11. Juni 2021
FamFG § 344 Abs. 7; BGB § 1945

Beurkundung der Erbausschlagung; Übermittlung einer Ausfertigung an das Nachlassgericht

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 183783
letzte Aktualisierung: 11. Juni 2021

BGB § 1945; FamFG § 344 Abs. 7
Beurkundung der Erbausschlagung; Übermittlung einer Ausfertigung an das Nachlassgericht

I. Sachverhalt

Eine beurkundete – nicht nur unterschriftsbeglaubigte – Ausschlagungserklärung wurde in Ausfertigung
beim zuständigen Nachlassgericht eingereicht. Dieses fordert nun die Einreichung der
Urschrift der Urkunde, da andernfalls die Einhaltung der Ausschlagungsfrist nicht gewahrt sei.
Das Nachlassgericht verweist insoweit auf einen Beschluss des OLG Celle (FGPrax 2010, 192).

§ 344 Abs. 7 FamFG sehe vor, dass die Niederschrift in Urschrift auszuhändigen ist. Das
FamFG sei insoweit vorrangig vor den Vorgaben des Beurkundungsgesetzes, insbes. § 45
BeurkG.

II. Frage

Muss die Urkunde dem Nachlassgericht in Urschrift ausgehändigt werden?

III. Zur Rechtslage

1. Formbedürftigkeit der Abgabe der Ausschlagungserklärung

Die Ausschlagungserklärung selbst ist zur Niederschrift des Nachlassgerichts oder in öffentlich
beglaubigter Form abzugeben (§ 1945 Abs. 1 HS. 2 BGB). Die notarielle Beglaubigung
muss den Voraussetzungen des § 129 BGB entsprechen. Eine – wie im vorliegenden Fall –
notarielle Beurkundung genügt gem. § 129 Abs. 2 BGB den Anforderungen dabei erst
recht (OLG Saarbrücken BeckRS 2011, 18369).

2. Formbedürftigkeit des Zugangs der Ausschlagungserklärung

Gemäß § 130 Abs. 3, Abs. 1 S. 1 BGB muss die Ausschlagungserklärung zu ihrer Wirksamkeit
dem Nachlassgericht innerhalb der Ausschlagungsfrist zugehen. Bedarf eine Willenserklärung
zu ihrer Wirksamkeit einer bestimmten Form, muss die Erklärung dem Empfänger
auch in dieser Form zugehen (BeckOGK-BGB/Gomille, Std.: 1.4.2020, § 130 Rn. 90
m. w. N.). Die Ausschlagungserklärung muss das zuständige Nachlassgericht daher in
öffentlich beglaubigter Form erhalten, sofern nicht die Ausschlagungserklärung zur Niederschrift
des Nachlassgerichts abgegeben wird. Die Zusendung einer einfachen Kopie oder
einer beglaubigten Abschrift genügt folglich nicht (BayObLGZ 1992, 64, 70 =
MittBayNot 1992, 281; OLG Celle FGPrax 2010, 192; Palandt/Weidlich, BGB,
80. Aufl. 2021, § 1945 Rn. 3; vgl. auch allg. zum Erfordernis des Zugangs in der vorgeschriebenen
Form BGH DNotZ 1996, 967; OLG Koblenz MittBayNot 2006, 35).

3. Erfüllung der Formerfordernisse durch Übersendung einer Ausfertigung?

a) Ein Zugang der Ausschlagungserklärung in öffentlich beglaubigter Form erfolgt jedenfalls
dann, wenn das Nachlassgericht die Urschrift der Urkunde erhält. Bei einer
notariell beglaubigten Erklärung ist der Zugang der Urschrift auch die einzige Möglichkeit,
wie die Erklärung in der erforderlichen Form gegenüber dem Nachlassgericht abgegeben
werden kann (OLG Oldenburg ZEV 2011, 430; Palandt/Weidlich, § 1945
Rn. 3; Ivo, in: Keim/Lehmann, Beck’sches Formularbuch Erbrecht, 4. Aufl. 2019,
J.IV.3. Rn. 3; Wegerhoff, in: Dorsel, Kölner Formularbuch Erbrecht, 3. Aufl. 2020,
Kap. 14 Rn. 35).

b) Nach § 47 BeurkG vertritt die Ausfertigung der Niederschrift aber die Urschrift im
Rechtsverkehr. Grundsätzlich kann daher auch durch die Zusendung einer Ausfertigung
der Niederschrift der Zugang einer Erklärung in öffentlich-beglaubigter Form erfolgen.
§ 45 BeurkG sieht dies sogar als Regelfall vor. Denn gem. § 45 Abs. 1 BeurkG
bleibt die Urschrift der notariellen Urkunde in der Verwahrung des Notars.

c) Die Besonderheiten einer Ausschlagungserklärung könnten jedoch einer Anwendung
dieser Grundsätze entgegenstehen. Für den zwingenden Zugang der Urschrift könnte
§ 344 Abs. 7 S. 2 FamFG sprechen. Nach dieser Vorschrift ist die Urschrift der Erklärung
in öffentlich-beglaubigter Form an das zuständige Nachlassgericht zu senden.
Das Gericht hat dabei auch stets die Urschrift der Niederschrift zu übersenden
(OLG Celle FGPrax 2010, 192 f; OLG Hamburg Rpfleger 2010, 373 f.; OLG Hamm
ZErb 2011, 109).

