13. Mai 2022
BGB § 1419; BGB § 875; GBO § 46

Aufgabe der Beteiligung an einem dinglichen Recht durch nur einen von mehreren Mitberechtigten

BGB §§ 875, 1419; GBO § 46
Aufgabe der Beteiligung an einem dinglichen Recht durch nur einen von mehreren Mitberechtigten

I. Sachverhalt
Im Güterstand der Gütergemeinschaft verheiratete Eltern haben ihrem Sohn im Jahr 2000 ein Hausgrundstück geschenkt. In dem Übergabevertrag haben sie sich ein Wohnungsrecht und ein Rückübertragungsrecht zum Gesamtgut der Gütergemeinschaft und aufschiebend bedingt für den Längerlebenden alleine vorbehalten. Mittlerweile ist die Mutter dement und lebt in einem Heim. Der Vater möchte aus dem Objekt ausziehen und seine Rechte aufgeben.

II. Frage
Kann die Mitberechtigung des Vaters an den vorbehaltenen Rechten ohne Mitwirkung der Ehefrau aus dem Grundbuch gelöscht werden?

III. Zur Rechtslage
1. Vorbemerkungen
Für die Möglichkeit des einzelnen Mitberechtigten, seine Mitberechtigung hinsichtlich eines dinglichen Rechts ohne Mitwirkung der übrigen Mitberechtigten aufzugeben, ist nach dem gegenwärtig erkennbaren Stand von Rechtsprechung und Literatur zwischen der Aufgabe eines beschränkten dinglichen Grundstücksrechts einerseits und der Aufgabe des Grundstückseigentums andererseits zu unterscheiden. Außerdem spielt nach materiellem Recht die Art des bestehenden, nach § 47 GBO im Grundbuch zu vermerkenden Gemeinschaftsverhältnisses eine wesentliche Rolle (s. befürwortend zur Aufgabemöglichkeit durch einen einzelnen der nach § 428 BGB Gesamtberechtigten hinsichtlich eines Nießbrauchs bereits Gutachten DNotI-Report 2012, 25 ff.).

2. Rechtsprechung zur Aufgabe einer Mitberechtigung an einem dinglichen Vorkaufsrecht
Mit der Aufgabemöglichkeit hinsichtlich eines beschränkten dinglichen Grundstücksrechts hat sich vor allem das OLG München zweimal befasst (OLG München MittBayNot 2013, 231 ff. m. Anm. Heinze, 233 f.; OLG München MittBayNot 2010, 42 ff. m. Anm. Jeep, 44 f.). Beide Male ging es um ein dingliches Vorkaufsrecht (§§ 1094 ff. BGB), das mehreren Berechtigten nach Maßgabe der §§ 1098 Abs. 1 S. 1, 472 BGB zustand. In der Entscheidung aus dem Jahre 2012 hat das OLG München hierzu – im Gegensatz zu seinem in der vorangehenden Entscheidung aus dem Jahre 2009 eingenommenen Standpunkt – entschieden, das Ausscheiden eines Mitberechtigten aus dem Kreis der dinglich Vorkaufsberechtigten durch einseitige Aufhebung seiner Berechtigung sei ohne Mitwirkung der anderen Berechtigten möglich. Im Einzelnen argumentierte das OLG in dieser Entscheidung, die Regelung des § 472 S. 2 BGB gehe ersichtlich von der Möglichkeit des Erlöschens des Vorkaufsrechts für nur einen der Berechtigten aus. Es dürfte mangels anderer zu berücksichtigender schutzwürdiger Interessen für die Mitberechtigung eines Vorkaufsberechtigten § 875 Abs. 1 S. 1 BGB entsprechend anzuwenden sein. Dies habe zur Folge, dass der einzelne Mitberechtigte durch einseitige Aufhebung seines Rechts aus der Gemeinschaft der Berechtigten ausscheide. Insoweit sei die „Löschung“ zwar konstitutiv und § 22 GBO deshalb nicht anwendbar, wie auch § 46 Abs. 1 GBO nicht einschlägig sein solle. Die letztgenannte Regelung beschreibe indessen nur die Modalitäten der maßgeblichen Eintragung. Auf Antrag und aufgrund Bewilligung eines Mitberechtigten dürfte dieser daher aus dem Kreis der Mitberechtigten im Grundbuch zu „streichen“ sein – am ehesten durch Eintragung in den Veränderungsspalten 4/5, ohne dass das den übrigen Berechtigten verbliebene Recht als solches davon betroffen sei.

