17. Juni 2022

Verwendung der Bezeichnung „UR-Nr.“ statt „UVZ-Nr.“; Prüfungsbefugnis des Grundbuchamts

NotAktVV § 3
Verwendung der Bezeichnung „UR-Nr.“ statt „UVZ-Nr.“; Prüfungsbefugnis des Grundbuchamts

I. Sachverhalt
Im Januar 2022 wurde ein Kaufvertrag über Wohnungseigentum und zur Finanzierung des Kaufpreises eine Grundschuld beurkundet. Am 19.1.2022 wurde die Eintragung der Auflassungsvormerkung und der Grundschuld beantragt. Die Urkunden tragen – versehentlich – noch eine Urkundenrollennummer statt einer Urkundenverzeichnisnummer. Das Grundbuchamt lehnt die Eintragung ab, da die Urkunden eine UR- und keine UVZ-Nummer aufweisen und bittet um beglaubigte Abschriften mit UVZ-Nummer.

II. Frage
Darf das Grundbuchamt mit dieser Begründung die Eintragung verweigern?

III. Zur Rechtslage
Das BeurkG selbst enthält keine Regelungen über die äußere Form einer notariellen Niederschrift. Diese waren bislang vielmehr in den §§ 28-31 DONot enthalten. Nach § 28 Abs. 2 DONot hatte die Notarin bzw. der Notar auf der Urschrift jeder Urkunde sowie auf jeder Ausfertigung oder Abschrift die Nummer der Urkundenrolle und die Jahreszahl anzugeben. Seit dem 1.1.2022 ist diese Vorschrift abgelöst durch § 3 NotAktVV, wobei § 28 Abs. 2 DONot bis auf eine grammatikalische Verbesserung wörtlich in § 3 Abs. 3 NotAktVV aufgegangen ist. Es fragt sich, welche Rechtsfolge ein Verstoß gegen diese Vorschrift nach sich zieht.

Im Geltungsbereich der DONot war sogar ein völliges Fehlen der Urkundennummer auf einer Ausfertigung unbeachtlich. Nach allgemeiner Ansicht war die DONot weder Gesetz noch Rechtsverordnung, sondern lediglich Verwaltungsvorschrift (vgl. BGH DNotZ 1980, 181, 182; DNotZ 1972, 551, 552; Eickelberg, in: Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG/DONot, 8. Aufl. 2020, Vorbem. zu §§ 1-34 DONot Rn. 45). Dabei war die DONot keine Verwaltungsvorschrift des Bundes, sondern der einzelnen Bundesländer, welche die DONot alle fast gleichlautend erlassen haben. Aus der Rechtsnatur der DONot als reiner Verwaltungsanordnung ergab sich, dass die Nichtbeachtung der Regeln der DONot für die Gültigkeit des notariellen Amtsgeschäfts ohne Bedeutung war (vgl. BGH NJW 1960, 2336; Eickelberg, Rn. 22). Verstöße gegen die DONot führten also weder zur Unwirksamkeit einer notariellen Urkunde noch beeinträchtigten sie ihren Beweiswert. Insbesondere durfte kein Gericht und kein Grundbuchamt den Beweiswert einer notariellen Urkunde allein wegen des Verstoßes gegen die DONot verneinen (Eickelberg, Rn. 45). Lediglich der Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften, namentlich gegen das BeurkG, kann derart einschneidende Konsequenzen haben (Kanzleiter, DNotZ 1972, 519, 523; Eickelberg, Rn. 45).

Es erscheint fraglich, ob sich die Rechtslage durch das Inkrafttreten der NotAktVV verändert hat. Neu ist insofern die Änderung der Rechtsqualität von einer reinen Verwaltungsvorschrift hin zu einer Verordnung des Bundes (Weingärtner, DONot/NotAktVV, 14. Aufl. 2021, § 3 NotAktVV Rn. 2). Es ließe sich somit erwägen, dass ein Verstoß nunmehr einen „äußeren Mangel“ der Urkunde darstellt und somit ihre Beweiskraft beeinträchtigt, § 419 ZPO. Ein Gericht könnte die Beweiskraft dann grundsätzlich nach freier Überzeugung würdigen. Betroffen ist davon die Beweiskraft der gesamten Urkunde und nicht nur die der fehlerhaften Teile (Berger, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2015, § 419 Rn. 1). Im Grundbuchverfahren wird teilweise sogar die weitergehende Konsequenz gezogen, dass eine äußerlich mangelhafte Urkunde insgesamt unbrauchbar ist (Meikel/Böttcher, GBO, 12. Aufl. 2021, § 29 Rn. 567).
Gleichwohl bestehen Zweifel, ob mit der Einführung der NotAktVV derartige Rechtsfolgen einhergehen. Zu berücksichtigen ist etwa, dass die Gesetzgebungsmaterialien bei Einführung der Ermächtigungstatbestände in § 36 BNotO und § 59 BeurkG keinen Rückschluss darauf zulassen, dass mit der Verlagerung auf Bundesebene eine Änderung der Rechtslage verbunden sein sollte.

