14. Mai 2021

Ausschluss der Rechte als „werdender Wohnungseigentümer“ im Bauträgervertrag; Allgemeine Geschäftsbedingungen

WEG §§ 8 Abs. 3, 9a Abs. 1; BGB §§ 307, 309 Nr. 2, 650u; MaBV § 3
Ausschluss der Rechte als „werdender Wohnungseigentümer“ im Bauträgervertrag; Allgemeine Geschäftsbedingungen

I. Sachverhalt

Ein Bauträger wünscht in den für eine Wohnungseigentumsanlage abzuschließenden Bauträgerverträgen die Aufnahme einer Regelung dahingehend, dass die jeweiligen Erwerber ihre Rechte, die ihnen als „werdende Wohnungseigentümer“ gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft zustehen – insbesondere das Stimmrecht in der Eigentümerversammlung – erst ausüben können, wenn der Kaufpreis vollständig gezahlt ist.

II. Frage
Verstößt eine solche Regelung gegen die Bestimmungen des § 9a Abs. 1 S. 2 WEG i. V. m. § 8 Abs. 3 WEG oder gegen AGB-Recht?

III. Zur Rechtslage
1. Hintergrund der Regelung
Nach der bis zum 30.11.2020 geltenden Rechtslage entstand die Wohnungseigentümergemeinschaft bei einer Teilung gem. § 8 WEG grundsätzlich erst mit der Umschreibung mindestens einer Wohnungseigentumseinheit auf einen neuen Eigentümer und damit – insbesondere bei Bauträgerprojekten – in der Regel zu einem sehr späten Zeitpunkt. Nach der Neuregelung in § 9a Abs. 1 S. 2 WEG durch das WEMoG (BGBl. Teil I v. 22.10.2020, S. 2187) und der damit verbundenen Anerkennung der Ein-Personen-Gemeinschaft ist das Konstrukt der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft obsolet geworden (Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rn. 286; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 2 Rn. 1; MünchKommBGB/Burgmair, 8. Aufl. 2021, § 9a WEG Rn. 26; BeckOGK/Falkner, Std.: 1.12.2020, § 9a WEG Rn. 72; BeckOK-WEG/Müller, Std.: 2.4.2021, § 9a Rn. 61). Der Zeitpunkt der Entstehung der Gemeinschaft ist damit auf den Zeitpunkt der Anlegung der Wohnungsgrundbücher (im Vergleich zum alten Recht) nach vorne verlagert worden. § 9a Abs. 1 S. 2 WEG sagt jedoch nichts darüber aus, ob und gegebenenfalls ab welchem Zeitpunkt einen Erwerber, auf den das Wohnungseigentum im Grundbuch noch nicht umgeschrieben wurde, Rechte und Pflichten nach dem WEG treffen (Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl. 2021, § 8 Rn. 73). Diese Frage hat der Gesetzgeber nunmehr in § 8 Abs. 3 WEG geregelt. Danach gilt ein Erwerber, der einen vormerkungsgesicherten Anspruch auf Übertragung von Wohnungseigentum gegen den teilenden Eigentümer hat, im Innenverhältnis als Wohnungseigentümer, sobald ihm der Besitz an den zum Sondereigentum gehörenden Räumen übergeben wurde. Die Rechtsverhältnisse der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu Dritten wird durch diese Rechtsfigur nicht berührt (Dötsch/Schultzky/Zschieschack, Kap. 2 Rn. 39).

