17. September 2021
BGB § 878; GBO § 18

Wirkung der Antragstellung bei Eintragungshindernis; Abgrenzung Zwischenverfügung versus Zurückweisung

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 183964
letzte Aktualisierung: 17. September 2021

BGB § 878; GBO § 18
Wirkung der Antragstellung bei Eintragungshindernis; Abgrenzung Zwischenverfügung
versus Zurückweisung

I. Sachverhalt

Im Grundbuch ist als Eigentümer eines Grundstücks eine verstorbene Person eingetragen. Der
Erblasser wurde von seiner Ehefrau aufgrund eines privatschriftlichen Testaments beerbt. Der
Erbscheinsantrag wurde durch den Notar beurkundet und beim zuständigen Nachlassgericht
eingereicht. Die Ehefrau hat das geerbte Grundstück noch vor Erteilung des Erbscheins verkauft.

In der Urkunde wurde die Grundbuchberichtigung beantragt. Zum Nachweis der Erbfolge
wurde auf die Nachlassakte Bezug genommen, da für das Nachlassverfahren und das
Grundbuchverfahren dasselbe Amtsgericht zuständig ist. Der Notar hat den Antrag auf Eintragung
der Vormerkung nach Vorliegen aller anderen materiell-rechtlichen Voraussetzungen, aber
vor Erteilung des Erbscheins gestellt, um keine Verzögerung beim Eintritt der Voraussetzungen
des § 878 BGB herbeizuführen. Der Rechtspfleger möchte nun den Eintragungsantrag zurückweisen,
da dieser nicht vollzugsfähig sei. Die Bewilligungsbefugnis sei nicht nachgewiesen. Hinsichtlich
des Erbscheinsantrags befinde man sich noch im Anhörungsverfahren.

II. Fragen

1. Treten die Schutzwirkungen des § 878 BGB auch dann ein, wenn alle materiell-rechtlichen
Voraussetzungen vorliegen, aber noch kein Nachweis der Bewilligungsbefugnis (Erbschein)
vorgelegt werden kann? Gilt dies auch dann, wenn für beide Verfahren dasselbe Amtsgericht
zuständig ist?

2. Darf der Rechtspfleger den Antrag zurückweisen oder hat dieser eine Zwischenverfügung
zu erlassen?

III. Zur Rechtslage

1. Wirkung des § 878 BGB bei Eintragungshindernis

§ 878 BGB bewirkt, dass die abgegebene Erklärung in Bezug auf die Übertragung, Aufhebung
oder Inhaltsänderung eines Rechts nach Eingang des Antrags beim Grundbuchamt
und Abgabe der Erklärung durch die entsprechende Partei nicht dadurch unwirksam wird,
dass der Berechtigte in seiner Verfügung beschränkt wird. Entsprechend ist § 878 BGB
auch auf die Vormerkung anzuwenden (BGHZ 28, 182, 185 f.; 60, 46, 50). Über die Abgabe
der Erklärung und den Zugang beim Grundbuchamt hinaus ist allerdings anerkannt, dass
sämtliche materiellen Wirksamkeitserfordernisse für das jeweilige Verfügungsgeschäft gegeben
sein müssen (Staudinger/Heinze, BGB, 2018, § 878 Rn. 38; BeckOGK-BGB/Kesseler,
Std.: 1.4.2020, § 878 Rn. 19; MünchKommBGB/Kohler, 8. Aufl. 2020, § 878 Rn. 18). Da
Zweck des § 878 BGB ist, den Begünstigten vor den Nachteilen des Grundbuchzwangs und
dem damit einhergehenden Verzögerungen zu schützen (Staudinger/Heinze, § 878 Rn. 38;
MünchKommBGB/Kohler, § 878 Rn. 18), kann es jedoch nicht darauf ankommen, dass
auch die formellen, ausschließlich aus dem Grundbuchverfahrensrecht herrührenden
Voraussetzungen gegeben sein müssen. Damit deckt sich auch die herrschende Ansicht,
wonach eine Eintragung, die im Widerspruch zu den formellen Voraussetzungen erfolgt,
vom Schutz des § 878 BGB gedeckt ist (s. dazu nur BeckOGK-BGB/Kesseler, § 878
Rn. 34), was zeigt, dass es ausschließlich darauf ankommt, ob die notwendigen materiellrechtlichen
Anforderungen gewahrt sind.

Dies ist im vorliegenden Sachverhalt der Fall. Materiell-rechtlich ist die Verfügende bereits
Eigentümerin des Grundstücks, soweit davon ausgegangen werden kann, dass die mitgeteilte
und unterstellte erbrechtliche Lage der tatsächlichen Rechtslage entspricht. In
diesem Fall bewirkt die Antragstellung nach einer wirksamen Bewilligung, dass die Wirkungen
des § 878 BGB unabhängig davon eintreten, wann das Grundbuch berichtigt wird.
Andernfalls würde auch der Schutzzweck des § 878 BGB verfehlt, weil dann formelle
Voraussetzungen, die sich aus dem Grundbuchvollzug ergeben, zu einer Benachteiligung
des Erwerbers führen würden, was die Norm allerdings gerade verhindern will. Insoweit
kann es auch nicht darauf ankommen, ob das Erbscheinsverfahren bei demselben oder
einem anderen Amtsgericht geführt wird.