Die Literatur hat diesen neueren Standpunkt des OLG München zustimmend aufgenommen (etwa Heinze, MittBayNot 2013, 233, 234; jetzt auch Meikel/Böhringer, GBO, 12. Aufl. 2021, § 46 Rn. 20; für die Aufgabemöglichkeit bereits zuvor in Urteilsanmerkungen zur Entscheidung des OLG München aus dem Jahre 2009: Herrler, RNotZ 2010, 249, 253 f.; Jeep, MittBayNot 2010, 44, 45). Wesentlich für die Zulassung der hier erörterten Aufgabemöglichkeit dürfte die Erwägung sein, dass beim Vorkaufsrecht durch einen Wegfall der Mitberechtigung eines Berechtigten den übrigen Mitberechtigten keine Belastungen aufgedrängt werden können, sodass kein sachlicher Grund besteht, das in §§ 1098 Abs. 1 S. 1, 472 S. 2 BGB ohnehin angelegte Ergebnis nicht vorwegzunehmen (vgl. Heinze, MittBayNot 2013, 233, 234).

3. Vorliegender Sachverhalt
Der hier unterbreitete Sachverhalt liegt insofern anders als die Eheleute sich das Wohnungsrecht und den Rückübertragungsanspruch in einem abweichenden Berechtigungsverhältnis, nämlich ausdrücklich „zum Gesamtgut der Gütergemeinschaft“ vorbehalten haben. Die im Grundbuch eingetragene Vormerkung teilt als akzessorisches Nebenrecht i. S. d. § 401 BGB das Schicksal des durch sie gesicherten Rückübertragungsanspruchs (s. nur BGH NJW 2009, 356; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 401 Rn. 4). Auch ansonsten entspricht es der vorliegenden Rechtsprechung und Literatur, dass ein Wohnungsrecht, das für beide im Güterstand der Gütergemeinschaft verheiratete Eheleute gemeinschaftlich vereinbart wird, in das Gesamtgut der Gütergemeinschaft fällt (BayObLGZ 1967, 480 = DNotZ 1968, 493; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 1246).

Das Wohnungsrecht und der Rückübertragungsanspruch wurden also gemeinschaftliches Vermögen der Ehegatten (Gesamtgut; § 1416 Abs. 1 S. 1 BGB). Nach § 1419 Abs. 1 BGB kann ein Ehegatte nicht über seinen Anteil an den einzelnen Gegenständen verfügen, die zum Gesamtgut gehören; er ist nicht berechtigt, Teilung zu verlangen. Die Kommentarliteratur (Staudinger/Thiele, BGB, 2018, § 1419 Rn. 14; BeckOGK-BGB/Mensch, Std.: 1.2.2022, § 1419 Rn. 9 f.) nimmt – noch über den Wortlaut des § 1419 Abs. 1 BGB hinausgehend – an, dass derartige Anteile des einzelnen Ehegatten an den Gegenständen des Gesamtguts schon gar nicht existieren. Die Annahme solcher Anteile widerspräche dem Gesamthandsprinzip. Verfügungen über einen solchen Anteil sind daher nichtig. Diese Würdigung entspricht der Rechtslage bei der ebenfalls eine Gesamthandsgemeinschaft bildenden Erbengemeinschaft (§§ 2032 ff. BGB). Das Recht der Erbengemeinschaft, in welchem das Gesamthandsprinzip im Hinblick auf die Zulassung von Verfügungen über den Erbteil im Ganzen (§ 2033 Abs. 1 BGB) insgesamt weniger streng ausgeformt ist als bei der Gütergemeinschaft, ordnet – in dieser Hinsicht parallel zur Gütergemeinschaft – ebenfalls an, dass ein Miterbe über seinen Anteil an den einzelnen Nachlassgegenständen nicht verfügen kann (§ 2033 Abs. 2 BGB). Hier wurde auch von der Rechtsprechung entschieden, dass der Miterbe mit seiner aus dem Erbteil folgenden Gesamtberechtigung am Nachlass von vornherein keine unmittelbare, selbstständig veräußerliche Berechtigung an dem einzelnen Gegenstand erwirbt, selbst wenn der Nachlass nur aus einer einzelnen Sache besteht (s. nur BGH NJW 2011, 2396, 2397; BGH ZEV 2006, 27, 29; Grüneberg/Weidlich, § 2033 Rn. 19).

