02. November 2023
BGB § 1960

Vollzug eines Grundstückskaufvertrags bei Wechsel des Nachlasspflegers

BGB § 1960
Vollzug eines Grundstückskaufvertrags bei Wechsel des Nachlasspflegers

I. Sachverhalt
Ein Grundstück wurde durch einen Nachlasspfleger verkauft. Die nachlassgerichtliche Genehmigung wurde erteilt und der Kaufpreis gezahlt. Der Nachlasspfleger bestätigt die Kaufpreiszahlung gegenüber dem Notar. Der Nachlasspfleger teilt dem Notar dabei außerdem die Kontaktdaten des neuen Nachlasspflegers mit, da er aus Altersgründen die Nachlasspflegschaft nach Abschluss des Kaufvertrags aufgegeben habe. Nun soll die Eigentumsumschreibung beantragt werden.

II. Fragen
1. Muss derjenige Nachlasspfleger, der den Kaufvertrag abgeschlossen hat, zum Zeitpunkt der Eigentumsumschreibung noch Nachlasspfleger sein, damit der Erwerber wirksam Eigentum erwirbt?

2. Muss der neue Nachlasspfleger alle Erklärungen des Kaufvertrags genehmigen, damit der Vertrag vollzogen werden kann? Ist für diese Genehmigung wiederum eine nachlassgerichtliche Genehmigung erforderlich?

III. Zur Rechtslage
1. Systematische Einordnung der Nachlasspflegschaft
Das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 4.5.2021 hat die Rechtsstellung des Nachlasspflegers grundsätzlich unverändert gelassen. Nach wie vor handelt es sich bei der Nachlasspflegschaft um eine „sonstige Pflegschaft“, die im Erbrecht geregelt ist. Für die Nachlasspflegschaft ist allerdings ab dem 1.1.2023 – sofern sich aus dem Gesetz nichts anders ergibt – das Betreuungsrecht über die Verweisung in § 1888 Abs. 1 BGB n. F. anwendbar, dagegen nicht mehr das Vormundschaftsrecht. Letzteres entsprach aufgrund der vormaligen Verweisung in § 1915 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. ins Vormundschaftsrecht der früheren Rechtslage (s. zum Ganzen BeckOGK-BGB/Heinemann, Std.: 15.12.2022, § 1960 Rn. 7).

2. Rechtsstellung des Nachlasspflegers; Abgrenzung zum Testamentsvollstrecker
Wesentlich für die Beurteilung der gestellten Rechtsfragen ist das Verständnis der Rechtsstellung des Nachlasspflegers. Dieser ist gesetzlicher Vertreter des endgültigen Erben (BGH NJW 2007, 756, 758; BGH NJW 1981, 2299; MünchKommBGB/Leipold, 9. Aufl. 2022, § 1960 Rn. 38; Najdecki, in: Burandt/Rohjahn, Erbrecht, 4. Aufl. 2022, § 1960 Rn. 21 f.). Dies wird zum einen schon aus dem Wortlaut des § 1960 Abs. 2 BGB gefolgert („für denjenigen, welcher Erbe wird“). Zum anderen folgt diese Stellung als gesetzlicher Vertreter der endgültigen Erben auch aus den die Stellung des Nachlasspflegers weiter ausgestaltenden gesetzlichen Vorschriften (§ 1960 Abs. 2, §§ 1962, 1888 Abs. 1, § 1823 BGB).
Demgegenüber ist der Testamentsvollstrecker eine „Partei kraft Amtes“. Er übt dieses ihm vom Erblasser verliehene private Amt kraft eigenen Rechts, unabhängig vom Willen der Erben, im eigenen Namen und fremdnützig aus. Der Testamentsvollstrecker ist also weder Vertreter des Erblassers noch – im Gegensatz zum Nachlasspfleger – Vertreter des Erben (grundsätzlich BGH NJW 1954, 1036, 1037; Überblick: Holtz, in: Bengel/Reimann/Holtz/Röhl, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 8. Aufl. 2023, § 1 Rn. 11 ff.).

Dementsprechend ist das Problem eines Wechsels in der Person des Vermögensverwalters beim Testamentsvollstrecker anhand einer anderen rechtlichen Kategorie zu beurteilen als beim Nachlasspfleger. Wechselt die Person des Testamentsvollstreckers, so ist keine Frage des Entfallens der Vertretungsmacht aufgeworfen, da der Testamentsvollstrecker eben nicht gesetzlicher Vertreter der Erben ist. Vielmehr geht es um den Fortbestand der Verfügungsbefugnis einer Partei kraft Amtes. Diese Verfügungsbefugnis muss grundsätzlich bis zur Vollendung des Rechtserwerbs vorliegen. Jedoch stellt sich die Frage, ob zum Schutz des Rechtsverkehrs ein Entfall der Amtsstellung des Testamentsvollstreckers nach dem in § 878 BGB geregelten Zeitpunkt unschädlich ist. Die wohl noch überwiegende Auffassung in der Rechtsprechung lehnt eine analoge Anwendung von § 878 BGB ab, während sie in der Literatur vielfach befürwortet wird (s. dazu bereits Gutachten DNotI-Report 2017, 65, 66; aktueller Überblick zum Streitstand: Grüneberg/Herrler, BGB, 82. Aufl. 2023, § 878 Rn. 11; ausf. BeckOGK-BGB/Kesseler, Std.: 1.5.2023, § 878 Rn. 28 m. w. N.; kautelarjuristische Überlegungen zum Problem beim Testamentsvollstrecker etwa bei Zahn, MittRhNotK 2000, 90, 108 f.).

