03. Januar 2023
BGB § 1824; BGB § 1809; BGB § 2147; GBO § 20; BGB § 1629; GBO § 19; BGB § 1850

Erfüllung eines Vermächtnisses über eine Eigentumswohnung zugusten eines minderjährigen Enkelkindes; Vertretung; familiengerichtliche Genehmigung; Änderungen durch die Betreuungsrechtsreform

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Abruf-Nr.: 194991
letzte Aktualisierung: 03. Januar 2023

BGB §§ 1629, 1824, 1809, 1850, 2147; GBO §§ 19,20
Erfüllung eines Vermächtnisses über eine Eigentumswohnung zugusten eines minderjährigen
Enkelkindes; Vertretung; familiengerichtliche Genehmigung; Änderungen
durch die Betreuungsrechtsreform

I. Sachverhalt

Nach einer rechtswirksamen Verfügung von Todes wegen hat der Erblasser seine Ehefrau zur
Alleinerbin eingesetzt und seinem Enkel (Sohn der gemeinschaftlichen Tochter von Erblasser und
Ehefrau/Alleinerbin) ein Vermächtnis hinsichtlich des Eigentums an einer Eigentumswohnung
zugewandt. Im Zeitpunkt des Erbfalls ist der Vermächtnisnehmer/Enkel minderjährig, das Sorgerecht
steht den Eltern gemeinschaftlich zu. Die Alleinerbin will nach dem Erbfall zur Erfüllung
des Vermächtnisses ihrem Enkel/dem Vermächtnisnehmer die Eigentumswohnung zu Eigentum
übertragen.

II. Fragen

1) Können die Eltern den minderjährigen Enkel/Vermächtnisnehmer bei der Vermächtniserfüllung/
Übereignung der Eigentumswohnung zulässigerweise vertreten? In diesem Zusammenhang
insbesondere:

a) Sind die Eltern in der Vertretung im Grundsatz ausgeschlossen, weil es sich um ein
Rechtsgeschäft mit einem in gerader Linie Verwandten handelt (§ 1629 Abs. 2 S. 1 i. V. m
§ 1824 Abs. 1 Nr. 1 BGB)?

b) Falls a) zu bejahen ist, besteht eine Ausnahme bei Vermächtniserfüllung, weil es sich um
die „Erfüllung einer Verbindlichkeit“ handelt (§ 1824 Abs. 1 Nr. 1 a. E. BGB)? Kann für
die Frage der Erfüllung einer Verbindlichkeit getrennt werden zwischen der Annahme
des Vermächtnisses (§ 2180 BGB) und der Erfüllung des Vermächtnisses (§§ 873, 925
BGB), wodurch die Annahme des Vermächtnisses nicht in den Ausnahmetatbestand
fällt, die reine Erfüllung des Vermächtnisses (= Übereignung der Eigentumswohnung)
hingegen schon? Falls man trennen kann zwischen der Annahme des Vermächtnisses
und der Erfüllung des Vermächtnisses, welche Rolle spielt dann die rechtliche Vorteilhaftigkeit
des Erfüllungsgeschäfts, genauer gesagt: Spielt es i. R. der Tatbestandsausnahme
„Erfüllung einer Verbindlichkeit“ eine Rolle, ob die Übereignung der Eigentumswohnung
an den Minderjährigen ggf. rechtlich nachteilig ist (zur rechtlichen Nachteiligkeit
s. nachfolgend c.)? Falls man nicht zwischen Vermächtnisannahme und Vermächtniserfüllung
trennen kann, muss man dann im Sinne einer Gesamtbetrachtung prüfen,
ob der Erwerb der Eigentumswohnung (ohne Trennung zwischen Verpflichtungs- und
Verfügungsgeschäft) aufgrund des Vermächtnisses insgesamt rechtlich nachteilig ist?

c) Ist die bloße Übereignung (Verfügungsgeschäft) einer Eigentumswohnung per se lediglich
rechtlich vorteilhaft für einen Minderjährigen?

