Keine Gleichwertigkeit der Online-Beurkundung einer Abtretung von GmbH-Anteilen durch einen österreichischen Notar
GmbHG § 40
Keine Gleichwertigkeit der Online-Beurkundung einer Abtretung von GmbH-Anteilen durch einen österreichischen Notar
I. Sachverhalt
Anteile an einer deutschen GmbH wurden zur Urkunde eines österreichischen Notars in Wien von A an B abgetreten. Die Anteilsabtretung erfolgte in einem Online-Verfahren nach österreichischem Recht vor dem österreichischen Notar. Weder A noch B waren physisch beim Notar anwesend, vielmehr befanden sie sich zum Zeitpunkt der Beurkundung in Deutschland. Der österreichische Notar hat eine Gesellschafterliste erstellt, in welcher er die Wirksamkeit der Anteilsabtretung bescheinigt. Der Notar möchte, dass ein deutscher Notar diese Gesellschafterliste als Bote beim Handelsregister zur Aufnahme einreicht.
II. Fragen
1. Muss das Registergericht die Aufnahme der Liste in das Handelsregister ablehnen?
2. Ist die Anteilsabtretung wirksam?
III. Zur Rechtslage
Zunächst ist zu prüfen, welcher Prüfungsmaßstab seitens des Registergerichts anzuwenden ist (1.). Sodann ist zu untersuchen, ob die Übertragung der Anteile offensichtlich unwirksam ist (2.).
1. Prüfungsmaßstab des Registergerichts bei Einreichung einer Gesellschafterliste
Für die Gesellschafterliste, die in den für das entsprechende Registerblatt bestimmten Registerordner aufzunehmen (
Ob dem Registergericht darüber hinaus auch ein materielles Prüfungsrecht zusteht, ist zweifelhaft (s. hierzu MünchKommGmbHG/Heidinger, 4. Aufl. 2023, § 40 Rn. 355 ff.). Der BGH hat die Frage, ob dem Registergericht auch ein inhaltliches Prüfungsrecht zusteht, bislang ausdrücklich offengelassen (BGH
Im Ergebnis dürfte, wenngleich hierzu bisher keine eindeutige Rechtsprechung existiert, bei einer offensichtlich unwirksamen Änderung im Gesellschafterbestand jedenfalls eine offenkundige Unrichtigkeit der eingereichten Liste vorliegen. Servatius (in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, § 40 Rn. 75a) nennt als Beispiel einer durch das Registergericht zu beanstandenden Liste explizit eine Liste von einem ausländischen Notar, wenn ohne weiteres feststeht, dass es an der Gleichwertigkeit der Beurkundung fehlt.
2. Offensichtliche Unwirksamkeit der Übertragung
Die Geschäftsanteilsübertragung ist offensichtlich nach
a) § 15 Abs. 3 GmbHG als maßgebliche Formvorschrift
Formfragen im Gesellschaftsrecht unterliegen nicht dem allgemeinen Formstatut nach § 11 EGBGB bzw. Art. 11 Rom-I-VO, wonach u. a. die Ortsform ausreichend wäre. Vielmehr unterliegen sie dem Gesellschaftsstatut, sodass hier allein § 15 Abs. 3 GmbHG gilt. Demnach ist eine notarielle Beurkundung erforderlich (MünchKommBGB/Kindler, 8. Aufl. 2021, IntWirtR Rn. 537 ff.; a. A. Henssler/Strohn/Verse, GesR, 5. Aufl. 2021, § 15 GmbHG Rn. 45).