2. Zulässigkeit der Zurückweisung

Die Möglichkeit der Zurückweisung oder der Zwischenverfügung durch das Grundbuchamt
ist in § 18 Abs. 1 S. 1 GBO vorgesehen. Ob dem Grundbuchamt ein Wahlrecht zwischen
Zurückweisung des Antrags und Erlass einer Zwischenverfügung zusteht, ist umstritten.
Weite Teile der Literatur gehen davon aus, dass die Zwischenverfügung als milderes Mittel
grundsätzlich Vorrang genieße, da nur so die rangwahrende Wirkung des Eintragungsantrags
erreicht werden könne (Meikel/Böttcher, GBO, 12. Aufl. 2021, § 18 Rn. 32;
Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 429; Volmer, in: Keller/Munzig,
Grundbuchrecht, 8. Aufl. 2019, § 18 GBO Rn. 21 ff.; Wilke, in: Bauer/Schaub, GBO, 4.
Aufl. 2018, § 18 Rn. 38; BeckOK-GBO/Zeiser, Std.: 1.2.2021, § 18 Rn. 10). Demgegenüber
vertritt die Rechtsprechung, dass das Grundbuchamt grundsätzlich ein Wahlrecht darin
habe, welches der beiden in § 18 Abs. 1 S. 1 GBO genannten Mittel es ergreifen möchte
(BGHZ 27, 310, 312; BayObLGZ 1984, 126, 128; BayObLGZ 1997, 55, 58).

Einer Entscheidung des Meinungsstreits bedürfte es allerdings dann nicht, wenn eine
Zwischenverfügung von vornherein unzulässig wäre (so auch BGHZ 27, 310, 312). Es ist
daher zunächst zu prüfen, ob im vorliegenden Fall eine Zwischenverfügung überhaupt
rechtmäßig ergehen kann. Voraussetzung einer Zwischenverfügung ist, dass der Antragsteller
das Hindernis, das derzeit der Eintragung entgegensteht, beheben kann. Andernfalls
wäre die Setzung einer Frist hierzu grundsätzlich überflüssig, sodass eine Zwischenverfügung
zweifellos das falsche Mittel wäre. Um durch den Antragsteller behebbar zu sein, muss
das Hindernis allerdings mit Rückwirkung heilbar sein (Wilke, § 18 Rn. 14). Zu den heilbaren
Mängeln zählen auch fehlende Voreintragungen der Berechtigten (BayObLG
MittBayNot 1990, 249; DNotZ 2003, 49). Daher kann auch für das Vorliegen des Erbscheins
nicht anders entschieden werden, weil dieser lediglich im Rahmen des § 40 GBO die
Voreintragung ersetzt und insoweit letztlich keine andere Bedeutung hat als die Eintragung
gem. § 39 GBO, für die er ebenfalls Voraussetzung ist. Aus diesem Grund handelt es sich
bei dem mitgeteilten Hindernis um ein behebbares, für das grundsätzlich eine Zwischenverfügung
nach § 18 Abs. 1 S. 1 GBO in Betracht kommt.

Nach einer vor allem früher vertretenen Auffassung sollte allerdings die Wahl einer
Zwischenverfügung schon dann ausgeschlossen sein, wenn der Antragsteller bewusst einen
unvollständigen Antrag lediglich deshalb einreicht, um sich den besseren Rang hierdurch zu
sichern (KG JFG 4, 303; KGJ 50, 136). Eine derartige Auffassung würde allerdings dem
Ziel des § 878 BGB widersprechen, der gerade die Beteiligten vor den Nachteilen, die sich
durch den grundbuchamtlichen Vollzug ergeben, schützen will. Hierzu gehören insbesondere
auch die speziellen grundbuchlichen Erfordernisse für eine Eintragung, die der materiellrechtlichen
Wirksamkeit der abgegebenen Erklärungen aber nicht entgegenstehen. Daher ist
mit der neueren Rechtsprechung davon auszugehen, dass sich aus dem Umstand, dass der
Antrag bewusst unvollständig eingereicht wurde, kein generelles Hindernis für den Erlass
einer Zwischenverfügung ergibt (BayObLG MittBayNot 2002, 290, 291; OLG München
DNotZ 2008, 934, 935).

