02. September 2022
GBO § 51; GBO § 22; GBO § 19; BGB § 2139; BGB § 167

Löschung des Nacherbenvermerks nach Eintritt des Nacherbfalls; Bedeutung einer vom Vorerben erteilten transmortalen Vollmacht

BGB §§ 167, 2139; GBO §§ 19, 22, 51
Löschung des Nacherbenvermerks nach Eintritt des Nacherbfalls; Bedeutung einer vom Vorerben erteilten transmortalen Vollmacht

I. Sachverhalt
Die Beteiligten wünschen die Beurkundung eines Kaufvertrages. In Abt. II des Grundbuchs ist ein Nacherbenvermerk eingetragen, der jetzt insgesamt gelöscht werden soll. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
– Die frühere Eigentümerin A ist verstorben. Aufgrund festgestellter Erbfolge ist B, die Tochter der A, (nicht befreite) Vorerbin geworden. Nacherben sind die beiden Kinder der Vorerbin C und D. Die Nacherbfolge tritt mit dem Tod der Vorerbin ein.

– Die Vorerbin B ist nun verstorben und die Nacherbfolge eingetreten. Ein Nacherben-Erbschein liegt bisher nicht vor.

– B hat ihren beiden Kindern C und D eine umfassende notarielle Vorsorgevollmacht erteilt, die auch über den Tod hinaus gelten soll. B hatte keine weiteren Kinder.

II. Frage
Können die beiden Nacherben C und D anhand der Vorsorgevollmacht der verstorbenen Vorerbin B für diese noch die Löschung des Nacherbenvermerks im Grundbuch bewilligen, obwohl die Nacherbfolge bereits eingetreten ist?

III. Zur Rechtslage
1. Stellung des transmortal Bevollmächtigten; transmortale Vorsorgevollmacht durch Erblasser
Der transmortal Bevollmächtigte – also hier die Kinder C und D – handelt aus vom Erblasser (Vollmachtgeber) abgeleitetem Recht. Er kann dabei alle Rechtsgeschäfte so vornehmen, wie der Erblasser (Vollmachtgeber) dies selbst zu Lebzeiten hätte tun können (OLG Hamburg DNotZ 1967, 31; Bengel/Reimann/Dietz, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 7. Aufl. 2020, § 1 Rn. 48). Der post- oder transmortal Bevollmächtigte vertritt also zwar die Erben (Gutachten DNotI-Report 2019, 140, 141; OLG München ZEV 2012, 376; OLG Frankfurt DNotZ 2012, 140; BGHZ 87, 19; Grüneberg/Weidlich, BGB, 81. Aufl. 2022, Vor § 2197 Rn. 10), jedoch handelt er aus vom Erblasser abgeleitetem Recht.

Hätte im unterbreiteten Sachverhalt der die Vor- und Nacherbfolge anordnende Erblasser (A) selbst eine transmortale Vollmacht an den Vorerben erteilt, wäre mithin die Frage aufgeworfen, ob der transmortal bevollmächtigte Vorerbe mit Wirkung auch für die Nacherben handeln und diese bei Abgabe grundbuchtauglicher Erklärungen für die Löschung des Nacherbenvermerks vertreten könnte. Diese Frage, ob der durch den Erblasser transmortal Bevollmächtigte nur den Vorerben, auch den Nacherben oder letzteren nur unter bestimmten Voraussetzungen vertreten kann, ist nach wie vor in Rechtsprechung und Literatur nicht abschließend geklärt. Das OLG Stuttgart (ZEV 2019, 530 = DNotI-Report 2019, 126) hat in seinem Beschluss vom 29.5.2019 angenommen, dass der transmortal Bevollmächtigte (im dortigen Fall auch der Vorerbe) auch den Nacherben vertreten könne (vgl. dazu auch Weidlich, ZEV 2016, 64; Amann, MittBayNot 2013, 363). Diese Rechtsansicht ist allerdings nicht unumstritten (vgl. Litzenburger, FD-Erbrecht 2019, 418920; Muscheler, ZEV 2019, 532; Keim, ZEV 2020, 1) und steht auch nicht in Übereinstimmung mit der quasi gleichzeitig ergangenen Entscheidung des OLG München (ZEV 2019, 533 = DNotI-Report 2019, 125).

