20. Januar 2023

Keine Gleichwertigkeit der Online-Beurkundung einer Abtretung von GmbH-Anteilen durch einen österreichischen Notar

GmbHG § 40
Keine Gleichwertigkeit der Online-Beurkundung einer Abtretung von GmbH-Anteilen durch einen österreichischen Notar

I. Sachverhalt
Anteile an einer deutschen GmbH wurden zur Urkunde eines österreichischen Notars in Wien von A an B abgetreten. Die Anteilsabtretung erfolgte in einem Online-Verfahren nach österreichischem Recht vor dem österreichischen Notar. Weder A noch B waren physisch beim Notar anwesend, vielmehr befanden sie sich zum Zeitpunkt der Beurkundung in Deutschland. Der österreichische Notar hat eine Gesellschafterliste erstellt, in welcher er die Wirksamkeit der Anteilsabtretung bescheinigt. Der Notar möchte, dass ein deutscher Notar diese Gesellschafterliste als Bote beim Handelsregister zur Aufnahme einreicht.

II. Fragen
1. Muss das Registergericht die Aufnahme der Liste in das Handelsregister ablehnen?

2. Ist die Anteilsabtretung wirksam?

III. Zur Rechtslage
Zunächst ist zu prüfen, welcher Prüfungsmaßstab seitens des Registergerichts anzuwenden ist (1.). Sodann ist zu untersuchen, ob die Übertragung der Anteile offensichtlich unwirksam ist (2.).

1. Prüfungsmaßstab des Registergerichts bei Einreichung einer Gesellschafterliste
Für die Gesellschafterliste, die in den für das entsprechende Registerblatt bestimmten Registerordner aufzunehmen (§ 9 Abs. 1 HRV) und nicht in das Handelsregister einzutragen ist (BT-Drucks. 16/6140, S. 37), ist der Prüfungsmaßstab des Registergerichts umstritten. Der Gesetzgeber ging in der Begründung zum MoMiG ausdrücklich davon aus, dass das Registergericht die Listen lediglich entgegennimmt und „keine inhaltliche Prüfungspflicht“ hat (BT-Drucks. 16/6140, S. 44). Die Gesetzesbegründung spricht jedoch nur von der Prüfungspflicht und verhält sich nicht zu der Frage, ob dem Gericht ein Prüfungsrecht zusteht. Unstreitig steht dem Registergericht ein formelles Prüfungsrecht bzgl. der Frage zu, ob die Liste den formalen Anforderungen des § 40 GmbHG genügt (BGH NZG 2011, 1268; OLG Nürnberg NZG 2018, 312, Tz. 25).

Ob dem Registergericht darüber hinaus auch ein materielles Prüfungsrecht zusteht, ist zweifelhaft (s. hierzu MünchKommGmbHG/Heidinger, 4. Aufl. 2023, § 40 Rn. 355 ff.). Der BGH hat die Frage, ob dem Registergericht auch ein inhaltliches Prüfungsrecht zusteht, bislang ausdrücklich offengelassen (BGH DNotZ 2014, 457 Tz. 23; ebenso KG FGPrax 2016, 161). Die inzwischen vorherrschende Literaturmeinung nimmt ein uneingeschränktes formelles Prüfungsrecht und darüber hinaus ein begrenztes inhaltliches Prüfungsrecht an. Ein solches Prüfungsrecht soll bspw. in Fällen bestehen, in denen die Angaben zwar formal korrekt, inhaltlich jedoch offenkundig falsch sind (statt vieler Paefgen, in: Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl. 2020, § 40 Rn. 103; s.a. OLG München FGPrax 2009, 181, 182). In derartigen Fällen könne dem Registergericht nicht zugemutet werden, an der Aufnahme der Liste mitzuwirken (Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 40 Rn. 70). Das Registergericht dürfe nicht daran mitwirken, dass eine falsche Legitimationsbasis für die Ausübung der Gesellschafterrechte oder ein unrichtiger Rechtsscheinträger geschaffen werden (D. Mayer, ZIP 2009, 1037, 1039; Schneider, GmbHR 2009, 393, 395; Wachter, ZNotP 2008, 376, 386). Das OLG Köln (NZG 2013, 1431) formuliert noch deutlicher, dass das Registergericht eine offenkundig unrichtige Gesellschafterliste zurückweisen dürfe, weil nur so vermieden werden könne, dass ein falscher Anschein erweckt werde. Angesichts dieser Argumente und unter dem Gesichtspunkt des Verkehrsschutzes wird das Registergericht daher eine Gesellschafterliste sogar zurückweisen müssen, wenn die Unrichtigkeit der Veränderung erkannt wird.

