16. Juni 2020
BGB § 1018; BGB § 428; GBO § 44

Grunddienstbarkeit zugunsten mehrerer herrschender Grundstücke; Einzelrechte; Gesamtberechtigung; Sammelbuchungen; Klarstellungsvermerk; Richtigstellung

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letzte Aktualisierung: 17. Juni 2020

BGB §§ 1018, 428, 432; GBO § 44
Grunddienstbarkeit zugunsten mehrerer herrschender Grundstücke; Einzelrechte; Gesamtberechtigung;
Sammelbuchungen; Klarstellungsvermerk; Richtigstellung

I. Sachverhalt

Im Jahre 2012 wurden am Grundstück Fl.-Nr. 1 Geh- und Fahrtrechte zugunsten der jeweiligen
Eigentümer der Grundstücke Fl.-Nr. 2, 3 und 4 im Gleichrang untereinander bestellt. Die Eintragungsbewilligung
ist insoweit eindeutig, dass mehrere Dienstbarkeiten im Gleichrang bestellt
wurden, nicht etwa eine einzige Dienstbarkeit für mehrere Grundstücke. Die Grundbucheintragung
lautet wie folgt (unter einer laufenden Nummer):

„Grunddienstbarkeit (Geh- und Fahrtrecht) für den jeweiligen Eigentümer
der Grundstücke Fl.-Nr. 2, 3 und 4. Gemäß Bewilligung vom …“

Ein Gleichrangvermerk ist nicht eingetragen, ebenso wenig ein Berechtigungsverhältnis. Das
belastete Grundstück (gemeinschaftliche Zufahrtsfläche) steht im Eigentum mehrerer Miteigentümer.
Zwischenzeitlich hat der Eigentümer eines der Miteigentumsanteile gewechselt und
wurde an einem anderen Miteigentumsanteil im Nachrang eine Grundschuld eingetragen. Der
Notar beantragte zwischenzeitlich die Berichtigung der fehlerhaften Eintragung dahingehend,
dass für jedes herrschende Grundstück eine eigene Grunddienstbarkeit im Gleichrang der
Grunddienstbarkeiten untereinander eingetragen werde, wie dies in der Urkunde enthalten und
auch in der ursprünglichen Grundbuchvorlage beantragt gewesen sei. Auf eine entsprechende
Anregung des Grundbuchamts wurde dies noch einmal unter Bezugnahme auf die Vollmacht in
der Urkunde des Notars „bewilligt“.

Das Grundbuchamt steht nun auf dem Standpunkt, dazu sei auch die Bewilligung des neuen
Eigentümers des Miteigentumsanteils erforderlich, da dieser die in der ursprünglichen Urkunde
erteilte Vollmacht nicht mit erteilt habe.

II. Fragen

1. Sind die Geh- und Fahrtrechte als Einzelrechte wirksam entstanden?
2. Ist zur Berichtigung der Grundbucheintragung die Bewilligung des weiteren Miteigentümers
erforderlich? Was gilt insoweit hinsichtlich des nachträglich hinzugekommenen Grundpfandrechtsgläubigers?
3. Welche Eintragung kann das Grundbuchamt zur Berichtigung/Klarstellung vornehmen?

III. Zur Rechtslage

1. Grunddienstbarkeit zugunsten mehrerer herrschender Grundstücke

Eine Grunddienstbarkeit (§ 1018 BGB) kann zugunsten mehrerer herrschender Grundstücke
bestellt werden.

