10. Oktober 2019
BGB § 167; BGB § 925; BeurkG § 53; BGB § 164

Widerruf einer Vollmacht zwischen Beurkundung und Antragstellung beim Grundbuchamt; Ausfertigungssperre; Vorlagesperre

BGB §§ 164, 167, 168, 925; BeurkG §§ 51, 53
Widerruf einer Vollmacht zwischen Beurkundung und Antragstellung beim Grundbuchamt; Ausfertigungssperre; Vorlagesperre

I. Sachverhalt
A verkauft B ein Grundstück. Bei der Beurkundung wird A durch C vertreten, und zwar aufgrund einer auf C ausgestellten, in Ausfertigung vorliegenden Vorsorgevollmacht. Nach dieser Vollmacht ist C insbesondere berechtigt, den A in allen Vermögensangelegenheiten zu vertreten. Dem Kaufvertrag wird eine beglaubigte Abschrift der Ausfertigung beigefügt. Die Auflassung wird von C und B erklärt und mitbeurkundet. Der Urkundsnotar arbeitet in seinen Kaufverträgen mit der Ausfertigungssperre (Erklärung der Auflassung, es werden dem Grundbuchamt aber keine vollständigen Ausfertigungen vorgelegt, bis die Voraussetzungen für die Eigentumsumschreibung gegeben sind). Für B wird eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen. Der Kaufpreis wird fällig gestellt und auch gezahlt.

Nach Fälligkeitsmitteilung widerruft A die Vollmacht gegenüber C und teilt diesen Widerruf dem Grundbuchamt mit. Es ist unklar, ob die Vollmacht vor dem Antrag auf Eigentumsumschreibung beim Grundbuchamt widerrufen worden ist oder danach. Das Grundbuchamt lehnt wegen des Widerrufs die Eigentumsumschreibung zugunsten des B ab.

II. Frage
Lehnt das Grundbuchamt die Eigentumsumschreibung zu Recht ab?

III. Zur Rechtslage
1. Grundprinzipien der Ausfertigungssperre
Die sog. beurkundungsrechtliche Lösung sieht vor, dass Veräußerer und Erwerber in der Kaufvertragsurkunde die Auflassung erklären und die Eigentumsumschreibung bewilligen und beantragen. Damit der Erwerber die Auflassung und Bewilligung nicht verwendet, um vor Erbringung der Gegenleistung die Eigentumsumschreibung zu veranlassen, weisen die Beteiligten den Notar an, bis zur Eigentumsumschreibung grundbuchtaugliche Abschriften nur auszugsweise ohne den Text der Auflassung zu erteilen (vgl. § 51 Abs. 2 BeurkG). Zugleich wird der Notar angewiesen, die vollständige Ausfertigung mit Auflassung, Bewilligung und Anträgen erst dann beim Grundbuchamt zur Eigentumsumschreibung einzureichen, wenn der Veräußerer den Empfang der Gegenleistung bestätigt oder der Erwerber sie dem Notar nachgewiesen hat (vgl. § 53 BeurkG: „gemeinsam etwas anderes verlangen“).

2. Materielle Rechtslage: Unwiderruflichkeit der Auflassung
Durch den Widerruf der Vollmacht könnte die Auflassung widerrufen worden sein. Voraussetzung eines wirksamen Eigentumsübergangs ist es, dass sich die Parteien im Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs (i. d. R. zum Zeitpunkt der Eintragung des Erwerbers im Grundbuch als neuer Eigentümer) noch über den Eigentumsübergang einig i. S. d. §§ 873, 925 BGB sind. An sich kann die Einigungserklärung gem. § 873 Abs. 1 BGB einseitig widerrufen werden. Etwas anderes gilt jedoch gem. § 873 Abs. 2 BGB, wenn sie notariell beurkundet wurde. Dies ist laut Sachverhalt der Fall, denn die Auflassung (§ 925 BGB, § 20 GBO) wurde beurkundet.