Im Ergebnis dürfte, wenngleich hierzu bisher keine eindeutige Rechtsprechung existiert, bei einer offensichtlich unwirksamen Änderung im Gesellschafterbestand jedenfalls eine offenkundige Unrichtigkeit der eingereichten Liste vorliegen. Servatius (in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, § 40 Rn. 75a) nennt als Beispiel einer durch das Registergericht zu beanstandenden Liste explizit eine Liste von einem ausländischen Notar, wenn ohne weiteres feststeht, dass es an der Gleichwertigkeit der Beurkundung fehlt.

2. Offensichtliche Unwirksamkeit der Übertragung
Die Geschäftsanteilsübertragung ist offensichtlich nach § 125 BGB formunwirksam. Maßgebliche Formvorschrift ist allein § 15 Abs. 3 GmbHG (a). Eine Beurkundung durch einen ausländischen Notar kann diese Formvorschrift allenfalls dann erfüllen, wenn die Beurkundung nach abstrakten Maßstäben mit Blick auf die Beurkundungszwecke gleichwertig ist (b). Der Gleichwertigkeit steht hier bereits die Nutzung eines Fernbeurkundungsverfahrens entgegen (c). Auch im Übrigen ist eine durch einen österreichischen Notar vorgenommene Online-Beurkundung nicht gleichwertig (d).

a) § 15 Abs. 3 GmbHG als maßgebliche Formvorschrift
Formfragen im Gesellschaftsrecht unterliegen nicht dem allgemeinen Formstatut nach § 11 EGBGB bzw. Art. 11 Rom-I-VO, wonach u. a. die Ortsform ausreichend wäre. Vielmehr unterliegen sie dem Gesellschaftsstatut, sodass hier allein § 15 Abs. 3 GmbHG gilt. Demnach ist eine notarielle Beurkundung erforderlich (MünchKommBGB/Kindler, 8. Aufl. 2021, IntWirtR Rn. 537 ff.; a. A. Henssler/Strohn/Verse, GesR, 5. Aufl. 2021, § 15 GmbHG Rn. 45).

Selbst wenn man von der Anwendbarkeit des Art. 11 EGBGB ausginge, so verweist auch die Ortsformanknüpfung des Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB ins deutsche Recht, da sich alle Beteiligten während der Beurkundung in Deutschland befanden. Im Ergebnis würde man somit ebenfalls zur Anwendung des § 15 Abs. 3 GmbHG gelangen.

b) Zulässigkeit und Maßstab der Substitution
Ob und unter welchen Voraussetzungen das Beurkundungserfordernis auch durch einen ausländischen Notar eingehalten werden kann, ist umstritten. Teilweise wird in der Literatur angenommen, es sei ausschließlich die Beurkundung durch einen deutschen Notar ausreichend (vgl. Winkler, BeurkG, 20. Aufl. 2022, Einl Rn. 89; Staudinger/Hertel, BGB 2023, Vorbem. zu §§ 127a, 128 BGB (BeurkG) Rn. 860 ff.).

