06. Februar 2023
BGB § 656d

Analoge Anwendung des § 656d Abs. 1 S. 1 BGB bei beiderseitigem Maklervertrag; Abwälzungsklausel; Erfüllungsübernahme

BGB § 656d
Analoge Anwendung des § 656d Abs. 1 S. 1 BGB bei beiderseitigem Maklervertrag; Abwälzungsklausel; Erfüllungsübernahme

I. Sachverhalt
Die Beteiligten wollen in einem Grundstückskaufvertrag eine Abwälzungsklausel aufnehmen, wonach der Käufer für den Verkäufer die Maklergebühr vollständig im Rahmen einer Erfüllungsübernahme übernimmt. Sie sind der Ansicht, dass in diesem Fall § 656d Abs. 1 S. 1 BGB nicht anwendbar sei, da beide Parteien jeweils einen Maklervertrag geschlossen hätten und eine Einschränkung der Abwälzungsmöglichkeit in § 656c BGB gerade nicht geregelt sei.

II. Frage
Ist § 656d Abs. 1 S. 1 BGB auch auf Fälle anzuwenden, in denen beide Parteien den Makler beauftragt haben?

III. Zur Rechtslage
1. Analoge Anwendung des § 656d Abs. 1 S. 1 BGB
Wir setzen zunächst voraus, dass es sich um einen Kaufvertrag über eine Wohnung oder ein Einfamilienhaus i. S. d. § 656d Abs. 1 BGB handelt (zur insofern untechnischen Formulierung des Gesetzgebers vgl. BeckOGK-BGB/Meier, Std.: 1.11.2022, § 656a Rn. 7).

Vom Wortlaut des § 656d Abs. 1 S. 1 BGB wird lediglich der Fall erfasst, dass eine Partei des Kaufvertrags einen Maklervertrag abgeschlossen hat. In diesem Fall soll eine Vereinbarung, die die andere Partei zur Zahlung oder Erstattung von Maklerlohn verpflichtet, nur dann wirksam sein, wenn die Partei, die den Maklervertrag abgeschlossen hat, zur Zahlung des Maklerlohns mindestens in gleicher Höhe verpflichtet bleibt. Da im geschilderten Sachverhalt aber beide Parteien des Kaufvertrags einen Maklervertrag abgeschlossen haben, scheidet eine direkte Anwendung aus.

Es wird jedoch vertreten, dass § 656d Abs. 1 S. 1 BGB zu eng formuliert sei, um die vom Gesetzgeber verfolgten Zwecke zu erfüllen (BeckOGK-BGB/Meier, § 656d Rn. 5; ders., ZfIR 2020, 765, 771; jurisPK-BGB/Würdinger, 9. Aufl. 2020, § 656d Rn. 4). Daher soll die Norm analog anzuwenden sein, wenn beide Seiten mit dem Makler eine Vereinbarung getroffen haben und es um die Abwälzung von Verbindlichkeiten einer Partei aus ihrem Vertrag mit dem Makler geht (Staudinger/Arnold, BGB, 2021, § 656d Rn. 2; BeckOGK-BGB/Meier, § 656d Rn. 5; ders., ZfIR 2020, 765, 771; jurisPK-BGB/Würdinger, § 656d Rn. 4). § 656d Abs. 1 S. 1 BGB (analog) regele insofern das Rechtsverhältnis zwischen den Kaufvertragsparteien und verbiete, dass eine Seite die anfallenden Maklerkosten insgesamt allein tragen soll.

Dieser Auffassung ist u. E. zuzustimmen. Den §§ 656c, 656d BGB ist eine wirtschaftliche Betrachtung zugrunde zu legen. Es widerspräche der gesetzgeberischen Intention (dazu Ziff. 2), wenn im wirtschaftlichen Ergebnis einer der Beteiligten den Maklerlohn allein begleichen müsste, obwohl der Makler nicht ausschließlich für ihn tätig geworden ist (so überzeugend Meier, ZfIR 2020, 765, 771). Der Wortlaut des § 656d Abs. 1 S. 1 BGB ist daher zu eng gefasst und eine analoge Anwendung im hier vorliegenden Sachverhalt geboten.

