19. Februar 2021

Phasenverschobene Ehe; Aufschub des Versorgungsausgleichs, um Kürzung der Altersrente zu vermeiden; Unterhaltszahlung an Ehefrau

VersAusglG § 33; VAHRG § 5 a. F.
Phasenverschobene Ehe; Aufschub des Versorgungsausgleichs, um Kürzung der Altersrente zu vermeiden; Unterhaltszahlung an Ehefrau

I. Sachverhalt
Im Rahmen einer Scheidungsvereinbarung sollen Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich getroffen werden. Während die 57 Jahre alte Ehefrau noch arbeitet, steht der Ehemann kurz vor dem Ruhestand und erwartet neben der gesetzlichen Rente von ca. 2.300 € Versorgungszahlungen aus einer betrieblichen Altersversorgung von etwa 10.000 € monatlich. Bei einer Durchführung des Versorgungsausgleichs würde der Ehemann einen hohen Anteil seiner betrieblichen Altersversorgung verlieren und daher auch weniger Unterhalt schulden. Es soll nunmehr vereinbart werden, dass die Kürzung der Betriebsrente erst mit dem Renteneintritt der Ehefrau erfolgt, d. h., dass der Ehemann diese bis dahin ungekürzt erhält und aus den ihm zufließenden Einkünften den gesetzlichen Unterhalt zahlt. Zudem soll an die Ehefrau dann nur ein Anteil von 37 % aus der Betriebsrente übertragen werden. Der betriebliche Versorgungsträger wäre mit dieser Regelung einverstanden.

II. Fragen
1. Wäre eine solche Vereinbarung zulässig?

2. Ist § 33 VersAusglG anzuwenden oder steht dieser der geplanten Vereinbarung entgegen?

III. Zur Rechtslage
1. Rechtslage vor dem 1.9.2009
Nach dem bis zum 1.9.2009 geltenden Recht wurde eine an den Pflichtigen gezahlte Rente aufgrund des durchgeführten öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs erst dann gekürzt, wenn der Berechtigte seinerseits aus dem Versorgungsausgleich eine Rente bezog oder wenn dem Verpflichteten aus einem späteren Rentenfall eine Versorgung bewilligt wurde (vgl. § 101 Abs. 3 SGB VI a. F., § 57 BeamtVG). Nach altem Recht unterblieb also die Kürzung einer zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung zum Versorgungsausgleich gezahlten Versorgung des Ausgleichspflichtigen so lange, bis der Berechtigte Leistungen aus dem durchgeführten Versorgungsausgleich bezog (sog. Rentner- oder Pensionistenprivileg, auch: Rentner- und Pensionärsprivileg).

Das zum 1.9.2009 in Kraft getretene Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs hat das sog. Rentner- oder Pensionistenprivileg durch die Neufassung von § 101 Abs. 3 SGB VI und § 57 Abs. 1 BeamtVG abgeschafft (vgl. dazu Ruland, FamFR 2009, 37). Ein durchgeführter Versorgungsausgleich bewirkt daher nunmehr unmittelbar mit Rechtskraft eine Minderung der Rentenbezüge (vgl. § 101 Abs. 3 S. 1 SGB VI).

Zwischenzeitlich hat das BVerfG zur Abschaffung des Rentnerprivilegs beim Versorgungs­ausgleich Stellung genommen und die Abschaffung für verfassungsgemäß befunden (BVerfG NJW 2015, 686 f. = BeckRS 2015, 40526: frühere Rechtslage war verfassungsrechtlich vertretbar, aber nicht geboten).

2. Vertragliche Vereinbarung des „Rentnerprivilegs“?
Fraglich ist, ob die alte Rechtslage im Wege der Vereinbarung wiederhergestellt werden kann. Leider gibt es hierzu nach wie vor relativ wenig Literatur und keine Rechtsprechung. Zweifelhaft erscheint uns insbesondere ein „Aufschub“ des Versorgungsausgleichs, etwa in dem er auf den Eintritt des Rentenalters der Ehefrau aufschiebend bedingt wird oder dadurch, dass der ehevertragliche Verzicht auf den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich (jetzt: Wertausgleich bei der Scheidung) auflösend bedingt wird, z. B. auf den Umstand, dass auch die Ehefrau Ruhegehalt erhält.

