10. Januar 2022
EGBGB Art. 22; FamFG § 108; EUErbVO Art. 21

Frankreich: Anerkennung einer in Frankreich auszusprechenden einfachen Adoption in Deutschland; erbrechtliche Folgewirkungen

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 186021
letzte Aktualisierung: 10. Januar 2022

EuErbVO Art. 21; EGBGB Art. 22; FamFG § 108
Frankreich: Anerkennung einer in Frankreich auszusprechenden einfachen Adoption in
Deutschland; erbrechtliche Folgewirkungen

I. Sachverhalt

Ein verwitweter deutscher Beteiligter lebt seit über zehn Jahren in Frankreich und ist inzwischen
mit einer Französin verheiratet, die zwei Kinder aus erster Ehe hat. Er hat zwei volljährige
deutsche Kinder aus erster Ehe in Deutschland. Er hat durch hier beurkundetes Testament das
deutsche Recht zum Erbstatut erklärt und seine Frau als Alleinerben und seine Kinder als Ersatzerben
eingesetzt, die im Hinblick auf erhaltene Zuwendungen zu Gunsten seiner Frau Pflichtteilsverzichte
erklärt haben. Der Klient beabsichtigt nun, in Deutschland unter Beibehaltung des
deutschen Erbstatuts neu zu testieren und dabei seine Frau als Alleinerben und seine französischen
Stiefkinder als Ersatzerben einzusetzen. Alle Kinder sollen in diesem Zusammenhang
auf Pflichtteile und etwaige Ausgleichsansprüche wegen früherer Zuwendungen verzichten. Die
Erlangung dieser Verzichte seitens der deutschen Kinder ist noch nicht gesichert. Der Klient beabsichtigt,
seine französischen Stiefkinder im Wege der französischen Erwachsenenadoption
(Adoption simple) zu adoptieren.

II. Frage

Wird diese Adoption für Zwecke des deutschen Erbrechts anerkannt?

III. Zur Rechtslage

1. Ermittlung der Rechtsgrundlage für die Anerkennung der in Frankreich auszusprechenden
einfachen Adoption

a) Einleitend ist festzustellen, dass für den Maßstab der Anerkennung der in Frankreich
auszusprechenden Adoption das Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern
und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption vom 29.5.1993
(Bundesgesetzblatt II 2001, 1035), insbesondere dessen Art. 23 ff., für den unterbreiteten
Sachverhalt keine Rolle spielen (vgl. den Überblick bei Grüneberg/Thorn, BGB, 81.
Aufl. 2022, Art. 22 EGBGB Rn. 10 ff.). Das genannte Abkommen ist zwar am 1.3.2002
sowohl für die Bundesrepublik Deutschland als auch für Frankreich in Kraft getreten.

Jedoch gilt es nach Art. 2 Abs. 1 HAÜ nur für grenzüberschreitende Adoptionen, also
für solche, in denen das Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Vertragsstaat
(Heimatstaat) in einen anderen Vertragsstaat (Aufnahmestaat) gebracht worden ist, wird
oder werden soll. Soweit wir die Sachverhaltsschilderung verstehen, sind und bleiben alle
Beteiligten hier aber in Frankreich ansässig. Zudem findet das HAÜ keine Anwendung
auf Adoptionen von Personen, die das 18. Lebensjahr bereits vollendet haben (vgl. Art.
3 HAÜ; zum Ganzen Emmerling de Oliveira, in: Müller-Engels/Sieghörtner/Emmerling
de Oliveira, Adoptionsrecht in der Praxis, 4. Aufl. 2020, Rn. 264). Auch hieran dürfte die
Anwendung des HAÜ im vorliegenden Fall scheitern.

b) Für die Anerkennungsvoraussetzungen bei – wie hier – nicht in den Anwendungsbereich
des HAÜ fallenden Adoptionen ist danach zu unterscheiden, ob es sich um eine Dekretoder
um eine Vertragsadoption handelt. Dekretadoptionen, also solche durch Gerichtsbeschluss
oder gerichtliche Genehmigung, sind unter den Voraussetzungen der §§ 108,
109 FamFG verfahrensrechtlich anzuerkennen (BayObLG FamRZ 2001, 1641; OLG
Hamm FamRZ 2015, 983; MünchKommBGB/Helms, 8. Aufl. 2020, § 2 AdWirkG
Rn. 7; Grüneberg/Thorn, Art. 22 EGBGB Rn. 13). Geht es dagegen um eine Vertragsadoption,
so ist deren materielle Wirksamkeit anhand des nach Art. 22, 23 EGBGB
zur Anwendung berufenen Rechts vollumfänglich zu prüfen (s. nur Grüneberg/Thorn,
Art. 22 EGBGB Rn. 12; MünchKommBGB/Helms, § 2 AdWirkG Rn. 7).