Möglich ist zunächst die Bestellung selbständiger inhaltsgleicher Grunddienstbarkeiten,
die ranggleich/rangverschieden in das Grundbuch eingetragen werden können
(BeckOK-BGB/Reischl, Std.: 1.5.2020, § 1018 Rn. 18; BeckOGK-BGB/Kazele, Std.:
1.5.2020, § 1018 Rn. 133; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 1127).
Zulässig ist es darüber hinaus auch, zugunsten der jeweiligen Eigentümer mehrerer
anderer Grundstücke eine Grunddienstbarkeit zu bestellen. Die Eigentümer der herrschenden
Grundstücke können dabei als Gesamtberechtigte nach § 428 BGB oder als Mitgläubiger
nach § 432 BGB im Grundbuch eingetragen werden (BayObLGZ 2002, 263, 266;
Schöner/Stöber, Rn. 1125; Staudinger/Weber, BGB, 2017, § 1018 Rn. 51; BeckOKBGB/
Wegmann/Reischl, § 1018 Rn. 18; BeckOGK-BGB/Kazele, § 1018 Rn. 171 ff.).
Teilweise wird zudem eine modifizierte Gesamtberechtigung analog §§ 428, 432 BGB der
berechtigten Eigentümer der herrschenden Grundstücke für möglich gehalten (Mayer,
MittBayNot 2002, 288, 289; a. A. Schöner/Stöber, Rn. 1125; BeckOKBGB/
Wegmann/Reischl, § 1018 Rn. 18). Weitergehend erkennt man teilweise sogar eine
Grunddienstbarkeit zugunsten mehrerer herrschender Grundstücke „als Berechtigte analog
§§ 1024, 1025 BGB“ an (LG Kassel MittBayNot 2009, 377; Amann, DNotZ 2008, 324, 339;
a. A. Schöner/Stöber, Rn. 1125; Staudinger/Weber, § 1018 Rn. 51a). In jedem Fall sind die
erwähnten Berechtigungsverhältnisse an einer Grunddienstbarkeit im Grundbuch nach § 47
Abs. 1 GBO einzutragen.

2. Keine Eintragung des Berechtigungsverhältnisses im Grundbuch
Im Grundbuch wurde vorliegend eingetragen:

„Grunddienstbarkeit (Geh- und Fahrtrecht) für den jeweiligen Eigentümer
der Grundstücke Fl.-Nr. 2, 3 und 4. Gemäß Bewilligung vom …“

a) Auslegung der Grundbucheintragung

Fraglich ist, wie die vorliegende Eintragung auszulegen ist, wenn im Grundbuchvermerk
die Mehrheit der gemeinsam gebuchten Rechte nicht angedeutet und auch kein
Beteiligungsverhältnis angegeben ist. Nach Ansicht des LG Düsseldorf ergibt sich bei
der ursprünglichen Bestellung eines Wegerechts zugunsten mehrerer Grundstücke aus
dem Fehlen der Angabe eines Gemeinschaftsverhältnisses, dass es sich bei den Berechtigungen
nicht um ein gemeinschaftlich auszuübendes Recht, sondern um Einzelrechte
handelt (MittRhNotK 1978, 19; Schöner/Stöber, Rn. 1126). Das LG Traunstein
kommt im Wege der Auslegung in seinem Beschluss aus dem Jahre 1987 dagegen zu
dem Ergebnis, dass bei fehlender Angabe des Beteiligungsverhältnisses eine Gesamtberechtigung
gem. § 428 BGB naheliegt (Rpfleger 1987, 242).

Vorliegend kann dahinstehen, ob typischerweise der Auslegung des LG Traunstein
oder des LG Düsseldorf zu folgen ist, denn die Auslegung der Grundbucheintragung
lässt unter Berücksichtigung der Eintragungsbewilligung keine Zweifel offen. Grundbucheintragungen
sind der Auslegung fähig. Abzustellen ist dabei vorrangig auf Wortlaut
und Sinn der Grundbucheintragung und der darin in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung,
wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende
Bedeutung des Eingetragenen ergibt (Schöner/Stöber, Rn. 293 m. w. N.). In der Eintragungsbewilligung
ist vorliegend eindeutig festgehalten, dass mehrere Dienstbarkeiten
im Gleichrang bestellt werden sollten, nicht etwa eine einzige Dienstbarkeit für
mehrere Grundstücke. Die Auslegung ergibt damit eindeutig, dass keine Gesamtberechtigung
gewollt ist. Stattdessen sollten Einzelrechte begründet werden.

b) Zulässigkeit von Sammelbuchungen

Problematisch ist aber weiter, ob die o. g. Eintragung eine zulässige Art der Grundbucheintragung
und damit wirksam ist. Grundsätzlich ist jedes selbständige Recht im
Grundbuch unter einer besonderen Nummer einzutragen (BayObLG Rpfleger 1985,
55; Demharter, GBO, 31. Aufl. 2018, § 44 Rn. 11).