2. Besonderheit hier: transmortale Vorsorgevollmacht durch Vorerben
Auf diesen vorstehend nur angedeuteten Streitstand zur Reichweite einer durch den Erblasser an den Vorerben mit transmortaler Wirkung erteilten Vorsorgevollmacht kommt es hier aber nicht an, denn nach der Sachverhaltsschilderung wurde hier nicht durch den die Vor- und Nacherbfolge anordnenden Erblasser, sondern durch die Vorerbin eine Vorsorgevollmacht mit transmortaler Wirkung erteilt. Insoweit gilt nach unserer Einschätzung: Die Vorerbin selbst hätte über die vom Erblasser angeordnete Nacherbfolge zu Lebzeiten in keiner Weise disponieren können. Folglich ist dies auch den transmortal bevollmächtigten Kindern C und D, die zugleich Nacherben sind, aufgrund der Vorsorgevollmacht der Vorerbin nicht möglich. Denn sie handeln – wie einleitend gesehen – aus vom Vollmachtgeber (also hier: der Vorerbin) abgeleitetem Recht und haben hinsichtlich der Nacherbfolge und des kundmachenden Nacherbenvermerks gem. § 51 GBO keine weitergehenden oder andersartigen Einwirkungsmöglichkeiten, als die Vorerbin selbst sie zu ihren Lebzeiten gehabt hätte. Daher deckt die hier vorliegende Vorsorgevollmacht der Vorerbin nicht die rechtliche Möglichkeit der bevollmächtigten Kinder ab, die Löschung des eingetragenen Nacherbenvermerks gem. § 19 GBO zu bewilligen.

3. Löschung des Nacherbenvermerks nach Eintritt des Nacherbfalls nach allgemeinen Regeln
Daher bleibt es im vorliegenden Sachverhalt bei den allgemeinen Regeln zur Löschung des Nacherbenvermerks nach Eintritt des Nacherbfalls.

Insoweit gilt: Nach Eintritt der Nacherbfolge gem. § 2139 BGB kann der im Grundbuch gem. § 51 GBO eingetragene Nacherbenvermerk auf Antrag der Nacherben wegen Unrichtigkeit gem. § 22 Abs. 1 GBO gelöscht werden.

Auch eine Löschung aufgrund Löschungsbewilligung der Nacherben gem. § 19 GBO ist möglich. Jedoch muss im Falle der Löschung des Nacherbenvermerks wegen nachgewiesener Grundbuchunrichtigkeit gem. § 22 Abs. 1 GBO eben diese Grundbuchunrichtigkeit, bei der Löschung des Nacherbenvermerkes aufgrund Bewilligung der Nacherben gem. § 19 GBO die Bewilligungsberechtigung der handelnden Nacherben, nachgewiesen werden.

Für beide Wege der Löschung ist nach § 35 Abs. 1 S. 1 GBO grundsätzlich ein Erbschein nach dem Erblasser notwendig, der die nunmehr eingetretene Nacherbfolge ausweist. Der für den Vorerben erteilte Erbschein samt Nachweis des Eintritts der Voraussetzungen der Nacherbfolge genügt für die Löschung nicht (BGH NJW 1982, 2499; DNotZ 1988, 372; OLG München DNotZ 2013, 153; Meikel/Böhringer, GBO, 12. Aufl. 2021, § 51 Rn. 188; Demharter, GBO, 32. Aufl. 2021, § 35 Rn. 8; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 3525). In der genannten Grundsatzentscheidung (BGH NJW 1982, 2499) hat der BGH dazu begründend ausgeführt, vor Eintritt des Nacherbfalles sei eine angeordnete Nacherbschaft der Bezeugung in einem Erbschein (als einem Zeugnis über ein Erbrecht) nicht fähig. Dementsprechend gelte die Vermutung der Richtigkeit des Erbscheins nach § 2365 BGB (und damit auch dessen öffentlicher Glaube nach § 2366 BGB) positiv nur für das bezeugte Erbrecht sowie negativ dafür, dass andere als die angegebenen Beschränkungen nicht bestünden; eine positive Vermutung dafür, wer Nacherbe sei, sehe das Gesetz dagegen nicht vor. Zur bindenden Feststellung des Nacherben sei der dem Vorerben erteilte Erbschein ohnehin nicht geeignet, da zur Zeit der Erteilung dieses Erbscheins noch nicht feststehe, ob der darin (nunmehr: gem. § 352b Abs. 1 S. 1 FamFG) als Nacherbe Bezeichnete tatsächlich Nacherbe werde.

