09. Februar 2018
BGB § 184; BGB § 925 Abs. 2; BGB § 80; BGB § 311b; BGB § 81

Grundstückserwerb durch Stiftung vor Anerkennung; Auflassung vor Anerkennung; Existenz der Vorstiftung

DNotI Gutachten-Abruf-Dienst Deutsches Notarinstitut
Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 157604
letzte Aktualisierung: 9. Februar 2018

BGB §§ 80, 81, 311b, 925 Abs. 2, 184
Grundstückserwerb durch Stiftung vor Anerkennung; Auflassung vor Anerkennung; Existenz
der Vorstiftung

I. Sachverhalt
Eine gemeinnützige selbständige Stiftung will Teile ihres Immobilienvermögens auf eine neu zu
gründende, ebenfalls gemeinnützige und selbständige Stiftung übertragen. Im Hinblick auf den
beträchtlichen Wert der Immobilien ist der Stiftung daran gelegen, den Vertrag im Jahre 2017 zu
beurkunden, um in den Genuss der in Baden-Württemberg noch bestehenden Gebührenfreiheit
zu kommen.

Stiftungsgeschäft und Satzung wird man 2017 noch errichten können. Zweifelhaft ist allerdings,
ob die Stiftung und ihre Gemeinnützigkeit noch in diesem Jahr anerkannt werden wird.

II. Fragen
1. Ist eine Auflassung bereits vor Anerkennung der neuen Stiftung möglich, wenn für die neue
Stiftung ein vollmachtloser Vertreter handelt? Kann dieser Vertrag nach Anerkennung vom
Vorstand genehmigt und dadurch wirksam werden?

2. Wenn ja: Genügt es zum Nachweis des Bestehens der „Vorstiftung“ für den Vollzug im
Grundbuch, wenn das Stiftungsgeschäft mit Unterschriftsbeglaubigung versehen wird?

III. Zur Rechtslage
Wir setzen voraus, dass die Stiftungserrichtung mitsamt Vermögenszusage gemeinnützigkeitsrechtlich
zulässig ist.

1. „Vorstiftung“
Die Stiftung entsteht als Rechtsträger noch nicht mit dem Stiftungsgeschäft, sondern erst mit
Anerkennung durch die jeweilige Landesstiftungsbehörde, vgl. § 80 Abs. 1 BGB. Ob vor
diesem Zeitpunkt in Analogie zum übrigen Körperschaftsrecht bereits eine Vorstiftung als
selbständige Teilnehmerin am Rechtsverkehr anzuerkennen ist, erscheint noch nicht abschließend
geklärt. Die überwiegende Meinung spricht sich jedoch dagegen aus (s. nur
FG Baden-Württemberg DStRE 2012, 537; FG Schleswig-Holstein DStRE 2009, 1386;
BeckOK-BGB/Backert, Std.: 15.6.2017, § 80 Rn. 52; Staudinger/Hüttemann/Rawert, BGB,
Neubearb. 2017, § 80 Rn. 51; a. A. etwa LG Heidelberg NJW-RR 1991, 969;
Palandt/Ellenberger, BGB, 77. Aufl. 2018, § 80 Rn. 2; Schwake, in: Münchener Handbuch
des Gesellschaftsrechts, Bd. 5, 4. Aufl. 2016, § 84 Rn. 12). Dem hat sich in jüngerer Zeit
auch der BFH (DStRE 2015, 715, 720 Tz. 62) angeschlossen. Die Praxis sollte daher nicht
davon ausgehen, dass die Stiftung im Zeitraum vor Anerkennung als Rechtsträger (und
somit als potenzieller Beteiligter eines Grundstücksgeschäfts) existiert.