Überwiegend wird angenommen, dass auch die Beurkundung durch einen ausländischen Notar dem Formerfordernis entsprechen könne, dass also eine Ersetzung (Substitution) der Beurkundung durch einen deutschen Notar durch die Beurkundung durch einen ausländischen Notar bei Geschäftsanteilsabtretungen grundsätzlich denkbar sei. Voraussetzung sei allerdings, dass die Gleichwertigkeit der ausländischen Beurkundung gegeben sei (vgl. MünchKommGmbHG/Harbarth, 4. Aufl. 2022, § 53 Rn. 79 ff.; Ulmer/Casper, in: Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl. 2021, § 53 Rn. 52 ff.; ausführlich und allg. für die Anteilsabtretung MünchKommGmbHG/Reichert/Weller, 4. Aufl. 2022, § 15 Rn. 143 ff. m. w. N.).

Gleichwertigkeit ist nach der Formel des BGH gegeben, „wenn die ausländische Urkundsperson nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeiten des deutschen Notars entsprechende Funktion ausübt und für die Errichtung der Urkunde ein Verfahrensrecht zu beachten hat, das den tragenden Grundsätzen des deutschen Beurkundungsrechts entspricht“ (BGH NJW 1981, 1160; NJW 2014, 2026 Tz. 14).

Die Gleichwertigkeit der Beurkundung durch einen ausländischen Notar bemisst sich an abstrakten Maßstäben und nicht an der Frage, ob der konkrete Beurkundungsvorgang der nach deutschem Recht vorgesehenen Beurkundung angenähert ist (Diehn, DNotZ 2019, 146, 147; Löbbe, in: Habersack/Casper/Löbbe, § 15 Rn. 146; MünchKommBGB/von Hein, 8. Aufl. 2020, Einleitung zum Internationalen Privatrecht Rn. 257; Cramer, DStR 2018, 746; Cziupka, EWiR 2018, 137; Lieder, ZIP 2018, 805; Mayer/Barth, IWRZ 2018, 128; Pogorzelski, notar 2018, 403; Stelmaszczyk, RNotZ 2019, 177; Strauß, MittBayNot 2021, 65, 72). Maßstab sind die Beurkundungszwecke (BGH NZG 2015, 18 Tz. 17), wobei auch steuerliche Mitteilungspflichten oder die Rolle des Notars bei der Geldwäscheprävention zu berücksichtigen sind (Raff, DNotZ 2020, 750 753 ff.; Heinze, NZG 2017, 371).

c) Keine Gleichwertigkeit des Fernbeurkundungsverfahrens
Selbst wenn man von der generellen Zulässigkeit der Substitution im Bereich von Geschäftsanteilsabtretungen ausgeht, scheitert bei vorstehend beschriebenem Sachverhalt eine Substitution jedoch an fehlender Gleichwertigkeit. Dies hat zur Folge, dass die Übertragung des Geschäftsanteils wegen Verstoßes gegen § 15 Abs. 3 GmbHG nach § 125 BGB formnichtig ist.

