03. Januar 2023
GBO § 29

Reform des Betreuungsrechts; Beglaubigung einer transmortalen Vollmacht durch die Betreuungsbehörde; Verwendbarkeit im Grundbuchverfahren

BtBG § 6; BtOG §§ 7, 34; GBO § 29
Reform des Betreuungsrechts; Beglaubigung einer transmortalen Vollmacht durch die Betreuungsbehörde; Verwendbarkeit im Grundbuchverfahren

I. Sachverhalt
Ein im Grundbuch zu vollziehendes Rechtsgeschäft, bei dem ein rechtsgeschäftlich bevollmächtigter Vertreter auftritt, wurde unter Verwendung einer betreuungsbehördlich beglaubigten transmortalen Vollmacht im Jahr 2022 beurkundet. Der Vollmachtgeber verstarb nach der Beurkundung, aber vor Einreichung der Urkunde beim Grundbuchamt. Diese wird aufgrund noch fehlender Vollzugsreife erst im Jahre 2023 erfolgen.

II. Frage
Lässt § 7 Abs. 1 S. 2 BtOG die Wirkung der betreuungsbehördlichen Beglaubigung im Grundbuchverfahren auch dann entfallen, wenn das Rechtsgeschäft unter Verwendung der Vollmacht bereits vor dem 1.1.2023 beurkundet, aber noch nicht vollzogen wurde?

III. Zur Rechtslage
1. Bisherige Rechtslage
Für das Jahr 2022 wurde die Beglaubigungsbefugnis der Betreuungsbehörden noch durch das Betreuungsbehördengesetz geregelt. Nach § 6 Abs. 2 S. 1 BtBG war die Urkundsperson bei der Betreuungsbehörde befugt, Unterschriften oder Handzeichen auf Vorsorgevollmachten oder Betreuungsverfügungen öffentlich zu beglaubigen. Der BGH hatte hierzu mit Beschluss vom 12.11.2020 (DNotZ 2021, 710) entschieden, dass die Beglaubigung von Unterschriften auf Vorsorgevollmachten durch die Urkundsperson bei der Betreuungsbehörde gemäß § 6 Abs. 2 S. 1 BtBG den Anforderungen des § 29 GBO genügt. Die Beglaubigungsbefugnis der Urkundsperson bei der Betreuungsbehörde nach § 6 Abs. 2 S. 1 BtBG erstreckte sich aus Sicht des BGH dabei auch auf Vorsorgevollmachten, die über den Tod hinaus gültig sein sollen (sog. transmortale Vollmachten).

2. Rechtslage nach Inkrafttreten der Betreuungsrechtsreform
Mit Ablauf des 31.12.2022 trat das Betreuungsbehördengesetz außer Kraft. Als Nachfolgeregelung trat ab dem 1.1.2023 im Zusammenhang mit der umfassenden Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts das Betreuungsorganisationsgesetz (BtOG) an seine Stelle. Auch das BtOG spricht der Urkundsperson bei der Betreuungsbehörde die Befugnis zu, Unterschriften oder Handzeichen auf Betreuungsverfügungen und auf Vollmachten, soweit sie von natürlichen Personen erteilt werden, öffentlich zu beglaubigen (§ 7 Abs. 1 S. 1 BtOG).