2) Falls die Eltern den Vermächtnisnehmer bei der Vermächtniserfüllung/Übereignung der Eigentumswohnung
nicht vertreten haben und ein Ergänzungspfleger den Vermächtnisnehmer
vertritt: Was gilt, wenn sich im Nachhinein herausstellen sollte, dass kein Ergänzungspfleger
erforderlich war, z. B weil das Vermächtnis insgesamt lediglich rechtlich vorteilhaft ist oder
weil sich die Rechtslage in dem Sinne klärt (z. B durch höchstrichterliche Rechtsprechung),
dass bei einer Vermächtniserfüllung die Eltern den minderjährigen Vermächtnisnehmer vertreten
dürfen? Ist die Übereignung in diesem Fall schwebend unwirksam (§ 177 Abs. 1 BGB)
bis die Eltern oder nach Eintritt der Volljährigkeit der Enkel/Vermächtnisnehmer selbst die
Übereignung genehmigt? Falls ja, muss diese Genehmigung — ausnahmsweise (§ 182 Abs. 2
BGB) — eine notarielle Form haben?

3) Falls die Rechtslage zu 1) (und ggf. auch zu 2)) unklar ist, empfiehlt es sich aus Vorsichtsgründen,
im Fall der Vermächtniserfüllung sowohl den Ergänzungspfleger als auch die Eltern
für den minderjährigen Vermächtnisnehmer auftreten zu lassen?

4) Bedarf die Vermächtniserfüllung der familiengerichtlichen Genehmigung?

III. Zur Rechtslage

1. Zur Annahme des Vermächtnisses über die Eigentumswohnung

Die Annahme des Vermächtnisses i. S. v. § 2180 BGB ist rechtlich von der Erfüllung
eines Vermächtnisanspruchs zu unterscheiden. Das Vermächtnis fällt dem bzw. den Vermächtnisnehmern
gem. § 2176 BGB grundsätzlich mit dem Erbfall an. Mit diesem Zeitpunkt
entsteht der im Zweifel sofort fällige Vermächtnisanspruch i. S. d. § 2174 BGB. Der Anfall
erfolgt jedoch unbeschadet des Rechtes, das Vermächtnis auszuschlagen. Die Ausschlagung
hat gem. §§ 2180 Abs. 3, 1953 Abs. 1 BGB zur Folge, dass der Anfall des Vermächtnisses
und damit die Entstehung des Vermächtnisanspruches als nicht erfolgt gilt. Der Vermächtnisanspruch
entfällt also rückwirkend. Die wesentliche Rechtsfolge der Annahme besteht
gem. § 2180 BGB darin, dass das Recht zur Ausschlagung für den Vermächtnisnehmer entfällt.
Die Ausschlagung des Vermächtnisses ist, anders als die Erbausschlagung gem. § 1944
BGB, nicht fristgebunden (BGH NJW 2011, 1353 Rn. 12; Staudinger/Otte, BGB, 2019,
§ 2180 Rn. 12; Grüneberg/Weidlich, BGB, 81. Aufl. 2022, § 2180 Rn. 1). Die Ausschlagung
kann grundsätzlich solange erfolgen, bis es zur Annahme des Vermächtnisses gekommen ist.

Wenn es auch der Regelfall sein mag, dass die Annahme des Vermächtnisses konkludent
durch die Entgegennahme des vermachten Gegenstandes erklärt wird, ist dies dennoch keineswegs
zwingend. Es besteht jedenfalls kein rechtlicher Zusammenhang zwischen der Annahme
des Vermächtnisses und dem Erfüllungsgeschäft (vgl. Keim, ZEV 2011, 563, 568).
Insofern ist die Vertretung des minderjährigen Enkelkindes bei der Annahme des Vermächtnisses
gesondert von der Frage der Vertretung bei der Vermächtniserfüllung zu betrachten.
Grundsätzlich besteht auch bei der Annahme des Vermächtnisses die gemeinsame Vertretungsbefugnis
der Eltern des minderjährigen Kindes im Rahmen der elterlichen Sorge
(§§ 1626, 1629 Abs. 1 BGB). Die Annahme des Vermächtnisses erfolgt durch Erklärung ggü.
dem durch das Vermächtnis Beschwerten (§ 2180 Abs. 2 S. 1 BGB). Im Sinne von § 2147
BGB beschwert ist nach der Sachverhaltsschilderung hier die Großmutter des als Vermächtnisnehmer
berufenen Enkelkindes. Damit greift vom Gesetzeswortlaut her zulasten der Mutter
des Enkelkindes aber der Vertretungsausschluss gem. §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1824 Abs. 1
Nr. 1 BGB ein: § 1824 Abs. 1 Nr. 1 BGB gilt auch für einseitige Rechtsgeschäfte, wenn sich
die in der Vorschrift genannten Personen als Erklärende und Erklärungsempfänger gegenüberstehen
(vgl. zur Vorgängervorschrift von § 1824 BGB: BeckOGK-BGB/Sonnenfeld,
Std.: 1.5.2022, § 1795 Rn. 24; MünchKommBGB/Spickhoff, 8. Aufl. 2020, § 1795 Rn. 5). Bei
der Erklärung der Annahme des Vermächtnisses steht vorliegend auf der einen Seite das Kind
der Mutter (Enkelkind), andererseits ein Verwandter in gerader Linie der Mutter, nämlich
wiederum deren Mutter.

