16. Mai 2023
WHG § 4

Kein gesetzlicher Eigentumsübergang bei künstlicher Verlegung eines Gewässers

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letzte Aktualisierung: 16. Mai 2023

BayWG Art. 6, 7, 8, 9, 10, 11, 13; WHG § 4
Kein gesetzlicher Eigentumsübergang bei künstlicher Verlegung eines Gewässers

I. Sachverhalt:
Ein Wildbach in Bayern, mit eigener, gebuchter Flurnummer des Gewässerbetts und diese im
Eigentum des A stehend, fließt durch Grundbesitz von B. Der Bach soll künstlich ein neues
Gewässerbett (mit eigener Flurnummer) erhalten im Bereich des Grundbesitzes von A, der dann
auch neuer Eigentümer des Gewässerbetts nach Verlegung sein soll. B soll Eigentümer des bisherigen
Gewässerbetts werden. Ob der Bach in ein Gewässerverzeichnis/das Wildbachverzeichnis
eingetragen ist, ist nicht bekannt. Auf Fragen anschließender Vereinigung/
Verschmelzung kommt es nicht an.

II. Frage
Ändern sich die Eigentumsverhältnisse schon kraft Gesetzes aufgrund der Verlegung, ggf. nachgewiesen
durch amtliche Katasterunterlagen (sodass auch evtl. Berechtigungen und Belastungen
entsprechend „mitgezogen“ würden) oder sind vertragliche Regelungen und Auflassungen
erforderlich?

III. Zur Rechtslage

1. Gewässerbett als selbstständiges Gewässergrundstück

a) Maßgeblich für die privaten Rechtsverhältnisse an den Gewässergrundstücken sind nach
dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG) grundsätzlich die Wassergesetze der Länder (§ 4
Abs. 5 WHG). Unter einem Gewässer wird das im Zusammenhang mit dem natürlichen
Wasserkreislauf fließende oder stehende Wasser einschließlich des Gewässerbetts und
des Grundwasserleiters verstanden (Drost/Ell, Das neue Wasserrecht, 3. Aufl. 2021,
S. 67; Knopp, in: Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG & AbwAG, 57. EL Februar
2022, § 2 WHG Rn. 8 f.). Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass der Anwendungsbereich
des BayWG eröffnet ist, es sich bei dem Wildbach also um ein oberirdisches
(fließendes) Gewässer i. S. d. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WHG i. V. m. § 3 Nr. 1 WHG handelt
und ein Ausschlussgrund nach § 2 Abs. 2 S. 1 WHG i. V. m. Art. 1 Abs. 2 S. 1 BayWG
nicht vorliegt

b) Für den vorliegenden Sachverhalt ist entscheidend, ob der Wildbach ein Anliegergewässer
i. S. d. Art. 6 Abs. 1 BayWG darstellt und dieses damit Bestandteil der Ufergrundstücke
wäre, oder ob es sich um ein selbstständiges Gewässergrundstück i. S. d.
BayWG handelt. Ein selbstständiges Grundstück liegt vor, wenn es sich um ein Grundstück
im Rechtssinne handelt, die Fläche des Gewässerlaufs also als solche auf einem
besonderen Grundbuchblatt gebucht ist oder gebucht werden könnte (OLG München
NJOZ 2015, 95 Rn. 29; Siedler/Zeitler/Schwendner, Bayerisches Wassergesetz, Band I,
34. EL März 2014, Art. 6 Rn. 12; vgl. auch Bauer/Schaub/Waldner, GBO, 4. Aufl. 2018,
§ 2 Rn. 14).

c) Nach dem Sachverhalt hat der Wildbach eine eigene, gebuchte Flurnummer des
Gewässerbetts und ist wohl im Grundbuch verzeichnet. Aufgrund der Buchung im
Grundbuch handelt es sich bei dem Gewässerbett um ein selbstständiges Grundstück im
Rechtssinne. Das Eigentum an diesem Grundstück erstreckt sich jedoch nicht auf das
fließende oberirdische Wasser, welches gemäß § 4 Abs. 2 WHG nicht (mehr) eigentumsfähig
ist (vgl. Schwendner, in: Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG & AbwAG, § 4
WHG Rn. 20; Drost/Ell, S. 344).

