14. April 2023
BGB § 168; BGB § 167; GBO § 29; BGB § 311b

Unterschriftsbeglaubigte Vollmacht zum Verkauf von Grundbesitz; Prüfungsumfang des Grundbuchamts


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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 197523
letzte Aktualisierung: 1 4 . April 2023

BGB §§ 167, 168, 311b; GBO § 29
Unterschriftsbeglaubigte Vollmacht zum Verkauf von Grundbesitz; Prüfungsumfang des
Grundbuchamts

I. Sachverhalt

Der Notar hat einen Grundstückskaufvertrag beurkundet, mit dem eine aus drei Personen bestehende
Grundstücksgemeinschaft (Miteigentum) Grundstücke verkauft hat. Eine der Verkäuferinnen
war aufgrund einer Vollmacht, die in notariell-beglaubigter Form erteilt ist, durch ihren Neffen
(selbst als Verkäufer/Käufer nicht beteiligt) vertreten. Das Grundbuchamt beanstandet mit
Zwischenverfügung vom 28.2.2023 die Vollmacht und ist der Auffassung, dass diese hätte beurkundet
– statt lediglich beglaubigt – sein müssen.

Die unterschriftsbeglaubigte Vollmacht beinhaltet eine Vollmacht an den Neffen der Unterzeichnerin,
spezifisch aufgeführten Grundbesitz (landwirtschaftliche Flächen) zu veräußern. Die Vollmacht
sollte nicht durch den Tod, jedoch dann erlöschen, wenn der Vollmachtgeber oder dessen
Erben die Vollmacht widerrufen. Die Unterschrift wurde ausweislich des Beglaubigungsvermerks
im Pflegeheim (…) beglaubigt.

Das Grundbuchamt führte in der Zwischenverfügung aus:
„Die beantragte Eintragung in das Grundbuch kann noch nicht
erfolgen, weil nicht alle Eintragungsvoraussetzungen vorliegen.
Zur formgerechten Behebung wird eine Frist von zwei Monaten
bestimmt.

Die Genehmigung der Frau S zum vorliegenden Vertrag soll
vorgelegt werden, da die Vollmacht nur in notariell beglaubigter
Form vorliegt.

Grundsätzlich ist die Vollmacht zum Abschluss eines Grundstücksveräußerungs-
oder -erwerbsvertrages gemäß § 167 Abs. 2
BGB formfrei gültig. Formzwang herrscht aber dann, wenn die
Vollmacht den Bestandteil eines formbedürftigen Grundstücksverkehrsgeschäfts
darstellt (…). Dieser Grundsatz gilt aber nicht
uneingeschränkt In Literatur und Rechtsprechung ist anerkannt,
dass eine Vollmacht zur Veräußerung eines Grundstücks dann der
Form des § 313 BGB (notarielle Beurkundung) bedarf, wenn eine
formfreie Bevollmächtigung zur Umgehung der Formvorschriften
führen würde, insbesondere dann, wenn seitens des Veräußerers
durch Erteilung der Vollmacht tatsächlich oder rechtlich bereits
dieselbe Gebundenheit hervorgerufen würde wie durch den Abschluss
des formbedürftigen Hauptvertrags selbst. Dies ist anzunehmen,
wenn die Vollmacht entweder unwiderruflich ist oder
zwar widerruflich ist, tatsächlich aber mit der Bevollmächtigung
schon die gleiche Bindungswirkung eintreten sollte und auch eingetreten
ist. Eine solche Bindungswirkung tritt ein, wenn die Vollmacht
den Grundstückskaufvertrag nur verdeckt, etwa wenn von
der Vollmacht zeitnah Gebrauch gemacht wird (…).