Die vorliegend beabsichtigte einfache Adoption (Adoption simple) nach franz. Recht gem.
Art. 360 ff. franz. Code Civil stellt – insoweit – wie die Volladoption (Adoption plénière) –
eine Dekretadoption durch Gerichtsbeschluss dar (s. Art. 361 i. V. m. 353 Abs. 1
franz. Code Civil). Insoweit gelten für die Anerkennung in Deutschland im vorliegenden
Fall also §§ 108, 109 FamFG (s. MünchKommFamFG/Rauscher, 3. Aufl. 2018,
§ 108 Rn. 25a m. w. N.).

Wir gehen davon aus, dass der in Frankreich noch auszusprechenden Adoption kein Anerkennungshindernis
nach § 109 FamFG entgegenstehen wird. Insoweit ist wesentlich,
dass ausländische Adoptionsdekrete grundsätzlich bei Nichtvorliegen eines Anerkennungshindernisses
nach § 109 FamFG automatisch kraft Gesetzes anerkannt
werden (vgl. § 108 Abs. 1 FamFG). Über die Anerkennung ist inzident in dem
jeweiligen Verfahren zu entscheiden, in dem es auf die Wirksamkeit der Adoption als
Vorfrage ankommt. Die Anerkennung kraft Gesetzes nach dem FamFG geht hierbei
nicht über die Wirkung der Auslandsadoption hinaus (s. MünchKommBGB/Helms,
Vorbem. Vor § 1 AdWirkG Rn. 3). Diese Anerkennung bedeutet inhaltlich die Erstreckung
der Wirkungen, die der Entscheidungsstaat der ausländischen Entscheidung
beilegt, auf das Inland (OLG Köln NJW-RR 2010, 1225;
MünchKommFamFG/Rauscher, § 108 Rn. 18). Maßstab für die Wirkungen ist dabei
dasjenige Recht, welches in Anwendung des Rechts des Ursprungsstaates einschließlich
von dessen IPR (hier: Frankreich) der Entscheidung zugrunde zu legen ist. Insbesondere
ergeben sich aus der Anerkennung einer ausländischen Adoptionsentscheidung die
familienrechtlichen Statusfolgen des angewendeten Adoptionsrechts. Das Sorgerecht
unterliegt dem Statut der Eltern-Kind-Beziehung (OLG Brandenburg Staatsanzeiger
2017, 15; MünchKommFamFG/Rauscher, § 108 Rn. 18).

Da die Adoption in Frankreich ausgesprochen werden soll, ist insoweit Art. 370-4 franz.
Code Civil von Belang: Die Wirkungen einer in Frankreich ausgesprochenen Adoption
sind hiernach stets diejenigen des französischen Rechts. Dies gilt auch dann, wenn die
Voraussetzungen der Adoption aus französischer Sicht gem. Art. 370-3 franz. Code Civil
einem anderen Sachrecht zu entnehmen sind.

2. Folgen der Anerkennung der in Frankreich ausgesprochenen Adoption für erbrechtliche
Zwecke aus deutscher Sicht

Bereits längere Zeit vor Inkrafttreten der Europäischen Erbrechtsverordnung (vgl. Art. 83
Abs. 1 EuErbVO) hatte der BGH zur Frage, nach welchem Recht sich die erbrechtlichen
Verhältnisse des von einer Adoption berührten Personenkreises beurteilen, entschieden, dass
über die mit einer Annahme verbundenen erbrechtlichen Konsequenzen zwar grundsätzlich
das Erbstatut befinde, dem auf die Adoption angewandten Recht aber zu entnehmen sei, ob
es zwischen Erblasser und Adoptivkind zu einer so starken Rechtsbeziehung gekommen ist,
bzw. ob trotz der Adoption eine so starke Rechtsbeziehung bestehen geblieben ist, wie es das
Erbstatut für die gesetzliche Erbfolge bzw. das Erlöschen derselben voraussetzt (BGH NJW
1989, 2197 = FamRZ 1989, 378).