Dies ergibt sich bereits daraus, dass das österreichische Beurkundungsrecht eine Beurkundung im Fernbeurkundungsverfahren vorsieht und eine derartige Beurkundung hier auch konkret durchgeführt wurde. Das deutsche Beurkundungsrecht sieht für Geschäftsanteilsübertragungen kein Fernbeurkundungsverfahren vor, sondern nur ein Präsenzbeurkundungsverfahren. Hieran hat sich auch seit dem 1.8.2022 und Inkrafttreten des DiRUG v. 5.7.2021 (BGBl. I 2021, S. 3338) sowie Teilen des DiREG v. 15.7.2022 (vgl. Art. 10 Abs. 2 DiREG; BGBl. I 2022, S. 1146) nichts geändert. Für die Zulässigkeit der Online-Beurkundungsverfahren gilt ein strenger numerus clausus. Eine Fernbeurkundung ist nach deutschem Recht im Grundsatz nicht zulässig, da der Notar die Erklärungen gemäß § 13 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BeurkG unmittelbar wahrnehmen muss (BeckOK-BeurkG/Bremkamp, Std.: 15.9.2022, § 13 Rn. 6; BeckOGK-BeurkG/Seebach/Rachlitz, Std.: 1.5.2022, § 13 Rn. 18). Bei einer Unterschriftsbeglaubigung haben sowohl die Anerkennung als auch der Vollzug einer Unterschrift in der Gegenwart des Notars zu erfolgen (BeckOGK-BeurkG/Theilig, Std.: 1.2.2022, § 40 Rn. 24; Frenz/Miermeister/Limmer, BeurkG, 5. Aufl. 2020, § 40 Rn. 12; Lerch, BeurkG, 5. Aufl. 2016, § 40 Rn. 9). Führt der Notar dennoch eine Fernbeurkundung durch, handelt es sich um einen gravierenden Dienstrechtsverstoß (BGH DNotZ 1977, 762; DNotZ 1988, 259), der im Einzelfall sogar wegen Falschbeurkundung im Amt strafrechtlich geahndet werden kann (OLG Frankfurt DNotZ 1986, 421). Es entsprach daher schon bislang allgemeiner Ansicht, dass eine Fernbeurkundung nicht dem Präsenzbeurkundungsverfahren gleichwertig sein kann (DNotI-Report 2020, 121, 122 f.; Herrler, in: Herrler, Gesellschaftsrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, 2. Aufl. 2021, § 7 Rn. 74).

Als Ausnahme von dieser Regel kann die Beurkundung von Willenserklärungen gemäß § 16a Abs. 1 BeurkG mittels Videokommunikation ausnahmsweise und nur dann erfolgen, soweit dies durch ein formelles Gesetz zugelassen ist (eine Übersicht zu den Geschäften, die mittlerweile einem Online-Verfahren zugänglich sind, findet sich bei Böhringer, GmbHR 2022, 1005). Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass ein Online-Verfahren nur in bestimmten, ausdrücklich geregelten Fällen geeignet ist, die Schutzzwecke der notariellen Form funktionsäquivalent zum gesetzlichen Regelfall des Präsenzverfahrens abzubilden (BT-Drucks. 19/28177, S. 115; BT-Drucks. 20/1672, S. 21). Diese Auswahlentscheidung des nationalen Gesetzgebers führt dazu, dass eine Substitution des Beurkundungsverfahrens durch ein Online-Verfahren von vornherein mangels Gleichwertigkeit ausscheiden muss, soweit das Beurkundungsgesetz ein Präsenzverfahren vorschreibt (insoweit ausdrücklich BT-Drucks. 20/1672, S. 13).

Aufgrund der oben geschilderten abstrakten Natur der Substitutionsprüfung reicht es für die Ablehnung der Gleichwertigkeit also aus, dass das österreichische Beurkundungsrecht – wie hier für Geschäftsanteilsübertragungen – überhaupt ein Fernbeurkundungsverfahren vorsieht, während der deutsche Gesetzgeber keine Abweichung vom Präsenzerfordernis zulässt.

d) Selbst im Anwendungsbereich der notariellen Online-Verfahren keine Gleichwertigkeit der Beurkundung durch österreichischen Notar
Selbst wenn der Frage ein Beurkundungsgegenstand zu Grunde läge, für den der deutsche Gesetzgeber durch formelles Gesetz die Online-Beurkundung zugelassen hätte, käme man zu dem Ergebnis, dass ein nach österreichischem Verfahrensrecht durchgeführtes Online-Beurkundungsverfahren einem deutschen Online-Beurkundungsverfahren nicht gleichwertig ist. Die Frage wäre also gleichlautend zu beantworten, wenn A und B im Sachverhalt nicht Geschäftsanteile übertragen, sondern bspw. eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Wege einer Bargründung gegründet hätten, § 2 Abs. 3 GmbHG.

