01. Januar 2003
EGBGB Art. 62; GrdstVG § 39 Abs. 3

Anerbenrecht und Rentengüter in den neuen Bundesländern (Sachsen-Anhalt)

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Dokumentnummer: letzte Aktualisierung:

1291 23.9.2003

EGBGB Art. 62, 64; Kontrollratsgesetz Nr. 45; GrdstVG § 39 Abs. 3 Anerbenrecht und Rentengüter in den neuen Bundesländern (Sachsen-Anhalt)

1.

Sachverhalt

Im Grundbuch eines in Sachsen-Anhalt belegenen Grundstücks ist folgender Vermerk eingetragen: ,,Der Grundbesitz bildet ein Rentengut i. S. d. Gesetzes vom 07.07.1891 und ist ein Anerbenrecht gemäß Gesetz v. 08.06.1896. Aufgrund von §§ 6, 11 und 16 IV Nr. 1 des Rezesses v. 2.2.1911 eingetragen." II. Fragen 1. 2. Kann das Recht wegen Gegenstandslosigkeit gelöscht werden? Falls eine solche Löschung nicht möglich sein sollte: Wer ist ggf. für die Erteilung der Löschungsbewilligung zuständig?

III. Zur Rechtslage 1. Grundbuchlöschung wegen Gegenstandslosigkeit Nach § 84 Abs. 2a GBO ist eine Eintragung u. a. gegenstandslos, wenn das Recht, auf dass sie sich bezieht, nicht besteht und seine Entstehung ausgeschlossen ist. Diese Gegenstandslosigkeit aus rechtlichen Gründen ist ­ was aus dem Gesetzeswortlaut nicht ohne weiteres hervorgeht - auch dann gegeben, wenn Rechte zwar entstanden, aber später wieder erloschen sind. Dieses Erlöschen kann auf Rechtsvorgängen außerhalb des Grundbuchs oder auch auf eine Änderung der Gesetzgebung beruhen (Demharter, GBO, 24. Aufl. 2002, § 84 GBO Rn. 4 ff., 6 ff.; Meikel/Ebeling, GBO, Band 4, 8. Aufl. 1997, § 84 GBO Rn. 9). Hier kommt eine Aufhebung der eingetragenen Verfügungsbeschränkungen aufgrund gesetzlicher Anordnung in Betracht. 2. Rentengut a) Hier wurde zunächst ein Rentengutsvermerk aufgrund des preußischen Gesetzes v. 07.07.1891, betreffs die Beförderung der Errichtung von Rentengütern v. 07.07.1891 (GS 279) eingetragen. Unter Rentengut war in der preußischen Gesetzgebung ein Grundstück zu verstehen, das nicht gegen eine Kapitalzahlung, sondern gegen Entrichtung einer festen, fortlaufenden zu zahlenden Rente zu Eigentum übertragen wurde (Legaldefinition: § 1 Abs. 1 des preuß. Gesetzes über Rentengüter v. 27.6.1890). Diese sog. ,,Rentengutsrente oder Kaufrente" hatte die Rechtsnatur einer Reallast (RGZ 121, 190). Seit 1890 war die Errichtung von Rentengütern in ganz Preußen gestattet und