Nach bisher h. M. führte der Ausschluss eines Elternteils von der Vertretungsmacht nicht
etwa zu seinem Alleinvertretungsrecht den anderen Elternteil, sondern aufgrund zwingender
Gesamtvertretung und der Gefahr von Interessenkollisionen zur Notwendigkeit der Bestellung
eines Ergänzungspflegers gem. § 1809 Abs. 1 S. 1 BGB (s. nur MünchKommBGB/Huber,
8. Aufl. 2020, § 1629 Rn. 43; BeckOGK-BGB/Sonnenfeld, § 1795 Rn. 111). An dieser
Rechtsfolge dürfte sich jedenfalls für miteinander verheiratete Eltern auch durch die neuere
Rechtsprechung des BGH zum Vertretungsausschluss bei Vaterschaftsanfechtung (BGH
NJW 2021, 1875) nichts geändert haben (s. auch Löhnig, NJW 2021, 1875, 1880; a. A. wohl
BeckOGK-BGB/Amend-Traut, Std.: 15.8.2022, § 1629 Rn. 47). Die Neuausrichtung der
Rechtsprechung durch den eben genannten Beschluss des BGH dürfte sich vielmehr wohl
nur auf nicht verheiratete Paare mit gemeinsamem Sorgerecht beschränken, dort aber auch
über den entschiedenen Fall der Vaterschaftsanfechtung hinaus (vgl. die Anm. von Prinz,
NZFam 2021, 552 ff.). Definitiv geklärt ist diese Folgefrage derzeit freilich noch nicht. Nachfolgend
wird daher davon ausgegangen, dass nach dem dargestellten allgemeinen Grundsatz
vorliegend weiterhin beide Eltern von der Vertretung des Kindes bei der Annahme des Vermächtnisses
ausgeschlossen sind.

Jedoch wird allgemein im Wege der teleologischen Reduktion des Vertretungsausschlusses
nach §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1824 Abs. 1 Nr. 1 BGB eine Ausnahme hiervon befürwortet, wenn
das betreffende Geschäft lediglich rechtlich vorteilhaft für den Minderjährigen ist
(BGH NJW 1972, 2262, 2263; BGH DNotZ 1986, 80, 81; Grüneberg/Götz, § 1795 Rn. 13).

An einer lediglich rechtlichen Vorteilhaftigkeit der Annahme des Vermächtnisses würde es
jedenfalls fehlen, wenn das Vermächtnis seinerseits beschwert ist, insbesondere durch ein
Untervermächtnis (OLG München DNotZ 2012, 193, 194 f.). Dies ist hier nicht der Fall.
Rechtliche Nachteile werden aber auch darin gesehen, dass die Annahme des Vermächtnisses
durch einen Pflichtteilsberechtigten gem. § 2307 Abs. 1 S. 1 BGB die Möglichkeit entfallen
lässt, den vollen Pflichtteil zu verlangen (Röhl, MittBayNot 2013, 189, 190 ff.; Keim, ZEV
2011, 563, 565, 568). Hier ist aber das minderjährige Enkelkind, wenn seine Mutter beim Tod
des Erblassers lebte, nicht durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen,
sondern von Gesetzes wegen (§ 1924 Abs. 2 BGB) und damit gegenüber dem Erblasser
nicht pflichtteilsberechtigt (§ 2303 Abs. 1 S. 1 BGB). Auch insoweit ist also im vorliegenden
Fall kein Rechtsnachteil gegeben, so dass die Annahme des Vermächtnisses insgesamt als
lediglich rechtlich vorteilhaft zu werten ist. Die Frage des rechtlichen Vorteils im Zuge der
späteren Vermächtniserfüllung ist hingegen an dieser Stelle unerheblich. Der Bestellung eines
Ergänzungspflegers bei der Vermächtnisannahme bedarf es somit nicht. Die Vermächtnisannahme
kann daher durch die Eltern des minderjährigen Kindes wirksam erfolgen.