2. Irrelevanz der Gewässereinstufung

Ob der Wildbach in ein Gewässerverzeichnis oder das Wildbachverzeichnis (Art. 3 Abs. 1
BayWG) eingetragen wurde, ist nicht bekannt. Die Eintragung hat Konsequenzen hinsichtlich
der Einteilung des Gewässers als solches erster, zweiter oder dritter Ordnung (Art. 2 Abs. 1
BayWG). Die Einstufung eines oberirdischen Gewässers hat jedoch in den wesentlichen
Aspekten keine wasserrechtlichen Differenzierungen zur Folge; insbesondere ändern sich
auch nicht von Gesetzes wegen die Eigentumsverhältnisse (Siedler/Zeitler/Knopp,
Bayerisches Wassergesetz, Band I, 36. EL Februar 2017, Art. 3 Rn. 1). Die Einstufung des
Gewässers wird daher im Folgenden außer Betracht gelassen.

Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass der Freistaat Bayern gemäß Art. 5 BayWG das
Eigentum an Gewässern erster oder zweiter Ordnung nach den Vorschriften des Bayerischen
Gesetzes über die entschädigungspflichtige Enteignung (BayEG) in Anspruch nehmen
könnte, sofern das Eigentum an einem solchen Gewässer einem anderen als dem Bund oder
dem Freistaat Bayern zusteht.

3. Eigentumsverhältnisse bei Verlegung eines Gewässers

Das Gewässerbett steht derzeit im Eigentum des A. Der Erwerb sowie der Verlust des
Eigentums an Gewässergrundstücken richten sich grundsätzlich nach den Vorgaben der
§§ 873 ff. BGB (Drost/Ell, S. 347). Für eine Änderung der Eigentumsverhältnisse kraft
Gesetzes bei einer Verlegung des Wildbachs müsste eine entsprechende gesetzliche Vorschrift
einschlägig sein. Insofern treffen die Art. 6 ff. BayWG (i. V. m. § 4 Abs. 5 WHG) eine
verbindliche Eigentumszuordnung (OLG München NJOZ 2015, 953 Tz. 29).
a) Zunächst kann eine dauernde Überflutung nach Art. 7 BayWG, auch wenn sie künstlich
herbeigeführt wird (Abs. 2), zu einer Änderung der Eigentumsverhältnisse führen.

aa) Wenn an Gewässern, die ein selbstständiges Grundstück bilden, Grundstücke bei
Mittelwasserstand dauernd überflutet werden, wächst kraft Gesetzes das Eigentum
an den überfluteten Flächen den Gewässereigentümern zu. Dadurch werden die
rechtlichen Verhältnisse bei einer dauernden Überflutung an die eingetretenen tatsächlichen
Verhältnisse angepasst (Siedler/Zeitler/Schwendner, Bayerisches
Wassergesetz, Band I, 31. EL August 2010, Art. 7 Rn. 3).

bb) Eine Überflutung im Sinne dieser Norm, die sprachlich mit Überschwemmung
gleichzusetzen ist, erfordert, dass sich das Gewässer auf Grundstücke dauernd ausdehnt,
sich also die Wasserfläche vergrößert (Siedler/Zeitler/Schwendner,
Bayerisches Wassergesetz, Band I, Art. 7 Rn. 8). Insofern spielt es grundsätzlich
keine Rolle, aufgrund welches Vorgangs die Wasserfläche erweitert wird, da Art. 7
Abs. 2 BayWG explizit auch die künstliche Überflutung erfasst. Deshalb liegt eine
Überflutung in diesem Sinne beispielsweise auch vor, wenn unter dem Wasserspiegel
Kiesabbau betrieben wird und sich dadurch die Wasserfläche vergrößert
(Siedler/Zeitler/Schwendner, Bayerisches Wassergesetz, Band I, Art. 7 Rn. 8).