Zwar kann im Grundsatz auch der Versorgungsausgleich bzw. der Verzicht auf den Versorgungsausgleich unter Bedingungen vereinbart werden, z. B. Verzicht auf den Versorgungsausgleich unter der auflösenden Bedingung, dass später gemeinsame Kinder geboren werden. Bei den insoweit vorgeschlagenen Bedingungen handelt es sich jedoch stets um Bedingungen, die in der Sphäre der beiden Ehegatten angesiedelt sind und die bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über den Versorgungsausgleich eingetreten sind (oder nicht). Bei der angedachten Konstruktion läge eine Vereinbarung vor, bei der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über die Scheidungsfolgesache Versorgungsausgleich im Scheidungsverbund nicht feststünde, ob der Wertausgleich tatsächlich einmal stattfindet oder nicht. Da jedoch der Wertausgleich u. E. nur zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts durchgeführt werden kann, nicht aber nach Rechtskraft der Scheidung, könnte eine derartige Vereinbarung wohl nur als Ausschluss des Wertausgleichs unter Vereinbarung eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs bei Eintritt bestimmter Bedingungen Bestand haben. Ein Ausweichen auf den sog. schuldrechtlichen Versorgungsausgleich (jetzt zutreffend „Ausgleich nach der Scheidung“ genannt) empfiehlt sich jedoch regelmäßig nicht, allein schon wegen des Risikos des Vorversterbens des Verpflichteten.

Auch die Literatur geht davon aus, dass Bedingungen für den sog. Wertausgleich bei der Scheidung nur zulässig sind, wenn die Bedingung bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich eintritt oder ausfällt (Grziwotz, in: Beck’sches Notarhandbuch, 7. Aufl. 2019, § 12 Rn. 141; Bergschneider, MittBayNot 1999, 144, 145). Zwar tritt die Rechtskraft der Entscheidung über den Wertausgleich bei der Scheidung nicht zwangsläufig mit der Rechtskraft der Scheidung ein, wenn die Versorgungsausgleichsfolgesache abgetrennt wurde (vgl. § 140 FamFG), doch eröffnet dies den Beteiligten noch nicht das Recht, über den Zeitpunkt der Rechtskraft zu disponieren. Insbesondere werden Verfahrensunterbrechungen in dem von Amts wegen durchzuführenden Versorgungsausgleichsverfahren soweit ersichtlich abgelehnt, wenn unabsehbar ist, ob und wann das Verfahren weiter zu betreiben sein könnte (OLG Oldenburg NJOZ 2005, 1582; OLG Celle FamRZ 2001, 1462; OLG Hamm FamRZ 2000, 673).

Doch selbst wenn man eine aufschiebende Bedingung über die Rechtskraft einer dann nur vorläufig verfahrensabschließenden Entscheidung hinaus entgegen der wohl h. M. für zulässig hielte, bliebe als weiteres Hindernis für die gewünschte Vereinbarung, dass es sich u. E. um einen „Vertrag zulasten Dritter“, nämlich des Versorgungsträgers, handeln würde. Ein solcher kann nach § 8 Abs. 2 VersAusglG nur mit Zustimmung des betreffenden Versorgungsträgers zulässigerweise geschlossen werden. Regelmäßig dürfte eine derartige Zustimmung ausscheiden. Ob im vorliegenden Fall der Versorgungsträger tatsächlich mit einer derartigen Vereinbarung einverstanden wäre – über die gesetzlichen Voraussetzungen des § 33 VersAusglG hinaus – dürfte aus unserer Sicht daher zweifelhaft sein.

