03. Januar 2023
BGB § 1854; BGB § 167

Vorsorgevollmacht; Schenkungen des Bevollmächtigten in dem einem Betreuer gestatteten Rahmen; Reform des Betreuungsrechts

BGB §§ 167, 1854 Nr. 8
Vorsorgevollmacht; Schenkungen des Bevollmächtigten in dem einem Betreuer gestatteten Rahmen; Reform des Betreuungsrechts

I. Sachverhalt
Herr A hat seiner Tochter T eine Vorsorgevollmacht nach dem Muster des Bundesjustizministeriums erteilt. Seine Unterschrift wurde notariell beglaubigt. In dem Muster heißt es: „Sie darf mein Vermögen verwalten und hierbei alle Rechtshandlungen und Rechtsgeschäfte im In- und Ausland vornehmen, […] namentlich […] Schenkungen in dem Rahmen vornehmen, der einem Betreuer rechtlich gestattet ist.“

Inzwischen ist Herr A geschäftsunfähig. T möchte nun ein Baugrundstück des A, das einen Verkehrswert von ca. 80.000,00 € hat, dem Nachbarssohn, zu dem A ein gutes Verhältnis hat, schenken. Da die Vollmacht aber Schenkungen nur in dem Umfang erlaubt, in dem diese einem Betreuer gestattet sind, meint T – jedenfalls bis zum 31.12.2022 – wegen §§ 1908i, 1804 BGB a. F. (die dort geregelten Ausnahmen dürften nicht gegeben sein) – an der Vornahme einer Schenkung gehindert zu sein. T hat sich daher entschlossen, die Schenkung nach dem 31.12.2022 vorzunehmen. Sie begründet dies damit, dass die zum 1.1.2023 in Kraft getretene Reform des Betreuungsrechtes einem Betreuer Schenkungen grundsätzlich ermögliche (vgl. § 1854 Nr. 8 BGB), sodass die Formulierung in der Vorsorgevollmacht ihr nun die Schenkung gestatte. Denn Schenkungen seien nun nicht mehr weitgehend verboten, sondern vielmehr möglich, wenn auch verbunden mit einem weitreichenden Genehmigungsvorbehalt Der Notar hat Bedenken, ob es sich bei der Bezugnahme auf das Betreuungsrecht in der Vorsorgevollmacht um eine dynamische Verweisung handelt.

II. Frage
Führt die Formulierung in einer vor dem 31.12.2022 erteilten Vorsorgevollmacht, dass dem Bevollmächtigten Schenkungen in dem Rahmen erlaubt sind, wie es einem Betreuer rechtlich gestattet ist, dazu, dass der Bevollmächtigte (im Außenverhältnis) ab dem 1.1.2023 Schenkungen vornehmen kann?

III. Zur Rechtslage
1. Aktueller Stand der Diskussion
Zu der aufgeworfenen Frage, ob die Formulierung in der bis zum 31.12.2022 erteilten Vorsorgevollmacht als statische Verweisung auf die Schenkungskompetenz des Betreuers nach der vormals geltenden Rechtslage (§§ 1908i Abs. 2 S. 1, 1804 BGB a. F.) oder im Falle der Verwendung der Vollmacht ab dem 1.1.2023 als dynamische Verweisung auf die aktuell geltende Rechtslage (betreuungsgerichtlicher Genehmigungsvorbehalt nach § 1854 Nr. 8 BGB n. F.) zu verstehen ist, gibt es bislang noch keine Rechtsprechung, so dass die Rechtslage derzeit unsicher ist.

