07. April 2020
ErbStG § 29; ErbStG § 13 Abs. 1

Vorversterben der Tochter; Vater wird Alleinerbe nach der Tochter; Rückforderungsrecht nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; Konfusion; Vermögensrückfall an den schenkenden Elternteil

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 173640
letzte Aktualisierung: 7. April 2020

ErbStG §§ 13 Abs. 1 Nr. 10; 29
Vorversterben der Tochter; Vater wird Alleinerbe nach der Tochter; Rückforderungsrecht
nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; Konfusion; Vermögensrückfall an den schenkenden
Elternteil

I. Sachverhalt

Ehegatten hatten eine Immobilie unter Vorbehalt eines (vormerkungsgesicherten) Rückforderungsrechts
an ihre alleinige Tochter übertragen. Die Mutter ist vor einiger Zeit verstorben.

Vor einem Jahr ist die Tochter ebenfalls verstorben. Letzter Überlebender ist damit der Vater.
Da sonst keine näheren Verwandten vorhanden sind, ist dieser auch Alleinerbe nach der Tochter.

Das Rückforderungsrecht umfasste von Anfang an auch den Fall des Vorversterbens der
erwerbenden Tochter.

Die Immobilie hat rund 1000 m2 Grund, sodass der allgemeine Freibetrag des Vaters als Alleinerbe
nach seiner Tochter überschritten sein dürfte. Es kommt also auf die Anwendung von § 29
Abs. 1 Nr. 1 ErbStG an.

II. Fragen

Muss dem Finanzamt dazu eine besondere Durchführungshandlung mitgeteilt werden, damit
der Vater sich auf die Rückforderung berufen kann? Gibt es zu solchen Sachverhalten Stellungnahmen
aus Rechtsprechung oder Kommentarliteratur?

III. Zur Rechtslage

1. Vermögensrückfall an den schenkenden Elternteil (§ 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG)
Nach § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG sind Vermögensgegenstände, die ein Eltern oder
Voreltern ihren Abkömmlingen durch Schenkung oder Übergabevertrag zugewandt hatten
und die an diese Personen von Todes wegen zurückfallen, steuerfrei. Diese Steuerbefreiungsvorschrift
greift ein, wenn es sich um einen Rückerwerb von Todes wegen aufgrund
gesetzlicher oder testamentarischer Erbfolge handelt.

Wertsteigerungen der geschenkten Vermögensgegenstände, die ausschließlich auf der wirtschaftlichen
Entwicklung beruhen, stehen der Steuerfreiheit des Rückfalls nicht entgegen
(ErbStR 2011, RE 13.6. Abs. 2 S. 4). Hat der Beschenkte allerdings den Wert der zugewen-
deten Vermögensgegenstände durch Einsatz von Kapital oder Arbeit erhöht, so ist der hierdurch
entstandene Mehrwert steuerpflichtig (ErbStR 2011, RE 13.6. Abs. 2 S. 5).

Zu beachten ist allerdings, dass die Befreiungsvorschrift nur in Betracht kommt,
wenn die von Todes wegen zurückfallenden Vermögensgegenstände dieselben sind
wie die seinerzeit zugewendeten Gegenstände (ErbStR 2011, RE 13.6. Abs. 2 S. 2)
und nur insoweit, als der Rückfall an den ursprünglichen Schenker erfolgt.

Zwischenergebnis: War der Vater, der nun Alleinerbe seiner Tochter geworden ist,
Alleineigentümer des geschenkten Grundstücks gewesen, welches jetzt wieder an ihn
zurückfällt, wäre der Rückfall bereits nach § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG steuerfrei.

War er dagegen nur Miteigentümer zu ½, so liegen nur hinsichtlich dieser Miteigentumshälfte
die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG vor.