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Seite 2 diente allgemein dem Zweck, die Bildung und Erhaltung eines bäuerlichen Mittelstandes und die Sesshaftmachung ländlicher Arbeiter zu fördern (so Güthe, GBO für das Deutsche Reich und die preuß ischen Ausführungsbestimmungen, 3. Aufl. 1913, 1361). ,,Rezeß" bezeichnet die Auseinandersetzung eines Rentengutes, bei der dem Eigentümer wohl Land in Form von Rentengut zugesprochen wurde. b) Das die Grundlage der Eintragung bildende preußische Gesetz war jedoch bereits mit Wirkung zum 01.02.1928 durch § 42 Abs. 1 des preußischen Landesrentenbankgesetzes v. 29.12.1927 grundsätzlich aufgehoben worden. Seine Vorschriften galten lediglich für solche Rentengüter weiter, die aufgrund dieses Gesetzes mit Rentenbankrenten belastet waren (§ 42 Abs. 2 preußisches Landesrentenbankgesetz; zum Ganzen Staudinger/Kriegbaum, 12. Aufl. 1985, Art. 62 EGBGB Rn. 7 am Ende, 8; Meikel/Imhof/Riegel, Grundbuchrecht, 6. Aufl. 1970, Band III, § 117 GBO Rn. 10). Diese Rentenbankrenten knüpften an die Möglichkeit an, die begründete Rentengutsrente unter im einzelnen unterschiedlichen Voraussetzungen auf Antrag eines oder beider Beteiligter durch Vermittlung der Landesrentenbank abzulösen. Als Gegenleistung für diese Re ntenübernahme durch die Landesrentenbank hatte der Begünstigte vom Zeitpunkt der Übernahme an eine Landesrentenbankrente an die Landesrentenbank zu entrichten (vgl. § 1 des Ges. vom 7.7.1891, §§ 5, 8, 11, 14 ff, 16 Ges. vom 29.12.1927). Nach § 43 des Landesrentenbankgesetzes v. 1927 galt das Anerbenrecht aufgrund des Gesetzes vom 8.6.1896 auch für derart mit Rentenbankrenten belastete Rentengüter. Für die Eintragung einer solchen Landesrentenbankrente (hierzu Meikel/Imhof/Riegel, a. a. O.) vermögen wir dem Eintragungsve rmerk jedoch nichts zu entnehmen. c) Auch wenn eine Landesrentenbankrente begründet worden sein sollte, wäre jedoch die darüber hinausgehende allgemeine Aufhebung der Rentengüter mit Gesetz Nr. 45 des Kontrollrates vom 20.02.1947 zu beachten (Text in Lange/Wulf/Lüdtke-Handjery, HöfeO, 9. Aufl. 1991, 415 ­ 416). Nach Art. III Nr. 2 wurden alle bisher in der Rechtsform einer besonderen Güterart besessenen land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke freies, den allgemeinen Gesetzen unterworfenes Grundeigentum. Damit war auch die Rechtsform des Rentengutes angesprochen. Eine Aufrechterhaltung des früheren Rechtszustandes über Art. II des genannten Gesetzes kommt für das hier einschlägige Gesetz vom 07.07.1891 nicht in Betracht. Denn es war zum 01.01.1933 bereits außer Kraft getreten und betraf auch nicht die ,,Vererbung von Liegenschaften durch gesetzliche Erbfolge oder Verfügung von Todes wegen". Daher ist der Rentengutsvermerk aufgrund nachträglicher gesetzlicher Aufhebung nach unserer Einschätzung gegenstandslos. Einer Löschung nach § 84 Abs. 2a GBO steht insoweit nichts entgegen. 3. Anerbengut a) Wechselvoller ist demgegenüber die Geschichte des preußischen Anerbengesetzes vom 08.06.1896 (GS 124; 31.07.1931 GS 148; Meikel/Imhof/Riegel, a. a. O., § 117 GBO Rn. 18). Die Eintragung des Anerbengutsvermerks beruht offenbar auf dessen § 1 Nr. 1, wonach u. a. gewisse Rentengüter aufgrund des Ges. vom 7.7.1891 zugleich durch Eintragung der Anerbengutseigenschaft im Grundbuch zu Anerbengütern wurden.

Seite 3 b) § 58 des preußischen Gesetzes über das bäuerliche Erbhofrecht v. 15.05.1933 (GS 165) ließ das Gesetz v. 08.06.1896 zunächst unangetastet. § 60 des Reichserbhofgesetzes v. 29.09.1933 (RGBl. I, 685) ließ die landesgesetzlichen Vorschriften über das Anerbenrecht bei den aufgrund der Gesetze über Auflösung der Fideikommisse gebildeten Gütern sowie bei Erbpachtgütern nur noch insoweit unberührt, als diese Güter nicht Erbhof werden. Noch weiter schränkte § 46 Abs. 1 der Erbhofrechtsverordnung v. 21.12.1936 (RGBl. 1936 I, 1069) die Landesgesetzgebung ein: Die landesgesetzlichen Vorschriften über das Anerbenrecht bei Rentengütern und preußischen Ansiedlungsgütern blieben nur noch für solche Güter unberührt, die nicht Erbhof werden und deren Größe 125 Hektar nicht überschritt. Nach §§ 1 ff. Reichserbhofgesetz wurde land- oder forstwirtschaftlich genutztes Grundeigentum Erbhof, wenn es mindestens die Größe einer Ackernahrung, höchstens aber 125 Hektar ausmachte und sich im Alleineigentum einer bauernfähigen Person befand. Da das Grundeigentum hiernach vermutlich Erbhof wurde , hoben die zitierten Vorschriften insoweit das preußische Gesetz v. 08.06.1896 auf (Überblick: Staudinger/Gramm, 10. Aufl. 1939, Art. 64 EGBGB Rn. 1 ff., 8). c) Das am 01.01.1933 noch in Kraft befindliche preußische Anerbengesetz v. 08.06.1896, welches durch das Reichserbhofgesetz weitgehend aufgehoben wurde, wurde jedoch durch Art. II des zitieren Gesetzes Nr. 45 des Kontrollrates wieder in Kraft gesetzt. Ob diese Wiederherstellung des zum 01.01.1933 geltenden Rechtszustandes aufgrund des Kontrollratsgesetzes Nr. 45 auch das Gebiet der ehemaligen DDR erfasste, wird in der Literatur freilich nach wie vor unterschiedlich beurteil (vgl. Wöhrmann/Stöcker, Das Landwirtschaftserbrecht, 7. Aufl., Einl. Rn. 42; Bendel, Agrarrecht 1991, 1, 2 ff.; Schäfer NotBZ 1998, 139 ff.). Aus dem Wortlaut des noch aus der Zeit vor Gründung der DDR datierenden und damit grundsätzlich auch die sowjetische Besatzungszone erfassenden Kontrollratsgesetzes war freilich nicht begründbar, warum die zum 1.1.1933 bestehenden Anerbengesetze nicht zunächst auch in der späteren DDR wieder in Geltung sein sollten. Es ging nach den Äußerungen in der angeführten Literatur anscheinend eher darum, dass die dortigen Behörden diese Gesetze faktisch unangewendet ließen, da sie sich schlecht mit dem dort neu errichteten politischen System vertrugen (vgl. auch Thür. OLG OLG-NL 1997, 153/155). Freilich muss zu einem unsicheren späteren Zeitpunkt für das Gebiet der ehemaligen DDR vom Außerkrafttreten des KRG Nr. 45 und damit auch der etwa noch in Kraft befindlichen Anerbengesetze ausgegangen werden. Dieser Zeitpunkt wird teilweise schon auf das Inkrafttreten der Verfassung der DDR am 7.10.1949 angesetzt (dazu tendierend Thür. OLG OLG-NL 1997, 153, 155 m. w. N.; Adlerstein/Desch DtZ 1991, 200). Teilweise wird jedenfalls hilfsweise auf das Datum des Abschlusses des Staatsvertrages zwischen der DDR und der UdSSR am 20.9.1955 abgestellt, wonach eine Regierungserklärung der UdSSR (!) das KRG Nr. 45 und damit verbunden das etwa noch fortgeltende Anerbenrecht für die DDR aufhob (so ebenfalls Thür. OLG m. w. N.). Spätestens wird ein Außerkrafttreten mit Erlass des Rechtsanwendungsgesetzes (RAG) vom 5.12.1975 (OLG Celle VIZ 1996, 52/53) bzw. mit Inkrafttreten des DDR-ZGB am 1.1.1976 angenommen, wofür unterstützend § 15 Abs. 2 EGZGB herangezogen wurde (OLG Celle, a. a. O. zum Ganzen Palandt/Bassenge, BGB, 62. Aufl. 2003, Art. 64 EGBGB Rn 3 ff, 8). d) Jedenfalls nach dem 02.10.1990 gilt jedoch das ehemals westdeutsche Recht auch in der vormaligen DDR. Damit ist auch § 39 Abs. 3 Satz 2 GrdStVG anzuwenden, wonach