Der BGH hatte das Institut der „werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft“ vor der WEG-Reform entwickelt, um dem „Demokratisierungsinteresse“ der Erwerber Rechnung zu tragen (BGH DNotZ 2008, 649; NJW 2012, 2650; DNotZ 2016, 522, zuletzt auch DNotZ 2020, 842 zum „Nachzüglerfall“). Die neu errichtete Wohnanlage muss üblicherweise bereits ab dem Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit bzw. der Übergabe der verkauften Wohnungen bewirtschaftet und verwaltet werden. Nach Auffassung der Recht­sprechung sollte dies sinnvollerweise nicht allein dem Veräußerer überlassen bleiben, sondern unter Mitwirkung der künftigen Eigentümer erfolgen (BGH DNotZ 2020, 842 Rn. 15). Bei der Regelung des § 8 Abs. 3 WEG handelt es sich insofern um eine Kodifizierung von Richterrecht (Wicke, ZWE 2021, 21, 25; Palandt/Wicke, BGB, 80. Aufl. 2021, § 8 WEG Rn. 8; zur rechtspolitischen Rechtfertigung der Kodifizierung vgl. Lehmann-Richter/Wobst, Rn. 290).

Auch wenn die systematische Stellung der Vorschrift (§ 8 WEG – Teilung durch den Eigentümer – sachenrechtliche Ebene) etwas anderes suggeriert, ändert sich für den werdenden Wohnungseigentümer die sachenrechtliche Zuordnung nicht. Vielmehr wird der üblicherweise mit der sachenrechtlichen Zuordnung verbundene Status als Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft zeitlich nach vorne verlagert (vgl. Hügel/Elzer, § 8 Rn. 83).

2. Rechte und Pflichten als werdender Wohnungseigentümer
Mit der Stellung als „werdender“ Wohnungseigentümer gehen sowohl Rechte als auch Pflichten einher. Der werdende Wohnungseigentümer hat ab dem in § 8 Abs. 3 WEG bestimmten Zeitpunkt die Lasten und Kosten gem. § 16 Abs. 2 WEG zu tragen und die Pflichten nach § 14 WEG zu erfüllen. Im Gegenzug kann er die Verwaltungsrechte nach §§ 18 ff. WEG ausüben, namentlich insbesondere auch das Stimmrecht in der Versammlung der Wohnungseigentümer (vgl. zu den weiteren Rechtsfolgen im Einzelnen: Dötsch/Schultzky/Zschieschack, Kap. 2 Rn. 36). Die Rechtsfolge entspricht der gesetzlichen Regelung im Kaufrecht zum Besitz-Nutzen-Lasten-Übergang in § 446 S. 2 BGB (Lehmann-Richter/Wobst, Rn. 287). § 8 Abs. 3 WEG verlagert diese Rechtsfolge auf die Ebene der Mitgliedschaft. Der Erwerber wird so behandelt, als ob er bereits als Wohnungseigentümer im Grundbuch eingetragen und damit Mitglied der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geworden sei.

3. (Teilweiser) Ausschluss der Rechte
a) Abdingbarkeit des § 8 Abs. 3 WEG
Teilweise wird vertreten, dass § 8 Abs. 3 WEG gänzlich unabdingbar sei (v. Türckheim, notar 2021, 1, 8; wohl auch LG Frankfurt a. M. NJW-RR 2021, 206). Dies scheint trotz des in § 10 Abs. 1 S. 2 WEG niedergelegten Grundsatzes der Abdingbarkeit überzeugend, da es sich bei der Regelung letztlich um eine gesetzliche Fiktion bzgl. der Wirkungen der Mitgliedschaft handelt, die vor allem dem Schutz des Erwerbers dient und damit zwingenden Charakter haben dürfte.

b) Unwirksamkeit in Allgemeinen Geschäftsbedingungen
Vorliegend dürfte sich die Unwirksamkeit ohnehin jedenfalls aus § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ergeben. Im vorliegenden Fall handelt es sich – wie regelmäßig beim Bauträgervertrag – um Allgemeine Geschäftsbedingungen (vgl. zum Beweis des ersten Anscheins für Allgemeine Geschäftsbedingungen beim Bauträgervertrag jüngst OLG Schleswig DNotZ 2021, 179, bereits in diese Richtung auch BGH DNotZ 1993, 235). Durch die Regelung sollen lediglich die Rechte, die dem werdenden Wohnungseigentümer zustehen (insbesondere das Stimmrecht), beim veräußernden Bauträger verbleiben. Die Pflichten des werdenden Wohnungseigentümers möchte dieser hingegen nicht übernehmen. Denn der Bauträger wird in der Praxis regelmäßig an Letzterem kein Interesse haben, da dies mit einer Kostentragungspflicht auch nach Übergabe des Sondereigentums gem. § 16 Abs. 2 WEG einhergehen würde.

