Unterschrift an das Testament noch in
Betracht kommt. Denn der Notar selbst kann nach Abgabe eines Testaments bzw. Erbvertrags
in die amtliche Verwahrung dessen Rückgabe nicht mehr verlangen, da er keinerlei
Rechte an der Urkunde hat (Staudinger/Baumann, BGB, Neubearb. 2012, § 2256 BGB
Rn. 12; Winkler, § 44 Rn. 13). Eine Rückgabe wäre nur auf Verlangen des Erblassers nach
§ 2256 BGB möglich; dies würde aber als Aufhebung bzw. Widerruf der Verfügungen von
Todes wegen wirken. Davon abgesehen scheidet im vorliegenden Fall eine Rückgabe
ohnehin aus, da der Erblasser mittlerweile verstorben ist.
Die Literatur hat sich mit der Problematik, wie in der vorliegenden Fallkonstellation zu verfahren
ist, nur vereinzelt beschäftigt. Sie bezieht sich dabei auf den Fall, dass das
Testament in die amtliche Verwahrung gegeben, aber noch nicht eröffnet wurde.
Teilweise schlägt die Literatur vor, dass der Notar „zumindest“ vollständige Ausfertigungen
des Testaments mit den richtigen Seiten erstellt und eine Ausfertigung beim Nachlassgericht
einreicht. Auch sei es sinnvoll, die Beteiligten über den geminderten Beweiswert des
Testaments hinzuweisen, sodass ggf. auch eine Neubeurkundung erwogen werden könne
(Winkler, § 44 Rn. 13).
Ein anderer Lösungsvorschlag sieht vor, dass die Neuheftung der vertauschten Seiten im
Beisein einer Urkundsperson des Nachlassgerichts vorgenommen wird. Diese soll über
den Austausch der Seiten einen Vermerk aufnehmen (Heinemann, § 44 Rn. 16, § 34 Rn. 20).
Diese Auffassung beruft sich darauf, dass die Beteiligten ein eigenes Recht zur Einsichtnahme
hätten und den Notar insoweit hinzuziehen könnten.

