07. April 2020
BGB § 1964; ZPO § 727

Erbvermutung für den Fiskus durch gerichtliche Feststellung; Anforderungen an den Nachweis bei begehrter Klauselumschreibung aufgrund behaupteter Rechtsnachfolge auf Schuldnerseite

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 176124
letzte Aktualisierung: 7. April 2020

ZPO § 727; BGB § 1964
Erbvermutung für den Fiskus durch gerichtliche Feststellung; Anforderungen an den
Nachweis bei begehrter Klauselumschreibung aufgrund behaupteter Rechtsnachfolge
auf Schuldnerseite

I. Sachverhalt

Ein Grundschuldgläubiger hat beim Notar die Umschreibung der Vollstreckungsklausel zu einer
Grundschuldbestellungsurkunde in dinglicher Hinsicht auf Schuldnerseite beantragt. Der
Schuldner (und Eigentümer des Pfandgrundbesitzes) ist verstorben und alle gewillkürten und
auch nahezu alle bekannten gesetzlichen Erben haben die Erbschaft nach ihm ausgeschlagen.

Das zuständige Nachlassgericht hat daher einen Beschluss gem. § 1964 BGB erlassen, welchen
der Grundschuldgläubiger (in beglaubigter Abschrift) als Erb- und Rechtsnachfolgenachweis auf
Schuldnerseite vorgelegt hat.

Es ist davon auszugehen, dass ein Erbschein bisher weder beantragt noch erteilt ist. Die Grundbuchberichtigung
durch Eintragung des im Beschluss genannten Bundeslandes als Eigentümer
des Pfandgrundbesitzes steht noch aus.

II. Frage

Genügt im Rahmen der Umschreibung einer Vollstreckungsklausel anlässlich der Prüfung der
Rechtsnachfolge durch den Notar die Vorlage eines Beschlusses des Nachlassgerichts, wonach
gem. § 1964 BGB festgestellt wird, dass ein anderer Erbe als der Fiskus nicht vorhanden ist,
oder reichen diese Feststellung und die Vermutung nach der genannten Vorschrift nicht aus, um
die Rechtsnachfolge nachzuweisen oder ist vom Notar die Vorlage eines Erbscheins zu verlangen?

III. Zur Rechtslage

1. § 727 ZPO – Allgemeine Anforderungen

Gem. § 797 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 727 ZPO ist eine vollstreckbare Ausfertigung gegen den
Rechtsnachfolger des Schuldners durch den Notar zu erteilen, sofern die Rechtsnachfolge
offenkundig oder durch öffentliche oder öffentlich-beglaubigte Urkunde nachgewiesen
wird.

Auch im Falle einer Umschreibung einer Vollstreckungsklausel gegen den Fiskus als Erben
gelten keine Sondervorschriften, sodass eine Umschreibung dann möglich ist, wenn die Voraussetzungen
des § 727 ZPO erfüllt sind; §§ 882a, 780 ZPO finden im Klauselerteilungsverfahren
keine Anwendung (vgl. zur weitergehenden Erläuterung DNotI-Abrufgutachten
Nr. 174751).

2. Wirkung der gerichtlichen Feststellung gem. § 1964 Abs. 1 BGB – Nachweis der
Rechtsnachfolge

Die Feststellung nach § 1964 BGB ist als gerichtlicher Beschluss eine öffentliche Urkunde
(BeckOK-ZPO/Ulrici, 35. Ed. 1.1.2020, § 726 Rn. 15). Fraglich ist jedoch, ob durch diese
Urkunde die Rechtsnachfolge auf Schuldnerseite, mithin nachgewiesen werden kann, dass
der Fiskus Erbe geworden ist.

Wird durch das Nachlassgericht gem. § 1964 Abs. 1 BGB festgestellt, dass ein anderer Erbe
als der Fiskus nicht vorhanden ist, da ein Erbe nicht innerhalb einer den Umständen entsprechenden
Frist ermittelt werden konnte, wird gem. § 1964 Abs. 2 BGB die Vermutung
bergründet, dass der Fiskus der gesetzliche Erbe sei. Bereits aus dem Wortlaut ergibt sich,
dass dieser Beschluss keine rechtsbegründende Wirkung dahingehend entfaltet, dass der
Fiskus tatsächlich der gesetzliche Erbe und Rechtsnachfolger des Erblassers ist. Vielmehr ist
der Gegenbeweis möglich, § 292 ZPO.