Auch wenn wir zur AGB-rechtlichen Zulässigkeit keine ausdrücklichen Stellungnahmen in der Literatur oder Rechtsprechung finden konnten, halten wir es für überwiegend wahrscheinlich, dass ein Gericht eine entsprechende Regelung als unangemessene Benachteiligung i. S. d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ansehen würde. Denn diese ist gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Welche Vorschriften insofern Leitbildcharakter haben, was also zum wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung gehört, hängt vom Zweck der Regelung und der durch sie getroffenen Wertentscheidung ab (Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 7. Aufl. 2020, § 307 Rn. 114).

Der Grundgedanke der Rechtsprechung zum werdenden Wohnungseigentümer (und damit auch der Kodifizierung in § 8 Abs. 3 WEG) liegt – wie oben dargestellt – darin, dem künftigen Wohnungseigentümer die Möglichkeit zu geben, seine Rechte als Wohnungseigentümer bereits auszuüben, bevor er als solcher im Grundbuch eingetragen ist. Im Sinne einer „Demokratisierung“ soll gewährleistet werden, dass nicht der aufteilende Eigentümer alleine über das weitere Schicksal der Gemeinschaft bestimmen kann, obwohl die Rechtsfolgen alleine die künftigen Wohnungseigentümer treffen.

Wird im Bauträgervertrag keine Regelung getroffen, so gehen mit der Übergabe auch die Nutzungen auf den Käufer über und er trägt die Lasten der Sache (Esbjörnsson, in: Beck’sches Notar-Handbuch, 7. Aufl. 2019, § 2 Rn. 224). Zu den Nutzungen gem. § 100 BGB gehört unter anderem auch das Stimmrecht des Wohnungseigentümers (KG OLGZ 1979, 290; Palandt/Ellenberger, § 100 Rn. 1; BeckOK-BGB/Fritzsche, Std.: 1.11.2020, § 100 Rn. 8; MünchKommBGB/Stresemann, 8. Aufl. 2018, § 100 Rn. 3; Lehmann-Richter/Wobst, Rn. 287). Eine Regelung dahingehend, dass der werdende Wohnungseigentümer zwar die Kosten und Lasten des Wohnungseigentums tragen soll, hieraus aber keine Rechte ausüben kann, stellt dementsprechend eine einseitige Modifikation des § 446 S. 2 BGB zulasten des Verbrauchers dar. § 446 S. 2 BGB findet zwar im Werkvertragsrecht keine unmittelbare Anwendung, § 644 BGB enthält jedoch nur eine abweichende Regelung von § 446 S. 1 BGB zur Gefahrtragung, sodass der in § 446 S. 2 BGB niedergelegte Rechtsgedanke des Kaufrechts auch im Bauträgervertragsrecht Anwendung findet (Hertel, in: Würzburger Notarhandbuch, 5. Aufl. 2018, Teil 2 Kap. 3 Rn. 121; Esbjörnsson, in: Beck’sches Notar-Handbuch, § 2 Rn. 224), zumal es sich beim Bauträgervertrag ohnehin um einen gemischttypischen Vertrag handelt, der sowohl kauf- als auch werkvertragliche Elemente enthält (BeckOGK-BGB/Matkovic, Std.: 1.4.2020, § 650u Rn. 1).

