05. März 2020
BGB § 1018; GBO § 19

Schicksal des Herrschvermerks bei Grundstücksteilung

Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.:                174325
letzte Aktualisierung:        5. März 2020

BGB § 1018; GBO § 19
Schicksal des Herrschvermerks bei Grundstücksteilung

I. Sachverhalt

Zwei Grundstücke sind mit einem Überwegungs- und Leitungsrecht belastet. Zudem besteht zugunsten der Grundstücke eine Grunddienstbarkeit an einem anderen Grundstück. Es sind jeweils Herrschvermerke nach § 9 GBO im Grundbuch eingetragen. Nach Vermessung und Teilung der Grundstücke werden die nicht von dem Überwegungs- und Leitungsrecht betroffenen Grundstücke veräußert. Die Belastung wurde folglich nicht übertragen. Die Herrschvermerke wurden jedoch vom Grundbuchamt übertragen. Die Beantragung diese zu löschen, lehnte das Grundbuch mit der Begründung ab, dass neben dem Löschungsantrag des Grundstückseigentümers die Löschungsbewilligung der im Grundbuch eingetragenen Grundpfandrechtsgläubiger erforderlich sei.

II. Frage

Ist die Rechtsaufassung des Grundbuches insoweit richtig?

III. Zur Rechtslage

1.    Rechtsfolgen der Teilung des herrschenden Grundstückes

a)    Wird bei einer bestehenden Grunddienstbarkeit das herrschende Grundstück geteilt, so besteht gem. § 1025 S. 1 HS. 1 BGB die Grunddienstbarkeit für die einzelnen Teile fort. Nur wenn sie lediglich einem der Teile zum Vorteil gereicht, ist sie für die übrigen Teile erloschen, vgl. § 1025 S. 2 BGB. Anhaltspunkte für eine leidglich partiell fortbestehende Vorteilhaftigkeit lassen sich dem mitgeteilten Sachverhalt nicht entnehmen, sodass wir von einem Fortbestehen für alle Teile ausgehen.

Rechtsfolge dieser Teilung des herrschenden Grundstücks bei einer Grunddienstbarkeit gem. § 1025 BGB ist nach ganz überwiegender, wenngleich bestrittener Ansicht, dass die Grunddienstbarkeit durch die Teilung des Grundstücks nicht in mehrere selbstständige Grunddienstbarkeiten zerlegt wird, sondern als einheitliches Recht bestehen bleibt (BayObLGZ 1965, 267; BayObLG NJW-RR 1990, 1043, 1044; Staudinger/Weber, BGB, Neubearb. 2017, § 1025 Rn. 5; MünchKommBGB/Mohr, 7. Aufl. 2017, § 1025 Rn. 2; Palandt/Herrler, BGB, 78. Aufl. 2019, § 1025 Rn. 1).

Nach der Gegenansicht soll demgegenüber im Falle der Teilung des herrschenden Grundstücks die Grunddienstbarkeit nicht als einheitliches Recht fortbestehen, sondern vielmehr entsprechend der Anzahl der durch die Teilung entstandenen Einzelgrundstücke eine Mehrheit von einzelnen Grunddienstbarkeiten gebildet werden (vgl. BeckOK?BGB/Wegmann/Reischl, Std.: 1.8.2019, § 1025 Rn. 3 a. E.).

b)    Schließt man sich der herrschenden und u. E. nach zutreffenden Ansicht an, so ist weiter fraglich, in welchem Gemeinschaftsverhältnis die Grunddienstbarkeit den jeweiligen Eigentümern der durch die Teilung entstandenen herrschenden Grundstücke zusteht. Im Außenverhältnis sollen deren Eigentümer dabei nach überwiegender Auffassung als Gesamtberechtigte analog §§ 428, 432 BGB einzuordnen sein (sog. modifizierte Gesamtgläubigerschaft, vgl. MünchKommBGB/Mohr, § 1025 Rn. 2 und § 1018 Rn. 23). Die Gegenansicht befürwortet hingegen die uneingeschränkte Annahme eines Gemeinschaftsverhältnisses nach §§ 741 ff. BGB auch gegenüber außenstehenden Dritten (so ausdrücklich BeckOGK-BGB/Kazele, Std.: 1.11.2019, § 1025 Rn. 28).

