Nießbrauch; Regelung, wonach der Berechtigte bei Ausübung des Nießbrauchs nur diejenige Sorgfalt schuldet, die er in eigenen Angelegenheiten walten lässt
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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 181605
letzte Aktualisierung: 1. April 2021
BGB §§ 1036, 1050
Nießbrauch; Regelung, wonach der Berechtigte bei Ausübung des Nießbrauchs nur
diejenige Sorgfalt schuldet, die er in eigenen Angelegenheiten walten lässt
I. Sachverhalt
Es ist ein Überlassungsvertrag beurkundet worden, in dem sich der Veräußerer einen „Nettonießbrauch“
vorbehalten hat. Unter anderem ist vereinbart worden:
„Der Berechtigte schuldet bei der Ausübung des Nießbrauchs
nur diejenige Sorgfalt, die er in eigenen Angelegenheiten anwendet
(
Das Grundbuchamt hat in der Zwischenverfügung als Hindernis für die Eintragung des Nießbrauchsrechts
angegeben, dass der vorstehende Passus zu
Nießbrauchs sein kann.
II. Frage
Kann
III. Zur Rechtslage
1. Abdingbarkeit von § 1036 Abs. 2 BGB
Die gewählte Formulierung („Der Berechtigte schuldet bei Ausübung des Nießbrauchs nur
diejenige Sorgfalt, die er in eigenen Angelegenheiten anwendet.“) greift zunächst in den
Regelungsbereich des § 1036 Abs. 2 BGB ein.
Danach hat der Berechtigte bei der Ausübung des Nutzungsrechts die bisherige wirtschaftliche
Bestimmung der Sache aufrecht zu erhalten. Bei Pflichtverletzungen kann der Berechtigte
dem Eigentümer gegenüber grundsätzlich aus
gesetzliches Schuldverhältnis) und
sein; Haftungsmaßstab ist dabei
§ 1036 Rn. 2; BeckOGK-BGB/Servatius, Std.: 1.11.2019, § 1036 Rn. 43;
MünchKommBGB/Pohlmann, 8. Aufl. 2020, § 1036 Rn. 18).
Es stellt sich also die Frage, ob der Haftungsmaßstab im Zusammenhang mit
mit dinglicher Wirkung auf eigenübliche Sorgfalt gem.
In der Literatur erfährt dies Zustimmung (Palandt/Herrler, § 1036 Rn. 2; BeckOGKBGB/
Servatius, § 1036 Rn. 45; Staudinger/Heinze, BGB, 2017, § 1036 Rn. 18). Argumentiert
wird dahingehend, dass zwar ein vollständiger Erlass der Pflicht zur Substanzerhaltung
und ordnungsgemäßen Bewirtschaftung als Kernelement des Nießbrauchs nicht möglich
sei, da der Berechtigte andernfalls mit der Sache beliebig umgehen könnte. Die Pflichten
könnten jedoch modifiziert werden. Servatius führt insoweit aus (BeckOGK-BGB/Servatius,
Stand: 1.11.2019, § 1036 Rn. 45 – Hervorhebungen durch das DNotI):
„Eine dingliche Haftungsbeschränkung gem. § 277 auf die eigenübliche
Sorgfalt (diligentia quam in suis) wird von der hM für unzulässig
gehalten. Dem ist indessen nicht zu folgen, denn
weder der sachenrechtliche Typenzwang noch der Wesenskern
des Nießbrauchs werden hierdurch übermäßig berührt.
Selbst wenn man annimmt, dass § 277 nicht nur das Vertretenmüssen,
sondern auch den Pflichtenrahmen modifiziert,
führt dies nicht dazu, dass die durch Abs. 2 etablierten Kernpflichten
des Nießbrauchers in nicht hinnehmbarer Weise
suspendiert würden. Nimmt man, wie hier, richtigerweise an, dass
dingliche Vereinbarungen über die inhaltliche Präzisierung von
Abs. 2 [gemeint: § 1036 Abs. 2 BGB] zulässig [sind], ist es nur
konsequent, auch die Maßgeblichkeit von § 277 mit dinglicher
Wirkung zuzulassen. Beim Grundstücksnießbrauch ist dies dann
eintragungspflichtig.“
Demgegenüber wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung eine derartige Modifikation
der Pflichten aus § 1036 Abs. 2 BGB mit dinglicher Wirkung abgelehnt (KG DNotZ 2006,
470; OLG Frankfurt a. M.
im Beschluss vom 14.1.2014 (20 W 349/13,
das DNotI) unter Bezugnahme auf Pohlmann (MünchKommBGB/Pohlmann, 8. Aufl. 2020,
§ 1036 Rn. 17):
„[…] hält es der Senat für nicht mit dem im
Sachenrecht geltenden Typenzwang vereinbar, den
dinglichen Pflichtenumfang des Nießbrauchers von seiner
persönlichen Sorgfalt abhängig zu machen (so auch
Pohlmann in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl., § 1036,
Rdnr. 17).