Gleichwohl umfasst die Vermutungswirkung nach § 1964 Abs. 2 BGB – trotz des negativen
Inhalts des Feststellungsbeschlusses – nach h. M. die Vermutung der Richtigkeit des
Fiskuserbrechts vergleichbar mit §§ 891, 2365 BGB (BeckOGK-BGB/Heinemann,
Std.: 1.7.2019, § 1964 Rn. 72; OLG Frankfurt a. M. BeckRS 1983, 01857 m. w. N.;
Staudinger/Mešina, BGB, 2017, § 1964, Rn. 14 m. w. N.)

Das Grundbuchverfahren betreffend ist trotz dieser weitgehend anerkannten Reichweite
der Vermutungswirkung umstritten, ob der Feststellungsbeschluss nach § 1964 BGB die
Vorlage eines Erbscheins im Grundbuchverfahren entbehrlich macht. Die h. M. geht davon
aus, dass der Nachweis der Erbenstellung des Fiskus allein durch den feststellenden Gerichtsbeschluss
nicht geführt werden kann, sondern dies nur durch Erbschein möglich ist
(BeckOK BGB/Siegmann/Höger, 52. Ed. 1.11.2019, § 1964 Rn. 2; BayObLG NJWRR
1994, 914 (II., 2. Lit. b); BayObLG NJW-RR 1989, 585; OLG Frankfurt a. M.
BeckRS 1983, 01857; BeckOGK-BGB/Heinemann, § 1964 Rn. 75; Staudinger/Mešina,
§ 1964, Rn. 14). Anknüpfungspunkt für diese Annahme ist jedoch die Sondervorschrift
gem. § 35 GBO, die grundsätzlich die Vorlage des Erbscheins fordert und dies nur in den
konkret geregelten Fällen für entbehrlich erachtet.

Es stellt sich allerdings die Frage, ob diese Auffassung auf das Klauselerteilungsverfahren
übertragbar ist. Andere Registerverfahren betreffend wird nämlich davon ausgegangen, dass
der feststellende Gerichtsbeschluss gem. § 1964 BGB die Vorlage eines Erbscheins entbehrlich
macht, da es an einer mit § 35 GBO vergleichbaren Regelung fehle und der feststellende
Gerichtsbeschluss auch die Vermutung für die Richtigkeit der Erbenstellung des
Fiskus umfasse (BeckOGK-BGB/Heinemann, § 1964 Rn. 76).

Da es auch im Verfahren zur Erteilung einer qualifizierten Klausel gegen den Rechtsnachfolger
an einer mit § 35 GBO vergleichbaren Regelung fehlt, die Rechtsnachfolge vielmehr
nur allgemein durch öffentliche oder öffentlich-beglaubigte Urkunde nachzuweisen ist
und aufgrund der Vermutungswirkung des feststellenden Gerichtsbeschlusses für die
Richtigkeit der Erbenstellung des Fiskus, erscheint es sachgerecht, den Beschluss nach
§ 1964 BGB als tauglichen Nachweis der Rechtsnachfolge auf Schuldnerseite genügen zu
lassen (so auch Volmer, in: Würzburger Notarhandbuch, 5. Aufl. 2018, Teil 1 Kap. 3,
Rn. 99; Wolfsteiner, Die vollstreckbare Urkunde, 4. Aufl. 2019, Rn 46.29). Die Vorlage
eines Erbscheins könnte dann nicht gefordert werden. Da diese konkrete Frage durch die
Rechtsprechung bisher nicht unmittelbar behandelt worden ist, muss die Rechtslage zwar
als ungeklärt bezeichnet werden. Wir neigen jedoch dazu, dass der Gerichtsbeschluss eine
taugliche Grundlage für die Klauselumschreibung darstellt.

Gutachten/Abruf-Nr:

176124

Erscheinungsdatum:

07.04.2020

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft

Normen in Titel:

BGB § 1964; ZPO § 727