c)    Was das Innenverhältnis anbelangt, wird zwischen den jeweiligen Eigentümern der herrschenden Grundstücke teilweise die Anwendung des § 745 Abs. 1 BGB mit der Notwendigkeit eines Mehrheitsbeschlusses vertreten (Palandt/Herrler, § 1025 Rn. 1; BeckOGK-BGB/Kazele, § 1025 Rn. 26). Nach anderer Ansicht liegt die analoge Anwendung des § 1024 BGB näher (MünchKommBGB/Mohr, § 1025 Rn. 2; Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl. 2001, § 1025 Rn. 1; Staudinger/Weber, § 1025 Rn. 5 m. w. N.). Explizite Vereinbarungen der Eigentümer der herrschenden Grundstücke untereinander zur Regelung des Nutzungsverhältnisses werden nach allen Ansichten für zulässig erachtet (BeckOGK-BGB/Kazele, § 1025 Rn. 27; MünchKommBGB/Mohr, § 1025 Rn. 2; Staudinger/Weber, § 1025 Rn. 10). Einer Eintragung im Grundbuch bedürfen sie gem. §§ 873, 877 BGB zwingend nur dann, wenn sie auch im Außenverhältnis mit einer Inhaltsänderung des dinglichen Rechts verbunden sein sollen (vgl. MünchKommBGB/Mohr, § 1025 Rn. 2 a. E.; so etwa bei einer Änderung des Nutzungsumfangs oder der Nutzungsart, die nach der Auslegung im Einzelfall nicht mehr von der vorhandenen Eintragung gedeckt ist, ausf. hierzu Staudinger/Weber, § 1025 Rn. 8 und 10).

d)    Eine andere Auslegung der konkret bestellten Grunddienstbarkeit ist nur in engen Grenzen möglich. Denn Grundbucheintragungen sind im Ausgangspunkt nach ihrem strengen Wortlaut auszulegen. Dementsprechend kommt es auch für den Inhalt und den Umfang einer Grunddienstbarkeit nach ständiger Rechtsprechung (BGH NJW 1992, 2886; BGHZ 92, 355) vorrangig auf Wortlaut und Sinn der Grundbucheintragung und der darin in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung an. Es ist der Sinn zu ermitteln, der sich aus der Eintragung und der Eintragungsbewilligung bei objektiver Betrachtungsweise für einen unbefangenen Beobachter als nächstliegende Bedeutung ergibt (BGHZ 37, 149; BGH NJW 1983, 115; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 293). Abzustellen ist also genauer gesagt auf den Horizont eines späteren gutgläubigen Erwerbers des belasteten Grundstücks.

Sofern sich demnach aus der Eintragungsbewilligung nicht ergibt, dass bei einer Teilung des herrschenden Grundstücks nicht die vorstehenden Grundsätze gelten, ist im Ergebnis daher davon auszugehen, dass die Dienstbarkeit den jeweiligen Eigentümern der neu vermessenen Teilgrundstücke als Gesamtberechtigte zusteht. Das Innenverhältnis der Berechtigten untereinander dürfte sich dabei entweder nach § 745 BGB oder § 1024 BGB analog richten, soweit bislang keine vorrangigen Vereinbarungen getroffen worden sind.

2.    Rechtsfolgen für den Herrschvermerk / Löschungsanforderungen

Eine Grunddienstbarkeit wird am belasteten Grundstück (sog. dienendes Grundstück) eingetragen. Gem. § 9 Abs. 1 S. 1 GBO sind Grunddienstbarkeiten auf Antrag auch auf dem Blatt des herrschenden Grundstücks zu vermerken. Gem. § 9 Abs. 1 S. 2 GBO ist antragsberechtigt der Eigentümer des Grundstücks sowie jeder, dessen Zustimmung nach § 876 S. 2 BGB zur Aufhebung des Rechtes erforderlich ist.

Vorliegend besteht – wie eingangs aufgezeigt – die Grunddienstbarkeit zugunsten der veräußerten Teilflächen fort. Der Herrschvermerk wurde somit zu Recht in das Grundbuchblatt der veräußerten Grundstücksflächen mitübernommen. Eine separate Löschung des Herrschvermerks erfordert den formlosen Antrag des Berechtigten des subjektiv-dinglichen Rechts und die Bewilligungen der dinglich Berechtigten am herrschenden Grundstück. Letztere müssen zustimmen, da sie durch die separate Löschung des Herrschvermerks ihre verfahrensrechtliche Mitbeteiligung verlieren (BeckOKGBO/Wilsch, Std.: 1.6.2019, § 9 Rn. 74). Wir halten daher im Ergebnis die Ansicht des Grundbuchamtes für zutreffend.

Gutachten/Abruf-Nr:

17325

Erscheinungsdatum:

05.03.2020

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Grundstücksübergabe, Überlassungsvertrag

Normen in Titel:

BGB § 1018; GBO § 19