2. Umfang des Verbots des § 656d Abs. 1 S. 1 BGB
§ 656d Abs. 1 S. 1 BGB verlangt, dass der (bisherige) Vertragspartner des Maklers wenigstens noch über die Hälfte des (gesamten) Maklerlohns verpflichtet bleiben muss. Für den hier vorliegenden Fall der Erfüllungsübernahme verspricht der Übernehmende zwar nur dem Schuldner gegenüber, dessen Gläubiger (hier den Makler) zu befriedigen, sodass dieser keine Rechte aus der Abrede erwirbt und es sich lediglich um einen unechten Vertrag zugunsten Dritter handelt (vgl. MünchKommBGB/Gottwald, 9. Aufl. 2022, § 329 Rn. 1). Der konkrete rechtstechnische Weg spielt für die Anwendbarkeit des § 656d Abs. 1 S. 1 BGB aber keine Rolle. Vielmehr ist eine wirtschaftliche Betrachtung anzustellen (BeckOGK-BGB/Meier, § 656d Rn. 5). So heißt es im Gesetzesentwurf der Bundesregierung (BT-Drucks. 19/15827, S. 20):

„Dies betrifft sowohl Vereinbarungen der Parteien des Kaufvertrages untereinander, aus denen sich ein unmittelbarer oder mittelbarer Anspruch des Maklers ergibt (zum Beispiel Vertrag zugunsten Dritter, Erfüllungsübernahme, Freistellung), als auch Vereinbarungen des Maklers mit der Partei, die nicht sein Vertragspartner ist (zum Beispiel Schuldübernahme). Voraussetzung ist aber in jedem Fall, dass der Vertragspartner des Maklers zur Zahlung einer Provision mindestens in gleicher Höhe verpflichtet bleibt, so dass sich die andere Partei allenfalls zur Begleichung der hälftigen Gesamtkosten verpflichten kann.“
Demnach dürfte die von den Parteien gewünschte Regelung, wonach der Käufer für den Verkäufer den Maklerlohn vollständig im Rahmen einer Erfüllungsübernahme übernehmen soll, nicht zulässig sein und gegen § 656d Abs. 1 S. 1 BGB (analog) verstoßen. Eine (höchst-)richterliche Entscheidung hierzu steht indes – soweit ersichtlich – noch aus.

3. Rechtsfolge des § 656d Abs. 1 S. 1 BGB
§ 656d Abs. 1 S. 1 BGB ist keine dispositive Norm, sondern zwingendes Recht (Meier, ZfIR 2020, 765, 772; Staudinger/Arnold, § 656d Rn. 5). Sofern eine Vereinbarung gegen § 656d BGB verstößt, ist diese nichtig. Ob zur dogmatischen Begründung § 134 BGB heranzuziehen ist (so Meier, ZfIR 2020, 765, 772) oder sich dieses Ergebnis direkt aus § 656d Abs. 1 S. 1 BGB ergibt (so wohl Staudinger/Arnold, § 656d Rn. 5; jurisPK-BGB/Würdinger, § 656d Rn. 4), ist nicht entscheidend.

Umstritten ist, ob die Nichtigkeit zu einer geltungserhaltenden Reduktion führt. Einerseits – und herrschend – wird vertreten, dass die Vereinbarung der Parteien nur insoweit unwirksam ist, als mehr als die Hälfte des (Gesamt-)Maklerlohns übernommen wurde, sodass der Übernehmer gleichwohl die Hälfte der (Gesamt-)Provision wirtschaftlich zu tragen hat (so BeckOGK-BGB/Meier, § 656d Rn. 17; vgl. auch Grüneberg/Retzlaff, BGB, 82. Aufl. 2023, § 656d Rn. 2: Umdeutung in eine Vereinbarung in der maximal zulässigen Höhe). Andererseits wird die gesamte Abwälzungsklausel für unwirksam und eine geltungserhaltende Reduktion nicht für möglich gehalten (so jurisPK-BGB/Würdinger, § 656d Rn. 1; Staudinger/Arnold, § 656d Rn. 5).

Der Kaufvertrag selbst bleibt jedoch wirksam, sofern er nicht ausnahmsweise nach den Grundsätzen des § 139 BGB nichtig ist (dazu BeckOGK-BGB/Meier, § 656d Rn. 17; Grüneberg/Retzlaff, § 656d Rn. 2; vgl. auch Staudinger/Arnold, § 656d Rn. 5; Jauernig/Mansel, 18. Aufl. 2021, BGB § 656d Rn. 3).

4. Ergebnis
Die von den Beteiligten gewünschte Abwälzungsvereinbarung dürfte gegen den analog anzuwendenden § 656d Abs. 1 S. 1 BGB verstoßen. Die Vereinbarung wäre daher zumindest insoweit nichtig, als eine Verpflichtung zur Zahlung von mehr als 50 % des (Gesamt-)Maklerlohns begründet werden soll. Nach strengerer Ansicht wäre sie sogar insgesamt nichtig. Eine (höchst-)richterliche Entscheidung zur analogen Anwendung von § 656d Abs. 1 S. 1 BGB steht indes noch aus.

Gutachten/Abruf-Nr:

194510

Erscheinungsdatum:

06.02.2023

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Maklervertrag

Erschienen in:

DNotI-Report 2023, 17-18

Normen in Titel:

BGB § 656d