Widerruf einer Vollmacht zwischen Beurkundung und Antragstellung beim Grundbuchamt; Ausfertigungssperre; Vorlagesperre
BGB §§ 164, 167, 168, 925; BeurkG §§ 51, 53
Widerruf einer Vollmacht zwischen Beurkundung und Antragstellung beim Grundbuchamt; Ausfertigungssperre; Vorlagesperre
I. Sachverhalt
A verkauft B ein Grundstück. Bei der Beurkundung wird A durch C vertreten, und zwar aufgrund einer auf C ausgestellten, in Ausfertigung vorliegenden Vorsorgevollmacht. Nach dieser Vollmacht ist C insbesondere berechtigt, den A in allen Vermögensangelegenheiten zu vertreten. Dem Kaufvertrag wird eine beglaubigte Abschrift der Ausfertigung beigefügt. Die Auflassung wird von C und B erklärt und mitbeurkundet. Der Urkundsnotar arbeitet in seinen Kaufverträgen mit der Ausfertigungssperre (Erklärung der Auflassung, es werden dem Grundbuchamt aber keine vollständigen Ausfertigungen vorgelegt, bis die Voraussetzungen für die Eigentumsumschreibung gegeben sind). Für B wird eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen. Der Kaufpreis wird fällig gestellt und auch gezahlt.
Nach Fälligkeitsmitteilung widerruft A die Vollmacht gegenüber C und teilt diesen Widerruf dem Grundbuchamt mit. Es ist unklar, ob die Vollmacht vor dem Antrag auf Eigentumsumschreibung beim Grundbuchamt widerrufen worden ist oder danach. Das Grundbuchamt lehnt wegen des Widerrufs die Eigentumsumschreibung zugunsten des B ab.
II. Frage
Lehnt das Grundbuchamt die Eigentumsumschreibung zu Recht ab?
III. Zur Rechtslage
1. Grundprinzipien der Ausfertigungssperre
Die sog. beurkundungsrechtliche Lösung sieht vor, dass Veräußerer und Erwerber in der Kaufvertragsurkunde die Auflassung erklären und die Eigentumsumschreibung bewilligen und beantragen. Damit der Erwerber die Auflassung und Bewilligung nicht verwendet, um vor Erbringung der Gegenleistung die Eigentumsumschreibung zu veranlassen, weisen die Beteiligten den Notar an, bis zur Eigentumsumschreibung grundbuchtaugliche Abschriften nur auszugsweise ohne den Text der Auflassung zu erteilen (vgl.
2. Materielle Rechtslage: Unwiderruflichkeit der Auflassung
Durch den Widerruf der Vollmacht könnte die Auflassung widerrufen worden sein. Voraussetzung eines wirksamen Eigentumsübergangs ist es, dass sich die Parteien im Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs (i. d. R. zum Zeitpunkt der Eintragung des Erwerbers im Grundbuch als neuer Eigentümer) noch über den Eigentumsübergang einig i. S. d.
Des Weiteren muss die Vertretungsmacht den gesamten Inhalt der vom Vertreter abgegebenen Erklärungen decken und zur Zeit der Auflassung bestehen. Ein späterer Widerruf der Vollmacht oder Wegfall der Vertretungsmacht beeinträchtigt die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Auflassung nicht (Staudinger/Pfeifer/Diehn, BGB, 2017, § 925 Rn. 72), und zwar auch dann nicht, wenn die Vertretungsmacht in der Zeit zwischen Auflassung und Eintragung endet. Das Grundbuchamt darf nicht den Nachweis des Fortbestands der Vertretungsmacht auch noch für den Zeitpunkt der Grundbucheintragung verlangen (Staudinger/Pfeifer/Diehn, § 925 Rn. 72). Ein Widerruf der Vollmacht wirkt nicht zurück (BayObLG
Folglich konnte die Auflassung nicht wirksam widerrufen werden und ihre Bindungswirkung ist auch nicht nachträglich wegen des Fortfalls der Vertretungsmacht entfallen.