In der bislang erschienenen Literatur wird hierzu kontrovers Stellung genommen. Nach Grziwotz (ZRP 2020, 248, 250) liegt es nahe, dass § 1908i Abs. 2 S. 1 BGB a. F. weiterhin den Umfang der Vorsorgevollmacht einschränken solle, also die neue Erweiterung der Schenkungsmöglichkeiten nicht für vor dem 1.1.2023 erteilte Vorsorgevollmachten, die einen entsprechenden Verweis enthalten, gelte. Für eine solche Auslegung lässt sich anführen, dass der Vollmachtgeber mit der verwendeten Klausel die Vorsorgevollmacht an die Grenzen knüpfen wollte, die zum Zeitpunkt der Erteilung der Vollmacht und damit bei Abgabe der Willenserklärung für den Betreuer galten. Dies gilt erst recht dann, wenn es sich um eine notariell beurkundete Vollmacht handelt und dem Vollmachtgeber nach § 17 Abs. 1 BeurkG der rechtliche Gehalt seiner Klausel dahin gehend erläutert worden ist. In diesem Fall liegt die Annahme fern, dass nach dem Willen des Vollmachtgebers eine spätere Änderung der für Betreuer geltenden gesetzlichen Regeln Einfluss auf die Reichweite der von ihm erteilten Vollmacht nehmen sollte.

Demgegenüber vertritt u. a. Müller-Engels (DNotZ 2021, 84, 87; ErbR 2022, 666, 668), dass mit dieser in Vorsorgevollmachten z. T. verwendeten Formulierung regelmäßig eine dynamische Verweisung ausgesprochen worden sei, so dass bei Verwendung ab dem 1.1.2023 die aktuelle Rechtslage und damit § 1854 Nr. 8 BGB n. F. gelte. Für die Annahme einer dynamischen Verweisung spricht, dass es dem Vollmachtgeber in der Regel bei der Verwendung der einschränkenden Klausel (diese geht wohl auf Bühler, FamRZ 2001, 1585, 1597 zurück) darum gegangen sein dürfte, dem Bevollmächtigten keine uneingeschränkten Befugnisse einzuräumen, sondern die Schenkungsbefugnisse sachgemäß zu begrenzen. Die sachgemäße Begrenzung wurde jedoch nicht eigenständig formuliert, sondern hierfür auf das gesetzliche Regelungsmodell des gesetzlichen Vertreters (Betreuers) verwiesen, wohl wissend oder zumindest in Kauf nehmend, dass die gesetzlichen Regelungen – wie in diesem Bereich häufig – künftig auch geändert werden könnten. Der Vollmachtgeber hat sein Vertrauen damit nicht in die aktuelle gesetzliche Regelung, sondern in das gesetzliche Regelungsmodell des Betreuers schlechthin gelegt, so dass die Verweisung auch etwaige Änderungen der Schenkungsmöglichkeiten des Betreuers mit umfasst. Dieser Ansicht folgend dürfte daher regelmäßig die Annahme einer dynamischen Verweisung nahe liegend sein, sofern im Einzelfall keine Anhaltspunkte für einen davon abweichenden Willen des Vollmachtgebers bestehen. Die Rechtslage muss aber als offen bezeichnet werden.

2. Rechtslage bei Annahme einer statischen bzw. dynamischen Verweisung
Die Annahme einer statischen Verweisung würde dazu führen, dass sich die Schenkungsbefugnisse des Bevollmächtigten auch nach dem 1.1.2023 nach den §§ 1908i, 1804 BGB a. F. richten würden. Da die Schenkungsmöglichkeiten des Betreuers im Rahmen der Betreuungsrechtsreform 2023 erheblich erweitert worden sind (vgl. oben I), hätte dies zur Konsequenz, dass der Bevollmächtigte schlechter stünde als ein (aktueller) Betreuer. Schenkungen wären – wie bislang – nur in einem sehr engen Rahmen (Anstands-, Pflicht- und Gelegenheitsschenkungen) zulässig.