Selbst wenn man von der Anwendbarkeit des Art. 11 EGBGB ausginge, so verweist auch die Ortsformanknüpfung des Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB ins deutsche Recht, da sich alle Beteiligten während der Beurkundung in Deutschland befanden. Im Ergebnis würde man somit ebenfalls zur Anwendung des § 15 Abs. 3 GmbHG gelangen.
b) Zulässigkeit und Maßstab der Substitution
Ob und unter welchen Voraussetzungen das Beurkundungserfordernis auch durch einen ausländischen Notar eingehalten werden kann, ist umstritten. Teilweise wird in der Literatur angenommen, es sei ausschließlich die Beurkundung durch einen deutschen Notar ausreichend (vgl. Winkler, BeurkG, 20. Aufl. 2022, Einl Rn. 89; Staudinger/Hertel, BGB 2023, Vorbem. zu §§ 127a, 128 BGB (BeurkG) Rn. 860 ff.).
Überwiegend wird angenommen, dass auch die Beurkundung durch einen ausländischen Notar dem Formerfordernis entsprechen könne, dass also eine Ersetzung (Substitution) der Beurkundung durch einen deutschen Notar durch die Beurkundung durch einen ausländischen Notar bei Geschäftsanteilsabtretungen grundsätzlich denkbar sei. Voraussetzung sei allerdings, dass die Gleichwertigkeit der ausländischen Beurkundung gegeben sei (vgl. MünchKommGmbHG/Harbarth, 4. Aufl. 2022, § 53 Rn. 79 ff.; Ulmer/Casper, in: Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl. 2021, § 53 Rn. 52 ff.; ausführlich und allg. für die Anteilsabtretung MünchKommGmbHG/Reichert/Weller, 4. Aufl. 2022, § 15 Rn. 143 ff. m. w. N.).
Gleichwertigkeit ist nach der Formel des BGH gegeben, „wenn die ausländische Urkundsperson nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeiten des deutschen Notars entsprechende Funktion ausübt und für die Errichtung der Urkunde ein Verfahrensrecht zu beachten hat, das den tragenden Grundsätzen des deutschen Beurkundungsrechts entspricht“ (BGH
Die Gleichwertigkeit der Beurkundung durch einen ausländischen Notar bemisst sich an abstrakten Maßstäben und nicht an der Frage, ob der konkrete Beurkundungsvorgang der nach deutschem Recht vorgesehenen Beurkundung angenähert ist (Diehn,
c) Keine Gleichwertigkeit des Fernbeurkundungsverfahrens
Selbst wenn man von der generellen Zulässigkeit der Substitution im Bereich von Geschäftsanteilsabtretungen ausgeht, scheitert bei vorstehend beschriebenem Sachverhalt eine Substitution jedoch an fehlender Gleichwertigkeit. Dies hat zur Folge, dass die Übertragung des Geschäftsanteils wegen Verstoßes gegen § 15 Abs. 3 GmbHG nach
Dies ergibt sich bereits daraus, dass das österreichische Beurkundungsrecht eine Beurkundung im Fernbeurkundungsverfahren vorsieht und eine derartige Beurkundung hier auch konkret durchgeführt wurde. Das deutsche Beurkundungsrecht sieht für Geschäftsanteilsübertragungen kein Fernbeurkundungsverfahren vor, sondern nur ein Präsenzbeurkundungsverfahren. Hieran hat sich auch seit dem 1.8.2022 und Inkrafttreten des DiRUG v. 5.7.2021 (BGBl. I 2021, S. 3338) sowie Teilen des DiREG v. 15.7.2022 (vgl. Art. 10 Abs. 2 DiREG; BGBl. I 2022, S. 1146) nichts geändert. Für die Zulässigkeit der Online-Beurkundungsverfahren gilt ein strenger numerus clausus. Eine Fernbeurkundung ist nach deutschem Recht im Grundsatz nicht zulässig, da der Notar die Erklärungen gemäß
Als Ausnahme von dieser Regel kann die Beurkundung von Willenserklärungen gemäß § 16a Abs. 1 BeurkG mittels Videokommunikation ausnahmsweise und nur dann erfolgen, soweit dies durch ein formelles Gesetz zugelassen ist (eine Übersicht zu den Geschäften, die mittlerweile einem Online-Verfahren zugänglich sind, findet sich bei Böhringer,
Aufgrund der oben geschilderten abstrakten Natur der Substitutionsprüfung reicht es für die Ablehnung der Gleichwertigkeit also aus, dass das österreichische Beurkundungsrecht – wie hier für Geschäftsanteilsübertragungen – überhaupt ein Fernbeurkundungsverfahren vorsieht, während der deutsche Gesetzgeber keine Abweichung vom Präsenzerfordernis zulässt.