Nach der Neuregelung des § 7 Abs. 1 S. 2 BtOG endet aber die Wirkung der Beglaubigung bei einer Vollmacht mit dem Tod des Vollmachtgebers (dazu etwa Müller-Engels, DNotZ 2021, 84, 91; Horn, ZEV 2020, 748, 751; Bosch/Siegel, notar 2021, 204, 206 f.; Becker, MittBayNot 2021, 549 ff.). Ab dem 1.1.2023 gilt also grundsätzlich, dass eine von der Betreuungsbehörde beglaubigte transmortale Vollmacht nach dem Tod des Vollmachtgebers wegen § 29 Abs. 1 S. 1 GBO im Grundbuchverkehr nicht mehr verwendet werden kann. Stattdessen sind die Einholung eines formgerechten Erbnachweises und die Beteiligung der Erben oder die Bestellung eines Nachlasspflegers erforderlich, auch wenn die Vollmacht materiell-rechtlich noch wirksam sein sollte. Würde das Grundbuchamt beim Grundbuchvollzug die Neuregelung des § 7 Abs. 1 S. 2 BtOG übersehen und bei einer materiell-rechtlich über den Tod des Vollmachtgebers hinaus wirkenden Vollmacht einen Erwerber trotzdem als neuen Eigentümer im Grundbuch eintragen, so wäre der wegen § 7 Abs. 1 S. 2 BtOG anzunehmende Verstoß gegen § 29 Abs. 1 S. 1 GBO materiell-rechtlich unschädlich. § 29 GBO ist lediglich eine grundbuchrechtliche Ordnungsvorschrift. Seine Verletzung macht die Grundbucheintragung nicht unwirksam, wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Eintragung vorliegen (s. bereits BGH DNotZ 1963, 313; Demharter, GBO, 32. Aufl. 2021 § 29 Rn 2 m. w. N.). Der Erwerber hätte somit wirksam Eigentum erworben. Das Grundbuch wäre richtig.

3. Übergangsproblematik
Fraglich ist nun, wie sich die Neuregelung in § 7 Abs. 1 S. 2 BtOG über das Erlöschen der Beglaubigungswirkung mit dem Tod des Vollmachtgebers für Rechtsgeschäfte auswirkt, die noch im Jahr 2022 aufgrund einer transmortalen, durch die Betreuungsbehörde beglaubigten Vollmacht beurkundet wurden, jedoch erst im Jahre 2023 zum grundbuchamtlichen Vollzug gelangen, wenn der Vollmachtgeber vor Einreichung der Urkunde beim Grundbuchamt bereits verstorben ist.

Bei dem hier unterbreiteten Sachverhalt ist gegenüber der Frage nach dem intertemporalen Geltungsanspruch des § 7 Abs. 1 S. 2 BtOG noch vorgreiflich ein grundbuchverfahrensrechtliches Problem aufgeworfen. Es geht darum, ob es im Fall der Abgabe einer Eintragungsbewilligung durch einen Vertreter ausreichend ist, wenn die Vollmacht zugunsten des Vertreters im Zeitpunkt der Erklärung der Bewilligung bestand oder ob diese noch bei Vorlage der Bewilligung ans Grundbuchamt bestanden haben muss. Dieser Punkt ist streitig. Nach einer Auffassung genügt es, dass die Vollmacht des Vertreters zum Zeitpunkt der Erklärung der Bewilligung bei Beurkundung bestanden hat (Schöner/Stöber, Rn. 3581). Eine Gegenauffassung, die insbesondere vom OLG München (DNotZ 2019, 450, 455; RNotZ 2019, 269, 273) vertreten wird, verlangt demgegenüber den Bestand der Vollmacht noch zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der verfahrensrechtlichen Erklärung. Dieses Wirksamwerden tritt jedenfalls mit Vorlage der Eintragungsbewilligung beim Grundbuchamt ein. Jedoch wird auch aus Sicht des OLG München die Bewilligung dann bereits mit Abschluss der Beurkundung wirksam, wenn gemäß § 51 Abs. 1 BeurkG ein Anspruch auf Erteilung einer Ausfertigung der rechtsgeschäftlichen Urkunde entstanden ist. In diesem Zusammenhang wird man wohl annehmen müssen, dass es genügt, wenn der Veräußerer die Entstehung des Anspruchs gemäß § 51 Abs. 1 BeurkG nicht mehr einseitig verhindern kann, sodass eine Ausfertigungssperre in diesem Zusammenhang unschädlich bleibt (so Gutachten DNotI-Report 2019, 153, 155 f.).