4. Stellungnahme
a) Nachträgliche Übersendung des Blattes nebst vollständiger Ausfertigung an das
Nachlassgericht
Unseres Erachtens kann der Notar zumindest die versehentlich nicht zur Urschrift
geheftete Seite dem Nachlassgericht nachträglich noch zur Verwahrung einreichen.
Mit der nachgereichten Seite der Urschrift kann er eine amtliche Feststellung verbinden,
die er als Vermerk i. S. d. §§ 39 ff. BeurkG auch siegeln kann. Dies ist zwar kein Fall
des § 44a Abs. 2 BeurkG. Denn am Inhalt der Urkunde wird nichts nach Abschluss der
Beurkundungsverhandlung geändert, sondern es wird lediglich eine Feststellung über
die versehentlich unterlassene Mitheftung getroffen (bzw. bei Auflösung der ursprünglichen
Heftung und Neuheftung diese nachgeholt, sofern die Urschrift sich noch in der
Verwahrung des Notars befindet). Ein derartiger Vermerk ist aber nach allgemeinen
Grundsätzen der §§ 39 ff. BeurkG möglich. Denn es handelt sich dabei um eine amtliche
Wahrnehmung des Notars, für deren Feststellung ein einfacher Vermerk mit
Siegel genügt. Es dürfte sich empfehlen, den Vermerk möglichst genau zu fassen, um
den nachträglichen Austausch der Seiten plausibel zu erklären und den Beweiswert der
öffentlichen Urkunde zu stärken. Ggf. kann sich auch anbieten, zusätzlich eine beglaubigte
Abschrift der im Notariat noch vorhandenen beglaubigten Abschrift des
Testaments zu fertigen und an das Nachlassgericht zu übersenden.
Außerdem wird der Notar eine nunmehr richtig unter Einschluss der fehlenden Seite
erstellte Ausfertigung einreichen können (Winkler, § 44 Rn. 11). Hiergegen spricht
zwar, dass der Notar nur über eine beglaubigte Abschrift in seiner Urkundensammlung
verfügt und ihm keine Urschrift mehr vorliegt, anhand der er die Ausfertigung erteilen
kann (so Heinemann, § 44 Rn. 16). Allerdings kann der Notar ggf. auch keine vollständige
beglaubigte Abschrift mehr erteilen, wenn auch die beglaubigte Abschrift falsch
ist. Dann käme eine nachträgliche Korrektur nicht mehr in Betracht. Für die Erteilung
einer Ausfertigung genügt es u. E., dass der Notar sicher bestätigen kann, dass die Ausfertigung
mit der Urschrift übereinstimmt (vgl. § 49 Abs. 2 S. 1 BeurkG). Maßgebliche
Niederschrift und Urschrift sind die gemeinsam verlesenen Blätter der Niederschrift.
Dass sie nachträglich vertauscht wurden, ändert am Bestand der Niederschrift nichts (so
auch Winkler, § 44 Rn. 11).
Die Seite der Urschrift kann der Notar u. E. mit dem angesiegelten Vermerk sowie der
neuen vollständigen richtigen Ausfertigung zusammen dem Nachlassgericht zur besonderen
amtlichen Verwahrung nach §§ 34 Abs. 2 BeurkG geben. Bisher hat der Notar
seiner Ablieferungspflicht nämlich noch nicht (vollständig) Genüge getan.
Sinnvollerweise sollte der Notar dabei das Amtsgericht bitten, die ursprünglich übersandte
unvollständige Urschrift und den nachübersandten fehlenden Teil (samt der
berechtigten Ausfertigung) gemeinsam zu verwahren (natürlich beide jeweils in verschlossenem
Umschlag). Ggf. kann der Notar dieses doch etwas ungewöhnliche Vorgehen
auch vorab mit dem zuständigen Nachlassgericht besprechen.
Unseres Erachtens ist dieses Vorgehen auch möglich, wenn es – so wie im vorliegenden
Fall – bereits zur Eröffnung des Testaments gekommen ist.
b) Ersetzung der Urschrift
Eine Ersetzung der Urschrift des Testaments nach § 46 BeurkG dürfte nicht möglich
sein, da sich die Urschrift in der amtlichen Verwahrung des Nachlassgerichts befindet
und der Notar nicht mehr die Kompetenz haben dürfte, die sich im Zuständigkeitsbereich
des Nachlassgerichts befindende Urschrift zu ersetzen.
c) Einsichtnahme beim Nachlassgericht und Vertauschung der Seiten
Der Erblasser hat die Möglichkeit, in das in Verwahrung gegebene Testament Einsicht
zu nehmen und kann hierzu auch einen Dritten bevollmächtigen (Soergel/J. Mayer,
BGB, 13. Aufl. 2003, § 2264 Rn. 12; Keidel/Zimmermann, FamFG, 18. Aufl. 2014,
§ 346 Rn. 20). Die Einsichtnahme gilt nicht als Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung
i. S. v. § 2256 BGB (vgl. Keidel/Zimmermann, a. a. O.). Im vorliegenden Fall ist
der Erblasser jedoch verstorben. Der Notar ist nicht Beteiligter des Eröffnungsverfahrens
i. S. v. § 345 Abs. 3 FamFG und könnte daher nur auf entsprechende Bevollmächtigung
eines Beteiligten hinzugezogen werden.
Ob der Notar nicht nur Einsicht nehmen, sondern auch die beim Nachlassgericht Seiten
des Testaments unter Brechung des Siegels austauschen kann, ist aus unserer Sicht sehr
zweifelhaft. Denn damit würde der Notar in die Körperlichkeit der Urkunde, die sich
in der Verwahrung des Nachlassgerichts befindet, eingreifen. Dies würde aber die
Verwahrung der eingereichten Urkunde berühren und über die Befugnisse des den
Notar bevollmächtigenden Vollmachtgebers hinausgehen. Der Notar ist in seiner Eigenschaft
als öffentlicher Amtsträger nicht mehr dafür zuständig, ein in der amtlichen Verwahrung
des Nachlassgerichts befindliches Dokument in seiner Zusammensetzung zu
beeinträchtigen. Außerdem ist zu beachten, dass der Austausch der Seiten in den Nachlassakten
möglichst vollständig und lückenlos dokumentiert sein sollte. Um den
Beweiswert der Urkunden beurteilen zu können, sollte die beim Nachlassgericht eingereichte
Urschrift mit der vermeintlich falschen Seite bei diesem verbleiben. Es kommt
hinzu, dass die Verfügung mit der falschen Seite im vorliegenden Fall bereits eröffnet
wurde. Das eröffnete Dokument kann aber nicht herausgegeben werden
(Keidel/Zimmermann, § 348 Rn. 73 f.).
Sollte sich das Nachlassgericht auf ein entsprechendes Verfahren einlassen, dürfte dies
jedoch die Wirksamkeit der Urkunde nicht gefährden und auch nicht als Rücknahme aus
der Verwahrung anzusehen sein (Heinemann, § 44 Rn. 16; evtl. anders Winkler, § 44
Rn. 13).
d) Testamentseröffnung
Reicht der Notar nunmehr die richtige Ausfertigung beim Nachlassgericht ein, ist die
Ausfertigung in die einfache amtliche Verwahrung zu nehmen. Die Ausfertigung wird
in die Nachlassakte eingeheftet (Keidel/Zimmermann, § 346 Rn. 4). Nach § 348 Abs. 1
FamFG werden auch Verfügungen eröffnet, die sich in der einfachen amtlichen Verwahrung
des Nachlassgerichts befanden (Keidel/Zimmermann, § 348 Rn. 10). Es
besteht auch die Möglichkeit, eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des
Originals zu eröffnen, wenn das Original nicht mehr beschaffbar ist (Keidel/Zimmermann,
§ 348 Rn. 15).
e) Erbscheinsantrag
Abschließend ist zu klären, wie der Notar im Hinblick auf den Erbscheinsantrag verfahren
sollte. Nach der hier vertretenen Auffassung ist es nicht möglich, dass der Notar die
letzte Seite des Erbscheinsantrags aus dem in amtlicher Verwahrung befindlichen
Testament entfernen kann. Das hat zur Folge, dass die Seite des in der Verwahrung des
Notars befindlichen Erbscheinsantrags fehlt. Unseres Erachtens ist es jedoch möglich,
nach § 46 BeurkG die nicht vollständige Urschrift aufgrund einer beglaubigten
Abschrift zu ersetzen. Die Urschrift ist zwar noch existent, da die letzte Seite des Erbscheinsantrags
noch besteht. Sie befindet sich jedoch dauerhaft in der amtlichen Verwahrung
des Nachlassgerichts und kann nicht mehr in die Urkundensammlung des
Notars gelangen. Für ein Abhandenkommen i. S. v. § 46 BeurkG genügt es jedoch, dass
die Urschrift nicht mehr bei der für die Erteilung der Ausfertigung zuständigen Stelle
verfügbar ist. Demzufolge dürfte im Hinblick auf die beim Notar verwahrte Urschrift
des Erbscheinsantrags ein Fall des § 46 BeurkG vorliegen.

Gutachten/Abruf-Nr:

149145

Erscheinungsdatum:

01.08.2016

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Beurkundungsverfahren
Testamentsform

Normen in Titel:

BeurkG § 44; BeurkG § 34