Die Vollmacht wurde am 07.12.2022 erteilt, der Kaufvertrag wurde
am 25.01.2023 beurkundet. Zu berücksichtigen ist bei dieser Zeitspanne,
dass in diesem Zeitraum die Weihnachtsfeiertage und der
Jahreswechsel liegen. Es ist daher ein zeitnaher Gebrauch der Vollmacht
erfolgt, so dass die Vollmacht den Grundstückskaufvertrag
lediglich überdeckt. Formbedürftig ist eine widerrufliche Vollmacht
auch dann, wenn eine Bindungswirkung eintritt, weil der
Vollmachtgeber aus tatsächlichen Gründen nicht in der Lage ist,
die erteilte Vollmacht zu widerrufen (…). Vorliegend sind
Anhaltspunkte gegeben, die dafürsprechen, dass die
Vollmachtgeberin zu einem Widerruf der Vollmacht aus gesundheitlichen
Gründen nicht in der Lage ist. Die Unterschrift der Vollmachtgeberin
ist krakelig und kaum lesbar. Es kann ausgeschlossen
werden, dass sie in der Lage ist, einen Brief zu verfassen, mit dem
sie den Widerruf der Vollmacht erklärt. Die Tatsache, dass sich die
Notarin zur Unterschriftbeglaubigung ins Pflegewohnheim begeben
hat, spricht auch dafür, dass die Vollmachtgeberin den Brief
nicht selbst absenden könnte, sondern eine dritte Person damit beauftragen
müsste. Diese Feststellung führt somit ebenfalls dazu,
eine formbedürftige Vollmacht zu fordern. Da diese nicht vorliegt,
ist eine Genehmigung nachzureichen.“

II. Frage

Ist die Vollmacht tatsächlich wegen Formmangels nichtig?

III. Zur Rechtslage

1. Form der Vollmacht

Die Erteilung der Vollmacht ist nach materiellem Recht entsprechend der Grundregel des
§ 167 Abs. 2 BGB formfrei möglich, auch wenn für das Rechtsgeschäft, auf welches sich die
Vollmacht bezieht, eine Formvorgabe besteht. Freilich bedarf die Vollmacht grundbuchverfahrensrechtlich
gem. § 29 Abs. 1 S. 1 GBO mindestens der öffentlichen Beglaubigung,
nicht aber zwingend auch der Beurkundung.

Die Rechtsprechung hat Ausnahmen zum Grundsatz der Formfreiheit nach § 167 Abs. 2
BGB für solche Fälle entwickelt, in denen die Vollmacht bereits eine rechtliche oder tatsächliche
Bindung für die Veräußerung oder den Erwerb eines Grundstücks entfaltet (vgl.
nur BGH NJW 1979, 2306; OLG Celle FGPrax 2020, 10, 11; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht,
16. Aufl. 2020, Rn. 3537; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 311b Rn. 21).
Der Form des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB bedarf daher nach ständiger Rechtsprechung insbesondere
eine unwiderrufliche Vollmacht zum Erwerb oder Veräußerung von Grundstücken
(s. etwa BGH NJW 1979, 2306; OLG Celle FGPrax 2020, 10; BayObLG DNotZ 1997,
312; Schöner/Stöber, Rn. 3537; Grüneberg/Grüneberg, § 311b Rn. 20 ff.). Angenommen
wird eine ausnahmsweise bestehende Beurkundungspflicht auch, wenn die Vollmacht Teil
des beurkundungsbedürftigen Rechtsgeschäfts ist (dazu KG DNotZ 1986, 290, 291; Meikel/
Hertel, GBO, 12. Aufl. 2021, § 29 Rn. 49), was hier indes ausscheidet. Ebenfalls scheidet
hier die Fallgruppe aus, wonach der Bevollmächtigte allein den Weisungen des Käufers
unterliegt und dem Vollmachtgeber somit (gar) kein eigener Entscheidungsspielraum
verbleibt (vgl. BeckOK-GBO/Reetz, 48. Ed., Std.: 2.1.2023, Sonderbereiche,
Vertretungsmacht, Rn. 30).