Des Weiteren muss die Vertretungsmacht den gesamten Inhalt der vom Vertreter abgegebenen Erklärungen decken und zur Zeit der Auflassung bestehen. Ein späterer Widerruf der Vollmacht oder Wegfall der Vertretungsmacht beeinträchtigt die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Auflassung nicht (Staudinger/Pfeifer/Diehn, BGB, 2017, § 925 Rn. 72), und zwar auch dann nicht, wenn die Vertretungsmacht in der Zeit zwischen Auflassung und Eintragung endet. Das Grundbuchamt darf nicht den Nachweis des Fortbestands der Vertretungsmacht auch noch für den Zeitpunkt der Grundbucheintragung verlangen (Staudinger/Pfeifer/Diehn, § 925 Rn. 72). Ein Widerruf der Vollmacht wirkt nicht zurück (BayObLG DNotZ 1983, 752).

Folglich konnte die Auflassung nicht wirksam widerrufen werden und ihre Bindungswirkung ist auch nicht nachträglich wegen des Fortfalls der Vertretungsmacht entfallen.

3. Grundbuchverfahrensrechtliche Rechtslage
Vorliegend könnte man allerdings daran denken, dass die Auflassung ihre grundbuch­verfahrensrechtliche Vollziehbarkeit verloren hat, weil die Bewilligung (§§ 19, 29 GBO), gerichtet auf Umschreibung des Eigentums auf den Erwerber, nachträglich weggefallen ist.

a) Allgemeines zum Wirksamwerden der BewilligungNach heute h. M. stellt die Eintragungsbewilligung gem. § 19 GBO eine rein verfahrensrechtliche Erklärung dar, deren Wirksamkeit sich grundsätzlich nur nach verfahrensrechtlichen Grundsätzen beurteilt (vgl. OLG München DNotZ 2019, 450, 452; RNotZ 2019, 269, 272). Die Wirksamkeit der Eintragungsbewilligung und deren Unwiderruflichkeit fallen zusammen (BayObLG DNotZ 1994, 182, 183; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 106). Hat der Bewilligungsbefugte die Bewilligung nicht selbst erklärt, sondern über einen Vertreter (§ 15 Abs. 1 GBO), so kann die Bewilligung im Eintragungsverfahren nur verwendet werden, wenn der Bestand der vom Grundbuchamt von Amts wegen zu prüfenden Vollmacht in dem für den Grundbuchvollzug maßgeblichen Zeitpunkt nachgewiesen ist (vgl. Bauer/Schaub/Kössinger, GBO, 4. Aufl. 2018, § 19 Rn. 288).

Als verfahrensrechtliche Erklärung wird die Bewilligung wirksam, wenn die Urkunde in Urschrift, Ausfertigung oder beglaubigter Abschrift mit dem Willen des Er­klärenden dem Grundbuchamt zur Herbeiführung einer Eintragung im Grundbuch zugeht (KG FGPrax 2015, 10, 11; Schöner/Stöber, Rn. 107) oder zur Vorlage beim Grundbuchamt demjenigen zugeht, zu dessen Gunsten die Eintragung erfolgen soll (KG FGPrax 2015, 10, 11; Schöner/Stöber, Rn. 107). Adressat der Eintragungsbewilligung ist nämlich gemäß ihrem Verfahrenszweck das Grundbuchamt und daneben auch die Person, zu deren Gunsten die Eintragungsbewilligung abgegeben wird. Erst mit dem Zugang beim Grundbuchamt oder beim Begünstigten, der damit durch eigene Antragstellung die Eintragung bewirken kann, kann die Bewilligung ihrem Verfahrenszweck gemäß Grundlage einer vom Grundbuchamt zu bewirkenden Eintragung sein. Dabei lässt prinzipiell nur der Zugang der Urschrift oder Ausfertigung der Urkunde, nicht derjenige einer lediglich beglaubigten Abschrift, den Schluss zu, dass – wie erforderlich – von der Bewilligung mit dem Willen des Betroffenen Gebrauch gemacht wird (OLG München DNotZ 2019, 450, 453; RNotZ 2019, 269, 272).