Die Vorschrift regelt ausdrücklich jedoch nur die Form, in der das Nachlassgericht des
Wohnsitzes die Erklärung zu übersenden hat, nicht jedoch den Zugang der Ausschlagungserklärung
selbst. Rückschlüsse darauf, dass die Ausfertigung den Anforderungen
nicht genügt, lässt dies ebenfalls nicht zu. Denn der Grund für diese Regelung
ist, dass sich bei einem Nachlassgericht die vollständige Akte über die Nachlasssache
befinden soll und diese nicht auf mehrere Nachlassgerichte verteilt sein soll
(OLG Hamburg Rpfleger 2010, 238, 239). Im Ergebnis bezweckt die Regelung daher
die Konzentration der dem Gericht zugesandten Dokumente bei einem einzigen
Gericht. Ob die Zusendung einer Ausfertigung oder der Urschrift der Ausschlagungserklärung
erfolgt, hat hierauf aber keinen Einfluss.

Auch der Wortlaut der Vorschrift lässt nicht den Schluss zu, dass die Zusendung einer
Ausfertigung durch den Notar nicht genügt. Vielmehr vertritt gem. § 47 BeurkG die
Ausfertigung die Urschrift im Rechtsverkehr, sodass die Übersendung einer „Urschrift“
durch das Nachlassgericht des gewöhnlichen Aufenthalts an das zuständige Nachlassgericht
auch durch die Übersendung der Ausfertigung erfolgen kann, sofern es eine
Ausfertigung und nicht eine Urschrift durch den Notar erhalten hat. Darüber hinaus ist
zu berücksichtigen, dass durch eine Beurkundung die Anforderungen an die Form
„übererfüllt“ werden, während auch eine Beglaubigung die Formerfordernisse erfüllen
würde. Da eine Ausfertigung bei einer Beglaubigung nicht möglich ist (Preuß, in:
Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG, 8. Aufl. 2020, § 47 Rn. 1), erscheint die
mangelnde Differenzierung von Urschrift und Ausfertigung durch das Gesetz auch
konsequent, zumal sogar die Anwendbarkeit des § 344 Abs. 7 BGB für die Entgegen-
nahme notariell beglaubigter Ausschlagungserklärungen nicht unumstritten ist (ausf.
hierzu Heinemann, DNotZ 2011, 498). Die Vorschrift des § 344 Abs. 7 S. 2 FamFG
schließt daher nicht aus, dass auch durch die Übersendung einer Ausfertigung einer
beurkundeten Ausschlagungserklärung diese dem Nachlassgericht in öffentlich beglaubigter
Form zugeht.

Darüber hinaus begründet die Rechtsprechung die Forderung, dass das Nachlassgericht
des Wohnsitzes nicht nur eine Ausfertigung übersenden und selbst die Urschrift verwahren
darf, damit, dass § 45 BeurkG nicht anwendbar sei (OLG Celle FGPrax 2010,
192 f; OLG Hamburg Rpfleger 2010, 373 f.; OLG Hamm ZErb 2011, 109). Aus den
Entscheidungen lässt sich dann aber der Umkehrschluss ziehen, dass im Anwendungsbereich
des § 45 BeurkG die Zusendung einer Ausfertigung genügen muss.

Dass nicht nur beim Nachlassgericht des gewöhnlichen Aufenthalts, sondern bei Ausschlagungen
generell eine Anwendung des § 45 BeurkG ausscheidet, wird in der
Literatur und Rechtsprechung – soweit für uns ersichtlich – nicht vertreten. Dies
bedeutet aber, dass die Zusendung der Urschrift an das Nachlassgericht durch den
Notar nicht nur mangels Erforderlichkeit ausscheidet, sondern sogar gegen § 45
BeurkG verstoßen würde, was aufsichtliche und disziplinarrechtliche Folgen haben
kann (vgl. BeckOGK/Regler, Std.: 1.4.2021 BeurkG § 45 Rn. 35).

4. Ergebnis

Auch die Zusendung einer Ausfertigung der notariell beurkundeten Ausschlagungserklärung
an das zuständige Nachlassgericht erfüllt die Anforderungen des § 1945 Abs. 1 BGB
(OLG Saarbrücken BeckRS 2011, 18369; DNotI-Report 2020, 113, 114;
Burandt/Rojahn/Najdecki, BGB 3. Aufl. 2019; BeckOGK-BGB/Heinemann,
Std.: 1.1.2021, § 1945 Rn. 46; Ivo, J.IV.3. Rn. 3). Ein anderes Verständnis lässt sich weder
§ 344 Abs. 7 S. 2 FamFG noch der zitierten Rechtsprechung entnehmen und stünde zudem
im klaren Widerspruch zu § 45 BeurkG.

Gutachten/Abruf-Nr:

183783

Erscheinungsdatum:

11.06.2021

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

FamFG § 344 Abs. 7; BGB § 1945