Zudem – und allein diese Fallgruppe kann hier relevant sein – soll (aufgrund
Rechtsfortbildung) eine widerrufliche Vollmacht aber ausnahmsweise der Beurkundung gem.
§ 311b Abs. 1 S. 1 BGB bedürfen, wenn sich der Vollmachtgeber faktisch bereits
weitgehend seiner grundsätzlich bestehenden Widerrufsmöglichkeit begeben und
sich damit gebunden hat (vgl. BeckOGK-BGB/Huber, Std.: 1.2.2022, § 167 Rn. 87;
Schöner/Stöber, Rn. 3538).

Der BGH führt hierzu (unter Berufung u. a. auf BGH NJW 1975, 39) aus:
„(…) von der Rechtsprechung zugelassene weitere Ausnahmefall
vorliegt, daß zwar die Vollmacht rechtlich widerrufen werden
kann, tatsächlich aber mit der Bevollmächtigung schon die
gleiche Bindungswirkung eintreten sollte und nach der Vorstellung
des Vollmachtgebers auch eingetreten ist wie durch Abschluß
des formbedürftigen Hauptvertrages, die Vollmacht also
den damit in Wahrheit bereits gewollten Grundstücksübertragungsvertrag
nur verdeckt.“

BGH NJW 1979, 2306; Herv. d. DNotI

Der BGH betonte in dieser Entscheidung, dass eine Befreiung von § 181 BGB für eine
solche tatsächliche Bindung kein entscheidendes Indiz sein kann und dass sich der Vollmachtgeber
zudem in einer Lage gesehen haben muss, die ihn – jedenfalls nach eigener Überzeugung
– tatsächlich an die Vollmacht bindet. Auch die konkrete Bezeichnung des
Grundbesitzes, auf den sich die Vollmacht bezog, besage nichts über die Willensbildung,
sondern bildet nur den Gegenstand des Rechtsgeschäfts ab, auf den sich die Vollmacht bezieht
(BGH NJW 1979, 2306, 2307). Bereits zuvor hatte der BGH im Anschluss an das RG
festgehalten, dass der Wunsch, dem Vollmachtgeber den Weg zum Notar zu ersparen
und eine Fertigung von Verträgen am Krankenbett zu vermeiden als bloße Zweckmäßigkeitsgründe
nicht zwingend für einen Ausschluss des Widerrufsrechts der Vollmacht sprechen
können (vgl. BGH v. 21.5.1965 – V ZR 156/64 = DNotZ 1966, 92 = BeckRS 1965,
31175891).

Der BGH führte in der wichtigen Entscheidung v. 23.2.1979 allerdings noch aus:
„Der Fall läge anders, wenn der Erblasser damals etwa schon so
schwer erkrankt gewesen sein sollte, daß er sich außerstande
fühlte, künftig noch Einfluß auf das Grundstücksgeschäft zu nehmen
und deshalb mit der Vollmacht bereits vollendete Tatsachen
schaffen wollte.“

BGH NJW 1979, 2306, 2307; Herv. d. DNotI

Nur auf diesem Wege tritt ein subjektives Kriterium zum „Prüfungsstrauß“ hinzu. Es handelt
sich aber weiterhin um die Fallgruppe der tatsächlichen Bindung und nicht etwa eine davon
losgelöste weitere Ausnahme. Es ist also für das etwaige Bestehen der vorverlagerten Bindungswirkung
die subjektive Vorstellung des Vollmachtgebers maßgeblich – es ist entscheidend,
inwieweit er sich bereits durch die Vollmachtserteilung an das spätere Vertretergeschäft
gebunden hält und ob nach seiner Vorstellung die Erteilung der Vollmacht das
Grundstücksgeschäft lediglich verdecken soll (vgl. Reetz, Rn. 27).

2. Subsumtion unter den hier vorliegenden Sachverhalt und Prüfungsumfang des
Grundbuchamts

a) Bindung im vorliegenden Fall?