Ergibt sich die Nacherbfolge dagegen nach Eintritt des Nacherbfalls eindeutig aus einer notariell beurkundeten Verfügung von Todes wegen, so reicht gem. § 35 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 GBO regelmäßig die Vorlage dieser notariellen Verfügung von Todes wegen mit Eröffnungsprotokoll i. V. m. dem in der Form des § 29 Abs. 1 S. 1 GBO zu erbringenden Nachweis über den Eintritt der Nacherbfolge aus (Meikel/Böhringer, § 51 Rn. 188). Das OLG Hamm (FGPrax 2011, 223, 224) hat in diesem Zusammenhang im Anschluss an die frühere Rechtsprechung verschiedener Oberlandesgerichte (BayObLG FGPrax 2000, 179; OLG Frankfurt Rpfleger 1980, 434; OLG Hamm FGPrax 1997, 48, 49) die eidesstattliche Versicherung über das Nichtvorhandensein weiterer potenziell als Nacherben berufener Abkömmlinge durch eine Person, die zuverlässig über das Vorhandensein weiterer Abkömmlinge Auskunft geben kann, als ergänzendes Beweismittel zugelassen (krit. hierzu Meikel/Böhringer, § 51 Rn. 188).

Die Zustimmung (Bewilligung) von Ersatzerben gem. § 19 GBO ist zur Löschung des Nacherbenvermerks nach dem nachgewiesenen Eintritt der Nacherbfolge und der Annahme der Erbschaft durch den Nacherben nicht mehr erforderlich, weil der Ersatznacherbfall nicht mehr eintreten kann (Meikel/Böhringer, § 51 Rn. 89; Schöner/Stöber, Rn. 3525).

4. Ergebnis
Für den unterbreiteten Sachverhalt folgt hieraus im Ergebnis, dass – falls der Erblasser lediglich eine privatschriftliche Verfügung von Todes wegen hinterlassen hatte – zur Löschung des gem. § 51 GBO eingetragenen Nacherbenvermerks gem. § 35 Abs. 1 S. 1 GBO die Vorlage eines Erbscheins notwendig ist, der die Erbfolge nach dem Erblasser (nach Eintritt des Nacherbfalls) ausweist. Dies gilt unabhängig davon, ob die Löschung des gem. § 51 GBO eingetragenen Nacherbenvermerks konstruktiv auf die Löschungsbewilligung (§ 19 GBO) der dann wiederum gem. § 35 Abs. 1 S. 1 GBO nachzuweisenden Personen der Nacherben oder auf den Unrichtigkeitsnachweis gem. § 22 Abs. 1 GBO gestützt werden soll. Würde dieser Nachweis nicht erbracht, so könnten die Nacherben allein aufgrund der ihnen von der Vorerbin erteilten Vorsorgevollmacht aus den in Ziff. 2 genannten Gründen keine zur Löschung des Nacherbenvermerks vollzugstaugliche Erklärung abgeben.

Gutachten/Abruf-Nr:

190729

Erscheinungsdatum:

02.09.2022

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Grundbuchrecht

Erschienen in:

DNotI-Report 2022, 131-133

Normen in Titel:

GBO § 51; GBO § 22; GBO § 19; BGB § 2139; BGB § 167