Nimmt man eine dynamische Verweisung an, so stellt sich weiter die Frage nach den konkreten Rechtsfolgen. Nach § 1854 Nr. 8 BGB ist die Genehmigung des Betreuungsgerichts zu einer Schenkung oder unentgeltlichen Zuwendung des Betreuers erforderlich, es sei denn, diese ist nach den Lebensverhältnissen des Betreuten angemessen oder als Gelegenheitsgeschenk üblich. Damit wurden die bisherigen, sehr engen materiellen Kriterien für die Zulässigkeit einer Schenkung in §§ 1908i Abs. 2 S. 1, 1804 a. F. zugunsten einer gerichtlichen Genehmigungsmöglichkeit weitgehend beseitigt. Durch eine privatautonome Regelung kann aber kein Erfordernis einer gerichtlichen Genehmigung begründet werden. Deshalb dürfte die Annahme einer Genehmigungsmöglichkeit für Schenkungen des Bevollmächtigten ausscheiden. Mit der erfolgten Verweisung auf die Kompetenzen eines Betreuers bestünde damit die Gefahr, dass der Schenkungsrahmen durch die neue Regelung für Bevollmächtigte nicht nur nicht erweitert, sondern im Gegenteil sogar eingeschränkt würde (Müller-Engels, DNotZ 2021, 84, 87 f.). Der Bevollmächtigte dürfte dann nur solche Schenkungen vornehmen, die auch nach neuem Recht genehmigungsfrei zulässig sind und stünde damit letztlich schlechter als ein Betreuer (nach aktuellem Recht).

Um dieses Ergebnis bei Zugrundelegung einer dynamischen Verweisung zu vermeiden, dürfte es naheliegen, auf die (gedachte) Genehmigungsfähigkeit der Schenkung abzustellen. Der Bevollmächtigte soll Schenkungen vornehmen können, wenn das Betreuungsgericht die identische Schenkung durch einen Betreuer genehmigen würde. Da die (gedachte) Genehmigung durch das Betreuungsgericht die Wirksamkeit der Schenkung im Außenverhältnis betrifft, dürfte die (gedachte) Genehmigungsfähigkeit auch die Vertretungsmacht des Bevollmächtigten im Außenverhältnis betreffen.

Zur betreuungsgerichtlichen Genehmigungsfähigkeit einer Schenkung durch den Betreuer führt die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 19/24445, S. 290 f.; Hervorhebungen durch das DNotI) Folgendes aus:

„Der Genehmigungsmaßstab für das Betreuungsgericht folgt aus § 1862 Abs. 2 in Verbindung mit § 1821 Abs. 2 bis 4 BGB. (…) Maßgebliches Kriterium für die Zulässigkeit einer in Vertretung durch den Betreuer gemachten Schenkung ist damit der Wunsch oder der mutmaßliche Wille des Betreuten. Gemäß § 1821 Abs. 2 BGB hat der Betreuer die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, dass dieser im Rahmen seiner Möglichkeiten sein Leben nach seinen Wünschen gestalten kann. Hierzu hat der Betreuer die Wünsche des Betreuten festzustellen, diesen grundsätzlich zu entsprechen und den Betreuten bei deren Umsetzung rechtlich zu unterstützen. Die Wünsche des Betreuten finden ihre Grenze, wenn hierdurch die Person des Betreuten oder dessen Vermögen erheblich gefährdet würde und der Betreute diese Gefahr auf Grund seiner Erkrankung oder Behinderung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann oder die Wunschbefolgung dem Betreuer nicht zuzumuten ist (§ 1821 Abs. 3 BGB). Der Wunsch des Betreuten ist daher beachtlich, sofern nicht höherrangige Rechtsgüter des Betreuten gefährdet sind oder seine gesamte Lebens- und Versorgungssituation erheblich verschlechtert wird und der Betreute diese Gefährdung aufgrund seiner Erkrankung nicht erkennen kann. Der Betreute kann danach grundsätzlich auch wirtschaftlich unvernünftige Entscheidungen treffen. Selbst wenn also durch die Erfüllung der Wünsche des Betreuten dessen Vermögen erheblich geschmälert wird, ist der Wunsch in diesem Fall zunächst zu respektieren. Wünsche des Betreuten sind auch dann maßgeblich, wenn sie zu einem früheren Zeitpunkt geäußert worden sind, und gelten auch bei fortschreitendem geistigen Verfall als fortdauernd. Liegt ein auf die konkrete Situation feststellbarer Wunsch des Betreuten nicht vor, so ist sein mutmaßlicher Wille zur Prüfung heranzuziehen, ob die Schenkung vorgenommen werden kann. Damit können auch Schenkungen gemacht werden, die einer sittlichen Pflicht oder Anstandspflichten entsprechen und nicht auf einen konkreten aktuell geäußerten Wunsch des Betreuten zurückgehen. Schenkungen durch den Betreuer, die nach den Lebensverhältnissen des Betreuten als Gelegenheitsgeschenk üblich sind, sind auch künftig zulässig. Sie werden vom Genehmigungsvorbehalt ausgenommen.“