Nach unserer Auffassung verbleibt es bei der unter alter Rechtslage anerkannten Unbeachtlichkeit von Verstößen für die Wirksamkeit von notariellen Urkunden. Die Verordnungsermächtigung für die Regelungen zu Akten und Verzeichnissen und damit § 3 NotAktVV ergibt sich aus § 36 BNotO. Die BNotO regelt notarielles Berufsrecht und stellt damit keine Anforderungen an die Wirksamkeit einer notariellen Urkunde. Entsprechende Regelungen finden sich vielmehr im BeurkG. In dieses wurde die Ermächtigungsgrundlage aber gerade – und sachgerechterweise – nicht aufgenommen. Die Vergabe einer Urkundenverzeichnisnummer ist nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit einer notariellen Urkunde. Die Urkundenverzeichnisnummer ist noch nicht einmal Inhalt der notariellen Urkunde, wie ihre Vergabe zeitlich nach Abschluss des Beurkundungsvorgangs verdeutlicht. Die Nummerierung dient lediglich der leichteren „Identifizierung“ der notariellen Urkunde, ist also deren „Bezeichnung“. Es entspricht aber bereits der Denklogik, dass die Bezeichnung eines Gegenstandes etwas anderes ist als der bezeichnete Gegenstand (hier: die notarielle Urkunde) selbst. Vor dem Hintergrund, dass die Urkundenverzeichnisnummer kein Inhalt der notariellen Urkunde ist, kann ihr Fehlen keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit oder die Beweiskraft der notariellen Urkunde haben.

Nur im Einzelfall wird die Urkundenverzeichnisnummer zugleich Inhalt einer Urkunde, etwa bei einer entsprechenden Bezugnahme, vgl. § 13a BeurkG. Auch dann ist u. E. eine Bezeichnung als „UR-Nr.“ aber unschädlich, denn es sprechen noch weitere Gründe gegen die Auffassung des Grundbuchamts, jedenfalls wenn die relevante Urkunde eine Nummernbezeichnung erhält und lediglich eine dem Grundbuchamt nicht tauglich erscheinende Abkürzung zur Bezeichnung der Urkundenverzeichnisnummer verwandt wurde. So besteht jedenfalls nach den einschlägigen Dienstvorschriften keine Pflicht, die Urkundenverzeichnisnummer mit einer bestimmten Abkürzung zu versehen. § 8 Abs. 1 S. 2 NotAktVV sieht lediglich vor, dass Eintragungen im Urkundenverzeichnis mit fortlaufenden Nummern zu versehen seien. Dies enthält – soweit ersichtlich – keine Regelungsaussage dazu, ob der Begriff „Urkundenverzeichnisnummer“ zur Kennzeichnung der individuellen Urkunde zu verwenden ist und ob dieser Begriff abgekürzt werden darf und, falls ja, wie. Auch § 44 Abs. 2 S. 2 GBO enthält keine näheren Vorgaben dazu, ob der Begriff „Urkundenverzeichnisnummer“ ausgeschrieben oder abgekürzt in die Grundbucheintragung aufzunehmen ist. Vielmehr enthält er insofern lediglich die Soll-Vorgabe, dass die Nummer der Urkunde bei einer Bezugnahme genannt werden soll. Auch in der einschlägigen Kommentarliteratur zu § 44 Abs. 2 S. 2 GBO konnten wir keine Stellungnahmen finden, die über die Angabe der „Urkundennummer“ hinausgehende Vorgaben für die Bezeichnung als „Urkundenverzeichnisnummer“ o. ä. verlangen würden. Zudem spricht auch die Gesetzesfassung des § 44 Abs. 2 S. 2 GBO gegen eine solche Vorgabe, da dort noch von „Urkundenrolle“ gesprochen wird und daher kein Bezug zur Neufassung der NotAktVV besteht. Auch nach Sinn und Zweck von § 44 Abs. 2 S. 2 GBO sehen wir keinen Anlass, davon auszugehen, dass eine im speziellen Kontext allgemein verständliche Abkürzung wie „U-Nr.“ oder letztlich auch „UR-Nr.“ unzulässig wären, soweit die Abkürzung – wie hier – objektiv verständlich ist.

Als Ergebnis ist festzuhalten: § 3 NotAktVV stellt eine ausschließlich berufsrechtliche Regelung dar. Dem Grundbuchamt steht kein Beanstandungsrecht hinsichtlich einer insofern verwendeten Abkürzung zu. Wir gehen also davon aus, dass die Verweigerung des Grundbuchamtes zu Unrecht erfolgt.

Gutachten/Abruf-Nr:

190562

Erscheinungsdatum:

17.06.2022

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Grundbuchrecht

Erschienen in:

DNotI-Report 2022, 92-93