Eine faktische Bindung kommt vorliegend nur aufgrund der subjektiven Vorstellung der
Vollmachtgeberin in Betracht. Ob eine faktische Bindung der Vollmachtgeberin an die
Vollmacht deshalb bestand, weil sie so schwer erkrankt war, dass sie sich „außerstande
fühlte, künftig noch Einfluss auf das Grundstücksgeschäft zu nehmen und deshalb mit
der Vollmacht bereits vollendete Tatsachen schaffen wollte“, stellt eine Tatfrage dar, die
das DNotI nicht beantworten kann, obwohl prima facie vieles dagegenspricht (vgl. die
Hilfserwägungen, unten Ziff. 2 lit. c).

Auf die konkrete materielle Rechtslage kommt es aber gar nicht an, da das Grundbuchamt
seinen Prüfungsumfang überschritt (dazu sogleich lit. b).

b) Prüfungsumfang des Grundbuchamts

Zwar hat das Grundbuchamt nach allgemeiner Auffassung eine eigene Prüfungspflicht
hinsichtlich des Inhalts, des Umfangs und der Wirksamkeit der Vollmacht (vgl.
nur Hertel, § 29 Rn. 45). Herrschend ist aber zum einen die Annahme, dass das Grundbuchamt
der Frage einer etwaigen Formbedürftigkeit nur bei Vorliegen konkreter
Zweifel nachgehen darf (vgl. OLG Hamm FGPrax 2005, 240; KEHE/Volmer, Grundbuchrecht,
8. Aufl. 2019, § 29 GBO Rn. 180).

Zum anderen können vorliegend nur die subjektiven Vorstellungen und Absichten
der Vollmachtgeberin eine Ausnahme zum Grundsatz der Formfreiheit von § 167 Abs. 2
BGB begründen. In dieser Situation sind Besonderheiten in Bezug auf den Prüfungsumfang
des Grundbuchamts zu beachten, da dieses keine Möglichkeit hat, diese subjektiven
Vorstellungen umfassend aufzuklären.

Im Werk Schöner/Stöber findet sich hierzu folgende Passage:

„Dem Grundbuchamt sind bei der Prüfung von Vollmachten
auf ihre Formbedürftigkeit nach § 311b Abs. 1 S. 1 BGB aus
den Grundsätzen des Grundbuchverfahrens Schranken gesetzt:
die Ermittlung der Vorstellungen und Absichten der Beteiligten,
die der Vollmachtserteilung zugrunde liegen und nach den
oben dargestellten Grundsätzen zur Formbedürftigkeit der Vollmacht
bzw. des ihr zugrunde liegenden Kausalverhältnisses führen,
ist dem Grundbuchamt regelmäßig nicht möglich.“

Schöner/Stöber, Rn. 3543; Herv. d. DNotI

Dies ist zutreffend und wird auch (ganz) herrschend so gesehen. So wird etwa in dem
auch vom Grundbuchamt zitierten „Meikel“-Kommentar ausgeführt, dass das
Grundbuchamt nur dann wegen eines etwaigen Formmangels eine beglaubigte Vollmacht
beanstanden kann, wenn der Wortlaut der Urkunde eindeutig darauf schließen
lässt, was insbesondere bei der Unwiderruflichkeit der Fall ist (Hertel, § 29 Rn. 51).
Das BayObLG (Beschl. v. 9.7.1980 – BReg 2 Z 39/80 = DNotZ 1981, 567; 3. Ls.) führte
sogar pauschal aus, dass im Grundbuchverfahren über den Urkundeninhalt hinausgehende
Ermittlungen, z. B. über Vorstellungen, Absichten und Bindungen der
Beteiligten, nicht möglich sind.

Zudem ist dem auch das KG (Beschl. v. 15.1.1985 = DNotZ 1986, 290) nicht
entgegengetreten. Das KG hatte im konkreten Fall vielmehr aufgrund einer
erheblichen Häufung von objektiven Umständen eine Ausnahme der Formfreiheit der
Vollmacht anerkannt und das Grundbuchamt für berechtigt angesehen, die Vollmacht
zurückzuweisen. Es ging im zugrunde liegenden Sachverhalt aber nicht um die
Feststellung subjektiver Absichten des Vollmachtgebers, sondern um objektiv
feststellbare Umstände (Entwurf der Käufervollmacht durch den Verkäufer in
formularmäßiger Form; Bevollmächtigung von Personen, die Interessensvertreter des
Verkäufers waren; Fixierung des konkreten Inhalts des Rechtsgeschäfts). Das KG kam
insofern zu der Auffassung, dass sich das gesamte Erwerbsgeschäft auf die
Vollmachtserklärung vorverlagert hatte. Hieraus lassen sich keine Schlüsse für den vorliegenden
Sachverhalt ziehen.