cc) Trotz dieses weiten Begriffs der Überschwemmung liegt eine solche nach unserem
Verständnis bei der Verlegung mittels eines neuen, künstlichen Gewässerbetts nicht
vor. Zwar wäre auch eine künstliche Überflutung erfasst, jedoch soll hier keine einheitliche,
größere Wasserfläche entstehen. Vielmehr sollen klar getrennte rechtliche
und tatsächliche Verhältnisse geschaffen werden, indem B zum Eigentümer des bisherigen
Gewässerbetts und A zum Eigentümer des künstlich neu geschaffenen
Gewässerbetts wird, welches auch nur im Bereich des Grundbesitzes des A liegen
soll. Es erfolgt keine Ausdehnung, sondern eine Auswechslung der Fläche. Damit ist
Art. 7 BayWG nicht einschlägig.

b) Auch eine natürliche Verlandung an fließenden Gewässern durch allmähliches Anlanden
oder durch Zurücktreten des Wassers kann zu einer Änderung der Eigentumsverhältnisse
führen (Art. 8 BayWG; sog. Alluvion, vgl. Holzer, MittBayNot 2020, 112). Eine solche
Verlandung ist hier schon deshalb nicht gegeben, da es an einem natürlichen Vorgang
fehlt.

c) Auch eine Verlandung, die durch künstliche Einwirkungen entstanden ist, kann zu einer
Änderung der Eigentumsverhältnisse führen (Art. 9 BayWG). Gemeint ist hiermit, dass
eine Verlandung auf einem künstlich geschaffenen Ereignis beruht (z.B. Aufstau, Verringerung
der Flussgeschwindigkeit etc.); nicht aber, dass die Verlandung selbst künstlich,
z.B. durch Aufschüttung, vorgenommen wird (vgl. Siedler/Zeitler/Schwendner,
Bayerisches Wassergesetz, Band I, 35. EL Mai 2015, Art. 9 Rn. 4 f.).

aa) Zu einer Verlandung kann einerseits ein Anlanden führen. Dies meint die Ablagerung
von Geschiebe, die Absetzung von Schwebstoffen, die Anspülung von Bestandteilen
anderer Grundstücke oder das „Wachsen“ des Landes aufgrund des
Wachsens und Absterbens von Pflanzen (vgl. Siedler/Zeitler/Schwendner,
Bayerisches Wassergesetz, Band I, 35. EL Mai 2015, Art. 8 Rn. 12). Dies ist hier
jedoch nicht der Fall.

bb) Andererseits kann auch ein Zurücktreten des Wassers zur Verlandung führen. Der
Wildbach soll ein neues Gewässerbett erhalten, sodass das alte Gewässerbett künftig
weniger oder sogar gar kein Wasser mehr führen wird. Dies könnte auf den ersten
Blick den Tatbestand des „Zurücktretens des Wassers“ erfüllen. Jedoch ist Art. 9
BayWG dann nicht einschlägig, wenn es sich um ein Verlassen des Gewässerbetts
handelt – hier ist Art. 13 BayWG als speziellere Vorschrift einschlägig
(Siedler/Zeitler/Schwendner, Bayerisches Wassergesetz, Band I, Art. 9 Rn. 5 i. V. m.
Art. 8 Rn. 13; zu Art. 13 BayWG sogleich unter Ziff. 3. lit. e). Überdies müsste die
Verlandung zu einer dauernden Ausbreitung des Ufers führen, also die Verlandungsfläche
mit dem bisherigen Ufer bei Mittelwasserstand zusammenhängen und sich
hierauf Pflanzenwuchs gebildet haben (Siedler/Zeitler/Schwendner, 35. EL Mai
2015, Bayerisches Wassergesetz, Band I, Art. 8 Rn. 14–16). Hiervon kann auf Basis
des geschilderten Sachverhalts in naher Zukunft wohl nicht ausgegangen werden.
Somit ist auch Art. 9 BayWG nicht einschlägig.

d) Zuletzt kann durch Uferabriss gemäß Art. 11 Abs. 1 BayWG eine Änderung der Eigentumsverhältnisse
hinsichtlich eines abgerissenen Stück Lands eintreten. Dies ist aber bei
dem Sachverhalt nicht der Fall; es fehlt bereits an der erforderlichen Naturgewalt.

