30. April 2021
BGB § 1066; BGB § 2021

Dingliche Surrogation betreffend den Nießbrauch an einem Erbteil bei Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft und Bildung von Wohnungs- und Teileigentum

BGB §§ 2041, 1066
Dingliche Surrogation betreffend den Nießbrauch an einem Erbteil bei Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft und Bildung von Wohnungs- und Teileigentum

I. Sachverhalt
Herr A sowie seine beiden Schwestern sind zu gleichen Teilen Miterben einer auch aus weiteren Beteiligten bestehenden Erbengemeinschaft. Die Erbengemeinschaft ist eingetragener Eigentümer eines Mehrfamilienhauses, das den letzten Nachlassgegenstand der Erbengemeinschaft darstellt.

Herr A hat die Hälfte seines Erbteils auf seine beiden Schwestern zu je ½-Anteil übertragen. Er hat sich für jeden übertragenen Erbteil den Nießbrauch vorbehalten. Der Nießbrauch ist als Recht im Grundbuch in Abteilung II nur lastend auf den seinen Schwestern übertragenen Erbteilen eingetragen. Die Erbengemeinschaft will sich nunmehr auseinandersetzen, und zwar in der Form, dass das Mehrfamilienhaus in Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilt wird und den einzelnen Miterben – jeweils ihren Erbteilen entsprechend – eine oder mehrere Wohnungen zu Eigentum übertragen werden. Der Nießbrauch an den übertragenen Erbteilen soll sich bei Begründung von Wohnungseigentum und Zuteilung der Wohnungen an die Miterben an den Wohnungen „fortsetzen“, die seine Schwestern in Bezug auf den übertragenen Erbteil erhalten.

II. Frage
Setzt sich der Nießbrauch an den übertragenen Erbteilen im Wege einer dinglichen Surrogation dergestalt durch, dass er ohne Neubestellung an dem zugeteilten Wohnungseigentum entsprechend der übertragenen Erbquote fortbesteht, oder muss er an den Erbteilen aufge­geben und am Wohnungseigentum neu bestellt werden?

III. Zur Rechtslage
1. Erbrechtliche Surrogation
Die erbrechtliche Surrogationsvorschrift des § 2041 BGB kommt im vorliegenden Fall zur Begründung einer dinglichen Surrogation betreffs des Nießbrauchs nicht in Frage. Denn zum einen setzt § 2041 BGB ein Sondervermögen voraus, gilt also grundsätzlich nur für die Erbengemeinschaft (BeckOK-BGB/Lohmann, Std.: 1.2.2021, § 2041 Rn. 1). Dementsprechend ordnet § 2032 Abs. 2 BGB an, dass (u. a.) § 2041 BGB nur „bis zur Auseinandersetzung“ Anwendung findet. Vorliegend wird die Erbengemeinschaft zumindest hinsichtlich des Mehrfamilienhauses jedoch gerade auseinandergesetzt. Zudem würde § 2041 S. 1 BGB auch hinsichtlich der vorliegend gewünschten Rechtsfolge nicht passen. Denn die Vorschrift ordnet die kraft Gesetzes eintretende Zugehörigkeit bestimmter Surrogate zur Erbengemeinschaft – also zum erbengemeinschaftlich gebundenen Vermögen – an. Zum Fortbestand von Belastungen erbengemeinschaftlich gebundener Gegenstände – wie vorliegend des Nießbrauchs – verhält sie sich dagegen nicht.

2. Surrogation nach Nießbrauchsrecht (§ 1066 Abs. 3 BGB)
Für eine Surrogation betreffs des Nießbrauchs an dem übertragenen Erbteil kommt § 1066 Abs. 3 BGB in Betracht. Die Vorschrift ordnet in ihrem unmittelbaren Anwen­dungsbereich an, dass bei Aufhebung der Gemeinschaft der Miteigentümer im Falle eines am Anteil eines Miteigentümers bestehenden Nießbrauchs dem Nießbraucher der Nießbrauch an den Gegenständen gebührt, die an die Stelle des Anteils treten.