Für den vorliegenden Fall bedarf der Meinungsstreit zwischen Literatur und Rechtsprechung
darüber, ob dem Grundbuchamt ein Wahlrecht zwischen Zurückweisung und
Zwischenverfügung zusteht, u. E. keiner Entscheidung. Das Grundbuchamt darf nach
beiden Ansichten den Antrag nicht ohne Zwischenverfügung zurückweisen. Auch die
Rechtsprechung, die ein grundsätzliches Wahlrecht des Grundbuchamts betont, geht davon
aus, dass der Erlass der Zwischenverfügung die Regel sein müsse und daher die sofortige
Zurückweisung nur in Ausnahmefällen, die einer besonderen Begründungsbedürftigkeit
unterliegen, denkbar sei (OLG München DNotZ 2008, 934, 935). Zwar findet sich in der
Rechtsprechung wiederholt der Hinweis darauf, die mit der Zwischenverfügung gerügten
Hindernisse müssten sich leicht und schnell beseitigen lassen (BayObLGZ 1956, 122, 127;
OLG München DNotZ 2008, 934, 935), allerdings betont die obergerichtliche Rechtsprechung
schon seit Langem, dass dies dann der Fall ist, wenn die Beseitigung innerhalb einer
angemessenen Frist möglich erscheine (BayObLGZ 1984, 126, 128; 1997, 55, 58; OLG
München DNotZ 2008, 934, 935). Der Begriff der Angemessenheit ist dabei wertungsoffen
und lässt die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu (OLG München DNotZ
2008, 934, 935). Betrachtet man den mitgeteilten Sachverhalt, so ist dem Antragsteller, der
bereits den erforderlichen Erbscheinsantrag beurkundet und gestellt hat, kein Vorwurf für
die Verzögerung zu machen. Es handelt sich vielmehr allein um gerichtsinterne Umstände,
die der sofortigen Eintragung entgegenstehen. Betrachtet man dabei den Zweck des § 878
BGB, dem als Vorgabe des materiellen Rechts grundsätzlich Vorrang gegenüber den
Wertungen der GBO, die lediglich formelles und damit dienendes Recht ist, zukommt, so
zeigt sich, dass eine sofortige Zurückweisung des Antrags nicht gestattet ist. § 878 BGB will
nämlich, wie bereits dargestellt, den Antragsteller vor Verzögerungen durch das staatliche
Verfahren schützen, sodass diese Wertung nicht durch eine Zurückweisung des Antrags im
Grundbuchverfahren konterkariert werden darf. Dass den Bürgern längerdauernde staatliche
Verfahren nicht zum Nachteil geraten sollen, zeigt zudem die Wertung des § 167 ZPO,
die als originäre Wertung des Prozessrechts große Vergleichbarkeit mit den Vorgaben der
GBO hat. Dort wird der Kläger von den Risiken gerichtsinterner Abläufe insoweit freigestellt,
als der Begriff des „demnächst“ derart ausgelegt wird, dass auch langfristige Verzögerungen,
die auf die Handlungen oder Unterlassungen des Gerichts zurückzuführen sind,
dem Kläger nicht schaden (s. dazu MünchKommZPO/Häublein/Müller, 6. Aufl. 2020,
§ 167 Rn. 10 ff.). In gleicher Weise muss der vorliegende Fall entschieden werden. Hier
handelt es sich ebenfalls ausschließlich um gerichtsinterne Abläufe, da es nur von der
Arbeitsgeschwindigkeit des Nachlassgerichts abhängt, wann der Erbschein erteilt wird und
wann daher die Eintragung erfolgen kann. Die hiermit einhergehenden Gefahren sollen
dem Antragsteller gerade nicht aufgebürdet werden, sodass die Wertung des § 878 BGB
auch im Rahmen des § 18 GBO berücksichtigt werden muss.

Infolgedessen ist der Erlass einer Zwischenverfügung nach unserer Ansicht unumgänglich;
eine sofortige Zurückweisung durch das Grundbuchamt darf nicht erfolgen.

3. Ergebnis

Insgesamt bleibt daher festzuhalten, dass die Wirkungen des § 878 BGB bereits dann eintreten,
wenn bei Antragstellung sämtliche materiellen Voraussetzungen für die Eintragung vorliegen.
Ob und inwieweit formelle Voraussetzungen für den Erlass fehlen, ist unbeachtlich
und hat daher keinen Einfluss auf die Regelung des § 878 BGB.

Zudem darf nach unserer Auffassung das Grundbuchamt im mitgeteilten Sachverhalt ausschließlich
durch Zwischenverfügung entscheiden und daher lediglich eine Frist zur
Behebung des derzeit bestehenden formellen Hindernisses setzen. Eine sofortige Zurückweisung
kommt nach unserer Auffassung nicht in Betracht, weil sie die Wertungen des
§ 878 BGB konterkarieren würde, soweit die zeitliche Verzögerung sich ausschließlich aus
gerichtlichen Verfahrenshandlungen, die noch ausstehen, ergibt.

Gutachten/Abruf-Nr:

183964

Erscheinungsdatum:

17.09.2021

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht

Normen in Titel:

BGB § 878; GBO § 18