Der eben angedeutete Streitstand zum Fortbestand der Vollmacht, also die weitgehende Unschädlichkeit des Widerrufs einer Vollmacht nach Abschluss der Beurkundung, hat hier erst recht zu gelten, wenn es – wie im unterbreiteten Problemzusammenhang – nicht um den materiell-rechtlichen Fortbestand der Vollmacht bzw. ihr Erlöschen wegen eines Vollmachtswiderrufs geht, sondern „lediglich“ um den Entfall der Beglaubigungswirkung nach § 7 Abs. 1 S. 2 BtOG bei materiell-rechtlichem Fortbestand der Vollmacht.

Allerdings regelt nunmehr auch das BtOG selbst in § 34 die Übergangsproblematik. § 34 BtOG wurde nachträglich durch das Änderungsgesetz zum Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 24.06.2022, BGBl. I 2022, S. 959, in das BtOG eingefügt, nachdem sich in der Literatur bereits vereinzelt Stimmen zur hier besprochenen Frage geäußert hatten (Becker, MittBayNot 2021, 549, 550). § 34 BtOG bestimmt, dass § 7 Abs. 1 S. 2 BtOG nur auf Vollmachten anzuwenden ist, die seit dem 1. Januar 2023 durch die Behörde nach § 7 Abs. 1 S. 1 BtOG öffentlich beglaubigt worden sind. Nach der Gesetzesbegründung (BR-Drucks. 84/22, S. 44) dient diese Regelung der Klarstellung, indem eine möglicherweise aus dem erst während des Gesetzgebungsverfahrens zum Reformgesetz (BGBl. I 2021, S. 873) veröffentlichten Beschluss des BGH v. 12.11.2020 (DNotZ 2021, 710) resultierende Rechtsunsicherheit hinsichtlich Bestandsvollmachten vermieden wird (vgl. dazu auch Schnellenbach/Waßenberg/Heyder, BtPrax 2022, 155, 158).

Aus § 34 BtOG folgt nunmehr, dass es im vorliegenden Fall für die Grundbuchtauglichkeit der verwendeten Vollmacht unerheblich ist, ob der Vollmachtgeber bereits verstorben ist. Da die Vollmacht bei Beurkundung eines Rechtsgeschäfts im Jahr 2022 verwendet wurde, muss sie denklogisch auch vor dem 1.1.2023 von der Betreuungsbehörde beglaubigt worden sein. Damit unterfällt sie nicht der Neuregelung des § 7 BtOG. Wie sich aus der Gesetzesbegründung zu § 34 BtOG ergibt, ist daher für eine vor dem 1.1.2023 gemäß § 6 Abs. 2 S. 1 BtBG a. F. betreuungsbehördlich beglaubigte Vollmacht die Entscheidung des BGH v. 12.11.2020 (V ZB 148/19) maßgeblich, wonach die Vollmacht auch bei Ableben des Vollmachtgebers grundbuchtauglich (§ 29 GBO) bleibt, wenn sie transmortal erteilt worden ist.

4. Ergebnis
Für die Frage, ob eine von der Betreuungsbehörde beglaubigte Vollmacht nach dem Tod des Vollmachtgebers grundbuchtauglich ist, kommt es darauf an, in welchem Zeitraum die Vollmacht beglaubigt wurde. Erfolgte die Beglaubigung noch unter Geltung des § 6 Abs. 2 S. 1 BtBG, so hindert der Tod des Vollmachtgebers nicht die Grundbuchtauglichkeit. Erfolgte die Beglaubigung nach Inkrafttreten von (und gemäß) § 7 Abs. 1 S. 1 BtOG am 1.1.2023, so entfällt die Beglaubigungswirkung und damit auch die Grundbuchtauglichkeit (§ 29 GBO) mit dem Tod des Vollmachtgebers.

Gutachten/Abruf-Nr:

191812

Erscheinungsdatum:

03.01.2023

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Grundbuchrecht

Erschienen in:

DNotI-Report 2023, 4-5

Normen in Titel:

GBO § 29