Es gibt – im Rahmen der Vertretung des Kindes – auch keine gesetzliche Vorschrift, wonach
die Vermächtnisannahme einer gerichtlichen Genehmigung bedurfte. § 1851 Nr. 1
BGB, der auch bei Vertretung des Kindes durch die Eltern gilt, § 1643 Abs. 1 BGB, sieht eine
solche Genehmigungspflicht nur bei Ausschlagung eines Vermächtnisses vor (vgl. OLG
Hamm DNotZ 2011, 221, 222; OLG München DNotZ 2012, 193, 195).

2. Exkurs: Überprüfung einer wirksamen Vermächtnisannahme durch das Grundbuchamt
Das Grundbuchamt hat bei der Übertragung von Grundstückseigentum – über die Überprüfung
der formellen Grundbuchbewilligung nach § 19 GBO hinaus – nach dem materiellen
Konsensprinzip gem. § 20 GBO die wirksame Auflassung zu überprüfen. Dagegen unterliegt
das zugrundeliegende schuldrechtliche Grundgeschäft auch im Fall des § 20 GBO regelmäßig
nicht der Prüfungskompetenz und damit der Nachweispflicht gegenüber dem Grundbuchamt
(s. nur BayObLG DNotZ 1990, 510; BayObLG MittBayNot 1991, 188; Schöner/Stöber,
Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 208; BeckOK-GBO/Hügel, Std.: 30.9.2022, § 20
Rn. 64 ff.). Abweichendes gilt nur für Fälle der Fehleridentität, wenn also derselbe Mangel
zugleich mit dem Grundgeschäft auch die Auflassung erfasst (s. BayObLG NJW-RR 1990,
87).

Aus der vorbeschriebenen beschränkten Prüfungskompetenz des Grundbuchamtes wird man
a maiore ad minus folgern müssen, dass auch die wirksame Vermächtnisannahme gegenüber
dem Grundbuchamt nicht nachzuweisen ist. Selbst bei Betrachtung der schuldrechtlichen
Ebene wäre übrigens zu berücksichtigen, dass das Gesetz in § 2176 BGB auch für den Vermächtnisanspruch
den Vonselbsterwerb vorschreibt, also die Erlangung des Vermächtnisanspruchs
nicht von einer vorhergehenden Annahme des Vermächtnisses abhängt. Lediglich
die Ausschlagung würde den Vermächtnisanspruch rückwirkend entfallen lassen.
Das Vermächtnis kann also jedenfalls erfüllt werden, ohne dass hierbei das Grundbuchamt
die Wirksamkeit der Annahme zu überprüfen hätte. Überdies ist jedoch wie zu
Ziff. 1 ausgeführt, eine wirksame Vermächtnisannahme durch die Eltern des minderjährigen
Kindes im vorliegenden Fall möglich.

3. Vertretung des minderjährigen Kindes durch die Eltern bei der Vermächtniserfüllung;
Notwendigkeit der Bestellung eines Ergänzungspflegers?

Nach § 1629 Abs. 2 S. 1 BGB können der Vater und die Mutter ein minderjähriges Kind
insoweit nicht vertreten, als nach § 1824 BGB ein Betreuer von der Vertretung des Betreuten
ausgeschlossen ist. Dies betrifft nach §§ 1629 Abs. 2, 1824 Abs. 1 Nr. 1 BGB Rechtsgeschäfte
zwischen den Ehegatten und dem Kind andererseits, es sei denn, das Rechtsgeschäft besteht
ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit, zum anderen betrifft dies nach §§ 1629
Abs. 2 S. 1, 1824 Abs. 2, 181 BGB Insichgeschäfte des Elternteils im Namen des vertretenen
Kindes auf der einen und sich selbst auf der anderen Seite, es sei denn, das Rechtsgeschäft
besteht ausschließlich in der Erfüllung einer rechtlichen Verbindlichkeit.