a) Der vorliegende Fall betrifft den Nießbrauch an einem Erbteil. In der Tat kann – wie geschehen – ein Erbteil mit einem Nießbrauch belastet werden (s. etwa OLG Hamburg ZErb 2016, 209 ff.; Gutachten DNotI-Report 2014, 155 f.; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 1364, 1366). Dabei handelt es sich um einen Nießbrauch an einem Recht i. S. d. §§ 1068 ff. BGB. Für den Inhalt dieses Nießbrauchs finden gem. § 1068 Abs. 2 BGB die Vorschriften über den Nießbrauch an Sachen entsprechende Anwendung, soweit sich nicht aus den §§ 1069 bis 1084 BGB ein anderes ergibt. Im Rahmen der Verweisung des § 1068 Abs. 2 BGB findet damit auch § 1066 BGB auf den Nießbrauch an Rechten – wie hier an dem betreffenden Erbteil – grundsätzlich entsprechende Anwendung (BeckOGK-BGB/Servatius, Std.: 1.11.2019, § 1068 Rn. 19; MünchKommBGB/Pohlmann, 8. Aufl. 2020, § 1068 Rn. 19; Palandt/Herrler, BGB, 80. Aufl. 2021, § 1068 Rn. 2).

Hinsichtlich des Wohnungseigentums hat der BGH jedoch einmal gegen eine entsprechende Anwendbarkeit des § 1066 BGB entschieden (NJW 2002, 1647, 1649). Er hat dies u.a. damit begründet, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft – im Gegensatz zur Bruchteilsgemeinschaft (vgl. § 749 BGB) – gerade gem. § 11 Abs. 1 WEG unauflöslich sei. Nicht anwendbar soll § 1066 BGB auch bei einem Nießbrauch an Gesellschaftsanteilen sein (so MünchKommBGB/Pohlmann, § 1068 Rn. 19, 76 f.). Für den hier vorliegenden Nießbrauch an Erbteilen ist dagegen keine Stellungnahme aus Literatur oder Rechtsprechung zu unserer Kenntnis gelangt, die eine Anwendbarkeit des § 1066 BGB über § 1068 Abs. 2 BGB ablehnen würde. In der Tat spricht für die Anwendung des § 1066 BGB, dass die Erbengemeinschaft – anders als die Wohnungseigentümergemeinschaft – gem. § 2042 BGB regelmäßig auf Auseinandersetzung angelegt ist und daher die speziell auf die Situation der Aufhebung der Gemeinschaft zugeschnittenen Regelungen in § 1066 Abs. 2, 3 BGB gerade auch in Verbindung mit dem Nießbrauch an einem Erbteil einen sinnvollen Anwendungsbereich haben. Wir gehen daher davon aus, dass § 1066 Abs. 3 BGB bei der Belastung eines Erbteils mit einem Nießbrauch im Zuge der Aufhebung der Erbengemeinschaft ebenfalls Anwendung findet.

b) Die Aufhebung der Gemeinschaft unter den Miterben folgt an sich den gesetzlichen Regelungen der §§ 2042 Abs. 1, 2, 752 ff. BGB. Jedoch sind die gesetzlich zur Verfügung gestellten Teilungsvorschriften im Grundsatz dispositiv. Eine einvernehmliche vertragliche Regelung aller Miterben ist somit vorrangig (s. nur Palandt/Weidlich, § 2042 Rn. 13 m. w. N.). Wir nehmen daher an, dass die Anwendung von § 1066 BGB nicht zwingend voraussetzt, dass die Erbauseinandersetzung strikt den gesetzlichen Teilungsvorschriften entsprechend erfolgt. Vielmehr gelten §§ 1068 Abs. 2, 1066 BGB auch dann, wenn die Art und Wei­se der Erbauseinandersetzung unter den Miterben i. Ü. – wie hier – vertraglich geregelt wird.