2. Auflassung vor Anerkennung und anschließende Genehmigung
Auch wenn man eine Vorstiftung verneint, ist evtl. ein Grundstücksgeschäft vor Anerkennung
der Stiftung möglich (allerdings nicht über § 84 BGB; dieser gilt zwar auch für
die Stiftung unter Lebenden, aber nur dann, wenn der Stifter vor Anerkennung der Stiftung
verstirbt, vgl. BeckOGK-BGB/Tolksdorf, Std.: 1.12.2017, § 84 Rn. 11; Palandt/Ellenberger,
§ 84 Rn. 1; Stumpf, in: Stumpf/Suerbaum/Schulte/Pauli, Stiftungsrecht, 2. Aufl. 2015, BGB
§ 84 Rn. 3; Staudinger/Hüttemann/Rawert, § 84 Rn. 3). Für die noch nicht existente Stiftung
könnte ein falsus procurator auftreten und die Stiftung könnte das Grundstücksgeschäft
nach Anerkennung durch ihren Vorstand genehmigen lassen (Genehmigungsfähigkeit soll
vom Einzelfall abhängen, vgl. Staudinger/Hüttemann/Rawert, § 84 Rn. 3). § 925
Abs. 2 BGB dürfte dann nicht entgegenstehen, wenn das Stiftungsgeschäft bereits errichtet,
die Anerkennung beantragt und die Entstehung der Stiftung allein von der Anerkennung abhängig
ist. Die Anerkennung könnte dann als bloße Rechtsbedingung verstanden werden (so
jetzt auch BeckOGK-BGB/J. Weber, Std.: 1.2.2018, § 925 Rn. 91.1; allg. zur Rechtsbedingung
BeckOGK-BGB/J. Weber, § 925 Rn. 89; zur vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung
OLG Celle DNotZ 1957, 660; anders dann, wenn der Rechtsträger noch überhaupt
nicht errichtet ist, vgl. BeckOGK-BGB/J. Weber, § 925 Rn. 91; s. auch BGH NJW
1952, 1330, der eine Rechtsbedingung annimmt, wenn unverheiratete Ehegatten in einem
Ehevertrag Errungenschaftsgemeinschaft vereinbart haben und bereits vor Eheschließung
ein Grundstück durch Auflassung zum Gesamtgut erwerben; dagegen BeckOGKBGB/
J. Weber, § 925 Rn. 89 f.). Dies ist aber noch nicht höchstrichterlich geklärt.

Eingetragen wird die Stiftung als Eigentümerin jedenfalls erst nach ihrer Anerkennung. Die
Frage, wie die Existenz der Stiftung dem Grundbuchamt vor diesem Zeitpunkt
nachgewiesen werden kann, erledigt sich damit im Übrigen.

Die Zulässigkeit der „Vorverlagerung“ der Veräußerung würde vorliegend dennoch nichts
nützen: Eine Genehmigung des vollmachtlos geschlossenen Vertrags hätte zwar grundsätzlich
Rückwirkung gem. § 184 Abs. 1 BGB, könnte daher die Veräußerung auf den ersten
Blick noch im Jahr 2017 wirksam werden lassen. Die Rückwirkung kann nach unserem Verständnis
jedoch nicht die Nichtexistenz der Stiftung im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts
überwinden: Existiert die Stiftung in diesem Zeitpunkt noch nicht, so setzt die
Rückwirkung erst im Zeitpunkt der Entstehung der Stiftung an (vgl. BeckOGKBGB/
Regenfus, Std.: 1.1.2018, § 184 Rn. 89; Muscheler, DNotZ 2003, 661, 666; allg. RGZ
65, 245, 248: Rückwirkung „hat nicht die Kraft, tatsächliche Unmöglichkeiten zu überwinden
und die Zeitrechnung umzustoßen“). Es erscheint also ausgeschlossen, das Grundstücksgeschäft
zu einem Zeitpunkt vor Anerkennung wirksam werden zu lassen.

Gutachten/Abruf-Nr:

157604

Erscheinungsdatum:

09.02.2018

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Stiftung
Sachenrecht allgemein
Allgemeines Schuldrecht
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung

Normen in Titel:

BGB § 184; BGB § 925 Abs. 2; BGB § 80; BGB § 311b; BGB § 81