01. April 2012
BGB § 2113

Grundpfandrechtsbestellung und Neuvalutierung durch den befreiten Vorerben

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G u t a c h t e n d e s D e u t s c h e n No t a r i n s t i t u t s Abruf-Nr.: 115288 l e t zt e A k t u a l i s i e r un g : 16. März 2012

BGB § 2113 Grundpfandrechtsbestellung und Neuvalutierung durch den befreiten Vorerben

I. Sachverhalt Der Erblasser A errichtete ein notarielles Testament, in dem er seine Tochter zur befreiten Vorerbin und jeweils deren Abkömmlinge als Nacherben einsetzte. Eingetragen war bei Ableben des Erblassers eine nicht valutierte Grundschuld von 200.000 DM. Die Tochter will nunmehr 155.000 Euro bei der Bank aufnehmen, die auf die erste Rangstelle besteht. Nacherbe ist hinsichtlich der Tochter deren einziges, fünf Jahre altes Kind. Es bedarf deshalb: 1. der Neueintragung einer Grundschuld von 55.000 Euro und 2. der Neuvalutierung der eingetragenen Grundschuld mit ca. 100.000 Euro. II. Fragen Bedarf 1. die Neueintragung einer Grundschuld von 55.000 Euro und 2. die Neuvalutierung der eingetragenen Grundschuld mit ca. 100.000 Euro der Zustimmung der Nacherben? Bedarf es insoweit zudem der Zustimmung des Betreuungsgerichts (§ 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB)? III. Zur Rechtslage 1. Zu den Verfügungsbeschränkungen des befreiten Vorerben a) Die Verfügung des Vorerben über ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück ist gem. § 2113 Abs. 1 BGB im Falle des Eintritts der Nacherbfolge insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde. Das Gleiche gilt gem. § 2113 Abs. 2 S. 1 BGB von der Verfügung über einen Erbschaftsgegenstand, die unentgeltlich oder zum Zwecke der Erfüllung eines von dem Vorerben erteilten Schenkungsversprechens erfolgt.