Seite 4 die Fortgeltung solcher Vorschriften unberührt bleibt, die durch Art. II des Kontrollratsgesetzes Nr. 45 wieder in Kraft gesetzt wurden (so Schäfer, NotBZ 1998, 139/141). Bei wortlautgetreuer Auslegung setzte Art. II des genannten Kontrollratsgesetzes aber auch ­ wie gezeigt ­ das preußische Gesetz v. 08.06.1896 wieder in Kraft. e) Dies würde an sich dazu führen, dass die mit Gesetz v. 08.06.1896 begründete Anerbengutseigenschaft fortdauert und folglich eine Löschung des ,,Anerbenvermerks" wegen Gegenstandslosigkeit nicht in Betracht käme. Dann wäre eine Löschungsbewilligung erforderlich, die nach § 5 des genannten Gesetzes vormals auf Ersuchen der Generalkommission erfolgte. Dieses Ersuchen wurde aufgrund Anhörung des Eigentümers nur dann gestellt, wenn das Gut die wirtschaftliche Selbständigkeit verloren hatte oder der Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Selbständigkeit überwiegende gemeinwir tschaftliche Interessen entgegenstehen. Jedoch sind die Besonderheiten bei der Begründung der Anerbengutseigenschaft aufgrund dieses Gesetzes zu beachten. Nach § 1 des Gesetzes wurden Rentengüter oder Ansiedlerstellen zu Anerbengütern. Die in §§ 6 ff. des Gesetzes gegebenen Beschränkungen für die lebzeitige oder testamentarische Verfügung über das Anerbengut bauten also auf seiner Eigenschaft als Rentengut auf. Anders als nach der noch heute in Nordwestdeutschland geltenden HöfeO (§ 1 Abs. 1) wurde die Sondererbfolge also nicht allein an die Eigenschaft als land- oder forstwirtschaftliche Besitzung geknüpft. Die nach dem Gesetz v. 08.06.1896 als Basis für die Anerbengutseigenschaft zugrunde gelegte Eigenschaft als Rentengut oder Ansiedlerstelle wurde jedoch ­ wie gesagt - spätestens durch Art. III Nr. 2 des Kontrollratsgesetzes Nr. 45 v. 20.02.1947 hinfällig, welches u. a. auch die vormaligen Renten und Ansiedlungsgüter zu freiem Grundeigentum erklärte. Wir gehen daher davon aus, dass mit diesem Wegfall der gesetzlichen Voraussetzungen auch die so begründete Eigenschaft als Anerbengut wegfiel. Daher kann auch der Anerbenvermerk aufgrund nachträglicher gesetzlicher Aufhebung im Grundbuch als gegenstandslos gelöscht werden.

Gutachten/Abruf-Nr:

1291

Erscheinungsdatum:

01.01.2003

Rechtsbezug

National

Normen in Titel:

EGBGB Art. 62; GrdstVG § 39 Abs. 3