Liegen daher die die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG nicht vollumfänglich
vor oder will man im weiteren auch noch erreichen, dass nicht nur der Vermögensrückfall
steuerbegünstigt ist, sondern auch bereits angefallene Schenkungsteuer aus der Schenkung
an den ursprünglich Beschenkten rückerstattet werden soll, so kann man dies nur über die
Anwendung des § 29 ErbStG erreichen.

2. Voraussetzungen und Rechtsfolgen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG

Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erlischt die Steuer mit Wirkung für die Vergangenheit, soweit
ein Geschenk wegen eines Rückforderungsrechts herausgegeben werden muss. Obwohl
§ 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unmittelbar nur die Folgen der Herausgabe eines Geschenks
für die Zuwendung regelt, hat diese Vorschrift auch indizielle Bedeutung für die Beurteilung
der Steuerfolgen des Vermögensrückfalls. In den Fällen, in denen die Voraussetzungen des
§ 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG hinsichtlich der vorausgegangenen Schenkung vorliegen, stellt die
Rückgabe des Geschenks als solches keine schenkungsteuerlich relevante Zuwendung dar.
Denn der Beschenkte gibt nicht freiwillig aufgrund einer zurechenbaren, eigenen Entscheidung
heraus, sondern der Schenker erhält den Gegenstand aufgrund seines Rückforderungsrechts
zurück (vgl. Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Loseblatt, § 29 Rn. 33;
Moench, ErbStG, Loseblatt, § 29 Rn. 1, 2).

Ein Rückforderungsrecht nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG kann sich aus den gesetzlichen
Regelungen des BGB (insbes. des Schenkungs- und Erbrechts) und aus Vertrag ergeben. Zu
beachten ist dabei, dass § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nur Anwendung findet, wenn der Schenkungsgegenstand
aufgrund eines von vornherein bestehenden oder vereinbarten Rückforderungsrechts
herausgegeben werden muss. Dies wäre in dem hier geschilderten
Sachverhalt der Fall, da das Rückforderungsrecht bereits im Übertragungsvertrag vereinbart
war.

3. Anwendbarkeit des § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bei „Konfusion“

Die Anwendbarkeit des § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist dann unproblematisch, wenn bereits
aus zivilrechtlichen Gründen die Rechtsfolge der Konfusion aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher
Regelung vermieden wird (so in Fällen der §§ 1976, 2175, 2377 BGB; vgl. auch
Schuck, in: Viskorf/Knobel/Schuck u. a., ErbStG, 5. Aufl. 2017, § 10 Rn. 50, 51).

Ist allerdings zivilrechtlich das Rückforderungsrecht infolge Konfusion untergegangen, so
stellt sich die Frage, ob man dennoch in den Anwendungsbereich des § 29 ErbStG gelangen
kann. Dies wäre dann möglich, wenn das Rückforderungsrecht des Erben, welches
zivilrechtlich infolge Konfusion untergegangen ist, für steuerliche Zwecke entsprechend
§ 10 Abs. 3 ErbStG nicht als untergegangen gilt.

Von einem Großteil der Literatur wird unter Hinweis auf § 10 Abs. 3 ErbStG, nach welchem
unabhängig von der zivilrechtlichen Konfusion erbschaftsteuerlich die durch Vereinigung
von Recht und Verbindlichkeit untergegangenen Rechtsverhältnisse als nicht erloschen
gelten, sowie durch ergänzende Vertragsauslegung die Anwendbarkeit des § 29 Abs. 1
Nr. 1 ErbStG auch für die Fälle bejaht, in denen der Erbe auch zur Rückforderung berechtigt
wäre. Denn es sei kein Grund ersichtlich, warum die Beteiligten in einer solchen Fallkonstellation
schlechter gestellt werden sollten. Zur Begründung dieses Ergebnisses wird
u. a. angeführt, dass das Rückforderungsrecht als über den Tod hinaus fortbestehend gilt
und dass dieser über den Tod hinaus fortbestehende Anspruch auch gegen sich selbst
geltend gemacht werden kann (Jülicher, § 29 Rn. 56, 57; Schuck, § 10 Rn. 51; Hardt, ZEV
2004, 408 ff.; Holland, ZEV 2000, 356 ff.; zum Meinungsbild generell: Kapp/Ebeling,
ErbStG, Loseblatt, § 29 Rn. 32; anderer Ansicht u. a. Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher, § 10
Rn. 98, welcher weder direkt, noch analog solche Gestaltungsrechte von § 10 Abs. 3
ErbStG erfasst ansieht, die mangels eines Erklärungsempfängers nicht mehr ausgeübt werden
können).