3. Grundbuchverfahrensrechtliche Rechtslage
Vorliegend könnte man allerdings daran denken, dass die Auflassung ihre grundbuchverfahrensrechtliche Vollziehbarkeit verloren hat, weil die Bewilligung (§§ 19, 29 GBO), gerichtet auf Umschreibung des Eigentums auf den Erwerber, nachträglich weggefallen ist.
a) Allgemeines zum Wirksamwerden der BewilligungNach heute h. M. stellt die Eintragungsbewilligung gem.
Als verfahrensrechtliche Erklärung wird die Bewilligung wirksam, wenn die Urkunde in Urschrift, Ausfertigung oder beglaubigter Abschrift mit dem Willen des Erklärenden dem Grundbuchamt zur Herbeiführung einer Eintragung im Grundbuch zugeht (KG
Ausnahmsweise wird die Bewilligung bereits mit dem Abschluss des Beurkundungsvorgangs wirksam, wenn die Voraussetzungen vorliegen, die für den Begünstigten einen gesetzlichen (
b) Wirksamwerden der Bewilligung bei Abgabe durch einen Vertreter
Ob sich der Zeitpunkt der Wirksamkeit der Bewilligung anders beurteilt, wenn diese von einem Vertreter abgegeben wird, ist umstritten.
aa) E. A.: Bestand der Vollmacht im Zeitpunkt der Erklärung der Bewilligung
Die u. E. zutreffende Ansicht argumentiert, dass die von der Vollmacht gedeckte Bewilligungserklärung schon im Zeitpunkt ihrer Erklärung bestehe, das Erlöschen der Vollmacht zwischen notarieller Beurkundung oder Beglaubigung der Bewilligung und Eingang beim Grundbuchamt sich daher nicht auf die Wirksamkeit der Erklärung auswirke. Mit der Abgabe der Bewilligung sei diese als verfahrensrechtliche Erklärung nach außen dokumentiert, auf das Wirksamwerden komme es hingegen nicht an. Das nachträgliche Erlöschen der Vollmacht berühre den Bestand der Bewilligung als Eintragungsgrundlage und damit deren mögliche Verwendung im Grundbuchverfahren nicht (Schöner/Stöber, Rn. 3581 mit Rn. 102 a, 102 e). Denn auch sonst wird es bei verfahrensrechtlichen Erklärungen für unbeachtlich gehalten, wenn nach Erklärung, aber vor Wirksamwerden eine Handlungsvoraussetzung entfällt (dazu bereits ausführlich Gutachten
bb) A. A.: Bestand der Vollmacht bis zum Wirksamwerden der Bewilligung
Nach a. A. (OLG München
cc) Wirksamwerden bereits mit Abschluss der Beurkundung
Auch nach Auffassung des OLG München (
Für die notarielle Praxis ist zu beachten, dass der Anspruch gem.
Da im vorliegenden Fall der Kaufpreis bereits bezahlt worden ist, greift die Ausfertigungssperre ohnehin nicht mehr ein, sodass dem Erwerber ein Anspruch gem. § 51 Abs. 1 BeurkG zusteht. Nimmt man die – obiter dictum getroffene – Aussage des OLG München zu
4. Ergebnis
Der Widerruf der Vollmacht beseitigt nicht die Bindungswirkung der Auflassung und der abgegebenen Bewilligung; das Grundbuchamt weigert sich also zu Unrecht, die Eigentumsumschreibung durchzuführen.
Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass unabhängig von der vertretenen Ansicht jedenfalls aus dem wirksamen Kaufvertrag stets ein Anspruch auf (erneute) Abgabe der Bewilligungserklärung erwachsen dürfte.
171659
Erscheinungsdatum:10.10.2019
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
Sachenrecht allgemein
Beurkundungsverfahren
BGB § 167; BGB § 925; BeurkG § 53; BGB § 164