16. Juli 2020
BGB § 463; BGB § 1821; BGB § 1094

Dingliches Vorkaufsrecht; betreuungsgerichtliche Genehmigung für Zweitkaufvertrag und dingliches Rechtsgeschäft; Tod des Betreuten

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
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letzte Aktualisierung: 1 6 . Juli 2020

BGB §§ 1821, 1094, 463 f.
Dingliches Vorkaufsrecht; betreuungsgerichtliche Genehmigung für Zweitkaufvertrag
und dingliches Rechtsgeschäft; Tod des Betreuten

I. Sachverhalt

Der unter Betreuung stehende Verkäufer hat sein Grundstück verkauft. Auf dem Grundstück
lastet ein dingliches Vorkaufsrecht. Das Betreuungsgericht hat den Vertrag mit dem Erstkäufer
genehmigt. Danach hat der Vorkaufsberechtigte sein Vorkaufsrecht fristgerecht ausgeübt. Nach
herrschender Ansicht müsste der Kaufvertrag mit dem Vorkaufsberechtigten ebenfalls vom Betreuungsgericht
genehmigt werden (vgl. z. B. Hertel, in: Würzburger Notarhandbuch, 5. Aufl.
2018, Teil 2 Kap. 8 Rn. 174).

II. Fragen

1. Wie ist die Rechtslage, wenn der Betreute nunmehr verstirbt?

2. Gibt es einen Unterschied, wenn der Tod vor der Beurkundung der Auflassung mit dem
Vorkaufsberechtigten eintritt oder danach?

III. Zur Rechtslage

1. Grundsätzlich gehen wir im Falle einer Betreuung davon aus (vgl. hierzu bereits DNotIInternetgutachten
Nr. 136281 vom August 2014), dass der durch Ausübung des Vorkaufsrechts
zustande gekommene Kaufvertrag selbst keiner betreuungsgerichtlichen Genehmigung
bedarf; es fehlt nämlich schlichtweg am Handeln eines Betreuers, kommt der
Zweitkaufvertrag doch bereits mit Ausübungserklärung durch den Vorkaufsberechtigten
zustande (§ 1098 Abs. 1. S. 1 i. V. m. § 464 Abs. 2 BGB).

Sowohl in Ansehung der regelmäßig vorgenommenen Modifikationen des Kaufvertrags
zwischen Verkäufer und Vorkaufsberechtigtem (§ 1821 Abs. 1 Nr. 4 BGB) als auch in Ansehung
der abzugebenden Auflassungserklärung ggü. dem Vorkaufsberechtigten (§ 1821
Abs. 1 Nr. 1 BGB) dürfte jedoch eine Genehmigungspflicht für einen in Vollzug der
Ausübung des Vorkaufsrechts geschlossenen Vertrag sowie für die noch erforderliche Auflassung
gelten.

2. Der unter Betreuung Stehende bedarf sowohl für die Modifikation des schuldrechtlichen
Kaufvertrages als auch für die Auflassung hinsichtlich des Grundbesitzes der betreuungs-
gerichtlichen Genehmigung nach §§ 1908i Abs. 1 S. 1, 1821 Abs. 1 Nr. 1, 4 BGB. Schließt
der Betreuer vorerst ohne die Genehmigung des Betreuungsgerichts ein genehmigungspflichtiges
Rechtsgeschäft für den Betreuten, muss dieses nachträglich vom Gericht genehmigt
werden (§§ 1908i Abs. 1 S. 1, 1829 Abs. 1 S. 1 BGB). Wirksam wird das Rechtsgeschäft
in diesem Fall gem. §§ 1908i Abs. 1 S. 1, 1829 Abs. 1 S. 2 BGB, wenn die gerichtliche
Genehmigung dem anderen Teil durch den Betreuer mitgeteilt worden ist.

Stirbt nun der Betreute während des laufenden Genehmigungsverfahrens, nämlich noch vor
Eintritt der Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts durch Mitteilung an den Vertragspartner, so
endet mit dem Tod des Betreuten die dem Betreuer eingeräumte Vertretungsmacht. Nach
ständiger Rechtsprechung ist nach dem Tod des Betreuten auch kein Raum mehr für die
Erteilung oder Verweigerung der betreuungsgerichtlichen Genehmigung (KG OLGE 4,
416, 417; KG JW 1938, 2142; BayObLGZ 1964, 350, 351 = NJW 1965, 397;
OLG Frankfurt Rpfleger 1978, 99). Es tritt vielmehr in entsprechender Anwendung des
§ 1829 Abs. 3 BGB die Genehmigung der Erben des Betreuten an die Stelle der Genehmigung
des Betreuungsgerichtes (KG OLGE 4, 416, 417; KG JW 1938, 2142;
BayObLG NJW 1965, 397; Palandt/Götz, BGB, 79. Aufl. 2020, § 1829 Rn. 7 m. w. N.).

3. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies:

Stirbt der Betreute vor der Modifikation des Kaufvertrages und Erklärung der Auflassung
durch den Betreuer, so können die diesbezüglichen Erklärungen nur die Gesamtrechtsnachfolger
der verstorbenen Betreuten abgeben. Die Vertretungsmacht des Betreuers hat
geendet. Freilich bleiben die Gesamtrechtsnachfolger an den durch die Vorkaufsrechtausübung
zustande gekommenen Zweitkaufvertrag gebunden; ggf. sind die Erben auf Abgabe
einer Auflassungserklärung zu verklagen. Ein Anspruch auf Anpassung des schuldrechtlichen
Vertrags kann sich allenfalls aus Rücksichtnahmepflichten i. S. d. § 241 Abs. 2
BGB ergeben.

Stirbt der Betreute nach Vornahme dieser rechtsgeschäftlichen Erklärungen (Kaufvertragsmodifikation,
Auflassung), so sind diese in entsprechender Anwendung des § 1829 Abs. 3
BGB bis zur Genehmigung durch die Erben des Betreuten anstelle des Betreuungsgerichtes
schwebend unwirksam. Die Erben können analog § 1829 Abs. 2 BGB den schwebend
unwirksamen Vertrag durch Erklärung gegenüber dem Vertragspartner genehmigen oder
seine Genehmigung verweigern (MünchKommBGB/Kroll-Ludwigs, 8. Aufl. 2020, § 1829
Rn. 34). Insoweit würde diese den Erben aber keinen signifikanten Vorteil bringen, außer
dass sie sich ggf. nicht an die im schuldrechtlichen Rechtsgeschäft vereinbarten Anpassungen
halten müssten. Denn zur Auflassung kann sie der Vorkaufsberechtigte schon kraft des
wirksam zustande gekommenen Zweitkaufvertrags verklagen.

Gutachten/Abruf-Nr:

176198

Erscheinungsdatum:

16.07.2020

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Dingliches Vorkaufsrecht
Vorkaufsrecht schuldrechtlich, Wiederkauf

Normen in Titel:

BGB § 463; BGB § 1821; BGB § 1094