e) Das Verlassen des bisherigen Gewässerbettes als besondere Form der möglichen Veränderungen
am Bestand oberirdischer Gewässer hat der bayerische Gesetzgeber speziell in
den Art. 10, 13 BayWG aufgegriffen (Siedler/Zeitler/Schwendner, Bayerisches Wassergesetz,
Band I, 31. EL August 2010, Art. 10 Rn. 4). Art. 10 Abs. 1 BayWG betrifft den
Fall, dass ein Gewässer durch natürliche Ereignisse sein bisheriges Bett verlässt und ist
daher ebenfalls nicht einschlägig. Auch Art. 13 Abs. 1 BayWG, der sachenrechtliche
Folgen für den Fall, dass ein Gewässerbett vom Wasser verlassen wird, normiert bzw.
klarstellt, soll allein auf eine Veränderung durch natürliche Ereignisse anwendbar sein
(Siedler/Zeitler/Schwendner, Bayerisches Wassergesetz, Band I, 31. EL August 2010,
Art. 13 Rn. 3, Rn. 6) und spielt daher ebenfalls keine Rolle.

f) Damit ist keiner der Tatbestände einschlägig, die nach dem BayWG eine Änderung der
Eigentumsverhältnisse kraft Gesetzes bewirken würden. Die künstliche Verlegung des
Gewässerbetts kann demnach keinen gesetzlichen Eigentumsübergang begründen. Die
Art. 4-13 BayWG stellen abschließend diejenigen Vorschriften dar, die in Bayern in Umsetzung
der Möglichkeit des § 4 Abs. 5 WHG erlassen wurden (Schwendner, in:
Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG & AbwAG, § 4 WHG Rn. 69). Zudem liegen den
Art. 7 ff. BayWG jeweils spezifische Wertungen zugrunde, wonach die Eigentumsverhältnisse,
soweit erforderlich, an die natürlichen, nicht aber an absichtlich herbeigeführte
Veränderungen angepasst werden sollen. Dies wird auch dadurch untermauert, dass sich
beim Gewässerausbau (§§ 67 ff. WHG i. V. m. Art. 39 ff. BayWG) die Eigentumsverhältnisse
nicht nach dem BayWG, sondern nur nach dem Bürgerlichen Recht richten
(Siedler/Zeitler/Schwendner, Bayerisches Wassergesetz, Band I, Art. 9 Rn. 4). Zuletzt
bestätigt auch Art. 13 Abs. 1 BayWG dieses Ergebnis, obwohl die Norm nur auf natürliche
Veränderungen anwendbar ist. Selbst wenn ein Gewässerbett aus natürlichen
Gründen vom Wasser verlassen wird, soll nach der Wertung des BayWG das Eigentum
an den hierdurch zutage getretenen Landflächen unverändert bleiben
(Siedler/Zeitler/Schwendner, Art. 13 Rn. 5). Für künstliche und willentlich herbeigeführte
Veränderungen dieser Art kann nichts anderes gelten; es dürfen sich die Eigentumsverhältnisse
erst recht nicht kraft Gesetzes ändern.

4. Ergebnis

a) Die künstliche Verlegung eines Gewässers vermag eine Änderung der Eigentumsverhältnisse
nicht ipso iure zu bewirken. Für den geschilderten Sachverhalt ist keiner der
Tatbestände des BayWG einschlägig, welcher eine Änderung der Eigentumsverhältnisse
kraft Gesetzes begründen könnte. Sollen die Eigentumsverhältnisse verändert werden,
sind daher vertragliche Regelungen und Auflassungen erforderlich.

b) Hinsichtlich der sachenrechtlichen Behandlung des neu entstehenden Gewässerbetts ist
freilich wiederum entscheidend, ob dieses ein Anliegergewässer i. S. des Art. 6 Abs. 1
BayWG und damit Bestandteil des Ufergrundstücks sein oder ob es sich auch bei diesem
um ein selbständiges Gewässergrundstück handeln wird. Dies kann auf Basis des mitgeteilten
Sachverhalts nicht beurteilt werden. Es sei aber darauf hingewiesen, dass es sich
bei der geplanten Verlegung des Wildbachs um einen Gewässerausbau i. S. des § 67
Abs. 2 S. 1 WHG handeln könnte, der ein Planfeststellungsverfahren oder eine Plangenehmigung
erfordern könnte (§ 68 Abs. 1, Abs. 2 WHG).

Gutachten/Abruf-Nr:

194300

Erscheinungsdatum:

16.05.2023

Rechtsbezug

National

Normen in Titel:

WHG § 4