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b) Von den Verfügungsbeschränkungen des § 2113 Abs. 1 BGB kann der Erblasser ­ wie vorliegend ­ den Erben befreien, nicht aber von dem Verbot unentgeltlicher Verfügungen gem. § 2113 Abs. 2 BGB, wie sich aus § 2136 BGB ergibt. 2. Grundschuldbestellung a) Die Grundschuldbestellung des befreiten Vorerben: stets eine entgeltliche Verfügung? Bei der Grundschuldbestellung durch einen befreiten Vorerben kommt es also entscheidend darauf an, ob es sich hierbei um eine gem. § 2113 Abs. 1 BGB i. V. m. § 2136 BGB endgültig wirksame entgeltliche Verfügung handelt oder aber um eine unentgeltliche Verfügung i. S. d. § 2113 Abs. 2 BGB. Unentgeltlich i. S. d. § 2113 Abs. 2 BGB ist eine Verfügung dann, wenn nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten objektiv eine in den Nachlass zu erbringende Gegenleistung fehlt oder dem aus der Erbmasse erbrachten Opfer nicht gleichwertig ist und subjektiv der Vorerbe die Ungleichwertigkeit etwa erkennt oder jedenfalls bei ordnungsgemäßer Verwaltung das Fehlen bzw. die Unzulänglichkeit der Gegenleistung hätte erkennen müssen (Palandt/Weidlich, BGB, 71. Aufl. 2012, § 2113 Rn. 10 m. w. N.). Dient die Grundschuldbestellung Zwecken der Nachlassverwaltung und fließt die Darlehensvaluta tatsächlich dem Nachlass zu, wird die Kreditgewährung wirtschaftlich als Gegenleistung für die Grundschuldbestellung angesehen und eine entgeltliche Verfügung bejaht (RGZ 133, 263; 148, 395; Staudinger/Avenarius, BGB, 2003, § 2113 Rn. 76). Hierbei wird von Teilen der Literatur nicht zwischen befreiter und nicht befreiter Vorerbschaft unterschieden. Auch die Grundschuldbestellung durch einen befreiten Vorerben kann nach diesen Literaturstimmen nur dann als entgeltlich angesehen werden, wenn durch sie dem Nachlass selbst ein Vermögensvorteil erwächst, der seine durch die Verfügung des Vorerben eingetretene Verringerung bei objektiver und subjektiver Betrachtung aufwiegt (so Hennings, Eintragungen in Abteilung II des Grundbuches, 12. Aufl. 1996, Rn. 16.28; wohl auch Amann, in: Beck'sches Notar-Handbuch, 3. Aufl. 2000, A VI Rn. 94, so nicht mehr in der 5. Auflage des Beck'schen NotarHandbuchs, s. u.; Gaberdiel/Gladenbeck, Kreditsicherung durch Grundschulden, 9. Aufl. 2011, Rn. 198: Entgeltlichkeit der Verfügung, wenn ,,ausschließlich den Nachlass insgesamt betreffende Verbindlichkeiten gesichert sind und die Grundschuld nach Erledigung des Sicherungszwecks in den Nachlass zurückzugewähren ist."). Demgegenüber vertritt die mittlerweile wohl herrschende Literaturmeinung die Auffassung, dass die Grundschuldbestellung durch einen befreiten Vorerben auch dann als entgeltlich anzusehen ist, wenn das Darlehen dem Vorerben selbst zugutekommt (Wehrstedt, MittRhNotK 1999, 103; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 14. Aufl. 2008, Rn. 3480; Amann, in: Beck'sches Notar-Handbuch, 5. Aufl. 2009, A VI Rn. 94: Bei befreiten Vorerben ist Grundschuldbestellung nur unwirksam, ,,wenn sie unentgeltlich bestellt wurde (§ 2113 II BGB), d. h. wenn dafür keine gleichwertige Leistung in den Nachlass oder an den Vorerben selbst geflossen ist"; BeckOK-BGB/Litzenburger, Stand: 1.3.2011, § 2113 Rn. 15). Von der gesetzgeberischen Wertung her erscheint uns die letztgenannte Auffassung überzeugend. Denn der befreite Vorerbe darf Nachlassgegenstände auch für sich selbst verwenden und verbrauchen, ohne dass hierdurch eine Ersatzpflicht ausgelöst würde (vgl. §§ 2134, 2136 BGB). Er könnte also auch den Grundbesitz veräußern und den Veräußerungserlös für sich selbst verbrauchen. Dann aber erscheint es u. E. folgerichtig, ihm erst recht auch die bloße Belastung eines Nachlassgrundstücks mit einer Grund-