Auch das OLG Schleswig ist dieser Ansicht zum Prüfungsumfang des Grundbuchamts
nicht entgegengetreten. In der häufig zitierten Entscheidung vom 4.5.2000
(DNotZ 2000, 775 = MDR 2000, 1125) führt das OLG zwar aus, dass auch bei einer
widerruflichen Vollmacht in jedem Einzelfall zu prüfen sei, ob durch die konkrete Fallgestaltung
eine rechtliche oder tatsächliche Bindungswirkung für den Vollmachtgeber
eintritt (OLG Schleswig DNotZ 2000, 775, 776). Jedoch betraf dieses Urteil nicht den
Prüfungsumfang des Grundbuchamts. Die Entscheidung des OLG erging vielmehr im
Rahmen einer Berufung gegen die vom LG Kiel aufrechterhaltene Anordnung der Eintragung
eines Widerspruchs (im Wege einer einstweiligen Verfügung). Es handelte sich
also gar nicht um eine grundbuchverfahrensrechtliche Einkleidung, sondern ein „normales“
streitiges Verfahren der Zivilgerichtsbarkeit, bei der selbstverständlich keine Beschränkung
des Prüfungsumfangs der Gerichte besteht.

Damit bleibt festzuhalten, dass für den hier vorliegenden Fall der tatsächlichen Bindung
aufgrund von Vorstellungen und Absichten der Beteiligten das Grundbuchamt
kein Prüfungsrecht hat. Schon deshalb ist die Zwischenverfügung – völlig unabhängig
von den konkret vorliegenden Umständen (dazu hilfsweise unter lit. c) – unzutreffend
und die Vollmacht hätte akzeptiert werden müssen.

c) Hilfserwägungen zur fehlenden faktischen Bindung

Selbst wenn man das Grundbuchamt fälschlicherweise für berechtigt halten wollte, die
subjektiven Vorstellungen des Vollmachtgebers zwecks der Prüfung einer ausnahmsweise
bestehenden Formbedürftigkeit einer Vollmacht näher zu untersuchen, käme man
im vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis.

Allein die Umstände der Beglaubigung im Pflegeheim und die „krakelige“ Unterschrift
der Vollmachtgeberin reichen insofern nicht aus. Andernfalls würde nämlich das Regel-
Ausnahme-Verhältnis von Beurkundungsfreiheit und -bedürftigkeit bei älteren
und/oder pflegebedürftigen Menschen in das Gegenteil verkehrt und es würde diesen
pauschal die – meist kostengünstigere – Variante der bloßen Unterschriftsbeglaubigung
versagt.

Deutlich tritt die Fehlinterpretation der Rechtsprechungsgrundsätze seitens des Grundbuchamts
zu Tage, wenn dieses ausführt, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die
Vollmachtgeberin nicht mehr in der Lage sei, einen Brief zu verfassen, mit dem sie den
Widerruf der Vollmacht erklärt. Zum einen ist dies reine Spekulation, da die
Rechtspflegerin aus einer krakeligen Unterschrift – die auch aus einem vorübergehenden
Moment der Schwäche oder Müdigkeit entspringen kann – niemals die Vermutung
entnehmen kann, dass die Vollmachtgeberin keinen (kurzen) Brief mehr schreiben
könnte. Dies gilt in besonderem Maße, als sie diesen auch schreiben lassen / diktieren
und lediglich selbst (wenn auch ggf. wiederum krakelig) unterschreiben könnte. Überdies
ist es gar nicht zwingend erforderlich, einen Brief zu verfassen, um die Vollmacht zu
widerrufen. Die Ausübung des Widerrufs erfolgt mittels einer empfangsbedürftigen Willenserklärung
(§§ 168 S. 3, 167 Abs. 1 BGB), die auch konkludent erfolgen kann
(MünchKommBGB/Schubert, 9. Aufl. 2021, § 168 Rn. 18). Es kann nicht ausgeschlossen
werden, dass die Vollmachtgeberin einen (ggf. [fern]mündlichen!) Widerruf der
Vollmacht erklären konnte und auch davon ausging, dies bis zum Abschluss des Kaufvertrags
auch tun zu können.