c) Nach dem Wortlaut des § 1066 Abs. 3 BGB „gebührt“ dem Nießbraucher im Falle der Aufhebung der Gemeinschaft der Nießbrauch an den Gegenständen, die an die Stelle des Anteils treten. Diesem Sprachgebrauch des BGB folgend, hat die frühere Rechtsprechung zunächst aus dem Wort „gebührt“ gefolgert, dass der Nießbraucher nur ein obligatorisches Recht auf Bestellung des Nießbrauchs an den Ersatzgegenständen erwirbt (etwa RG JW 1914, 765, 766; KGJ 43, 268, 270; Überblick: Staudinger/Heinze, BGB, 2017, § 1066 Rn. 10; s. auch BeckOGK-BGB/Servatius, § 1066 Rn. 38; Palandt/Herrler, § 1066 Rn. 3). Später hat der BGH für die i. Ü. wortlautgleiche Vorschrift des § 1258 Abs. 3 BGB hinsichtlich des Sachpfandrechts demgegenüber abweichend i. S. d. Befürwortung einer dinglichen Surrogation entschieden. Er hat dabei – auch unter Heranziehung von § 1066 Abs. 3 BGB – mit der Schutzfunktion des Pfandrechts argumentiert. Die Annahme eines bloß obligatorischen Anspruchs auf Bestellung eines neuen Pfandrechts ziehe die Gefahr eines Rangverlustes des Pfandrechts und damit vielfach der Einbuße seines wirtschaftlichen Wertes nach sich. Dem sei durch die Annahme einer dinglichen Surrogation zu begegnen (BGH NJW 1969, 1347, 1348 f.; daran anschließend: BGH NJW 1972, 1045 f.). Die einhellige Auffassung in der Literatur tritt im Anschluss an die genannte Grundsatzentscheidung des BGH auch für den wortlautgleichen § 1066 Abs. 3 BGB für ein Verständnis i. S. e. dinglichen Surrogation und nicht bloß eines schuldrechtlichen Anspruchs auf Neubestellung des Nießbrauchs ein (s. nur Staudinger/Heinze, § 1066 Rn. 10; BeckOGK-BGB/Servatius, § 1066 Rn. 38; MünchKommBGB/Pohlmann, § 1066 Rn. 28). Auch die neuere Rechtsprechung (LG Saarbrücken NJW-RR 2010, 24, 25) hat sich dieser Auslegung des § 1066 Abs. 3 BGB angeschlossen. Der Nießbrauch entsteht also kraft Gesetzes dinglich außerhalb des Grundbuches, sobald ein Gegenstand an die Stelle des ideellen Anteils tritt. Die nachfolgende Grundbucheintragung des Nießbrauchs ist dann nur noch eine Grundbuchberichtigung (§ 894 BGB).

3. Rechtsfolgen für den vorliegenden Sachverhalt
Zu den Rechtsfolgen der auch für §§ 1068 Abs. 2 i. V. m. 1066 Abs. 3 BGB sonach anzunehmenden dinglichen Surrogation hat die Literatur nicht detaillierter Stellung genommen. Rein persönlich neigen wir – bezogen auf den hier unterbreiteten Sachverhalt – zu folgender Einschätzung: Unterstellt sei beispielsweise, dass A und seine beiden Schwestern jeweils Miterben zu je 1/5 (20 %) geworden sind, A jeweils einen Erbanteil von je 5 % (5/100) an seine beiden Schwestern übertragen und sich daran den Nießbrauch vorbehalten hat.

Die beiden Schwestern hätten nach dieser Übertragung dementsprechend eine vermögensmäßige Nachlassbeteiligung i. H. v. jeweils 25 %. An jeweils 5 % würde der dem A vorbehaltene Nießbrauch lasten. Insgesamt wäre damit bei jeder Schwester 1/5 ihrer vermögensmäßigen Stellung (5/25) von der Nießbrauchsbelastung betroffen. Wird nun die Erbengemeinschaft auseinandergesetzt und erhält jede Schwester bspw. ein Wohnungseigentum, so würden wir folglich davon aus­gehen, dass an die Stelle des Nießbrauchs an den Erbteilen kraft dinglicher Surrogation ein Nießbrauch an einem Miteigentumsbruchteil des neu erworbenen Wohnungseigentums tritt (s. hierzu Schöner/Stöber, Rn. 1366). Konkret würde sich der Nießbrauch im gebildeten Zahlenbeispiel bei beiden Schwestern an einem 1/5-Bruchteil des jeweiligen Wohnungseigentums kraft dinglicher Surrogation fortsetzen, also entsprechend dem bisherigen Verhältnis von nießbrauchsbelastetem Anteil zur gesamten vermögensmäßigen Beteiligung der Schwester am Nachlass (5/25). Darauf hinzuweisen ist aber, dass es sich bei dieser Rechtsanwendung lediglich um unsere persönliche Einschätzung handelt; spezifisch diese Konstellation betreffende Rechtsprechung und Literatur konnten wir insoweit nicht ausfindig machen.

Gutachten/Abruf-Nr:

181501

Erscheinungsdatum:

30.04.2021

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Erbengemeinschaft, Erbauseinandersetzung
Dienstbarkeiten und Nießbrauch

Erschienen in:

DNotI-Report 2021, 66-68

Normen in Titel:

BGB § 1066; BGB § 2021