Verpfändung eines Geschäftsanteils; Call-Option als unzulässige Verfallvereinbarung
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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 191798
letzte Aktualisierung: 3. November 2022
BGB §§ 1229, 1149;
Verpfändung eines Geschäftsanteils; Call-Option als unzulässige Verfallvereinbarung
I. Sachverhalt
G1 und G2 wollen eine GmbH gründen. In diesem Zusammenhang soll zwischen G1 und G2
eine notariell beurkundete Gesellschaftervereinbarung geschlossen werden, in der G1 dem G2 für
bestimmte Krisenfälle eine Call-Option an den Geschäftsanteilen des G1 einräumt.
Da G2 dem G1 zur Finanzierung seiner Einlagen und Zuzahlungen ein Darlehen gewährt, soll im
Rahmen der Gesellschaftervereinbarung G1 seine Geschäftsanteile zur Sicherung des Darlehensrückzahlungsanspruchs
an G2 verpfänden.
II. Frage
Ist die Verpfändung der Geschäftsanteile des G1 an G2 im Hinblick auf die zugleich gewährte
Call-Option wegen
III. Zur Rechtslage
1. Allgemeines zur unzulässigen Verfallklausel
Soergel/Habersack, BGB, 13. Aufl. 2001, § 1229 Rn. 2) verbietet eine vor Eintritt der Verkaufsberechtigung
(Pfandreife, vgl.
dem Pfandgläubiger, falls er nicht oder nicht rechtzeitig befriedigt wird, das Eigentum an der
Sache zufallen oder übertragen werden soll (Verfallvereinbarung oder lex commissoria). Die
Norm bezweckt den Schutz des Verpfänders, insbesondere desjenigen, der auch persönlich
schuldet; er soll nicht schon vor Eintritt der Pfandreife und damit zu einem Zeitpunkt, zu
dem er von seiner Leistungsfähigkeit ausgeht, auf die Durchführung des gesetzlich geregelten
Verwertungsverfahrens verzichten (MünchKommBGB/Damrau, 8. Aufl. 2020, § 1229
Rn. 1). Als unzulässige Vereinbarung wird sowohl die bedingte Eigentumsübertragung als
auch die Verpflichtung zur Eigentumsübertragung angesehen, wobei nichtig nicht nur die vor
Pfandreife eingegangene schuldrechtliche Verpflichtung ist, sondern auch die aufgrund der
Verpflichtung nach Pfandreife erfolgende Eigentumsübertragung (BeckOK-BGB/Schärtl,
Std.: 1.5.2022, § 1229 Rn. 2; MünchKommBGB/Damrau, § 1229 Rn. 2; zum GmbHGeschäftsanteil
Reymann,
Bestimmung eines „Verfallpreises“, selbst wenn er den Wert der Pfandsache übersteigt,
ändert an der Nichtigkeit der Verfallklausel nichts (
MünchKommBGB/Damrau, § 1229 Rn. 3).
Zulässig soll hingegen ein Erwerbsrecht sein, das nicht an die Bedingung der
Nichtbefriedigung des Pfandgläubigers anknüpft, sondern unabhängig davon vereinbart
ist. Dies entspricht wohl der allgemeinen Ansicht zu
§ 1229 Rn. 2; Staudinger/Wiegand, BGB, 2019, § 1229 Rn. 6; MünchKommBGB/Damrau,
§ 1229 Rn. 5; jurisPK-BGB/Protz, 9. Aufl. 2020, § 1229 Rn. 5) und ist vom Reichsgericht zu
§ 1229 bzw. zu
Kontext) mehrmals entschieden worden (RG JW 1935, 2886;
101, 105; Warneyer 1926, Nr. 153, S. 226). So hatte das Reichsgericht (Warneyer 1926, Nr.