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schuld zu gestatten (Nieder/Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung, 4. Aufl. 2011, § 10 Rn. 37 f.). Es bleibt allerdings darauf hinzuweisen, dass Kreditinstitute in der Praxis regelmäßig der strengeren Literaturmeinung folgen (zumal sie in einem Buch des Deutschen Sparkassenverlags vertreten wird; vgl. Hennings, a. a. O.). Im Übrigen verlangen die Kreditinstitute häufig allein schon deshalb vorsorglich die Zustimmung der Nacherben zu der Grundpfandrechtsbestellung durch den befreiten Vorerben, um sich die Prüfung der Entgeltlichkeit zu ersparen (so auch die in der Literatur teilweise ausgesprochene Empfehlung; vgl. Nieder, Handbuch der Testamentsgestaltung, § 10 Rn. 38 a. E.; Gaberdiel/Gladenbeck, Rn. 200). b) Eintragung eines Wirksamkeitsvermerks Bestellt der Vorerbe ein Grundpfandrecht, das gegenüber dem Nacherben wirksam ist, kann dieser Umstand durch die Eintragung eines Wirksamkeitsvermerks im Grundbuch zum Ausdruck gebracht werden (vgl. Schöner/Stöber, Rn. 3490). Der Wirksamkeitsvermerk kann eingetragen werden, wenn die Nacherben zustimmen (unten aa) oder wenn nachgewiesen wird, dass das einzutragende Recht infolge Entgeltlichkeit der Verfügung auch bei Eintritt der Nacherbfolge wirksam bleibt (unten bb). aa) Eine Beeinträchtigung des Nacherbenrechts i. S. d. § 2113 BGB wird durch die Zustimmung der Nacherben ausgeschlossen. Für die Eintragung eines Wirksamkeitsvermerks bei dem Grundpfandrecht im Wege der Grundbuchberichtigung aufgrund Bewilligung fordert das BayObLG (DNotZ 1998, 206, 207 f.) eine Bewilligung sowohl der Nacherben als auch aller Ersatznacherben. Alternativ lässt sich die Grundbuchberichtigung nach § 22 GBO auch durch den Nachweis der Unrichtigkeit herbeiführen. Hierfür dürfte lediglich die Zustimmung der Nacherben zu der Verfügung (oder aber bei befreiter Vorerbschaft die Entgeltlichkeit der Verfügung, dazu unten b) nachzuweisen sein. Beachtet man nämlich, dass nach allgemeiner Auffassung die Zustimmung sämtlicher Nacherben (ohne Ersatznacherben) einer Verfügung des Vorerben zur Wirksamkeit verhilft (BGHZ 40, 115; Palandt/Weidlich, § 2113 Rn. 7), dürfte hieraus auch im Falle der Eintragung einer Grundschuld bereits die Wirksamkeit der Verfügung gegenüber den Nacherben folgen. Wird die Zustimmung daher in öffentlich beglaubigter Form erteilt, kann dadurch dem Grundbuchamt gegenüber in der Form des § 29 GBO die Wirksamkeit der Verfügung des Vorerben nachgewiesen werden. Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass u. E. jedenfalls dann, wenn sämtliche Nacherben der Verfügung des Vorerben zustimmen, ein Wirksamkeitsvermerk eingetragen werden kann. Probleme ergeben sich insoweit nur, wenn die Nacherben noch minderjährig oder aktuell noch nicht bekannt sind (z. B. dann, wenn die Abkömmlinge des Vorerben zu Nacherben eingesetzt sind). In diesen Fällen ist unter Umständen ein Ergänzungspfleger bzw. Pfleger für unbekannte Beteiligte (§ 1913 BGB) zu bestellen, der jeweils nach § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB für seine Zustimmung der Genehmigung des Betreuungsgerichts bedarf. Diese wird in der Praxis nur schwer zu erwirken sein, da die Belastung des nacherbengebundenen Grundbesitzes für nachlassfremde Zwecke regelmäßig kaum den Interessen noch unbekannter Nacherben entspricht. bb) Nach dem oben Gesagten ist allerdings die Eintragung eines Wirksamkeitsvermerks auch dann möglich, wenn ­ ohne Zustimmung der Nacherben ­ dem Grundbuchamt nachgewiesen werden kann, dass das einzutragende Recht trotz § 2113 Abs. 1, 2 BGB auch bei Eintritt der Nacherbfolge wirksam bleibt. Dem Grundbuchamt ist