Unter dem Regime der Europäischen Erbrechtsverordnung, die voraussichtlich auch im
unterbreiteten Sachverhalt für die Bestimmung des Erbstatuts nach dem annehmenden
deutschen Ehemann entscheidend sein wird, ist zu beachten, dass gem. Art. 1 Abs. 2 Nr. 1
EuErbVO der Personenstand sowie Familienverhältnisse und Verhältnisse, die nach dem auf
diese Verhältnisse anzuwendenden Recht vergleichbare Wirkungen entfalten, vom Anwendungsbereich
der EuErbVO ausgenommen sind. Es bedarf aber auch weiterhin einer
Abgrenzung zwischen Erb- und Adoptionsstatut. Die ganz h. A. schreibt der Sache nach die
bereits vom BGH (NJW 1989, 2197) angedeutete Abgrenzung fort. Sie beurteilt also die
Frage, welche Art von Verwandtschaftsverhältnis für eine Erbberechtigung vorausgesetzt
wird, anhand des von der Europäischen Erbrechtsverordnung berufenen Rechts. Hier hat der
Erblasser gem. Art. 22 Abs. 2 EuErbVO das deutsche Recht als sein Heimatrecht für das
Erbstatut gewählt. Demgegenüber entnimmt die h. M. dem gem. Art. 22 Abs. 1 EGBGB
anwendbaren bzw. dem bei der Adoption tatsächlich angewandten Recht lediglich, ob dieses
ein derartiges Verwandtschaftsverhältnis begründet hat (s. MünchKommBGB/Helms,
8. Aufl. 2020, Art. 22 EGBGB Rn. 41; BeckOK-BGB/Heiderhoff, Stand: 1.11.2021, Art. 22
EGBGB Rn. 28; Sieghörtner, in: Müller-Engels/Sieghörtner/Emmerling de Oliveira,
Adoptionsrecht in der Praxis, 4. Aufl. 2020, Rn. 419 ff., 423 f.). Geht es – wie im unterbreiteten
Sachverhalt – um eine ausländische, hier gem. §§ 108, 109 FamFG voraussichtlich
kraft Gesetzes anerkannte Adoption, so ist für die Frage, ob das vom Erbstatut für die Erbberechtigung
verlangte Verwandtschaftsverhältnis begründet wurde, das tatsächlich bei der
Adoption angewandte Recht zu berücksichtigen (MünchKommBGB/Helms, Art. 22
EGBGB Rn. 41). Bezogen auf den vorliegenden Sachverhalt wird das franz. Gericht für die
Wirkungen der in Frankreich ausgesprochenen Adoption gem. Art. 370-4 franz. Code Civil
jedenfalls das französische Sachrecht anwenden.

Das insoweit entscheidende franz. Sachrecht sieht als Folge der hier beabsichtigten einfachen
Adoption (Adoption simple) gem. Art. 360 ff. franz. Code Civil vor, dass das Adoptivkind zwar
gem. Art. 364 franz. Code Civil Teil seiner Ursprungsfamilie bleibt. Jedoch wird immerhin
ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem angenommenen Kind und dem Annehmenden
begründet, auch wenn das angenommene Kind ansonsten grundsätzlich nicht Teil der
Adoptivfamilie wird. Darüber hinaus erstreckt sich das durch die einfache Adoption erzeugte
Familienband gem. Art. 366 Abs. 1 franz. Code Civil auch auf die Kinder des Adoptierten
(Überblick: Döbereiner, in: Süß/Ring, Eherecht in Europa, 4. Aufl. 2021, Länderbericht
Frankreich, Rn. 280).

Aus dem voraussichtlich bei der Adoption in Frankreich für die Wirkungen angewendeten
französischen Sachrecht ergibt sich also bereits, dass die adoptierten französischen
Stiefkinder nunmehr einem leiblichen Kind des Adoptierenden gleichstehen. Dieselbe
Gleichstellungswirkung tritt nach Art. 366 Abs. 1 franz. Code Civil auch zwischen den
Kindern der angenommenen Kinder einerseits und dem adoptierenden Ehemann andererseits
ein. Insbesondere sind die französischen Kinder infolge der Adoption aus deutscher
Sicht somit als „Abkömmling“ des adoptierenden deutschen Ehemannes i. S. d. §§ 1924, 2303
Abs. 1 BGB anzusehen. Sie erlangen also unter Geltung deutschen Erbstatuts nach dem
Adoptierenden ein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht nach Maßgabe des deutschen Erbrechts;
das Pflichtteilsrecht der angenommenen französischen Kinder kann sodann nur durch
Pflichtteilsverzicht nach §§ 2346 ff. BGB wieder beseitigt werden. Geben die französischen
Kinder einen nach § 2346 Abs. 2 BGB auf das Pflichtteilsrecht beschränkten Verzicht ab und
sollte dieser von den deutschen Kindern nicht erlangt werden können, so würden die
französischen Kinder weiterhin die Pflichtteilsquote der deutschen Kinder schmälern. Denn
§ 2310 S. 2 BGB gilt nicht für den bloßen Pflichtteilsverzicht nach § 2346 Abs. 2 BGB (s. nur
BGH NJW 1982, 2497; Grüneberg/Weidlich, § 2310 Rn. 2 a. E.).

Gutachten/Abruf-Nr:

186021

Erscheinungsdatum:

10.01.2022

Rechtsbezug

National

Normen in Titel:

EGBGB Art. 22; FamFG § 108; EUErbVO Art. 21