3. Anwendungsbereich des § 33 VersAusglG
Das früher in § 5 VAHRG geregelte „Unterhaltsprivileg“ ist nunmehr im Gesetz nur noch in modifizierter Form in § 33 VersAusglG normiert. Die Vorschrift dient in erster Linie dem Schutz des Unterhaltsanspruchs: Es soll eine mit dem Versorgungsausgleich verbundene Verringerung der Leistungsfähigkeit des rentebeziehenden Unterhaltspflichtigen vermieden werden, bis der Unterhaltsberechtigte Leistungen aufgrund des Versorgungsausgleichs erhält, damit sich der Unterhaltsanspruch nicht vermindert (BeckOGK BGB/Maaß, Std.: 1.2.2021, § 33 VersAusglG Rn. 3). Die Vorschrift dient aber auch dem Schutz des Unterhaltspflichtigen vor einer auf den Versorgungsausgleich zurückzuführenden Beschränkung seiner Lebensführung (BeckOGK-BGB/Maaß, § 33 VersAusglG Rn. 4).

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 33 VersAusglG eng sind. Geregelt ist in Abs. 2 der Vorschrift ferner eine Bagatellgrenze, ab der eine Anpassung möglich ist. Schließlich ist die Anpassung auch in den Rechtsfolgen beschränkt (vgl. § 33 Abs. 3, 4 VersAusglG).

Für den vorliegenden Fall ist bedeutsam, dass die Aussetzung nach § 33 VersAusglG von vornherein nur in Betracht kommt, sofern ein in § 32 VersAusglG genanntes, der primären Altersversorgung zugehöriges Anrecht durch den Versorgungsausgleich gekürzt wurde (BeckOGK-BGB/Maaß, § 33 VersAusglG Rn. 10). Zu den der Anpassung unterliegenden Anrechten (vgl. § 32 VersAusglG) aus der primären Regelaltersversorgung gehören bspw. Rechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung, der Beamtenversorgung oder der berufsständischen Versorgung. Nicht hierzu zählen explizit private Anrechte oder solche aus betrieblicher Altersversorgung, wie sie hier im überwiegenden Umfang vorliegen (vgl. BeckOGK-BGB/Ackermann-Sprenger, Std.: 1.11.2020, § 10 VersAusglG Rn. 38). Da die Ungleichbehandlung vom Gesetzgeber gesehen und so gewollt gewesen sei (vgl. BT Drucks. 16/10144, S. 71), scheidet nach Ansicht der Literatur auch eine entsprechende Anwendung auf solche Anwartschaften aus (BeckOGK-BGB/Ackermann-Sprenger, § 10VersAusglG Rn. 38).

4. Gestaltungshinweise aus der Literatur
Abschließend seien noch Gestaltungshinweise aus der Literatur zur Lösung des Problems der sog. „phasenverschobenen“ Ehe erwähnt. Insoweit führt bspw. Grziwotz (in: Schnitzler, Münchener Anwaltshandbuch Familienrecht, 5. Aufl. 2020, § 24 Rn. 185) aus:

„Als Ausweg bleibt zum einen nur ein Verschieben der Scheidung, wenn kein Ehegatte erneut heiraten möchte, gegebenenfalls verbunden mit einer Vereinbarung, mit der die Trennungszeit vom Versorgungsausgleich ausgenommen wird. Denkbar ist zum anderen ein Ausweichen auf die schuldrechtliche Ausgleichsrente (§ 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 VersAusglG), und zwar auch bezüglich bestimmter Anrechte; ein wirksamer Hinterbliebenenschutz ist damit allerdings nicht möglich (§ 25 Abs. 2 VersAusglG), wenn nicht das entsprechende Versorgungswerk diesen vorsieht. Schließlich bleibt noch die Abfindung des jüngeren Ehegatten auf andere Weise, zB durch eine Immobilie oder eine Geldzahlung.“

Gutachten/Abruf-Nr:

179022

Erscheinungsdatum:

19.02.2021

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Versorgungsausgleich

Erschienen in:

DNotI-Report 2021, 27-29