3. Problemverortung beim Nachlasspfleger: Nachträgliches Entfallen der Vertretungsmacht
Demgegenüber stellt sich das Problem bei dem hier einschlägigen Wechsel in der Person des Nachlasspflegers in der Gestalt des nachträglichen Entfallens der Vertretungsmacht des auftretenden gesetzlichen Vertreters (hier: des Nachlasspflegers gem. § 1960 Abs. 2, §§ 1962, 1888 Abs. 1, § 1823 BGB). Nach einhelliger Auffassung ist § 878 BGB nicht anwendbar, wenn der Vertreter – auch im Falle gesetzlicher Vertretung – seine Vertretungsmacht nach Abgabe der Willenserklärung im Namen des Vertretenen verliert (Staudinger/Heinze, BGB, 2018, § 878 Rn. 20; Grüneberg/Herrler, § 878 Rn. 2; BeckOGK-BGB/Kesseler, § 878 Rn. 6). Materiell-rechtlich und grundbuchverfahrensrechtlich ist es vielmehr ausreichend, dass die Vertretungsmacht des Vertreters bei Abgabe der Willenserklärung im Namen des Vertretenen gem. § 164 Abs. 1 BGB gegeben war. Das Entfallen der Vertretungsmacht nach der Abgabe der Willenserklärung, aber noch vor dem in § 878 BGB genannten Zeitpunkt ist also unschädlich (s. bereits BayObLG DNotZ 1983, 752, 754). In einer älteren Entscheidung hat das OLG Celle (NJW 1953, 945) hierzu instruktiv begründend ausgeführt:

„Die verschiedene rechtliche Behandlung des Verwalters kraft Amtes und des Vertreters ist in dem Unterschied begründet, der zwischen beiden Rechtsinstitutionen besteht. Fällt die Vertretungsmacht fort, so bleibt die von einem Bevollmächtigten für den Vollmachtgeber abgegebene Erklärung genauso bestehen, wie wenn sie der Vollmachtgeber selbst abgegeben hätte. Ist dieser im Grundbuch als Berechtigter eingetragen, so ist der angeführte Grundsatz, dass das Recht des Berechtigten bis zur Vollendung der Rechtsänderung fortdauern müsse, nicht verletzt. Anders ist es dagegen, wenn der Verwalter kraft Amtes sein Amt verliert. Dieser hat, wie das KG im Zusammenhang mit der hier behandelten Frage wiederholt für den Konkursverwalter hervorgehoben hat (vgl. KG OLGRspr. 29, 398), nicht die Rechtsstellung eines gesetzlichen Vertreters. Er leitet sein Recht nicht vom Rechtsinhaber ab. Fällt die Verfügungsmacht des Konkursverwalters fort, so ist damit der Eintragung die Grundlage entzogen …“

4. Schlussfolgerungen für den konkreten Sachverhalt
Für den unterbreiteten Sachverhalt folgt daraus:

Es ist nicht erforderlich, dass derjenige Nachlasspfleger (= gesetzlicher Vertreter der Erben), der den Kaufvertrag abgeschlossen hat, noch zum Zeitpunkt der Eigentumsumschreibung Nachlasspfleger ist, damit der Erwerber wirksam Eigentum erwirbt. Die Erklärungen, die der bei Beurkundung des Kaufvertrages auftretende Nachlasspfleger abgegeben hat, wirken vielmehr fort. Wurde die Auflassung bereits mitbeurkundet, so bleiben die Beteiligten darüber hinaus unwiderruflich an die Auflassung gebunden (§ 873 Abs. 2, 1. Var. BGB). Ebenso ist die gem. § 1960 Abs. 2, §§ 1962, 1888 Abs. 1, § 1850 Nr. 1, 5 BGB erteilte nachlassgerichtliche Genehmigung zu den bei Kaufvertragsbeurkundung abgebenden Erklärungen weiterhin für den Grundbuchvollzug verwendbar. Weiterer Erklärungen bedarf es also nicht.

Gutachten/Abruf-Nr:

198257

Erscheinungsdatum:

02.11.2023

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Annahme und Ausschlagung der Erbschaft

Erschienen in:

DNotI-Report 2023, 166-167

Normen in Titel:

BGB § 1960