d) Selbst im Anwendungsbereich der notariellen Online-Verfahren keine Gleichwertigkeit der Beurkundung durch österreichischen Notar
Selbst wenn der Frage ein Beurkundungsgegenstand zu Grunde läge, für den der deutsche Gesetzgeber durch formelles Gesetz die Online-Beurkundung zugelassen hätte, käme man zu dem Ergebnis, dass ein nach österreichischem Verfahrensrecht durchgeführtes Online-Beurkundungsverfahren einem deutschen Online-Beurkundungsverfahren nicht gleichwertig ist. Die Frage wäre also gleichlautend zu beantworten, wenn A und B im Sachverhalt nicht Geschäftsanteile übertragen, sondern bspw. eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Wege einer Bargründung gegründet hätten, § 2 Abs. 3 GmbHG.
Maßgebende Gründe hierfür liegen jedenfalls (i) in der Person desjenigen, der die Identifizierung der Beteiligten vornimmt, (ii) in der Art und Weise der Identifizierung, sowie (iii) in der Trägerschaft des eingesetzten Videokommunikationssystem. Da diese Maßstäbe ebenso für die Prüfung der Gleichwertigkeit einer im Online-Verfahren durchgeführten Beglaubigung anzuwenden sind, gelten die nachfolgenden Ausführungen im Übrigen auch nicht nur für Beurkundungen, sondern ebenso für Beglaubigungen.
Nach den allgemeinen Grundsätzen setzt Gleichwertigkeit voraus, dass die ausländische Urkundsperson nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeiten des deutschen Notars entsprechende Funktion ausübt und für die Errichtung der Urkunde ein Verfahrensrecht zu beachten hat, das den tragenden Grundsätzen des deutschen Beurkundungsrechts entspricht. Zu den Grundsätzen des nationalen Beurkundungsrechts zählen auch die rechtlichen Vorgaben für die Ausgestaltung des Online-Beurkundungsverfahrens (vgl. BT-Drucks. 20/1672, S. 13). Eine Gleichwertigkeit kann daher nur für solche ausländischen Online-Verfahren bestehen, deren Vorgaben den technischen Standards des deutschen Online-Verfahrens entsprechen. Dies ist für Online-Beurkundungsverfahren nach dem österreichischen Verfahrensrecht nicht der Fall.
(i) Nach § 10 Abs. 1 BeurkG ist die Identifikation der Beteiligten durch den Notar höchstpersönlich vorzunehmen. Dies gilt erst recht im geldwäscherechtlichen Zusammenhang: Der Notar ist geldwäscherechtlich Verpflichteter nach
Im österreichischen Verfahren ist es hingegen möglich, die Identifikation auf Mitarbeiter und auch auf Dienstleister auszulagern (Lieder,
(ii) Hinzu kommt, dass auch die Art und Weise der im österreichischen Online-Verfahren vorgesehen Identifikation selbst deutliche qualitative Defizite gegenüber dem deutschen Identifikationsverfahren aufweist. Nach deutschem Beurkundungsrecht muss die Feststellung der Person der Beteiligten im Online-Verfahren stets nach dem in § 16c BeurkG vorgesehenen Verfahren erfolgen. Im Rahmen einer zweistufigen Identifizierung sind dabei grundsätzlich aus einem Ausweisdokument sowohl die dort gespeicherten eID-Daten (§ 16c S. 1 BeurkG) als auch das auf dem Ausweisdokument elektronisch gespeicherte Lichtbild (
Demgegenüber sieht § 69b Abs. 2 S. 1 öNO lediglich eine einstufige Identifizierung vor. Diese kann entweder durch Auslesen einer eID erfolgen, wobei nach § 69b Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 36b Abs. 2 S. 2 öNO Ausweisdokumente mit dem niedrigeren Sicherheitsniveau „substanziell“ (Art. 8 Abs. 2 lit. b eIDAS-VO) ausreichen. Alternativ lässt § 69b Abs. 2 S. 1 Nr. 1 öNO auch das sog. Video-Ident-Verfahren genügen, welches nach § 3 NEIV lediglich erfordert, dass das Ausweisdokument in die Kamera gehalten wird und auf diese Weise Sicherheitsmerkmale überprüft werden.