Diese Bedenken stützen sich auf die nicht mit dinglicher
Wirkung abdingbaren Ausübungsschranken für den Nießbraucher
gemäß § 1036 Abs. 2 BGB. Für die bei der Ausübung
des Nutzungsrechts nach dieser Norm einzuhaltenden Regeln
einer ordnungsgemäßen Wirtschaft gilt ein objektiver Maßstab
(so auch Staudinger/Frank, a. a. O., § 1036 Rdnr. 16). Damit
würde aber ein Haftungsmaßstab entsprechend
Widerspruch stehen, weil er dazu führen würde, dass objektiv
gebotene Bewirtschaftungsmaßnahmen je nach der im
Einzelfall zu ermittelnden, da auch veränderlichen, subjektiven
Sorgfalt des Nießbrauchers nicht geschuldet wären
(vgl. Pohlmann, a. a. O.). Dies lässt sich auch nicht
damit entkräften, dass dem Nießbraucher eine Reihe von
Pflichten erlassen werden können, die grundsätzlich zu den
Regeln ordnungsgemäßer Wirtschaft gehören wie die Versicherungspflicht
nach § 1045 BGB und die Pflicht zur Lastentragung
nach
Pflichten ist objektiv bestimmbar und richtet sich nicht nach den
persönlichen Umständen des Nießbrauchers. Für einen Grundstückserwerber
soll sich aber im Fall des Nießbrauchs wie auch
bei anderen Belastungen soweit als möglich aus dem Grundbuch
und der darin in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung der
Inhalt des sein Eigentum beschränkenden Rechts direkt ergeben,
ohne dass tatsächliche Ermittlungen erforderlich wären wie im
Fall eines Haftungsmaßstabs nach
Da sich der BGH mit dieser Rechtsfrage bisher nicht beschäftigt hat (die gegen die Entscheidung
des OLG Frankfurt a. M. von diesem zugelassene Rechtsbeschwerde ist nicht
eingelegt worden), muss die Rechtslage zur Frage der Zulässigkeit der Modifikation des
2. Abdingbarkeit von
Ferner könnte die hier vorliegende Vereinbarung eine Modifikation des
Danach hat der Nießbraucher Veränderungen oder Verschlechterungen der Sache,
welche durch die ordnungsmäßige Ausübung des Nießbrauchs herbeigeführt werden, nicht
zu vertreten.
Eine Abdingbarkeit des
wird nach allgemeiner Meinung abgelehnt (Palandt/Herrler, § 1050 Rn. 1;
Staudinger/Heinze, § 1050 Rn. 4; MünchKommBGB/Pohlmann, § 1050 Rn. 3; BeckOGKBGB/
Servatius, § 1050 Rn. 4).
Die vorliegende Formulierung spricht allgemein davon, dass der Berechtigte bei „Ausübung“
des Nießbrauchs nur eigenübliche Sorgfalt anzuwenden hat. Die Regelung könnte
man zunächst dahingehend auslegen, dass der Berechtigte für Schäden am Eigentum immer
dann haftete, wenn er nicht die eigenübliche Sorgfalt hat walten lassen. Bei einem solchen
Verständnis wird – entgegen
der Sache umfasst, welche durch die ordnungsgemäße Ausübung des
Nießbrauchs herbeigeführt worden sind. Allerdings deutet der gewählte Wortlaut (Haftung
„nur“ für eigenübliche Sorgfalt) darauf hin, dass die Beteiligten eine Reduzierung und keine
Ausweitung der Haftung des Berechtigten herbeiführen wollten (für eine entsprechende
Auslegung wohl auch OLG Frankfurt
Klarstellung fehlt, verbleibt auch insoweit eine gewisse Rechtsunsicherheit im Hinblick auf
die Eintragungsfähigkeit der getroffenen Vereinbarung.
181605
Erscheinungsdatum:01.04.2021
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:Dienstbarkeiten und Nießbrauch
Normen in Titel:BGB § 1050; BGB § 1036