Das Grundbuchamt argumentiert ferner damit, dass die Vollmacht am 7.12.2022 erteilt
und der Kaufvertrag bereits am 25.1.2023 beurkundet wurde und somit ein nur kurzer
Zeitraum dazwischenliege, weshalb die Vollmacht den Grundstückskauf nur verdecke.
Dies ist unzutreffend. Es ist vielmehr nicht auszuschließen, dass der Neffe seine Tante
(Vollmachtgeberin) in der Weihnachtszeit und zum Jahreswechsel im Pflegeheim besuchte
oder besuchen wollte – anlässlich dessen hätte diese den Widerruf der Vollmacht
mitteilen können. Zudem kann der Widerruf auch fernmündlich erklärt werden (vgl.
nur OLG Schleswig DNotZ 2000, 775, 777), was aufgrund der heutigen Verbreitung von
Mobiltelefonen auch keine nur theoretische Möglichkeit darstellt. Zudem liegen vorliegend
immerhin anderthalb Monate zwischen Vollmachtserteilung und Beurkundung des
Kaufvertrags – im Schrifttum wird hingegen als kurzer Zeitraum die Beurkundung am
Folgetag (!) der Vollmachtserteilung diskutiert (Hertel, § 29 Rn. 48), bzw. formuliert, es
müsse sich um eine so kurze Zeitspanne handeln, dass das Widerrufsrecht faktisch
leerlaufe (vgl. Reetz, Rn. 30).

Eine spezifische Situation kann zwar bestehen, wenn auf eine nur unterschriftsbeglaubigte
Vollmacht, die eine Beschränkung von § 181 BGB vorsieht, in kurzem zeitlichem
Abstand ein Selbstkontrahieren folgt. Diese Sondersituation kann dazu führen, dass ein
Ausnahmefall der tatsächlichen Bindung zu bejahen ist (vgl. dazu Hertel, § 29 Rn. 48
m. w. N.). Dies nahm der BGH in einer älteren Entscheidung an – dort war die Vollmachtgeberin
schwer krank und vom Bevollmächtigten abhängig gewesen, der einen Tag
nach der Vollmachtserteilung das Grundstück auf sich selbst übertrug (BGH v. 21.5.1965
– V ZR 156/64 = DNotZ 1966, 92 = BeckRS 1965, 31175891). Auch dies ist hier aber
nicht relevant, da der Neffe keine Partei des Kaufvertrags war und damit kein Insichgeschäft
in Rede steht. Zudem fehlen Anhaltspunkte dafür, dass die Vollmachtgeberin vom
Neffen abhängig gewesen sein soll; alleine der Aufenthalt im Pflegeheim reicht hierfür
nicht aus. Überdies betrug der Zeitraum zwischen Vollmachtserteilung und Beurkundung
des Kaufvertrags gut anderthalb Monate und damit viel länger als die Zeitspanne bei der
genannten BGH-Entscheidung (einen Tag).