Ausnahmsweise wird die Bewilligung bereits mit dem Abschluss des Beurkundungsvorgangs wirksam, wenn die Voraussetzungen vorliegen, die für den Begünstigten einen gesetzlichen (§ 51 BeurkG) und daher unentziehbaren Anspruch auf Erteilung einer Ausfertigung der Bewilligungsurkunde begründen (Schöner/Stöber Rn. 107). Mit dem Bestehen des Anspruchs kann der Bewilligung die Eignung, Grundlage einer Grundbucheintragung zu sein, nicht mehr genommen werden.

b) Wirksamwerden der Bewilligung bei Abgabe durch einen Vertreter
Ob sich der Zeitpunkt der Wirksamkeit der Bewilligung anders beurteilt, wenn diese von einem Vertreter abgegeben wird, ist umstritten.

aa) E. A.: Bestand der Vollmacht im Zeitpunkt der Erklärung der Bewilligung
Die u. E. zutreffende Ansicht argumentiert, dass die von der Vollmacht gedeckte Bewilligungserklärung schon im Zeitpunkt ihrer Erklärung bestehe, das Erlöschen der Vollmacht zwischen notarieller Beurkundung oder Beglaubigung der Bewilligung und Eingang beim Grundbuchamt sich daher nicht auf die Wirksamkeit der Erklärung auswirke. Mit der Abgabe der Bewilligung sei diese als verfahrensrechtliche Erklärung nach außen dokumentiert, auf das Wirksamwerden komme es hingegen nicht an. Das nachträgliche Erlöschen der Vollmacht berühre den Bestand der Bewilligung als Eintragungsgrundlage und damit deren mögliche Verwendung im Grundbuchverfahren nicht (Schöner/Stöber, Rn. 3581 mit Rn. 102 a, 102 e). Denn auch sonst wird es bei verfahrensrechtlichen Erklärungen für unbeachtlich gehalten, wenn nach Erklärung, aber vor Wirksamwerden eine Handlungsvoraussetzung entfällt (dazu bereits ausführlich Gutachten DNotI-Report 2019, 89, 90). Im Übrigen ist anerkannt, dass andere Defizite des Bewilligenden, die nach der Erklärung, aber vor Wirksamwerden der Bewilligung eintreten, unbeachtlich sind. So soll es etwa möglich sein, die Bewilligung nach § 19 GBO in einem Testament zu erklären: Dass die Bewilligung erst nach dem Tod des Erklärenden wirksam werde, sei in entsprechender Anwendung des § 130 Abs. 2 BGB unbeachtlich (OLG Stuttgart ZErb 2012, 132 = MittBayNot 2013, 49 m. Anm. Kössinger). Konsequenterweise müsste dies auch für den Fall gelten, dass der Bewilligende nach Erklärung, doch vor Wirksamwerden der Bewilligung seine Vertretungsmacht verliert (so auch Schöner/Stöber, Rn. 102a ff.).

bb) A. A.: Bestand der Vollmacht bis zum Wirksamwerden der Bewilligung
Nach a. A. (OLG München DNotZ 2019, 450, 455; RNotZ 2019, 269, 273; KG FGPrax 2015, 10, 11; OLG Düsseldorf FGPrax 2014, 8, 9; Schaub, in: Bauer/Schaub, AT G Rn. 1; KEHE/Munzig, 8. Aufl. 2019, § 19 Rn. 159) muss eine wirksame Vollmacht oder ein dieser gleichstehender Vertrauenstatbestand noch im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der verfahrensrechtlichen Erklärung – etwa durch Vorlage beim Grundbuchamt – bestehen. Der Wegfall der Vollmacht vor diesem Zeitpunkt führe zwar nicht zum Erlöschen der Bewilligung, er hindere aber das Wirksamwerden der Bewilligung als verfahrensrechtliche Erklärung im Grundbuchverfahren, sofern der Mangel der Vollmacht nicht wegen eines Rechtsscheinstatbestands unerheblich sei (OLG München DNotZ 2019, 450, 454; RNotZ 2019, 269, 272). Nichts anderes gilt nach Auffassung des OLG München, wenn der Vertretene nicht die in seinem Namen erklärte Bewilligung widerruft, sondern die Vollmacht, und hierüber das Grundbuchamt unterrichtet; denn auch damit mache er klar, dass die Vorlage der Bewilligung beim Grundbuchamt durch den Vertreter nicht mehr seinem Willen entspreche. Zudem habe der Vertretene in der Regel keine andere Möglichkeit, als die Vollmacht zu widerrufen, da er die abgegebenen Bewilligungen regelmäßig nicht kennen werde und dem Grundbuchamt gegenüber nicht benennen könne (DNotZ 2019, 450, 455 f.; RNotZ 2019, 269, 273).