Bereits die Grundentscheidung für ein lediglich einstufiges Verfahren führt dazu, dass das österreichische Beurkundungsverfahren bei abstrakter Betrachtung nicht mit den Vorgaben des § 16c BeurkG gleichwertig ist. Weder das alleinige Auslesen der eID noch das Video-Ident-Verfahren erreichen für sich das vom deutschen Beurkundungsrecht vorgeschriebene Sicherheitsniveau. Dies folgt bereits aus der Zulässigkeit von eIDs des niedrigeren Sicherheitsniveaus „substanziell“ im österreichischen Verfahren. Außerdem hat der Gesetzgeber bewusst entschieden, ein reines eID-Verfahren generell nicht genügen zu lassen, sondern grundsätzlich auch auf die zusätzliche elektronische Übermittlung eines amtlich gespeicherten Lichtbildes zu bestehen (BT-Drucks. 19/28177, S. 120). Das Video-Ident-Verfahren ist auch nicht gleichwertig mit dem Auslesen des elektronisch gespeichertem Lichtbilds nach
(iii) Schließlich können sich österreichische Notare bei der Videoübertragung eines privatwirtschaftlichen Anbieters bedienen (Lieder,
Online-Beurkundungen können nach deutschem Beurkundungsrecht lediglich mittels des von der Bundesnotarkammer nach § 78p BNotO betriebenen Videokommunikationssystems durchgeführt werden, § 16a Abs. 1 BeurkG. Da das Beurkundungsverfahren hoheitlichen Charakter hat und der Gewährleistung staatlicher Kernfunktionen dient, darf zur Erfüllung der notariellen Amtspflichten im Rahmen der Beurkundungsverhandlung nicht auf ein Videokommunikationssystem zurückgegriffen werden, das von einem privaten Dritten zur Verfügung gestellt wird (BT-Drucks. 19/28177, S. 116). Die Bundesnotarkammer betreibt das Videokommunikationssystem in mittelbarer Staatsverwaltung und steht dabei unter staatlicher Aufsicht. Hingegen würde es dem hoheitlichen Charakter der Beurkundungsverfahren nicht gerecht, wenn die Gefahr des Zugriffs privater Dienstleister auf die sensiblen Inhalte der Urkundsverhandlung bestünde. Nach der gesetzgeberischen Grundentscheidung gewährleistet auch dieser exklusive Betrieb der Videokommunikationsplattform in öffentlicher Hand ein höheres Niveau an Rechtssicherheit als die Einschaltung privater Dienstleister. Das österreichische Beurkundungsverfahren trägt dem hoheitlichen Charakter des Beurkundungsverfahren nicht gleichwertig Rechnung.
Doch auch abgesehen von den abstrakt zu betrachtenden verfahrensrechtlichen Differenzen in technischer Hinsicht dürfte die Beurkundung durch einen österreichischen Notar derjenigen durch einen deutschen Notar auch angesichts der gesetzlichen Mitteilungspflichten des deutschen Notars an das Finanzamt in den Fällen des
3. Ergebnis
Da das nach österreichischem Verfahrensrecht durchgeführte Online-Beurkundungsverfahren die nach deutschem Beurkundungsrecht erforderliche Präsenzbeurkundung nicht zu ersetzen vermag, ist die Anteilsabtretung formnichtig,
20.01.2023
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:GmbH
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