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daher nachzuweisen, dass es sich um eine entgeltliche Verfügung handelt. Bei der Veräußerung von Grundbesitz durch den Vorerben ist anerkannt, dass der Nachweis nicht in der Form des § 29 GBO zu führen ist, da dies praktisch nicht möglich wäre (vgl. nur Demharter, GBO, 28. Aufl. 2012, § 51 Rn. 42 i. V. m. § 52 Rn. 21 bis 25). Nach den durch die Rechtsprechung entwickelten Kriterien kann die Entgeltlichkeit bei einem zweiseitigen Geschäft des befreiten Vorerben mit einem unbeteiligten Dritten regelmäßig angenommen werden; bei Verfügungen zugunsten naher Angehöriger hat das Grundbuchamt die Entgeltlichkeit dagegen näher zu prüfen. Die Bestellung der Grundschuld zugunsten einer Bank ist immer ein Rechtsgeschäft mit einem Dritten. Vertritt man die oben angeführte Ansicht, wonach es unerheblich ist, ob die Darlehensvaluta in den Nachlass oder das Eigenvermögen des Vorerben gelangt, so müsste es wohl ausreichen, wenn man dem Grundbuchamt nachweist, dass eine Valuta, die der Höhe nach dem bestellten Grundpfandrecht entspricht, zur Auszahlung gelangt ist. Insoweit könnte die von Faßbender (in: Kersten/Bühling, Formularbuch und Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, 21. Aufl. 2001, § 85 Rn. 49 M, insoweit ­ soweit ersichtlich ­ in der aktuellen Auflage des Formularbuchs nicht enthalten) vertretene Ansicht, wonach ein Schreiben der Bank vorzulegen ist, ausreichen. Durch dieses Schreiben kann im Rahmen der freien Beweiswürdigung dem Grundbuchamt gegenüber nachgewiesen werden, dass eine Darlehensvaluta, die der Höhe der Grundschuld entspricht, ausbezahlt wurde. Vertritt man allerdings die Gegenauffassung, ist dieses Schreiben nicht ausreichend. Dem Grundbuchamt müsste auf dieser Grundlage auch nachgewiesen werden, dass die Darlehensvaluta in den Nachlass geflossen ist. Dieser Nachweis ist u. E. rein praktisch nicht zu führen. Insgesamt ist allerdings zu berücksichtigen, dass zu dem hier angesprochenen Problemkreis keine ausdrückliche Stellungnahme in Literatur bzw. Rechtsprechung ersichtlich ist. Ob und inwiefern die im Rahmen des Verkaufs durch den Vorerben entwickelten Grundsätze daher auch hier (entsprechend) Anwendung finden können, ist ungewiss. Als Ergebnis ist daher festzuhalten, dass ein Wirksamkeitsvermerk auf diesem Weg nicht mit Sicherheit zur Eintragung gebracht werden kann. 3. Verfügungsbeschränkung bei Revalutierung des eingetragenen Grundpfandrechts Die bloße Revalutierung eines eingetragenen Grundpfandrechts stellt sich der Sache nach lediglich als Verfügung über den schuldrechtlichen Rückgewähranspruch dar. Dieser folgt aus der Sicherungsabrede und ist ausschließlich obligatorischer Natur. Bis zu seiner Durchsetzung bewirkt er keine Änderung der dinglichen Rechtslage (statt aller Gaberdiel/Gladenbeck, Rn. 726). Kann die Revalutierung einer Grundschuld daher nicht als Verfügung über ein Grundstück begriffen werden, so könnte eine Verfügungsbeschränkung des Vorerben allenfalls analog § 2113 BGB begründet werden. Hierzu finden sich ­ soweit ersichtlich ­ in der zur Verfügung stehenden Literatur keine Ausführungen. Gegen eine solche entsprechende Anwendung bestehen aus Sicht des Sachbearbeiters jedoch erhebliche Bedenken. § 2113 BGB stellt systematisch eine Ausnahmevorschrift dar, die im Interesse des Verkehrsschutzes wohl nur mit äußerster Zurückhaltung analog angewandt werden kann (vgl. BGH NJW 2007, 2114 mit Anm. Keim). Darüber hinausgehend findet jedenfalls nach hier vertretener Auffassung § 2113 BGB vorliegend schon auf die Neubestellung eines Grundpfandrechts keine Anwendung. Dann aber wird erst recht die Revalutierung eines eingetragenen Grundpfandrechts nicht zustimmungspflichtig sein.

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Ergebnis Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass nach unserer Auffassung dem Vorerben eine wirksame Grundschuldbestellung zur Kreditaufnahme selbst für nachlassfremde Zwecke ohne Zustimmung der Nacherben möglich sein sollte. Angesichts der strengen Literaturmeinung, die fordert, dass die Darlehensvaluta in den Nachlass fließen soll lässt sich aber auch nicht ausschließen, dass die angedachte Grundschuldbestellung nur für Zwecke des Nachlasses zulässig. Da ein entsprechender Nachweis der Nachlassbindung der Kreditaufnahme schwierig zu führen ist, sollte vorsichtshalber die Zustimmung der Nacherben eingeholt werden. Gem. § 1629 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB wären dabei vorliegend die gesetzlichen Vertreter von der Erklärung der Zustimmung für die fünfjährige minderjährige Tochter ausgeschlossen. Insoweit wäre ein Ergänzungspfleger zu bestellen. Dessen Zustimmung bedürfte ihrerseits wiederum gem. §§ 1915, 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB der Genehmigung des Betreuungsgerichts. Sollten vorliegend auch noch unbekannte Nacherben in Betracht kommen, so wäre insoweit ein Pfleger für diese unbekannten Nacherben (§ 1913 BGB) zu bestellen, dessen Zustimmung sodann ebenfalls der Genehmigung des Betreuungsgerichts bedürfte (vgl. insoweit statt aller Gaberdiel/Gladenbeck, Rn. 200 a. E.).

Gutachten/Abruf-Nr:

115288

Erscheinungsdatum:

01.04.2012

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge

Normen in Titel:

BGB § 2113