cc) Wirksamwerden bereits mit Abschluss der Beurkundung
Auch nach Auffassung des OLG München (DNotZ 2019, 450, 456; RNotZ 2019, 269, 273) kann die Bewilligung ausnahmsweise bereits mit Abschluss der Beurkundung wirksam werden, wenn gem. § 51 Abs. 1 BeurkG ein Anspruch auf Erteilung einer Ausfertigung entstanden ist. Gem. § 51 Abs. 1 Nr. 1 BeurkG verfügt bei Niederschriften über Willenserklärungen derjenige über einen vom Willen der Betroffenen unabhängigen Anspruch auf eine Ausfertigung, der eine Erklärung im eigenen Namen abgegeben hat oder in dessen Namen eine Erklärung abgegeben worden ist. Näher begründet wird diese Ausnahme vom Gericht jedoch nicht. Dogmatisch liegt ihr offenbar der Gedanke zugrunde, dass mit Entstehung des Anspruchs aus § 51 Abs. 1 BeurkG ein unentziehbarer Anspruch auf Erteilung einer Ausfertigung entsteht und folglich auch das Recht des Begünstigten, die in der Urkunde abgegebenen Erklärungen dem Grundbuchamt selbst zuzuleiten. Daher soll es also für das Wirksamwerden nicht mehr auf den Zugang beim Grundbuchamt ankommen; man verlegt den Zeitpunkt des Wirksamwerdens nach vorn auf denjenigen der Anspruchsentstehung. Im Ergebnis ist dies insofern überzeugend, als es für die Widerruflichkeit vom Zufall abhinge, ob der Anspruch gem. § 51 Abs. 1 BeurkG bereits erfüllt ist oder nicht.

Für die notarielle Praxis ist zu beachten, dass der Anspruch gem. § 51 Abs. 2 BeurkG oftmals dahingehend beschränkt wird, dass die Erteilung von Ausfertigungen oder beglaubigten Abschriften an zusätzliche Voraussetzungen geknüpft ist, etwa an die Zahlung des Kaufpreises oder die Bestätigung des Empfängers über dessen Erhalt (BeckOGK-BeurkG/Regler, Std.: 1.3.2019, § 51 Rn. 41). Inwieweit sich eine solche Ausfertigungssperre auf die Ansicht des OLG München auswirken würde, hat das OLG nicht angesprochen. Es hat sich also nicht dazu geäußert, ob der Anspruch nur dem Grunde nach bestehen muss oder ob auch alle Voraussetzungen für die tatsächliche Erteilung vorzuliegen haben. Auch bei Vereinbarung einer Ausfertigungssperre kann der Erwerber – ohne dass es der Veräußerer verhindern kann – die Voraussetzungen für den Anspruch selbst schaffen. Es spricht deshalb u. E. vieles dafür, dass es genügt, wenn der Veräußerer die Entstehung des Anspruchs gem. § 51 Abs. 1 BeurkG nicht mehr einseitig verhindern kann.

Da im vorliegenden Fall der Kaufpreis bereits bezahlt worden ist, greift die Ausfertigungssperre ohnehin nicht mehr ein, sodass dem Erwerber ein Anspruch gem. § 51 Abs. 1 BeurkG zusteht. Nimmt man die – obiter dictum getroffene – Aussage des OLG München zu § 51 BeurkG ernst, so ist der nachträgliche Wegfall der Vertretungsmacht ebenso ohne Belang wie nach der teilweise in der Literatur vertretenen Meinung, dass es auf die Abgabe der Erklärung ankommt (s. lit. aa).

4. Ergebnis
Der Widerruf der Vollmacht beseitigt nicht die Bindungswirkung der Auflassung und der abgegebenen Bewilligung; das Grundbuchamt weigert sich also zu Unrecht, die Eigentumsumschreibung durchzuführen.

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass unabhängig von der vertretenen Ansicht jedenfalls aus dem wirksamen Kaufvertrag stets ein Anspruch auf (erneute) Abgabe der Bewilligungserklärung erwachsen dürfte.

Gutachten/Abruf-Nr:

171659

Erscheinungsdatum:

10.10.2019

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
Sachenrecht allgemein
Beurkundungsverfahren

Erschienen in:

DNotI-Report 2019, 153-156

Normen in Titel:

BGB § 167; BGB § 925; BeurkG § 53; BGB § 164