Gleichzeitig vermögen wir ein berechtigtes Interesse des Bauträgers an einer solchen Regelung, das man zu seinen Gunsten für eine Angemessenheit i. S. d. § 307 Abs. 1 BGB anführen könnte, nicht zu erkennen. Man muss sich vielmehr vor Augen führen, dass es dem Bauträger aller Wahrscheinlichkeit nach darum geht, ein „Druckmittel“ in die Hand zu bekommen, dass der Käufer den Kaufpreis vollständig zahlt. Ausgangspunkt der Problematik ist § 3 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 MaBV, wonach der Bauträger im Rahmen eines Bauträgervertrags die Schlussrate erst nach vollständiger Fertigstellung entgegennehmen darf. Eine vollständige Fertigstellung liegt erst dann vor, wenn sämtliche Protokollmängel beseitigt sind (KG DNotZ 2019, 634). Diese Fälligkeitsregelung der MaBV soll dem Erwerber ermöglichen, sich gegenüber dem Bauträger auf Minderungs- bzw. Leistungsverweigerungsrechte berufen zu können (OLG Hamburg BeckRS 2020, 29306 Rn. 70) und nicht den beschwerlichen Rechtsweg eines Rechtsstreits auf Rückzahlung des Kaufpreises oder eines Kaufpreisanteils gehen zu müssen. In jüngster Vergangenheit hat die Rechtsprechung deshalb insbesondere Regelungen für unwirksam gehalten, wonach der Erwerber verpflichtet wird, die Schlussrate unabhängig vom Vorliegen von Mängeln auf ein Notaranderkonto zu bezahlen (OLG Schleswig NZBau 2020, 371; OLG Hamburg BeckRS 2020, 29306; KG DNotZ 2019, 634; RNotZ 2020, 178). Diese Fälle sind mit dem vorliegenden Fall zwar nur begrenzt vergleichbar, sie zeigen aber, dass die Rechtsprechung Regelungen grundsätzlich kritisch sieht, die dem Erwerber faktisch die Möglichkeit nehmen, sein Leistungsverweigerungsrecht gem. § 320 BGB geltend zu machen. Dann steht nicht nur ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1 BGB, sondern auch gegen § 309 Nr. 2 lit. a) BGB im Raum.

Einen Verstoß gegen § 309 Nr. 2 lit. a BGB wird man vorliegend zwar nicht bejahen können, da dem Erwerber die (rechtliche) Möglichkeit, sich auf das Leistungsverweigerungsrecht gem. § 320 BGB zu berufen, nicht genommen oder eingeschränkt wird. Dem Bauträger wird aber ein Druckmittel in die Hand gegeben, dass der Erwerber von diesem Leistungsverweigerungsrecht keinen Gebrauch macht. Ob man dies für einen Verstoß gegen § 309 Nr. 2 lit. a BGB genügen lässt, kann vorliegend dahinstehen. Der Erwerber wäre nämlich bis zur Zahlung der Schlussrate „stimmrechtslos“ gestellt, was mit dem Grundgedanken des § 8 Abs. 3 WEG nicht zu vereinbaren wäre, sodass jedenfalls ein Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB vorliegen dürfte. Demzufolge wird eine unangemessene Benachteiligung i. S. d. § 307 Abs. 1 BGB indiziert (vgl. BGH NJW 2009, 2051; Wolf/Lindacher/Pfeiffer, § 307 Rn. 104).

c) Ergebnis
Wir gehen davon aus, dass § 8 Abs. 3 WEG nicht abdingbar ist. Ein (einseitiger) Ausschluss zulasten des Erwerbers im Bauträgervertrag hält jedenfalls einer AGB-Inhaltskontrolle nicht stand.

Gutachten/Abruf-Nr:

182335

Erscheinungsdatum:

14.05.2021

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

WEG
AGB, Verbraucherschutz
Bauträgervertrag und Werkvertrag

Erschienen in:

DNotI-Report 2021, 73-76