Ist aber wegen § 1419 Abs. 1 BGB hinsichtlich des gesamtgutszugehörigen Wohnungsrechts und des vormerkungsgesicherten Rückübertragungsanspruchs nichts existent, worüber der Ehemann alleine ohne Zustimmung seiner Ehefrau verfügen könnte, dann ist u. E. folgerichtig auch eine Aufgabe seiner Berechtigung entsprechend § 875 Abs. 1 S. 1 BGB nicht möglich, da es eine derartige abtrennbare Berechtigung des einzelnen Ehegatten nach dem Recht der Gütergemeinschaft nicht gibt. Auch die in § 875 Abs. 1 BGB geregelte Aufhebung eines Grundstücksrechts ist nach allgemeinem bürgerlich-rechtlichen Begriffsverständnis eine Verfügung über dieses (s. nur Grüneberg/Ellenberger, Überbl. Vor § 104 Rn. 16 m. w. N.). Eine derartige Verfügung scheitert aber – wie gesehen – an § 1419 Abs. 1 BGB. Insofern unterscheidet sich die Rechtslage bei einer gesamthänderischen Mitberechtigung aufgrund der Gesetzeslage u. E. von derjenigen bei anderen Formen des Berechtigungsverhältnisses gem. § 47 GBO, wie unter Ziffer 2. behandelt.

Bestätigt wird diese Einschätzung durch einen Beschluss des OLG Jena (NotBZ 2012, 455), der sich mit der Möglichkeit des Verzichts auf Grundstückseigentum gem. § 928 Abs. 1 BGB durch einen von mehreren Miterben zu befassen hatte. Das OLG verneinte eine derartige Möglichkeit: Gesamthandseigentümer könnten den Verzicht nach § 928 Abs. 1 BGB nur gemeinschaftlich erklären, weil hinsichtlich des einzelnen Anteils kein sachenrechtlich fassbarer Teil vorhanden sei. Der Zulassung eines Eigentumsverzichts stünde auch § 2033 Abs. 2 BGB entgegen, wonach ein Miterbe über seinen Anteil an den einzelnen Nachlassgegenständen nicht verfügen kann. Diese Begründung ist u. E. auf das Recht der Gütergemeinschaft mit der Parallelregelung des § 1419 Abs. 1 BGB übertragbar. Da das OLG Jena hier rein gesetzessystematisch mit Blick auf die gesamthänderische Berechtigung und ohne Rücksicht auf die für das Grundstückseigentum ansonsten spezifischen wirtschaftlichen Erwägungen (wie etwa Aufdrängung von Kosten und Lasten auf die verbleibenden Mitberechtigten, § 748 BGB) argumentiert, besteht u. E. an dieser Stelle auch zwischen dem Grundstückseigentum einerseits und einem beschränkten dinglichen Grundstücksrecht andererseits kein derartiger Unterschied, dass eine abweichende Antwort auf die aufgeworfene Rechtsfrage gerechtfertigt wäre.