Wie unter Ziff. 1 bereits bemerkt, wird allgemein eine ungeschriebene Ausnahme vom Vertretungsverbot
sowohl des § 1824Abs. 1 Nr. 1 BGB als auch zu § 1824 Abs. 2 i. V. m. § 181
BGB angenommen, wenn das Geschäft dem Minderjährigen lediglich einen rechtlichen
Vorteil bringt (BayObLG FamRZ 1974, 659 im Anschluss an BGH NJW 1972, 2262, 2263;
BGH DNotZ 1986, 80, 81, Grüneberg/Götz, § 1795 Rn. 4, 13). Greift der Vertretungsausschluss
durch, dann führt dies grundsätzlich nicht etwa zu einem Alleinvertretungsrecht des
anderen Elternteils, sondern zur Notwendigkeit der Bestellung eines Ergänzungspflegers
gem. § 1809 Abs. 1 S. 1 BGB (s. nur MünchKommBGB/Huber, § 1629, Rn. 43). Die Reichweite
der neuen, teilweise abweichenden Entscheidung BGH NJW 2021, 1875 ff. zu dieser
Thematik wurde unter Ziff. 1 bereits angesprochen.

Im vorliegenden Fall scheidet nach dem Wortlaut des § 1824 Abs. 1 Nr. 1 BGB ein Vertretungsausschluss
der Mutter bei der Übertragung der Eigentumswohnung auf das minderjährige
Kind aus, da das Rechtsgeschäft – Übertragung der Eigentumswohnung – ausschließlich
in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht, nämlich des Vermächtnisanspruchs des
minderjährigen Kindes gem. § 2174 BGB (s. § 1824 Abs. 1 Nr. 1 a. E.). Daher stellt sich die
Frage der Auswirkung eines Vertretungsausschlusses auf den Vater im unterbreiteten Sachverhalt
insoweit nicht.

Lediglich eine Mindermeinung geht bei Vollzugsgeschäften zur Erfüllung eines Vermächtnisses
davon aus, dass die §§ 1824 Abs. 1 Nr. 1 BGB bzw. 1824 Abs. 2 i. V. m. 181 BGB in
diesem Fall insofern teleologisch zu reduzieren sind, als die Ausnahme vom Vertretungsausschluss
nicht eingreift, wenn das Erfüllungsgeschäft nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist
(Lambertz, ZEV 2014, 187 m. w. N.; in früherer Rechtsprechung auch das OLG München:
OLG München MittBayNot 2011, 239). Vorliegend besteht das Erfüllungsgeschäft in der
Übertragung von Wohnungseigentum. Der Erwerb von Wohnungseigentum ist jedoch generell
nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, da mit ihm die Mitgliedschaft in der Wohnungseigentümergemeinschaft
und damit verbundene Pflichten einhergehen, insbesondere die Verpflichtung
zur anteiligen Deckung der gemeinschaftlichen Kosten gem. § 16 Abs. 2 WEG
und die Außenhaftung für Verbindlichkeiten der Gemeinschaft gem. § 9a Abs. 4 WEG (s.
BGH NJW 2010, 3643, 3644; OLG Brandenburg BeckRS 2021, 24797 Rn. 21; Überblick:
BeckOGK-BGB/Duden, Std.: 1.8.2022, § 107 Rn. 95 ff.; 107). Darüber hinaus ist der Erwerb
von Grundbesitz stets auch dann nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, wenn der Grundbesitz
vermietet ist, da der Minderjährige mit Erwerb in einen Mitvertrag eintritt und die damit verbundenen
Pflichten übernimmt (§§ 566, 578 BGB; BGH NJW-RR 2022, 1027 Rn. 8 f.; BGH
NJW 2015, 1430, 1431; BayObLG NJW 2003, 1129; BeckOGK-BGB/Duden, § 107 Rn. 98;
Grüneberg/Ellenberger, § 107 Rn. 4). Jedoch lehnt die ganz h. M. der jüngeren Rechtsprechung
und Literatur diese teleologische Reduktion ab und lässt es bei der hier vorliegenden
Fallgestaltung der Vermächtniserfüllung, in der die zugrundeliegende Verbindlichkeit ihren
Grund also nicht in einem vom Vertreter vorgenommenen Verpflichtungsgeschäft hat (anderer
Sachverhalt insoweit bei BGH NJW 2010, 3643 Rn. 16; Überblick zur Rechtsentwicklung:
BeckOGK-BGB/Sonnenfeld, § 1795 Rn. 52 ff.), beim Wortlaut der zitierten Vorschriften
bewenden, wonach ungeachtet der rechtlichen Vor- oder Nachteilhaftigkeit
des Erfüllungsgeschäftes ein Vertretungsausschluss bei derartigen Vollzugsgeschäften
in keinem Fall eingreift (OLG München MittBayNot 2012, 145; MittBayNot 2013, 247;
Röhl, MittBayNot 2012, 111, 113; MittBayNot 2013, 189 ff.; Böttcher, NJW 2013, 2805,
2808).