Soweit das OLG Schleswig auch den Gesundheitszustand der Vollmachtgeberin berücksichtigt
hatte (DNotZ 2000, 775, 776 f.), ist einerseits zu berücksichtigen, dass diese Entscheidung
nicht im Rahmen des Grundbuchverfahrens erging (vgl. bereits oben sublit.
aa). Zum anderen wurde in dem Verfahren festgestellt, dass die Vollmachtgeberin
„einen schwer kranken und resignierten Eindruck“ gemacht hatte, dass sie deutlich
machte, sie sei froh, „dass ihr Bruder, der Verfügungsbeklagte, alles geregelt hatte“ und
sie „nicht die Kraft [hatte], sich um ihre Interessen selbst zu kümmern“. Diese – eben im
streitigen Zivilverfahren und nicht im Grundbuchverfahren – getroffenen Feststellungen
liegen hier aber nicht vor und können auch seitens des Grundbuchamts nicht getroffen
oder vermutet werden.

Selbst wenn man also eine Prüfung seitens des Grundbuchamts zulassen wollte, sind die
Umstände des konkreten Falles nicht ausreichend, um eine Beurkundungsbedürftigkeit
im Grundbuchverfahren anzunehmen. Das Grundbuchamt überspannt die Anforderungen
an die Form der Vollmacht; es verkehrt das Regel-Ausnahme-Verhältnis bei
älteren und/oder pflegebedürftigen Menschen ins Gegenteil.

Zutreffend sind vielmehr die Ausführungen von Krafka/Seeger an, die schreiben:
„Eine die Beurkundungspflicht auslösende faktische Bindung
kann dagegen nur dann angenommen werden, wenn der Vollmachtgeber
mit der Erteilung der Vollmacht jegliche Kontrolle
über deren Ausübung aus der Hand gibt. Angesichts moderner
Kommunikationsmittel und betreuungsrechtlicher Handlungsmöglichkeiten
finden sich hierfür keine sinnvoll beschreibbaren
Fallgruppen.“

Krafka/Seeger in: Kölner Formularbuch Grundstücksrecht,
3. Aufl. 2021, Kap. 2 Rn. 985; Herv. d. DNotI

Nach alledem wäre die Zwischenverfügung sogar dann unzutreffend, wenn man den
Prüfungsumfang des Grundbuchamts auf subjektive Vorstellungen und Absichten des
Vollmachtgebers erstrecken wollte (was aber, soweit ersichtlich, niemand ernsthaft vertritt).

3. Ergebnis
Ob die Vollmacht wegen eines Formmangels gem. § 125 BGB formnichtig ist, kann aufgrund
der damit zusammenhängenden Tatfragen nicht abschließend beantwortet werden. Es spricht
jedoch vieles dagegen und es ist anzunehmen, dass hier wohl keine Ausnahme der Formfreiheit
der Vollmacht anzunehmen ist und daher die unterschriftsbeglaubigte Vollmacht ausreichte.
Insbesondere ist aber für das Grundbuchverfahrensrecht zu beachten, dass das Grundbuchamt
keine Befugnis hat, die subjektiven Vorstellungen und Absichten der Vollmachtgeberin
zu untersuchen (bzw. präziser: hierüber zu spekulieren). Eine Situation, bei der das Grundbuchamt
wegen einer scheinbaren faktischen Bindung des Vollmachtgebers die Eintragung
zurückweisen dürfte, ist damit kaum mehr denkbar.

Auch unabhängig davon reichen die vorliegenden Umstände nicht aus, um eine Formbedürftigkeit
der Vollmacht anzunehmen, sodass die Zwischenverfügung unseres Erachtens zu Unrecht
ergangen ist. Würde man die Ansicht des Grundbuchamts ernst nehmen, wäre das Regel-
Ausnahme-Verhältnis von Beurkundungsfreiheit und -bedürftigkeit von Grundstücksvollmachten
bei älteren und/oder pflegebedürftigen Menschen in sein Gegenteil verkehrt und
diesen Menschen wäre die Möglichkeit abgeschnitten, die meist kostengünstigere Unterschriftsbeglaubigung
in Anspruch zu nehmen.

Gutachten/Abruf-Nr:

197523

Erscheinungsdatum:

14.04.2023

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
Beurkundungserfordernis
Grundbuchrecht

Normen in Titel:

BGB § 168; BGB § 167; GBO § 29; BGB § 311b