153, S. 226) etwa über folgende Vereinbarung zu befinden, der eine Verpfändung von 398
Büchern gegen ein Darlehen in Höhe von 100.000.– M zugrunde lag:
„Das Darlehen ist fällig am 1. Oktober 1923, jedoch steht es Ihnen
… alsdann frei, mir weitere 50.000 M zu zahlen, worauf die Bücher
in Ihren Besitz gelangen, d. h. Sie können von mir Rückzahlung
des Darlehens gegen Rückgabe der Bücher fordern oder verzichten
auf Rückzahlung des Darlehens und die Bücher gehen gegen eine
weitere Zahlung von 50.000 M an Sie über.“
Das Reichsgericht (Warneyer 1926, Nr. 153, S. 227) führte dazu aus (Hervorhebung durch
das DNotI):
„Die Vereinbarung der kaufweisen Übertragung der Bücher ist
nicht für den Fall getroffen, dass der Beklagte ‚nicht oder nicht
rechtzeitig befriedigt‘ werde. Vielmehr sollte der Beklagte am
1. Oktober 1923 wählen können, ob er die Rückzahlung des Darlehens
annehmen und das Pfand herausgeben oder das Eigentum
daran durch Kauf erwerben wollte. Danach durfte, auch wenn der
Kläger die Rückerstattung des Darlehens anbot, der Beklagte sich
für den Kauf entscheiden. Es fehlt mithin die Bedingung der
Nichtzahlung, welche erst die eigentümliche Gefahr des Verfallvertrags
schafft … Der Kläger hat von vornherein, für den
Fall der Rückerstattung wie der Nichtrückerstattung des Darlehens,
dem Beklagten den Erwerb durch Kauf freigestellt. Gab er
auf diese Weise die Bücher weg, so ist er durch
geschützt.“
Anschaulich ist in diesem Zusammenhang auch die Formulierung von Förster (BeckOGKBGB,
Std.: 1.10.2022, § 1229 Rn. 6), die den Wortlaut der ähnlich konzipierten Norm des
Verwertungs statt erzwungene Eigentumsübergang der Sache nicht der Befriedigung des Pfandgläubigers,
sondern einem anderen Zweck dient“.
2. Vorliegender Fall
Nach dem oben gegebenen Maßstab dürfte sich die Zulässigkeit der Call-Option grundsätzlich
klar feststellen lassen. Hinter einer Call-Option verbirgt sich regelmäßig die Möglichkeit
des Optionsberechtigten, als Erwerber/Käufer einen aufschiebend bedingt geschlossenen
Erwerbsvertrag in bestimmten Fällen durch einseitige Erklärung zustande zu bringen, nicht
selten auch ein langfristiges Angebot des Optionsverpflichteten auf Veräußerung des fraglichen
Gegenstands, das der Optionsberechtigte (als Erwerber) in bestimmten Fällen annehmen
kann (s. allg. zum Optionsrecht: Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Aufl. 2022, Vor
§ 145 Rn. 23; Ebbing, in: Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl. 2017,
§ 15 Rn. 75 f.; Scholz/Seibt, GmbHG, 13. Aufl. 2022, § 15 Rn. 55; zur Call-Option
MünchKommBGB/Busche, 9. Aufl. 2021, Vor § 145 Rn. 71; MünchKommGmbHG/
Weller/Reichert, 4. Aufl. 2022, § 15 Rn. 96). Im Ausgangspunkt können solche Gestaltungen
unzulässige Verfallabreden enthalten (vgl. zu Verkaufsangeboten BeckOGK-BGB/Volmer,
Std.: 1.8.2022, § 1149 Rn. 9). Allerdings käme es darauf an, ob gerade die
Nichtbefriedigung des Pfandgläubigers wegen der Darlehenszahlung das Optionsrecht
auslöst, ob also diese Nichtbefriedigung zu den im Sachverhalt so bezeichneten
„Krisenfällen“ gehört. Zählt dieser Tatbestand nicht dazu, dann sollte das Optionsrecht nicht
wegen
in derselben Gesellschaftervereinbarung geregelt ist, ändert daran wohl nichts.
Soweit das Reichgericht formuliert, dass die zulässige Vereinbarung im Unterschied zur
schädlichen Verfallabrede unabhängig von der Bedingung der Nichtbefriedigung und „ohne
einen Schwebezustand“ getroffen werde (s. etwa JW 1935, 2886;
sich daraus keine weitere Einschränkung entnehmen lassen. Dass auch die Optionsvereinbarung
einen Schwebezustand herbeiführt, ändert wertungsmäßig an der Zulässigkeit
nichts, denn dieser Zustand folgt aus ebendieser selbständigen Vereinbarung.
191798
Erscheinungsdatum:03.11.2022
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:
Dienstbarkeiten und Nießbrauch
GmbH
BGB § 1149; GmbHG § 15; BGB § 1229