Auf der Linie dieser neueren h. M. ist mithin vorliegend auch für die Vermächtniserfüllung
die Bestellung eines Ergänzungspflegers nicht erforderlich. Die Eltern können das Enkelkind
vertreten, da der Ausschlusstatbestand gem. § 1824 Abs. 1 Nr. 1 BGB aufgrund des
Wortlauts der Ausnahmeregelung in § 1824 Abs. 1 Nr. 1 a. E. BGB nicht erfüllt ist und eine
teleologische Reduktion der Ausnahmeregelung nach h. M. – wie vorstehend dargestellt - in
der konkret unterbreiteten Sachverhaltskonstellation ausscheidet.

4. Erfordernis einer familiengerichtlichen Genehmigung bei der Vermächtniserfüllung
Die Nachfolgevorschrift zu § 1822 Nr. 10 BGB a.F., welche nach alter Rechtslage in der
gegebenen Konstellation zu prüfen gewesen wäre, wurde im neuen Recht (Rechtslage
nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsgesetzes
zum 1.1.2023) enger gefasst: Nach §§ 1643 Abs. 1, 1854 Nr. 4 BGB bedarf es nunmehr
der Genehmigung zu einem Rechtsgeschäft, das auf Übernahme einer fremden
Verbindlichkeit gerichtet ist. Die Gesetzesbegründung führt hierzu aus, aus der Modifizierung
des Tatbestandes ergebe sich, dass eine gerichtliche Genehmigung nicht erforderlich
sei, wenn sich eine Haftung „lediglich als Nebenfolge eines anderen Rechtsgeschäfts
ergibt“. Diese Klarstellung sei erforderlich, „da der Tatbestand sonst weit über
seinen Zweck hinaus alle möglichen gesetzlichen Folgen erfasst“ (BR-Drs. 564/20,
S. 389 f.; BT-Drs. 19/24445, S. 289; hierzu Eble, RNotZ 2021, 117, 125). Jedoch verweist
der Gesetzgeber für den unentgeltlichen Erwerb von Wohnungseigentum auf die neue
Regelungen in § 1850 Nr. 4 BGB (BR-Drs. 564/20, S. 390; BT-Drs. 19/24445, S. 290;
dazu noch nachfolgend). Insoweit deutet sich mithin an, dass mit der neuen gesetzlichen
Formulierung „Rechtsgeschäft, das … gerichtet ist“ nur noch Fälle der rechtsgeschäftlichen
Schuldübernahme erfasst werden sollen, also Rechtsgeschäfte, bei denen die Übernahme
der subsidiären Haftung unmittelbarer Inhalt des Geschäftswillens der Parteien
ist. Bestätigt sich dies, dann läge darin eine Abkehr von der bereits durch das RG begonnenen
ständigen Rechtsprechung (RGZ 133, 7, 13), dass auch gesetzliche Folgen eines
anderen Rechtsgeschäfts zur „Übernahme einer Verbindlichkeit“ führen können (sog.
Sekundärfolgenrechtsprechung). Für die Rechtslage ab dem 1.1.2023 würde somit § 1854
Nr. 4 n. F. als Nachfolgetatbestand zu § 1822 Nr. 10 a. F. hinsichtlich des unentgeltlichen
Erwerbs von Wohnungseigentum mit Blick auf § 16 Abs. 2 WEG keine Genehmigungspflichtigkeit
mehr auslösen.