Maßgebende Gründe hierfür liegen jedenfalls (i) in der Person desjenigen, der die Identifizierung der Beteiligten vornimmt, (ii) in der Art und Weise der Identifizierung, sowie (iii) in der Trägerschaft des eingesetzten Videokommunikationssystem. Da diese Maßstäbe ebenso für die Prüfung der Gleichwertigkeit einer im Online-Verfahren durchgeführten Beglaubigung anzuwenden sind, gelten die nachfolgenden Ausführungen im Übrigen auch nicht nur für Beurkundungen, sondern ebenso für Beglaubigungen.

Nach den allgemeinen Grundsätzen setzt Gleichwertigkeit voraus, dass die ausländische Urkundsperson nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeiten des deutschen Notars entsprechende Funktion ausübt und für die Errichtung der Urkunde ein Verfahrensrecht zu beachten hat, das den tragenden Grundsätzen des deutschen Beurkundungsrechts entspricht. Zu den Grundsätzen des nationalen Beurkundungsrechts zählen auch die rechtlichen Vorgaben für die Ausgestaltung des Online-Beurkundungsverfahrens (vgl. BT-Drucks. 20/1672, S. 13). Eine Gleichwertigkeit kann daher nur für solche ausländischen Online-Verfahren bestehen, deren Vorgaben den technischen Standards des deutschen Online-Verfahrens entsprechen. Dies ist für Online-Beurkundungsverfahren nach dem österreichischen Verfahrensrecht nicht der Fall.

(i) Nach § 10 Abs. 1 BeurkG ist die Identifikation der Beteiligten durch den Notar höchstpersönlich vorzunehmen. Dies gilt erst recht im geldwäscherechtlichen Zusammenhang: Der Notar ist geldwäscherechtlich Verpflichteter nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 GwG und hat auch nach § 11 GwG die Beteiligten höchstpersönlich zu identifizieren (s. hierzu ausführlich Sommer, MittBayNot 2019, 226, 230 f.). Auch im Rahmen eines notariellen Online-Verfahrens folgt aus § 16c BeurkG die Pflicht zur höchstpersönlichen Identifizierung der Beteiligten durch den Notar. Die Feststellungen des Notars zur Person haben einen hohen Wert und beweisen i. S. d. § 415 ZPO, dass die in der Urkunde genannten Personen tatsächlich die enthaltenen Erklärungen abgegeben haben. Sie besitzen die Kraft einer notariellen Bescheinigung (so Armbrüster/Preuß/Piegsa, BeurkG, 9. Aufl. 2022, § 10 Rn. 12).

Im österreichischen Verfahren ist es hingegen möglich, die Identifikation auf Mitarbeiter und auch auf Dienstleister auszulagern (Lieder, NZG 2022, 1043, 1050). Dies ist nach § 69b Abs. 2 S. 2 der österreichischen Notariatsordnung (öNO) in Verbindung mit § 3 Abs. 3 und § 5 der österreichischen EIdentifikations-Verordnung (NEIV, öst. BGBl. 2019/II Nr. 1, zuletzt geändert durch öst. BGBl. 2020/II Nr. 185) ausdrücklich zugelassen. An Sicherungsmaßnahmen hinsichtlich der zur Identifikation herangezogenen Personen ist in § 2 Abs. 1 NEIV lediglich vorgesehen, dass der Mitarbeiter für die Durchführung besonders geschult und zuverlässig sein muss. Bei Einsatz eines Dienstleister ist nach § 5 NEIV nur dafür zu sorgen, dass der Dienstleister Maßnahmen ergreift, die sowohl hinsichtlich des Umfangs als auch der Qualität den Anforderungen nach der NEIV entsprechen. Die Identifikation ist ersichtlich nicht gleichwertig mit der höchstpersönlichen Identifikation durch einen Notar in Deutschland (so auch Lieder, NZG 2022, 1043, 1051).

