17. April 2020
GmbHG § 29; BGB § 463; BauGB § 24

Vorkaufsfall bei Sachdividende in der GmbH

BauGB §§ 24 ff.; BGB § 463; GmbHG § 29
Vorkaufsfall bei Sachdividende in der GmbH

I. Sachverhalt
Ein Grundstück im Eigentum einer GmbH soll auf den Alleingesellschafter übertragen werden. Rechtsgrund soll die Gewinnausschüttung in Form einer Sachdividende sein. Die Satzung der GmbH enthält eine entsprechende Grundlage, auch ein korrespondierender Gesellschafterbeschluss ist gegeben.

II. Fragen
Hat die Gemeinde ein Vorkaufsrecht? Liegt evtl. ein Umgehungsgeschäft vor?

III. Zur Rechtslage
1. Voraussetzungen eines Vorkaufsfalls
Gem. § 28 Abs. 1 S. 2 BauGB darf das Grundbuchamt bei Kaufverträgen den Käufer erst dann als Eigentümer in das Grundbuch eintragen, wenn dem Amt die Nichtausübung oder das Nichtbestehen des gemeindlichen Vorkaufsrechts nachgewiesen wird. Voraussetzung eines solchen Vorkaufsrechts ist der Eintritt des Vorkaufsfalls, d. h. gem. § 24 Abs. 1 S. 1 BauGB der „Kauf eines Grundstücks“. Nach unbestrittener Auffassung ist die Entstehung des gemeindlichen Vorkaufsrechts also an den Abschluss eines (wirksamen) Kaufvertrags i. S. d. § 433 BGB gekoppelt; andere Verträge als Kaufverträge lösen dagegen das Vorkaufsrecht grundsätzlich nicht aus. So tritt etwa bei Tauschverträgen, Schenkungen und Einbringungsvorgängen der Vorkaufsfall nicht ein (Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 24 Rn. 16; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Std.: 8/2019, § 24 Rn. 50; Staudinger/Schermaier, BGB, 2013, § 463 Rn. 12 ff.).

Vorliegend wird der grundsätzlich auf Geld gerichtete Gewinnauszahlungsanspruch entsprechend dem Gewinnverwendungsbeschluss durch Übereignung des Grundstücks erfüllt (vgl. Baumbach/Hueck/Kersting, GmbHG, 22. Aufl. 2019, § 29 Rn. 55; speziell zur Ausschüttung von Sachwerten MünchKommGmbHG/Ekkenga, 3. Aufl. 2018, § 29 Rn. 127). Der Verpflichtung der Gesellschaft, das Grundstück zu übereignen, steht keine Kaufpreiszahlungspflicht i. S. v. § 433 Abs. 2 BGB gegenüber. Dem Alleingesellschafter steht vielmehr ein Anspruch auf Gewinnausschüttung zu, den die Gesellschaft – auf entsprechender Satzungs- und Beschlussgrundlage – durch Übertragung von Sachwerten erfüllt. Damit stellt die Ausschüttung von Sachwerten grundsätzlich keinen vorkaufsfallauslösenden Vertrag dar.

2. Umgehungsgeschäft
Wenn – wie im konkreten Fall – formal betrachtet kein Kaufvertrag gem. § 433 BGB vorliegt, dann lässt sich ein Vorkaufsfall i. S. v. § 24 Abs. 1 S. 1 BauGB, § 463 BGB u. U. gleichwohl unter dem Aspekt des Umgehungsgeschäfts annehmen. Ein Umgehungsgeschäft ist zu bejahen, wenn einem Geschäft, das normalerweise einen Vorkaufsfall darstellen würde, eine Gestalt gegeben wird, die eine Ausübung des Vorkaufsrechts verhindert (Staudinger/Schermaier, § 463 Rn. 27; MünchKommBGB/Westermann, 8. Aufl. 2019, § 463 Rn. 20). Derartige Verträge kommen wirtschaftlich einem Kauf i. S. d. § 463 BGB und § 24 BauGB so nahe, dass sie unter Berücksichtigung der Interessen des Vorkaufsberechtigten und des Vorkaufsverpflichteten einem Vorkaufsfall gleichgestellt werden können (Stock, § 24 Rn. 53). Als klassisches Beispiel wird in diesem Zusammenhang häufig der Fall genannt, dass die Vorkaufssache nicht verkauft, sondern gegen Wertpapiere eingetauscht wird, die sogleich zu Geld gemacht werden können (Stock, § 24 Rn. 53). Allein die theoretische Möglichkeit, dass die Gesellschaft das Grundstück an ihren Alleingesellschafter im Wege eines Kaufvertrags überträgt, dürfte jedoch für ein Umgehungsgeschäft nicht genügen. Folglich kommt die Grundstücksübertragung einem Verkauf an Dritte auch nicht wirtschaftlich nahe. Im Ergebnis fehlt es daher an Anhaltspunkten für ein Umgehungsgeschäft.

3. Verkauf an einen Dritten
Davon abgesehen nimmt man bei konzerninternen Veräußerungen und Veräußerungen an den Alleingesellschafter grundsätzlich keinen Verkauf an einen „Dritten“ an (Soergel/Wertenbruch, BGB, 13. Aufl. 2009, § 463 Rn 53 ff.; BeckOK-BGB/Faust, Std.: 1.2.2020, § 463 Rn. 25). Im konkreten Fall erwirbt der Alleingesellschafter der Veräußerin, sodass das gemeindliche Vorkaufsrecht bereits aus diesem Grund nicht entstehen dürfte.

4. Ergebnis
Unseres Erachtens kommt ein gemeindliches Vorkaufsrecht mangels Kaufvertrags nicht in Betracht. Es fehlt sowohl an einem synallagmatischen Austauschverhältnis zwischen Gesellschaft und Erwerber (Gesellschafter) als auch an einem Verkauf an einen Dritten.

Gutachten/Abruf-Nr:

174790

Erscheinungsdatum:

17.04.2020

Rechtsbezug

National

Erschienen in:

DNotI-Report 2020, 57-58

Normen in Titel:

GmbHG § 29; BGB § 463; BauGB § 24