Zulässig soll jedoch auch eine sog. Sammelbuchung sein (vgl. hierzu
Bauer/Schaub/Weber, GBO, 4. Aufl. 2018, § 44 Rn. 40; KEHE/Keller, Grundbuchrecht,
8. Aufl. 2019, § 44 GBO Rn. 22 ff.; Meikel/Böttcher, GBO, 11. Aufl. 2015,
§ 44 Rn. 77, 78, 80). Unter einer Sammelbuchung ist die Zusammenfassung mehrerer
materiell-rechtlich selbständiger Eintragungen in einem – in seiner Gesamtheit durch
einmalige Unterzeichnung vollzogenen – Grundbucheintrag zu verstehen
(Meikel/Böttcher, § 44 Rn. 77). Eine Sammelbuchung empfiehlt sich sogar, sofern sie
dauerhaft (nicht nur für den Moment der anstehenden Eintragung) Gewinn für die
Übersichtlichkeit des Grundbuchs verspricht, was man bei Eintragungen in der zweiten
Abteilung vielfach annehmen dürfte (Meikel/Schneider, GBV, 11. Auf. 2019, § 19
Rn. 7; Meikel/Böttcher, § 44 Rn. 81 f.).

Die Sammelbuchung verstößt nicht gegen materielles Recht, da sich nirgends im BGB
eine Gesetzesbestimmung findet, die vorschreibt, dass jedes Recht im Grundbuch unter
einer laufenden Nummer gebucht werden muss (s. schon Bratfisch, Rpfleger 1961, 40,
41; Meikel/Böttcher, § 44 Rn. 78). Daher löst eine Sammelbuchung insbesondere die
Rechtsänderung gem. § 873 Abs. 1 BGB aus. Grundbuchverfahrensrechtlich steht
dieser Buchung auch nicht die Vorschrift des § 44 Abs. 1 GBO entgegen (BayObLGZ
1957, 322, 328; OLG München NJOZ 2015, 361, 362; Bauer/Schaub/Weber, § 44
Rn. 40; KEHE/Keller, § 44 GBO Rn. 22 ff.; Meikel/Böttcher, § 44 Rn. 77, 78, 80; a. A.
BayObLGZ 1984, 252).

Fraglich ist aber, wie eine Sammelbuchung grundbuchtechnisch durchgeführt werden
kann und ob der o. g. Eintragungsvermerk eine wirksame Sammelbuchung darstellt.

Die intensivste Art der Sammelbuchung ist die Buchung unter einer laufenden
Nummer. Dies ist aus Zweckmäßigkeitsgründen nur gerechtfertigt, wenn der nach
materiellem Recht (§ 874 BGB) erforderliche Eintragungswortlaut für alle Rechte übereinstimmt.
Es ist dabei angebracht, die Mehrheit der gemeinsam gebuchten Rechte im
Eintragungstext anzudeuten, z. B. „Grunddienstbarkeiten …“ oder „Je eine Grunddienstbarkeit
…“ (Meikel/Böttcher, § 44 Rn. 84; Bratfisch, Rpfleger 1961, 40, 42). Eine
solche Kennzeichnung ist aber nicht notwendig, wenn sich aus der Auslegung der Eintragung
ergibt (heranzuziehen sind Eintragungsvermerk und Eintragungsbewilligung),
dass mehrere Einzelrechte bestellt wurden (OLG München NJOZ 2015, 361; Bratfisch,
Rpfleger 1961, 40 ff.).

Das OLG München hat zur Buchung von mehreren Nießbrauchsrechten an mehreren
Grundstücken ausdrücklich festgehalten, dass der Zusatz „je“ nicht notwendig ist. In
dem vom OLG München zu entscheidenden Fall wurde in der Zweiten Abteilung des
Grundbuchs unter Hinweis auf die laufenden Nummern der betroffenen Grundstücke
im Bestandsverzeichnis (Spalte 2) in Spalte 3 folgende Eintragung vorgenommen:
„– Nießbrauch für (= Bet. zu 1); gemäß Bewilligung vom 8.2.2013 …“
Das OLG München führt hierzu aus (NJOZ 2015, 361 f.):
„Wird ‚ein‘ Nießbrauch eingetragen, so liegen in Wirklichkeit Einzelnießbrauchsrechte
vor, und zwar so viele, wie Grundstücke vorhanden sind (KGJ
43, 347 [348]; Soergel/Stürner, § 1030 Rn. 6; Böttcher, MittBayNot
1993, 129 [132] mwN). Soweit die vom Grundbuchamt gewählte Form
nach älterer Ansicht die Eintragung als Gesamtrecht verlautbaren soll
(Corvey, Rpfleger 1959, 173 [174 f.]), hält dies der Senat für unzutreffend,
gleichviel ob die Eintragung von einem Recht im Singular oder aber – was genauer
wäre – im Plural (‚Nießbrauchsrechte‘) spricht (s. dazu Bratfisch,
Rpfleger 1961, 40). Denn die gewählte Eintragung bringt in Auslegung
gem. § 133 BGB hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass in Wirklichkeit
Einzelrechte am jeweiligen Grundstück bestehen (ersichtlich aus den in der
Spalte 2 aufgeführten laufenden Nummern der betroffenen Grundstücke im
Bestandsverzeichnis). Des Zusatzes ‚je‘ bedarf es – weil überflüssig – somit
nicht.“