Die Kriterien für die betreuungsgerichtliche Genehmigungsfähigkeit einer in Vertretung des Betreuten gemachten Schenkung erscheinen damit nicht eben als präzise – möglicherweise noch weniger als diejenigen für die ausnahmsweise Zulässigkeit einer Schenkung durch den Betreuer nach der bis zum 31.12.2022 geltenden Rechtslage. Die Annahme einer im Außenverhältnis unbeschränkten Schenkungskompetenz des Bevollmächtigten aufgrund der im Sachverhalt wiedergegebenen Formulierung scheint aber von deren Wortlaut her kaum vertretbar. Schließlich würde die Verschiebung der Problematik auf das reine Innenverhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem auch dem allgemein für Vollmachten geltenden Auslegungsgrundsatz widersprechen, wonach der geringere Umfang der Vollmacht anzunehmen ist, wenn sich der größere nicht nachweisen lässt (BayObLG Rpfleger 1996, 332; KG FGPrax 2018, 98; allg. Überblick: Meikel/Hertel, GBO, 12. Aufl. 2021, § 29 Rn. 66 ff.).

3. Ergebnis
Es spricht einiges dafür, dass die wiedergegebene Formulierung regelmäßig als dynamische Verweisung zu verstehen ist. Die unscharfen Kriterien für die betreuungsgerichtliche Genehmigungsfähigkeit einer Schenkung nach § 1854 Nr. 8 BGB n. F. dürften als außenwirksame Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorsorgebevollmächtigten aufzufassen sein. Dass die Schenkung eines Baugrundstücks mit einem Verkehrswert von ca. 80.000,00 € bei diesem Verständnis (außenwirksam) in dem Rahmen läge, „der einem Betreuer rechtlich gestattet ist“, wird man nicht ohne Weiteres annehmen können. Der mitgeteilte Sachverhalt lässt allerdings offen, ob und inwieweit die Schenkung überhaupt den Wünschen oder dem mutmaßlichen Willen des Vollmachtgebers entspricht. Dies wäre hinsichtlich der Genehmigungsfähigkeit – und damit auch der Handlungskompetenz des Bevollmächtigten – wesentlich.

Zudem ist zu betonen, dass die Frage nach der Qualität des Verweises (statisch/dynamisch) derzeit ungeklärt und hierfür eine einzelfallbezogene Prüfung erforderlich ist. Bei unsicherer Rechtslage könnte es sich ab dem 1.1.2023 empfehlen, vorsorglich einen Betreuer bestellen zu lassen, der für den Vollmachtgeber handeln und die nach § 1854 Nr. 8 BGB n. F. erforderliche Genehmigung einholen kann, sofern dies aussichtsreich erscheint.

Gutachten/Abruf-Nr:

195107

Erscheinungsdatum:

03.01.2023

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)

Erschienen in:

DNotI-Report 2023, 1-3

Normen in Titel:

BGB § 1854; BGB § 167