(ii) Hinzu kommt, dass auch die Art und Weise der im österreichischen Online-Verfahren vorgesehen Identifikation selbst deutliche qualitative Defizite gegenüber dem deutschen Identifikationsverfahren aufweist. Nach deutschem Beurkundungsrecht muss die Feststellung der Person der Beteiligten im Online-Verfahren stets nach dem in § 16c BeurkG vorgesehenen Verfahren erfolgen. Im Rahmen einer zweistufigen Identifizierung sind dabei grundsätzlich aus einem Ausweisdokument sowohl die dort gespeicherten eID-Daten (§ 16c S. 1 BeurkG) als auch das auf dem Ausweisdokument elektronisch gespeicherte Lichtbild (§ 16c S. 2 BeurkG) auszulesen und an den Notar zu übermitteln. Das Ausweisdokument muss dabei dem Vertrauensniveau „hoch“ im Sinne des Art. 8 Abs. 2 lit. c der eIDAS-VO (VO (EU) Nr. 910/2014) entsprechen. Es handelt sich dabei um den höchsten in der eIDAS-VO vorgesehenen Sicherheitsstandard.

Demgegenüber sieht § 69b Abs. 2 S. 1 öNO lediglich eine einstufige Identifizierung vor. Diese kann entweder durch Auslesen einer eID erfolgen, wobei nach § 69b Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 36b Abs. 2 S. 2 öNO Ausweisdokumente mit dem niedrigeren Sicherheitsniveau „substanziell“ (Art. 8 Abs. 2 lit. b eIDAS-VO) ausreichen. Alternativ lässt § 69b Abs. 2 S. 1 Nr. 1 öNO auch das sog. Video-Ident-Verfahren genügen, welches nach § 3 NEIV lediglich erfordert, dass das Ausweisdokument in die Kamera gehalten wird und auf diese Weise Sicherheitsmerkmale überprüft werden.

Bereits die Grundentscheidung für ein lediglich einstufiges Verfahren führt dazu, dass das österreichische Beurkundungsverfahren bei abstrakter Betrachtung nicht mit den Vorgaben des § 16c BeurkG gleichwertig ist. Weder das alleinige Auslesen der eID noch das Video-Ident-Verfahren erreichen für sich das vom deutschen Beurkundungsrecht vorgeschriebene Sicherheitsniveau. Dies folgt bereits aus der Zulässigkeit von eIDs des niedrigeren Sicherheitsniveaus „substanziell“ im österreichischen Verfahren. Außerdem hat der Gesetzgeber bewusst entschieden, ein reines eID-Verfahren generell nicht genügen zu lassen, sondern grundsätzlich auch auf die zusätzliche elektronische Übermittlung eines amtlich gespeicherten Lichtbildes zu bestehen (BT-Drucks. 19/28177, S. 120). Das Video-Ident-Verfahren ist auch nicht gleichwertig mit dem Auslesen des elektronisch gespeichertem Lichtbilds nach § 16c S. 2 BeurkG. Bei letzterem wird direkt auf das elektronische Speichermedium des Ausweisdokuments zugegriffen und die dort von hoheitlicher Stelle hinterlegte Bilddatei zunächst auf Echtheit, Gültigkeit und Manipulationsfreiheit überprüft (§ 10 Abs. 3 S. 3 NotViKoV) und sodann an den Notar übermittelt. Video-Ident-Verfahren werden hingegen als fälschungsanfällig eingeschätzt (Lieder, NZG 2022, 1043, 1051; BT-Drucks. 19/28177, S. 121). Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) verweist auf potentielle Manipulationsmöglichkeiten (BSI, Anforderungskatalog zur Prüfung von Identifikationsverfahren gemäß TR03147, S. 26, 34, 67 f.). Dementsprechend hat der deutsche Gesetzgeber Video-Ident-Verfahren ausdrücklich für nicht mit dem deutschen Beurkundungsverfahren gleichwertig erachtet (BT-Drucks. 19/28177, S. 121).