Die Auffassung der h. M. wird unseres Erachtens auch durch die Rechtsprechung des BFH
bestätigt. Der BFH führt in seinem Urteil v. 19.2.2013 (II R 47/11, juris) zur Geltendmachung
des Pflichtteilsanspruchs nach Versterben des Pflichtteilsverpflichteten Folgendes
aus:

„Das Erbschaftsteuerrecht folgt hinsichtlich der Konfusion nicht
der zivilrechtlichen Beurteilung. Vielmehr gelten die infolge des
Erbanfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit
oder von Recht und Belastung erloschenen Rechtsverhältnisse
gem. § 10 Abs. 3 ErbStG als nicht erloschen. Diese Fiktion umfasst
auch das Recht des Pflichtteilsberechtigten, der der Alleinerbe
des Pflichtteilsverpflichteten ist, die Geltendmachung des
Pflichtteils fiktiv nachzuholen. Gibt der Pflichtteilsberechtigte
dem zuständigen Finanzamt gegenüber vor der Verjährung
des Pflichtteilsanspruchs eine entsprechende Erklärung ab,
hat es diese zu berücksichtigen und sowohl hinsichtlich der
Besteuerung des Erwerbs des Pflichtteils gem. § 3 Abs. 1
Nr. 1 ErbStG als auch hinsichtlich des Abzugs der Pflichtteilsschuld
als Nachlassverbindlichkeit die sich hieraus unter
Berücksichtigung der jeweils maßgebenden Freibeträge
ergebenden steuerrechtlichen Folgerungen zu ziehen.“

Überträgt man diese Rechtsprechung auf das Rückforderungsrecht, so würde dies steuerrechtlich
aufgrund der Regelung des § 10 Abs. 3 ErbStG als nicht erloschen gelten und man
würde in den Anwendungsbereich des § 29 ErbStG gelangen.

4. Ergebnis

Nach der h. M. in der Literatur und auch wohl in der Rechtsprechung (so BFH, Urt. v.
19.2.2013 – II R 47/11) ist davon auszugehen, dass das Rückforderungsrecht, auch wenn
dies zivilrechtlich infolge Konfusion untergegangen ist, für steuerliche Zwecke entsprechend
§ 10 Abs. 3 ErbStG nicht als untergegangen gilt. Denn das Erbschaftsteuerrecht
folgt hinsichtlich der Konfusion nicht der zivilrechtlichen Beurteilung. Vielmehr gelten die
infolge des Erbanfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht
und Belastung erloschenen Rechtsverhältnisse gem. § 10 Abs. 3 ErbStG als nicht erloschen
(so BFH, Urt. v. 19.2.2013 – II R 47/11).

In entsprechender Anwendung der Grundsätze des BFH dürfte es nach unserer Auffassung
für die Geltendmachung ausreichend sein, wenn man dem Finanzamt
gegenüber erklärt, dass man den Rückforderungsanspruch geltend macht. Es konnten
in der Literatur und Rechtsprechung keine Ausführungen gefunden werden,
dass hierfür bestimmte Formerfordernisse (z. B. notarielle Urkunden) erforderlich
sind.

Gutachten/Abruf-Nr:

173640

Erscheinungsdatum:

07.04.2020

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Erbschafts- und Schenkungsteuer

Normen in Titel:

ErbStG § 29; ErbStG § 13 Abs. 1