Lediglich anhangsweise sei bemerkt, dass die Rechtslage für die Aufgabe (Dereliktion) des Grundstückseigentums gem. § 928 BGB durch einen von mehreren Mitberechtigten noch restriktiver, nämlich ganz ablehnend beurteilt wird. Steht das Eigentum mehreren Berechtigten in Gesamthandsgemeinschaft zu, so entspricht es der einhelligen Rechtsprechung und Literaturauffassung, dass nur alle Gesamthänder gemeinsam auf das Eigentum verzichten können (OLG Jena NotBZ 2012, 455, aus der Literatur: Schöner/Stöber, Rn. 1030; MünchKommBGB/Ruhwinkel, 8. Aufl. 2020, § 928 Rn. 5). Steht das Grundstückseigentum mehreren Berechtigten nach Bruchteilen gem. §§ 741 ff. BGB zu, so wird für diese Konstellation die Aufgabemöglichkeit hinsichtlich eines Miteigentumsanteils durch einen Miteigentümer alleine gem. § 928 Abs. 1 BGB vom BGH ebenfalls abgelehnt (BGH DNotZ 1992, 359 = NJW 1993, 2488; BGH DNotZ 2007, 840; hierzu auch Schöner/Stöber, Rn. 1031 m. w. N.), obwohl hier § 747 S. 1 BGB – anders als das Recht der Gesamthandsgemeinschaften – eine Verfügung des einzelnen Miteigentümers über seinen Miteigentumsanteil gerade zulässt. Im Wesentlichen hat der BGH gegen die Verzichtsmöglichkeit hinsichtlich eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück ins Feld geführt, dass sich das Miteigentum in der sachenrechtlichen Beziehung gerade nicht erschöpfe, sondern zugleich die Beteiligung an einer wechselseitige Rechte und Pflichten begründenden Miteigentümergemeinschaft zum Inhalt habe (§§ 741 ff., 748 BGB). Diese Mitgliedschaft könne man sich nicht subjektlos vorstellen, sie müsse mit dem Verzicht zugleich erlöschen. Dies unterliefe indes die Regelungen, die das Gesetz für die Auflösung der Bruchteilsgemeinschaft bereithalte (nämlich einen Aufhebungsanspruch gem. § 749 BGB, der jedoch durch Teilungsversteigerung gem. §§ 180 ff. ZVG durchgesetzt werden müsse). Ein Verzicht eines Mitberechtigten könne folglich nicht angenommen werden. Die speziellen gesetzlichen Regelungen gingen vor. Danach sei jeder Teilhaber an die Gemeinschaft bis zu deren gesetzeskonformer Aufhebung gebunden (BGH DNotZ 2007, 840, 841 ff.).

4. Ergebnis
Im Ergebnis ist daher u. E. im geschilderten Sachverhalt eine Aufgabe der Mitberechtigung des Ehemannes am Wohnungsrecht und am vormerkungsgesicherten Rückübertragungsanspruch ohne Mitwirkung der Ehefrau wegen der Eigenart des mit der Ehefrau bestehenden Berechtigungsverhältnisses der Gütergemeinschaft, nämlich der gesamthänderischen Bindung (§ 1419 BGB), nicht möglich. Der Ehemann ist nicht Inhaber eines eigenen Anteils an diesen Vermögensgegenständen, über die er selbstständig verfügen könnte. Die von der jüngeren Rechtsprechung des OLG München im Bereich des § 472 BGB angenommene entsprechende Anwendung des § 875 Abs. 1 S. 1 BGB zugunsten der Verzichtsmöglichkeit eines einzelnen Berechtigten ist auf das Berechtigungsverhältnis der Gütergemeinschaft u. E. nicht übertragbar.

Denkbar wäre u. E. lediglich eine auf das Ableben der Ehefrau aufschiebend bedingte Aufgabeerklärung durch den Ehemann alleine gem. § 875 Abs. 1 S. 1 BGB für den Fall seines Überlebens, verbunden mit einer unbedingten Abgabe der Löschungsbewilligung und einer entsprechenden Vorlageanweisung an den Notar (Vorlage ans Grundbuchamt mit Sterbeurkunde der Ehefrau). Eine sofort wirksame Aufgabe der Mitberechtigung des Ehemannes wäre aber auch auf diesem Weg nicht möglich.

Gutachten/Abruf-Nr:

189947

Erscheinungsdatum:

13.05.2022

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Eheliches Güterrecht
Grundbuchrecht

Erschienen in:

DNotI-Report 2022, 73-76

Normen in Titel:

BGB § 1419; BGB § 875; GBO § 46