(iii) Schließlich können sich österreichische Notare bei der Videoübertragung eines privatwirtschaftlichen Anbieters bedienen (Lieder, NZG 2022, 1043, 1052). Dies widerspricht nach Ansicht des deutschen Gesetzgebers dem hoheitlichen Charakter des Beurkundungsverfahrens und ist damit nicht gleichwertig.

Online-Beurkundungen können nach deutschem Beurkundungsrecht lediglich mittels des von der Bundesnotarkammer nach § 78p BNotO betriebenen Videokommunikationssystems durchgeführt werden, § 16a Abs. 1 BeurkG. Da das Beurkundungsverfahren hoheitlichen Charakter hat und der Gewährleistung staatlicher Kernfunktionen dient, darf zur Erfüllung der notariellen Amtspflichten im Rahmen der Beurkundungsverhandlung nicht auf ein Videokommunikationssystem zurückgegriffen werden, das von einem privaten Dritten zur Verfügung gestellt wird (BT-Drucks. 19/28177, S. 116). Die Bundesnotarkammer betreibt das Videokommunikationssystem in mittelbarer Staatsverwaltung und steht dabei unter staatlicher Aufsicht. Hingegen würde es dem hoheitlichen Charakter der Beurkundungsverfahren nicht gerecht, wenn die Gefahr des Zugriffs privater Dienstleister auf die sensiblen Inhalte der Urkundsverhandlung bestünde. Nach der gesetzgeberischen Grundentscheidung gewährleistet auch dieser exklusive Betrieb der Videokommunikationsplattform in öffentlicher Hand ein höheres Niveau an Rechtssicherheit als die Einschaltung privater Dienstleister. Das österreichische Beurkundungsverfahren trägt dem hoheitlichen Charakter des Beurkundungsverfahren nicht gleichwertig Rechnung.

Doch auch abgesehen von den abstrakt zu betrachtenden verfahrensrechtlichen Differenzen in technischer Hinsicht dürfte die Beurkundung durch einen österreichischen Notar derjenigen durch einen deutschen Notar auch angesichts der gesetzlichen Mitteilungspflichten des deutschen Notars an das Finanzamt in den Fällen des § 54 Abs. 1 EStDV nicht gleichwertig sein. Österreichische Notare können, da sie nicht der Hoheit des deutschen Gesetzgebers unterworfen sind, nicht Normadressaten entsprechender Mitteilungspflichten sein. Selbst bei Angleichung aller vorstehend genannten Unterschiede wäre also zu prüfen, ob die Prüfung der Gleichwertigkeit nicht daran scheitert, dass der deutsche Notar abgesehen von seiner Beurkundungsfunktion weitere tragende Funktionen im Staat (bspw. geldwäscherechtliche Sorgfalts- und Meldepflichten nach §§ 10 ff., 43 ff. GwG sowie steuerliche Anzeigepflichten) übernimmt, deren Zwecke bei Beurkundung durch nicht entsprechend verpflichtete ausländische Notare nicht erreicht würden.

3. Ergebnis
Da das nach österreichischem Verfahrensrecht durchgeführte Online-Beurkundungsverfahren die nach deutschem Beurkundungsrecht erforderliche Präsenzbeurkundung nicht zu ersetzen vermag, ist die Anteilsabtretung formnichtig, § 125 S. 1 BGB. Das Registergericht darf eine durch einen deutschen Notar als Boten weitergereichte Gesellschafterliste aufgrund der offensichtlichen Unwirksamekeit der Veränderung als offensichtlich unrichtig ablehnen (vgl. zur Botentätigkeit des deutschen Notars MünchKommGmbHG/Heidinger, § 40 Rn. 350). Erkennt das Registergericht die offensichtliche Unwirksamkeit der Übertragung, so ist es zur Zurückweisung der Liste sogar verpflichtet.

Erscheinungsdatum:

20.01.2023

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

GmbH

Erschienen in:

DNotI-Report 2023, 9-13