Was für die Bezeichnung der belasteten Grundstücke gilt, muss u. E. auch für die
Bezeichnung von herrschenden Grundstücken gelten; auch insoweit dürfte die Verwendung
des Zusatzes „je“ nicht zwingend erforderlich sein.

Wird eine Sammelbuchung unter einer Nummer vorgenommen, so erhalten die eingetragenen
Rechte von Gesetzes wegen (§ 879 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB) Gleichrang
(Meikel/Böttcher, § 44 Rn. 84).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist u. E. der oben beschriebene Eintragungsvermerk
als Sammelbuchung zulässig, sodass Einzelgrunddienstbarkeiten im Gleichrang
entstanden sind. Daher spricht viel dafür, dass die Grunddienstbarkeiten als Einzelrechte
materiell wirksam entstanden sind. Unmittelbar einschlägige Rechtsprechung
konnten wir indes nicht ausfindig machen.

3. „Berichtigungsmöglichkeiten“ des Grundbuchamts

a) Richtigstellung

Sofern die gewünschte Änderung der Eintragung ausschließlich Angaben rein tatsächlicher
Art betrifft, kann eine entsprechende Berichtigung jederzeit von Amts
wegen vorgenommen werden (BayObLG DNotZ 1951, 430; Schöner/Stöber, Rn. 290
m. w. N.). Der Antrag eines Beteiligten bedeutet dabei lediglich eine Anregung (vgl.
BayObLGZ 1959, 152, 162). Vorliegend sind aber unzweifelhaft keine tatsächlichen
Angaben richtigzustellen, sodass eine Richtigstellung in diesem Sinne nicht in Betracht
kommt.

b) Klarstellungsvermerk

Stattdessen könnte der Eintragungsvermerk zwar inhaltlich richtig, aber unklar sein. In
einem solchen Fall wäre ein sog. Klarstellungsvermerk in Betracht zu ziehen
(Schöner/Stöber, Rn. 294 f.; s. zur Richtigstellung und zum Klarstellungsvermerk auch
OLG Düsseldorf Rpfleger 2019, 289). Die Klarstellung eines unklar gefassten Eintragungsvermerks
kann von Amts wegen oder auf Anregung durch Eintragung eines
Klarstellungsvermerks erfolgen.

Allerdings scheidet ein Klarstellungsvermerk aus, wenn der o. g. Eintragungsvermerk
bereits hinreichend klar ist. Dafür spricht u. E., dass die gegebene Form der Sammelbuchung
eine zulässige und zweckmäßige Buchung darstellt (siehe 2. b]). Aus diesem
Grund hat auch das OLG München (NJOZ 2015, 361) in dem oben beschriebenen Fall
die Beschwerde eines Notars namens der Beteiligten gegen die Ablehnung der Eintragung
eines Klarstellungsvermerks (§ 71 Abs. 1 GBO) zurückgewiesen.

4. Ergebnis

Im Ergebnis gehen wir von einer zulässigen Sammelbuchung aus. Da wir keine unmittelbar
einschlägige Rechtsprechung finden konnten, dürfte sich gleichwohl eine „Wiederholung“
der Bestellung empfehlen. Materiell-rechtlich wäre dies freilich keine „Wiederholung“,
sondern würde die erstmalige Begründung der Dienstbarkeiten bedeuten, sodass es der
Mitwirkung des neu hinzugekommenen Miteigentümers des zu belastenden Grundstücks
sowie eines Rangrückritts der zwischenzeitlich hinzugekommenen Grundpfandrechtsgläubigerin
bedürfte.

Gutachten/Abruf-Nr:

176693

Erscheinungsdatum:

16.06.2020

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Dienstbarkeiten und Nießbrauch
Allgemeines Schuldrecht
Grundbuchrecht

Normen in Titel:

BGB § 1018; BGB § 428; GBO § 44