Nunmehr ist jedoch der neue Genehmigungstatbestand gem. § 1643 Abs. 1, 1850 Nr. 4
BGB n. F. zu beachten. Hiernach bedürfen die Eltern der Genehmigung des Familiengerichts
zu einem Rechtsgeschäft, durch welches das Kind unentgeltlich Wohnungsoder
Teileigentum erwirbt. Die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/24445, S. 286 f.)
führt hierzu aus, dass zwar der unentgeltliche Erwerb von Eigentum an einem Grundstück
genehmigungsfrei sei. Die besondere Gefährlichkeit des unentgeltlichen Erwerbs
von Wohnungs- und Teileigentum liege aber darin, dass unter Umständen umfangreiche
Haftungsfolgen (§ 9a Abs. 4 WEG) eintreten und gleichzeitig im Gegensatz zu Grundstücken
keine Möglichkeit der Eigentumsaufgabe bestehe. Die Haftungsfolge trete durch
die Rechtsinhaberschaft des Betreuten/Kindes ein, also durch das Verfügungsgeschäft,
das hier der Genehmigungspflichtigkeit unterstellt werde. Der Gesetzeswortlaut des
§ 1850 Nr. 4 n. F. sieht keine Ausnahme für solche Rechtsgeschäfte vor, die – wie vorliegend
– lediglich der Erfüllung einer Verbindlichkeit dienen. Es ist somit davon auszugehen,
dass es auch für den unentgeltlichen Erwerb von Wohnungseigentum aufgrund
Vermächtniserfüllung im unterbreiteten Sachverhalt der familiengerichtlichen Genehmigung
bedarf. In derartigen Fällen der Erfüllung einer Verbindlichkeit beschränkt sich allerdings
die Prüfungspflicht des Familiengerichts darauf, ob die betreffende Verbindlichkeit
auch tatsächlich besteht (KG KGJ 38, 219, 223; Münch-
KommBGB/Kroll-Ludwigs § 1821 Rn. 19). § 1850 Nr. 5 BGB greift demgegenüber
nicht ein, da das zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft nicht erst durch den gesetzlichen
Vertreter (Eltern) abgeschlossen wird, sondern bereits von der testamentarischen
Anordnung des Erblassers (Vermächtnis) herrührt.

Die Vermächtniserfüllung bedarf gem. §§ 1643 Abs. 1, 1850 Nr. 4 BGB der familiengerichtlichen
Genehmigung. Die Ausnahmetatbestände für Eltern in § 1643 Abs. 2-5
BGB greifen nicht ein. Diese Genehmigung ist auch dem Grundbuchamt nachzuweisen
(§ 20 GBO).

5. Bestellung eines Ergänzungspflegers; konstitutive Wirkung des Bestellungsbeschlusses
Nach dem zuvor Gesagten ist im unterbreiteten Sachverhalt die Rechtslage dahingehend klar,
dass es der Bestellung eines Ergänzungspflegers gem. § 1809 BGB nicht bedarf. Die
Bestellung eines Ergänzungspflegers dürfte auch nach dem allgemeinen kautelarjuristischen
Grundsatz des sichersten Weges (hierzu nur Winkler, BeurkG, 20. Aufl. 2022, § 17 Rn. 210
m. w. N.) nicht beim Familiengericht anzuregen sein.

Unterstellt man dennoch, es würde im unterbreiteten Sachverhalt ein Ergänzungspfleger bestellt,
dessen es aus den vorstehend genannten Gründen nach materiellem Recht aber nicht
bedürfte, dann wäre zu bedenken: Der Inhalt der Ergänzungspflegerbestellung und die korrelierenden
Befugnisse des Pflegers wären erschöpfend im konstitutiven Bestellungsbeschluss
des Familiengerichts darzulegen (§§ 38 f., 116 Abs. 1 FamFG; zur Qualifikation der
Bestellung des Ergänzungspflegers als Familiensache siehe §§ 111 Nr. 2, 151 Nr. 5 FamFG).
Dieser konstitutive Bestellungsbeschluss würde die Vertretungsbefugnis des Ergänzungspflegers
auch dann rechtswirksam begründen, wenn die materiellrechtlichen Voraussetzungen
für die Pflegerbestellung nicht vorlagen. Die vom Ergänzungspfleger namens des minderjährigen
Kindes abgegebenen Willenserklärungen wären dementsprechend wirksam (vgl.
Weber/Leeb, Rpfleger 2015, 501, 505).

Gutachten/Abruf-Nr:

194991

Erscheinungsdatum:

03.01.2023

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Elterliche Sorge (ohne familiengerichtliche Genehmigung)
Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Vermächtnis, Auflage
Grundbuchrecht

Normen in Titel:

BGB § 1824; BGB § 1809; BGB § 2147; GBO § 20; BGB § 1629; GBO § 19; BGB § 1850